Begegnungen am Meer - Elisabeth Swoboda - E-Book

Begegnungen am Meer E-Book

Elisabeth Swoboda

0,0

Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Monika Eckmann lag auf ihrer Luftmatratze in der prallen Sonne und döste vor sich hin. Sie hatte zwar ein Buch neben sich liegen, aber dessen Lektüre reizte sie nicht. Um die Wahrheit zu sagen – es gab zurzeit nichts, was ihr Spaß gemacht hätte. Sie hatte die Urlaubsreise nach Kreta lediglich deshalb angetreten, weil sie gehofft hatte, Ablenkung zu finden. Doch gerade die im Urlaub unvermeidliche Muße brachte ihr ihre Probleme erst recht zu Bewusstsein. Sie hätte natürlich Sport betreiben können. Es gab in der weitläufigen Hotelanlage die Möglichkeit, Tennis, Tischtennis, Boccia und Minigolf zu spielen. Außerdem konnte man Segelboote und Surfbretter ausleihen, aber nichts davon kam für Monika infrage. Erstens war sie ein eher unsportlicher Typ, zweitens brauchte man für Tennis und Tischtennis einen Partner. Selbst die vielen Sehenswürdigkeiten, die es auf der Insel gab, ließen die junge Frau kalt. Normalerweise hätte sie sich voll Begeisterung auf die stummen Zeugnisse vergangener Epochen gestürzt und besichtigt, was es zu besichtigen gab, aber im Moment hatte sie keine Lust, bei sengender Hitze zwischen alten Steinmauern herumzustapfen. Sie hatte einfach zu überhaupt nichts Lust. Sie lag lethargisch da und dachte nicht einmal an den Sonnenbrand, der ihr drohte, wenn sie sich nicht bald an ein schattiges Plätzchen zurückzog. Plötzlich traf etwas Kaltes ihre Beine, sodass sie erschrocken hochfuhr. »Entschuldige«, sagte ein zartes Kinderstimmchen. »Ich wollte dich nicht anspritzen. Ich bin gestolpert.« Ein kleines blondes Mädchen stand neben Monika und sah sie aus großen graublauen Augen ein wenig furchtsam an. In der linken Hand hielt das Kind einen Plastikeimer, der mit Wasser gefüllt war, in der rechten eine grüne Spielzeuggießkanne.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 148

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sophienlust – 346 –

Begegnungen am Meer

Ein Urlaub mit Folgen für Monika und Klein-Uschi!

Elisabeth Swoboda

Monika Eckmann lag auf ihrer Luftmatratze in der prallen Sonne und döste vor sich hin. Sie hatte zwar ein Buch neben sich liegen, aber dessen Lektüre reizte sie nicht. Um die Wahrheit zu sagen – es gab zurzeit nichts, was ihr Spaß gemacht hätte. Sie hatte die Urlaubsreise nach Kreta lediglich deshalb angetreten, weil sie gehofft hatte, Ablenkung zu finden. Doch gerade die im Urlaub unvermeidliche Muße brachte ihr ihre Probleme erst recht zu Bewusstsein. Sie hätte natürlich Sport betreiben können. Es gab in der weitläufigen Hotelanlage die Möglichkeit, Tennis, Tischtennis, Boccia und Minigolf zu spielen. Außerdem konnte man Segelboote und Surfbretter ausleihen, aber nichts davon kam für Monika infrage. Erstens war sie ein eher unsportlicher Typ, zweitens brauchte man für Tennis und Tischtennis einen Partner.

Selbst die vielen Sehenswürdigkeiten, die es auf der Insel gab, ließen die junge Frau kalt. Normalerweise hätte sie sich voll Begeisterung auf die stummen Zeugnisse vergangener Epochen gestürzt und besichtigt, was es zu besichtigen gab, aber im Moment hatte sie keine Lust, bei sengender Hitze zwischen alten Steinmauern herumzustapfen. Sie hatte einfach zu überhaupt nichts Lust. Sie lag lethargisch da und dachte nicht einmal an den Sonnenbrand, der ihr drohte, wenn sie sich nicht bald an ein schattiges Plätzchen zurückzog.

Plötzlich traf etwas Kaltes ihre Beine, sodass sie erschrocken hochfuhr.

»Entschuldige«, sagte ein zartes Kinderstimmchen. »Ich wollte dich nicht anspritzen. Ich bin gestolpert.«

Ein kleines blondes Mädchen stand neben Monika und sah sie aus großen graublauen Augen ein wenig furchtsam an. In der linken Hand hielt das Kind einen Plastikeimer, der mit Wasser gefüllt war, in der rechten eine grüne Spielzeuggießkanne.

»Ach, es ist ja nichts passiert«, sagte Monika beschwichtigend, jedoch mit einer leisen Unsicherheit. Der Umgang mit kleinen Kindern war ihr völlig fremd. Sie hatte keine Ahnung, inwieweit man mit ihnen ein vernünftiges Gespräch führen konnte.

Das kleine Mädchen mochte etwa drei Jahre alt sein. Es sah ausgesprochen niedlich aus mit seinen lockigen blonden Haaren, der runden Stirn und dem Stupsnäschen. Monika stieß unwillkürlich einen leisen Seufzer aus. Wie sehr hatte sie sich ein Kind gewünscht! So ein kleines Mädchen wie dieses hier war oft durch ihre Träume gegeistert.

»Wie heißt du?«, fragte das Kind und fügte, noch bevor Monika antworten konnte, hinzu: »Ich heiße Uschi. Ich wohne mit meiner Oma in dem großen Hotel. Wir sind mit einem Flugzeug hergeflogen.«

»Ja, ich bin ebenfalls geflogen«, sagte Monika lächelnd. »Ich heiße Monika.«

»Spielst du mit mir, Monika?« Uschi stellte Gießkanne und Eimer in den Sand und kauerte sich neben die junge Frau.

»Was möchtest du denn spielen?«

»Ach, irgendwas.«

»Hm … Soll ich dir helfen, eine Sandburg zu bauen?«, erkundigte sich Monika nach kurzem Zögern.

»Ja, bitte. Ich werde meine Schaufel holen …«

»Uschi! Lass die fremde Dame in Ruhe!«, unterbrach eine etwas scharfe weibliche Stimme das Kind.

Monika drehte sich um und gewahrte eine alte Dame, die einige Meter weiter weg auf einem Klappstuhl unter einem Sonnenschirm saß.

»Das ist meine Oma«, erklärte Uschi überflüssigerweise.

Monika lächelte der alten Dame zu und sagte: »Das Kind stört mich nicht. Ich würde gern mit ihm spielen.«

»Na schön. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …« Die alte Dame nickte gnädig mit dem Kopf.

Uschi lief davon und holte Schaufel, Rechen und Sandformen. Wenig später waren sie und Monika eifrig damit beschäftigt, in dem lockeren Sand herumzuwühlen.

Uschi schleppte vom Meer her Wasser herbei, um die aufgehäuften Sandhügel damit zu begießen und ihnen Festigkeit zu geben. Während Monika die Hügel in die nötige Form zu bringen trachtete, versuchte Uschi dazwischen kleine Sandmauern zu bauen. Die weißen Manschetten ihres karierten Kleidchens waren bald mit feuchtem Sand verschmiert, was Monika erst zu spät bemerkte.

»O weh, dein hübsches Kleidchen ist schmutzig geworden!« rief sie bedauernd aus. »Du hättest es ausziehen sollen. Ist dir denn nicht heiß?«

»Oma erlaubt nicht, dass ich mir das Kleid ausziehe«, entgegnete Uschi.

»Wir sind erst gestern angekommen«, warf die alte Dame ein. »Uschi ist die starke Sonne nicht gewöhnt. Sie hat eine sehr zarte Haut und bekommt leicht einen Sonnenbrand.«

»Sie haben recht«, pflichtete Monika Uschis Großmutter bei und tastete nach ihren eigenen Schultern. Zu spüren war noch nichts, aber sie argwöhnte, dass sie sich bereits zu lange in der prallen Sonne aufgehalten hatte. »Ich werde mir ebenfalls einen Sonnenschirm holen«, fügte sie hinzu.

»Kommen Sie doch unter meinen«, schlug Uschis Oma vor. »Er ist groß genug für uns drei.«

»Aber unsere Burg!«, wandte Uschi ein. Sie war nicht gewillt, den Schauplatz ihrer Tätigkeit so schnell wieder zu verlassen.

Monika ließ sich daher vom Strandaufseher einen Sonnenschirm bringen, der so in den Sand gerammt wurde, dass er die begonnene Burg mit seinen Schatten bedeckte. Dann wurde weitergegraben und geformt, bis es Zeit für das Mittagessen war.

»Du musst dein Spiel unterbrechen, Uschi!«, rief die alte Dame. »Es ist höchste Zeit. Bevor wir in den Speisesaal gehen, muss ich dich noch umziehen.«

»Ja, Oma, ich komme mit«, erwiderte das Kind folgsam, fragte aber gleich darauf: »Bauen wir die Burg nach dem Essen fertig?«

»Gewiss«, erwiderte Monika.

»Nach dem Essen wird geschlafen, Uschi«, erinnerte die Großmutter das Kind. »Bedanke dich bei der Dame, dass sie so geduldig mit dir gespielt hat, und komm endlich.«

»Danke, Monika«, sagte Uschi. Sie lächelte der jungen Frau noch einmal zu und trippelte dann an der Hand ihrer Großmutter dem Hotelkomplex zu.

Monika schlüpfte in ihre Badesandalen, stopfte das nicht gelesene Buch, die Flasche mit dem Sonnenöl und ihr Handtuch in die Badetasche, klemmte die Luftmatratze unter den Arm und schlug die gleiche Richtung ein.

Der geräumige Hotelspeisesaal war jetzt, in der Vorsaison, bei Weitem nicht voll besetzt. Monika hatte daher keine Mühe, ihre kleine Freundin vom Vormittag darin zu entdecken. Uschi saß mit ihrer Großmutter an einem Tisch unmittelbar neben dem Mittelgang. Monika schickte hin und wieder einen schnellen Blick hinüber. Sie wollte nicht neugierig erscheinen, aber sie konnte nicht anders, sie musste immer wieder zu dem Kind hinsehen.

Uschi war so herzig! Sie thronte auf einem erhöhten Stuhl und führte zierlich den Suppenlöffel zum Mund.

Monika wunderte sich. Sie hatte angenommen, dass so kleine Kinder ungeschickt seien und dass man sie füttern müsse. Bei Uschi schien das nicht der Fall zu sein. Als die Hauptspeise serviert wurde, beobachtete Monika, dass Uschis Großmutter die Fleischportion des Kindes in mundgerechte Stücke zerschnitt, aber dann aß das Kind ohne fremde Hilfe weiter und handhabte die Gabel ebenso geschickt wie zuvor den Löffel.

Nach dem Essen ging Monika auf ihr Zimmer, um sich eine Weile hinzulegen. Das ungewohnte Klima hatte sie müde gemacht. Als sie aber auf ihrem Bett lag, wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Ihre Gedanken weilten bei der kleinen Uschi. Sie fragte sich, was für Menschen die Eltern des Kindes wohl sein mochten. Sicher liebten sie ihre kleine Tochter und waren stolz auf sie. So ein süßes kleines Mädchen wie Uschi musste man einfach lieb haben.

Monika stieß einen tiefen Seufzer aus. Wie sehr hatte sie sich nach einem Kind gesehnt, doch diese Sehnsucht war nicht in Erfüllung gegangen. Nun, vielleicht war es besser so. Ein Kind hätte alles viel komplizierter gemacht, die Trennung von Werner und dann die Scheidung … Aber vielleicht wäre es niemals so weit gekommen, wenn ein Kind da gewesen wäre. Es hieß ja, dass Kinder eine Ehe festigten, dem Zusammenleben einen größeren Halt verliehen. Vielleicht hätte die Vaterschaft Werner in einen verlässlichen und treuen Ehemann verwandelt … Nein, das kaum, dachte Monika. Auch mit einem gemeinsamen Kind hätte ich Werner nicht länger halten können. Im Gegenteil, es wäre vermutlich schon viel früher zu einer Scheidung gekommen. Werner war ja derjenige gewesen, der keine Kinder hatte haben wollen.

»Es wäre verantwortungslos, Kinder in diese hässliche Welt zu setzen«, hatte er stets behauptet. Anfangs hatte Monika ihm halbherzig zugestimmt, später hatte sie zu argumentieren versucht, und zum Schluss hatte sie Werner beschuldigt, Ausflüchte zu gebrauchen, um die eigene, lieb gewonnene Bequemlichkeit nicht zu gefährden. Ein Wort hatte das andere gegeben – und Werner hatte sich schließlich gekränkt von ihr zurückgezogen und war in die Arme einer Freundin geflüchtet, die ihm mehr Verständnis entgegengebracht hatte.

Monika stieß einen zweiten Seufzer aus. Diese Überlegungen führten zu nichts. Sie vergrößerten höchstens die Verbitterung, gegen die sie seit ihrer Scheidung ankämpfte. Um ihr zu entgehen, war sie in den Urlaub gefahren, an einen Ort, an dem sie noch nie gewesen war, an den sich keine sentimentalen Erinnerungen knüpften.

Da ein Nickerchen sich nicht herbeizwingen ließ, stand Monika wieder auf, zog die Jalousie hoch und trat vor den Spiegel. Sie spürte inzwischen, dass die Haut ihrer Schultern und Oberarme unangenehm spannte und jede Bewegung schmerzte. Jetzt, vor dem Spiegel, stellte sie eine deutliche Rötung fest. Sie hatte sich zweifellos einen Sonnenbrand zugezogen.

»Das kommt davon, dass ich keine Großmutter mehr habe, die mir befiehlt, mein Kleid anzulassen«, ging es Monika durch den Sinn. Sie musste dabei ein wenig lachen.

Zum Glück war der Schaden nicht so arg. Monika trug eine lindernde Creme auf und schlüpfte anschließend in ein duftiges Baumwollkleid, das hochgeschlossen war und halblange Ärmel hatte.

Etwas später schlenderte die junge Frau durch den Innenhof des Hotels, wo man Schatten spendende Bäume und Sträucher angepflanzt hatte. Sie hatte es in ihrem Zimmer nicht mehr ausgehalten. Sie wollte unter Menschen sein, plaudern und neue Anregungen empfangen. Doch leider schien es niemanden zu geben, der ihr dazu verhelfen würde. Die übrigen Hotelgäste waren hauptsächlich Engländer und Franzosen. Monika hatte zwar während ihrer Schulzeit Englisch und Französisch gelernt, aber das meiste davon im Laufe der Jahre wieder vergessen. Einem Gespräch in einer Fremdsprache fühlte sie sich daher nicht gewachsen. Und die deutschen Gäste, die es hier gab, bestanden außer Uschi und ihrer Großmutter aus Paaren, die bestimmt keinen Kontakt mit einer alleinreisenden Frau suchten.

Monika ließ sich ziemlich entmutigt auf einen Gartenstuhl sinken und schlug den Reiseführer, den sie mitgenommen hatte, auf. Am nächsten Tag wollte sie den Palast von Knossos besichtigen. Das war immer noch besser, als gelangweilt herumzusitzen oder in Selbstmitleid zu versinken.

Monika vertiefte sich in ihre Lektüre, bis eine unerwartete Ablenkung für Unterbrechung sorgte.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte Uschis Großmutter.

Monika sah überrascht auf. »Ja, bitte gern«, erwiderte sie. Sie stand auf und zog einen zweiten Gartenstuhl neben den ihren.

Die alte Dame setzte sich und bemerkte dabei: »Ich habe von meinem Balkon aus gesehen, dass Sie in den Garten kamen. Übrigens, mein Name ist Kainz, Anna Kainz.«

»Sehr erfreut«, murmelte Monika. »Ich heiße Monika Eckmann.«

Nach dieser gegenseitigen Vorstellung trat eine kurze Pause ein, bis Monika sich schüchtern erkundigte: »Schläft Ihre Enkelin?«

»Ja, sie ist endlich eingeschlafen, nachdem sie eine Weile gequengelt und sich hin und her gewälzt hat. Die Hitze hier ist wirklich unangenehm! Wenn wenigstens die Klimaanlage in den Zimmern ordentlich funktionieren würde! Ich selbst vertrage die Hitze auch so schlecht.«

Monika wollte fragen, was Frau Kainz veranlasst habe, trotz der hier herrschenden Hitze nach Kreta zu reisen, aber sie kam nicht dazu, denn die alte Dame beantwortete diese Frage von selbst. »Ich habe diese Reise Uschis wegen auf mich genommen«, erklärte sie. »Das Kind war den Winter über ununterbrochen erkältet. Seine Bronchitis zog sich bis in den Frühling hinein. Der Arzt riet uns zu einem Klimawechsel. Na ja, und jetzt sind wir eben hier.«

»Ich finde die Hitze nicht so schlimm«, meinte Monika. »Wir haben ja noch lange nicht Hochsommer.«

»Im Sommer würde ich hier verkommen!«, rief Frau Kainz aus. »Mein Herz ist nicht in Ordnung. Außerdem bin ich immerhin schön zweiundsiebzig. Ja, wenn man jung ist, so wie Sie, dann verträgt man jedes Klima.«

»Gar so jung bin ich nicht mehr«, murmelte Monika. »Ich bin einunddreißig.«

»Was ist das schon! Mit einunddreißig haben Sie fast noch das ganze Leben vor sich.« Die alte Frau zögerte, aber dann war ihre Neugier doch stärker als ihr Zartgefühl. »Sie sind allein hier?«, fragte sie.

»Ja.«

»Haben Sie denn keinen …, keine Freundin, die mit Ihnen in den Urlaub gefahren wäre? Zu zweit ist alles viel lustiger. Als ich in Ihrem Alter war, nun, da war ich natürlich verheiratet. Meine Tochter wurde erst einige Jahre später geboren, sodass ich zusammen mit meinem Mann viele unbeschwerte Urlaube verbringen konnte. Wir hatten zwar nicht viel Geld damals, aber es war trotzdem eine wunderschöne Zeit.«

»Äh – ja, gewiss. Das kann ich mir vorstellen«, warf Monika ein, da sie fühlte, dass eine derartige Bemerkung von ihr erwartet wurde.

»Ach, vorbei ist vorbei«, seufzte die alte Dame. »Mein Mann ist vor zehn Jahren gestorben. Es war ein harter Schlag für mich, denn wir führten eine gute Ehe. Mein Mann gab mir nie einen Grund, mich über ihn zu beklagen. Manchmal denke ich, dass mein Ernst eine seltene Ausnahme darstellte. Die meisten Männer bringen ihren Frauen ja doch nur Ärger, wenn nicht Schlimmeres.«

Jetzt seufzte auch Monika, was Frau Kainz nicht entging. Sie warf der jungen Frau einen schnellen Seitenblick zu und fragte mitfühlend: »Haben Sie etwa eine böse Erfahrung hinter sich? Verzeihen Sie, ich wollte bestimmt nicht daran rühren.«

Monika zuckte mit den Schultern. Die Wende, die die Unterhaltung genommen hatte, war ihr peinlich. Sie sprach nicht gern über ihre verpfuschte Ehe. Umgekehrt wäre es aber lächerlich gewesen, daraus ein Geheimnis zu machen.

»Ich bin seit Kurzem geschieden«, sagte Monika. »Ja, es war eine böse Erfahrung, aber …, aber …«

»Sie werden bald einen neuen Partner gefunden haben«, meinte Frau Kainz, als Monika stockte. »Bei Ihrem Aussehen ist das bestimmt nicht schwierig. Aber seien Sie vorsichtig, damit Sie nicht neuerlich enttäuscht werden. Manche Frauen haben immer wieder Pech mit den Männern. Meine Tochter zum Beispiel … Ihr erster Verlobter löste sang- und klanglos die Verlobung, der zweite war überhaupt ein unmöglicher Kerl, und der dritte, den sie dann dummerweise wirklich geheiratet hat, der ist der ärgste von allen. Mein armes Kind! Ich habe sie so oft gewarnt, aber sie wollte ja nicht auf mich hören.«

Monika bemerkte erschrocken, dass die alte Dame neben ihr in echte Aufregung geraten war. Ihr vorher eher blasses Gesicht war nun von einer dunklen, ungesunden Röte überzogen. Sie zitterte und war offensichtlich nicht imstande weiterzusprechen.

»Bitte, beruhigen Sie sich. Kann ich etwas für Sie tun? Soll ich Ihnen etwas zu trinken holen?«, fragte Monika.

»Nein, danke. Ich darf nur nicht daran denken. Mein armes Kind und dieser gewissenlose Mensch, der keine Rücksicht auf sie genommen hat. Aber was hilft es? Besser, man redet nicht darüber. Erzählen Sie lieber von sich, Frau Eckmann. Haben Sie einen interessanten Beruf?«

»Interessant? Ach, ich weiß nicht. Ich bin Bankangestellte.«

»Wenigstens lenkt Ihr Beruf Sie von Ihren privaten Sorgen ab«, meinte Frau Kainz.

»Das tut er eben nicht«, entgegnete Monika ziemlich heftig. »Mein …, mein geschiedener Mann arbeitet in demselben Bankhaus wie ich. Er läuft mir ständig über den Weg und hat auch noch die Frechheit, mich freundlich zu grüßen und so zu tun, als ob wir als gute Freunde auseinandergegangen wären.«

»Könnten Sie denn nicht Ihre Stelle wechseln?«, schlug die alte Dame vor. »Oder sich in eine Zweigstelle versetzen lassen?«

»Ja, daran dachte ich selbst schon«, räumte Monika ein. »Am liebsten würde ich in eine fremde Stadt übersiedeln.«

»Ja, Sie sollten einen neuen Anfang wagen. Sie sind so hübsch! Es fällt Ihnen sicher leicht, die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen.«

Monika stieß einen abwehrenden Laut aus. Es war ihr unangenehm, dass Frau Kainz bereits zum zweiten Mal ihr Aussehen lobte. Gewiss, sie fand sich selbst keineswegs hässlich, aber sie hielt sich auch nicht für eine Schönheit. Sie war verhältnismäßig groß, schlank, besaß naturgelockte aschblonde Haare und große graugrüne Augen. Mund und Nase waren weder zu groß noch zu klein, ihre Zähne waren weiß, gesund und regelmäßig. Ja, Monika konnte mit ihrem Äußeren zufrieden sein, aber Frau Kainz’ Anspielung – nämlich, dass die Männer sich um sie reißen würden – stimmte nicht. Dazu war sie viel zu zurückhaltend. Mit einundzwanzig Jahren hatte sie geheiratet, weniger aus Liebe, sondern weil ihre Eltern und Schwiegereltern es für selbstverständlich gehalten hatten. Die beiden Familien hatten einander seit Jahren gekannt. Es war so überaus passend erschienen, dass der zweiundzwanzigjährige Werner und die einundzwanzigjährige Monika geheiratet hatten. Monika hatte sich dem Wunsch ihrer Eltern auch nicht widersetzt. Werner hatte ihr ja gefallen, und andere Burschen hatte sie nicht gekannt. Natürlich hatte es in ihrer jungen Ehe von Anfang an Differenzen gegeben, die jedoch im Laufe der Zeit seltener geworden waren. Sie hatten sich aneinander gewöhnt, und wenn jemand Monika gefragt hätte, ob sie ihren Mann liebe, hätte sie unbedenklich mit Ja geantwortet. Sie war überzeugt gewesen, dass auch Werner sie liebe, bis sie eines Tages festgestellt hatte, dass ihr Ehemann sie laufend betrog. Eine seiner wechselnden Freundinnen hatte sie aufgesucht und sie klipp und klar aufgefordert, Werner freizugeben. Monika war aus allen Wolken gefallen. Sie hatte es nicht glauben wollen, bis ihr verschiedene Vorfälle aus der Vergangenheit eingefallen waren, denen sie früher keine Bedeutung beigemessen hatte. Sie hatte voller Naivität an Werners Kartenabende, an seinen Kegelklub und an seinen Bergsteigerverein geglaubt und sich brav um den Haushalt gekümmert, während er unterwegs gewesen war.

Nach einem kurzen Stillschweigen nahm Frau Kainz das Gespräch wieder auf. Sie erzählte von ihrer Absicht, Uschi ab nächsten Herbst in einen Kindergarten zu geben, damit das Mädchen Spielgefährten bekam. »Die einzige Sorge, die ich dabei habe, ist die, dass Uschi sich dort mit sämtlichen Kinderkrankheiten ansteckt«, fügte sie hinzu.

»Nun ja, das wird sich schwer vermeiden lassen«, erwiderte Monika vage, da sie in Gedanken noch beim Ende ihrer Ehe war. »Vielleicht sollten Sie das Kind impfen lassen«, schlug sie vor.

»Ja, das habe ich vor. So, und jetzt muss ich nach dem Kind sehen. Uschi wird bald aufwachen. Sehen wir uns später am Strand?«