Beobachtet: Die Dunkelheit der Wildnis - Nicole Ropella - E-Book

Beobachtet: Die Dunkelheit der Wildnis E-Book

Nicole Ropella

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Beschreibung

Sechs junge Leute aus verschiedenen Ländern machen sich auf, eine schönen Wanderurlaub in der kanadischen Wildnis zu erleben. Ein Teilnehmer verschwindet nachts und wird verletzt in einer Höhle wiedergefunden. Auch haben sie das Gefühl von etwas beobachtet zu werden. Ihr Gefühl soll sie nicht täuschen, aber was sie erwartet übertrifft ihre Erwartungen. Manche wachsen über sich hinaus, aber wird es reichen, damit sie lebend zurückkommen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nicole Ropella

Beobachtet:

Die Dunkelheit der Wildnis

Roman

Impressum:

Texte: © 2025 Copyright by Nicole Ropella

Umschlaggestaltung: © 2025 Copyright by SelfPubBookCovers.com/ AKcoverdesign

Nicole Ropella

c/o Block Services

Stuttgarter Str. 106

70736 Fellbach

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH,

Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Danksagung

Ich möchte mich von Herzen bei meiner Mutter für ihre unermüdliche Unterstützung und Liebe bedanken. Ein besonderer Dank gilt Tomasz, dessen Geduld und Glaube an mich mich stets motiviert haben. Ebenso danke ich Sam Hester für seine Inspiration – ohne ihn wäre dieses Buch nie entstanden. Mein Dank geht auch an meine Probeleser Thorsten Schwesig und Ulrike Sturm, die mir wertvolle Ratschläge gegeben haben. Zuletzt danke ich meinen Lesern, deren Begeisterung und Interesse mich immer wieder angetrieben haben.

Haftungsausschluss

Alle Personen, Ereignisse und Handlungen in diesem Werk sind frei erfunden. Etwaige Übereinstimmungen mit realen Personen, lebend oder verstorben, sowie tatsächlichen Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Für Tomasz

Personenbeschreibungen

Paul Baker

ist 24, groß und schlank, aber gleichzeitig muskulös. Sein Gesicht wird umrahmt von den etwas längeren blonden Haaren. Auffallend sind seine strahlendblauen Augen und sein fürsorgliches Wesen. Seit einem halben Jahr ist er mit Rebecca zusammen, die er an der Uni kennengelernt hat. Seine Liebe zur Natur rührt von der Freiheit seiner Kindheit, die er auf einer Farm in ärmlichen Verhältnissen erlebte. Da er jetzt mit Rebecca zusammen in London wohnt und arbeitet, fehlt ihm die Freiheit der Natur.

James Baker

ist 27 und im Gegensatz zu seinem Bruder Paul hat er braune Haare und Augen. Meist trägt er einen Dreitagebart. Verheiratet ist er mit Nancy und hat eine kleine Tochter Molly. Als der Ältere der Brüder hat er die Farm übernommen und liebt seinen Bruder über alles.

Rebecca Stratton

sie ist die Freundin von Paul und wie er 24. Es tut ihrer Schönheit keinen Abbruch, dass sie ziemlich klein ist. Ihre langen dunkelblonden Haare fließen über ihren Rücken und in ihrem Gesicht funkeln wie Smaragde ihre Augen. Trotz allem ist sie ein lustiger, hilfsbereiter Mensch, der keineswegs eingebildet ist. Da ihren Eltern eine große Bankkette gehört, gehört sie zu den glücklichen Menschen, die nie finanzielle Probleme hatte.

Lulu Wang

ist seit drei Jahren mit Jin Li zusammen, davon sind sie seit zwei Jahren verheiratet. Kennengelernt haben sie sich in der Kampfsportschule, die jetzt ihnen gehört. Durch das ständige Training ist Lulu muskulös und verfügt über einen eher männlichen Körper. Sie ist recht groß und hat dunkelbraune kurze Haare und mandelförmige dunkelbraune Augen. Durch ihre schwierige Vergangenheit hat sie gelernt sich durch das Leben zu kämpfen.

Jin Li

wie auch Lulu ist er 23. Sein Äußeres ähnelt dem von Lulu, allerdings ist er einen halben Kopf kleiner. Beide leben in Shanghai. Er stammt aus armen Verhältnissen, sein Vater ist Fischer, und er und seine Mutter leben von dem was er fängt. Er ist eher ein ängstlicher und vorsichtiger Typ. Aus Angst Lulu zu verlieren, verschweigt er ihr die Wahrheit über seine Herkunft.

Mateo Ruiz

ist ein 27 Jahre alter Bauingenieur aus der Nähe von Buenos Aires, der dank Green Card in den USA lebt. Er hat dunkelblonde Haare, die er an den Seiten kurz und oben auf dem Kopf etwas länger trägt. Seine braunen Augen versprühen einen liebevollen Blick, der das Herz von Sofia, vor vier Jahren, im Sturm erobert hat. Mit seinen Muskeln und seinem Dreitagebart versucht er seinen weichen Kern zu vertuschen.

Sofia Martinez

ist die Freundin von Mateo und lebt mit diesem in Miami, wo sie als Architektin arbeitet. Wie er, kommt auch sie aus der Nähe von Buenos Aires. Sie ist ziemlich klein, ihr schwarzes Haar fällt ihr in Wellen bis kurz über die Schulter, ihre Augen sind braun und ihre Haut ist immer leicht gebräunt. Obwohl sie 25 ist, ist sie eine sehr ängstliche Person.

Mason Miller

arbeitet in Fort Nelson, wo er auch geboren wurde, als Guide und ist bereits 31.Er ist groß gewachsen und hat dichte, längere, gewellte dunkelbraune Haare. Obwohl sein Gesicht von einem Bart verdeckt wird, leuchten einem eisblaue Augen entgegen. Durch den ständigen Aufenthalt in der Natur und durch körperliches Training ist er gebräunt und muskulös. Da er die Natur liebt und sie dem Stadtleben vorzieht, ist er noch immer Single.

Liam Murphy

kommt aus Vancouver, ist erst 22 und befindet sich noch im Studium. Er ist mittelgroß und hat kurze blonde Haare. Seine Augen und auch seine Angst werden von einer Nickelbrille verdeckt. Er weiß vieles und hat sich vieles angelesen.

Lucas Hoffmann

ist der „große“ Bruder von Marco. Er wohnt im Ruhrgebiet und ist 28. Sein Traum von der professionellen Boxkarriere zerplatzte. Seine braunen Haare trägt er meist auf eine Länge von 3 mm rasiert und die meisten Stellen seines Körpers zieren Tattoos.

Marco Hoffmann

„kleiner“ Bruder von Lucas. Das trifft allerdings nur auf das Alter zu, Größenmäßig ist er zwei Köpfe größer als Lucas. Was allerdings nicht schwierig ist, da Lucas „nur“ 1.75 ist. Er ist wegen der Arbeit nach Kanada gekommen.

Teil 1

T1 - 1 Paul Baker

Ich sitze mit meiner Freundin Rebecca Stratton im Flugzeug. Wir wohnen in London und es ist unser erster gemeinsamer Urlaub. Wir sind beide 24 und haben uns an der Uni kennengelernt. Zusammen sind wir erst seit kurzer Zeit, weil ich mich nie getraut habe, Becci, wie ich sie liebevoll nenne, anzusprechen. Ich habe sie in der Uni immer nur von weitem angehimmelt, weil ich der Überzeugung war, sie spiele in einer anderen Liga und würde sich sowieso nicht für mich interessieren, bis meine Chance kam.

Ich sah sie jeden Morgen, wenn sie den Vorlesungsraum betrat. Ein Strahlen umgab sie, so dass der Raum erhellt wurde. Zumindest kam es mir so vor. Der Duft ihres Parfüms wehte herüber, wenn sie ihre Haare zurückwarf. Und mir fiel regelmäßig die Kinnlade runter, woraufhin mir mein Freund einen Stoß in die Seite versetzte.

Eines Nachmittages, nach den Prüfungen, es goss wie aus Eimern, sah ich sie. Sie rannte über den Campus und versuchte dem Regen zu entgehen. Einen Schirm hatte sie nicht, denn bis vor fünf Minuten schien ja auch noch die Sonne. Sie hatte fast das rettende Dach erreicht, da passierte es. Sie stolperte und all ihre Unterlagen und Bücher ergossen sich auf dem Boden.

Das ist meine Chance dachte ich mir und rannte zu ihr. Schnell beeilte ich mich ihr zu helfen. Als ich das letzte Blatt aufheben wollte, griff sie auch danach. Unsere Hände berührten sich und es war, als wenn wir vom Blitz getroffen wurden. Wir schauten auf und ich sah in ihre grünen Augen. Durch meinen lauten Herzschlag vernahm ich ihre Stimme: Darf ich dich auf einen Kaffee einladen? Mein Herz setzte kurz aus. Hatte sie das gerade wirklich gefragt? So fing alles an und jetzt sind wir ein Paar.

Verträumt sehe ich sie von der Seite an. Ich weiß gar nicht womit ich sie verdient habe. Ich selbst bin 1,90 m und schlank, aber muskulös. Meine blonden Haare trage ich etwas länger. Ich habe strahlendblaue Augen, aber das ist auch das Einzige Besondere an mir.

Becci hingegen ist ziemlich klein, vielleicht 1,65 m und besitzt einen wohlgeformten, schlanken Körper. Ihr dunkelblondes glattes Haar fließt ihren Rücken herunter. Sie hat grüne Augen, wobei man sagt Menschen mit grünen Augen wären unehrlich. Aber hat man erstmal ihr Herz erobert, geht sie für einen durch das Feuer. Sie ist bildhübsch, trotzdem hat sie ihren fröhlichen Charakter behalten und ist kein bisschen eingebildet. Nach der Uni hat sie einen Job in der Bank ihrer Eltern bekommen. Da sie die Bank eines Tages übernehmen soll, durchläuft sie aktuell ein Traineeprogramm für angehende Führungskräfte. Für mich bleibt da nur wenig Zeit.

Lange habe ich gebraucht ihr die Wahrheit über meine Familie zu sagen. Meine Eltern besitzen eine kleine Farm, die nicht genug für mich und meine Geschwister abwirft. Während der Sommermonate zur Erntezeit helfe ich dort aus. Man könnte sagen, ich stamme aus ärmlichen Verhältnissen, wohingegen sie zur High Society gehört. Ihren Eltern gehört eine ganze Bankkette, zu der die Bank gehört, in der ich nun arbeite. Meine Eltern haben mir zwar das Studium ermöglicht, aber den Job in der Bank bekam ich nur durch Vitamin B. Allerdings arbeite ich jetzt weit unter ihr, aber das ist uns egal. Nur nicht ihren Eltern, die sich einen standesgemäßen Partner für die Zukunft ihrer Tochter Becci wünschen.

Das „Bitte anschnallen“ Symbol reißt mich aus meinen Gedanken. Gleich landen wir in Vancouver. Morgen geht es dann weiter nach Prince George und dann nach Fort Nelson. Dort werden wir unseren Guide für die nächsten zehn Tage treffen. Ich habe schon viel Gutes über ihn gelesen. Wir wollen, ich hoffe Becci will mir nicht nur einen Gefallen tun, ein paar Tage dem grauen Alltag in der Großstadt entfliehen und haben uns für eine geführte Wanderung in der Wildnis Kanadas angemeldet. Endlich kein Stress, Lärm, Gestank…, alles, was ein Leben in der Stadt mit sich bringt.

Becci und ich stehen auf, recken und strecken uns nach dem langen Flug. Wir haben zwar Glück gehabt und einen Direktflug von London nach Vancouver gehabt, trotzdem hat es ewig gedauert. Fast zehn Stunden hat der Flug gedauert. Ich schnappe mir das Handgepäck und gehe auf den Ausgang des Flugzeuges zu.

Nach einer weiteren Stunde, die wir mit dem Warten auf unser Gepäck und den Sicherheitskontrollen verbringen, verlassen wir völlig erschöpft das Flughafengebäude. Für Anfang Juli haben wir eigentlich mit wärmerem Wetter gerechnet. Ok, wir haben hier auch schon nach zehn. Als wir gelandet sind, ging gerade die Sonne unter, und der Himmel war dabei sich zuzuziehen.

T1 - 2 Rebecca Stratton

„Lass uns ein Taxi zum Hotel nehmen, ich will nur noch unter die Dusche und ab ins Bett.“ sage ich.

„Aber wir haben doch gesagt wir wollen sparsam in diesem Urlaub sein und nicht unnötiges Geld verplempern! Komm, lass uns den Bus nehmen.“

Das ist mal wieder typisch Paul, manchmal kann er so stur sein, wie ein Esel. Vor allem, wenn es ums Geld geht. Nur weil er weiß, dass ich aus reichem Hause stamme, ist er ständig der Meinung mir beweisen zu müssen, dass es auch so geht und er für uns sorgen kann. Dabei liebe ich ihn auch so und würde alles Geld für ihn hergeben. Deswegen hatte ich bereits des Öfteren Streit mit meinen Eltern, weil diese die Meinung vertreten er wäre nur des Geldes wegen mit mir zusammen und sowieso ist er als Farmerssohn nicht gut genug. Dass es so etwas wie Liebe gibt, können sich meine Eltern nicht vorstellen. Aber von alledem weiß Paul nichts und soll es auch nicht erfahren.

Nach einer zweistündigen Odyssee mit verschiedenen Bussen durch Vancouver kommen wir endlich im Hotel an. Mit dem Hotel habe ich mich durchsetzen können. Ich will vor unserem Trip in die Wildnis wenigstens noch einmal in einem schönen weichen Bett schlafen. Wer weiß, was uns dort alles erwartet. Die Idee zu der Tour kam von Paul und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Und romantische Abende am Lagerfeuer haben ja auch was. Das Duschen habe ich für heute abgehakt. Todmüde falle ich neben Paul ins Bett.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück machen wir uns wieder auf den Weg zum Flughafen. Diesmal kann ich mich durchsetzen und wir fahren mit dem Taxi. Die abenteuerliche Fahrt gestern mit dem Bus hat auch Paul gereicht. Und es ist zu riskant wieder zwei Stunden durch ganz Vancouver zu fahren. Um zehn soll schon planmäßig unser Flieger nach Prince George gehen, und den wollen wir natürlich nicht verpassen. Dort müssen wir dann nach Fort Nelson umsteigen. Und wenn alles funktioniert, treffen wir dann unseren Guide Mason Miller und die restlichen Teilnehmer.

T1 - 3 Jin Li

Heute ist endlich der Große Tag gekommen und wir machen uns auf den Weg nach Vancouver. Wir wohnen im Großstadtmief von Shanghai und wollen dem Lärm und Gestank entfliehen. Lange haben wir für diesen Urlaub gespart und wollen an einer geführten Wanderung durch die Wildnis von Kanada teilnehmen. Leider können wir nicht direkt durchfliegen, sondern müssen in Hongkong umsteigen. Was heißt leider? Es ist billiger.

Ich schaue meine Frau Lulu Wang lange an. Welch Glück ich doch habe, sie meine Frau nennen zu dürfen. Sie hat dunkelbraune kurze Haare, wie ich auch, und wir haben beide dunkelbraune fast schwarze mandelförmige Augen. Auch haben wir beide einen ebenmäßigen porzellanartigen Teint. Da wir beide schon 23 sind, wollen wir nach der Reise mit der Familienplanung anfangen. Kennengelernt haben wir uns in der Kampfsportschule, vor ungefähr drei Jahren. Mittlerweile gehört sie uns, und seit zwei Jahren sind wir nunmehr verheiratet. Lulu war dort das einzige Mädchen und wollte unbedingt kämpfen lernen. Inzwischen ist sie viel besser als ich und macht mich locker fertig. Lulu war eigentlich der Grund, warum ich dortgeblieben bin. Ich wollte ihr immer beweisen was für ein starker und toller Typ ich doch bin. Das will ich noch bis heute. Eigentlich bin ich es gar nicht.

Weil sie so stark ist, habe ich mich auch nie getraut ihr die Wahrheit über meine Eltern zu sagen. Ich weiß nicht, was ich erwarte? Dass sie mich umhaut? Dass sie mich verlässt? Ich habe einmal mit der Lügengeschichte, meine Eltern besitzen eine große Baufirma in Peking, angefangen und jetzt komme ich nicht mehr aus der Nummer raus. Dabei ist mein Vater Fischer, er und meine Mutter leben von der Hand in den Mund.

T1 - 4 Lulu Wang

Ich hadere mal wieder mit meinem Schicksal. Für eine Chinesin bin ich ziemlich groß, einen Kopf größer als Jin. Und Jin ist schon 1,78 m. Ich muss knapp 1,90 m sein, zudem habe ich durch den Kampfsport einen muskulösen fast männlichen Körper. Dadurch habe ich zwar kein Gramm Fett zu viel, aber die Sitze im Flugzeug sind eindeutig nicht für Große muskulöse Menschen. Und Jin hat auch noch auf einen Flug mit Umstieg in Hongkong gepocht. Angeblich ist es billiger. Dafür fünf Stunden mehr! Mit Umstiegs und Wartezeit.

Besser ich träume wieder ein bisschen vor mich hin, dann muss ich nicht ständig an die Sitze denken. Im Winter fahren wir beide mindestens dreimal die Woche zum Gong Qing Forest Park, um dort zu joggen und zu trainieren, fernab vom Großstadtmief. In den Sommermonaten kostet es leider Eintritt, so dass wir nicht ganz so oft dorthin fahren, zumal es auf der anderen Seite der Stadt liegt.

Das „Bitte Anschnallen“ Symbol leuchtet auf und zeigt uns die baldige Ankunft in Vancouver. Völlig aus dem Häuschen schaue ich aus dem Fenster, froh endlich die Sitze verlassen zu können.

Trotzdem kann ich ihm noch nicht ganz verzeihen, dass er darauf bestanden hat, einen Flug mit Umstieg in Hongkong zu buchen. Wieder einmal frage ich mich, ob die Baufirma in Peking wirklich existiert. Müsste er dann nicht im Geld schwimmen und wir müssten nicht ständig sparen. Auch habe ich meine Schwiegereltern in den ganzen zwei Jahren nicht einmal zu Gesicht bekommen. Von der Hochzeitsfeier mal ganz abgesehen. Aber egal wer oder was seine Eltern sind, es ist egal. Ich bin schließlich mit ihm verheiratet und liebe ihn. Meine Mutter ist auch nur Näherin und mein Vater früh gestorben. So habe ich früh gelernt mich durchs Leben zu boxen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Vom Flughafen müssen wir nur wenige Minuten gehen, dann sind wir da. Jin war auf einem Spar Trip und hat ein schäbiges Zimmer in einem heruntergekommenen Hotel für uns gebucht. Zum Glück ist es nur für eine Nacht.

Am nächsten Morgen geht es dann für uns zum Flughafen. Es gilt heute die letzte Etappe, bis wir unseren Guide und die restlichen Teilnehmer treffen, zu bewältigen. Ein bisschen mulmig ist mir ja schon, da mein Deutsch nicht das Beste ist.

T1 - 5 Sofia Martinez

Mateo Ruiz und ich sind auf dem Weg von Miami nach Vancouver. Wir wollen dort einen unvergleichlich schönen Urlaub verbringen, bevor uns der graue Alltag wieder hat.

Ich freue mich schon darauf zehn Tage in der Einsamkeit Kanadas zu verbringen. Es wird fast wie früher sein und ich schaue, Mateo von der Seite an, und bin verdammt stolz und glücklich so einen wie ihn als Freund zu haben. Er sieht total gut aus, andere Frauen werfen ihm anhimmelnde Blicke zu. Wenn sie nicht aufpassen, läuft ihnen der Sabber aus dem Mund. Bei dem Gedanken daran muss ich grinsen, allein die Vorstellung ist herrlich. Aber er ist meiner! Er hat kurze braune Haare, an den Seiten kürzer, oben etwas länger und hochstehend, braune Augen, einen liebevollen Blick und Dreitagebart. Er trainiert jeden Tag und ist dementsprechend durchtrainiert. Da wir oft am Strand sind und er ohnehin ein dunkler Typ ist, ist seine Haut gleichmäßig gebräunt.

Ursprünglich kommen wir von einem kleinen Dorf, jeder aus einem anderen, in der Nähe von Buenos Aires und leben dank Green Card seit einigen Jahren in Miami. Das ist mit ein Grund für den Urlaub in Kanada. Uns fehlen in der Stadt die Natur und Freiheit. Mateo ist 27 und Bauingenieur, ich bin 25 und Architektin. Mein Können und Wissen verberge ich meistens, denn wenn die Leute erstmal erkennen, was man kann, ertrinkt man in Arbeit. Sollen alle denken ich wäre das Dummchen, dass nur Spaß will.

Bis heute haben wir es nicht geschafft zu heiraten, immer war etwas wichtiger oder es kam etwas dazwischen. Erst hatten wir nicht genug Geld, dann bekam Mateo dank seiner Anstellung bei einem großen amerikanischen Bauunternehmen eine Green Card, ich leider nicht. Es dauerte ein Jahr, bis auch ich eine bekam und wir uns endlich wiedersahen. Ein Jahr führten wir eine Fernbeziehung, es war die Hölle! Zum Glück liegt diese Zeit jetzt hinter uns und wir leben seit zwei Jahren in Miami in einem schicken Apartment im siebten Stock mit Blick auf den Atlantik.

Kennen und lieben gelernt haben wir uns in einer kleinen Tango Bar in Buenos Aires. Das war jetzt vor vier Jahren. Ich kann mich noch gut an die neidischen Blicke der anderen Frauen erinnern, als Mateo zielstrebig auf mich zukam, um mit mir zu tanzen. Bis fünf Uhr morgens waren wir dort, haben geredet, gelacht, getanzt und Wein getrunken. Sehr viel Wein. Aber danach war klar wir werden für immer zusammenbleiben.

Ich bin zwar nur zwischen 1,65 und 1,70 m, habe gewellte schwarze Haare, die etwas über die Schultern gehen und dunkelbraune Augen. Dafür bin ich mit meinem Aussehen umso zufriedener. Und meine Haut ist immer leicht gebräunt, was einen großartigen Kontrast zu gelb ergibt. Ich spüre oft die Blicke der Männer auf mir, so dass Mateo manchmal eifersüchtig wird. Aber da braucht er sich keine Sorgen machen, ich genieße nur die Bewunderung.

T1 - 6 Mateo Ruiz

Das „Bitte Anschnallen“ Symbol erscheint und kündigt unsere baldige Ankunft in Vancouver und den Beginn eines wilden Abenteuers an. Eines Abenteuers, das hauptsächlich der Wunsch von Sofi ist. Ich habe mich zwar darüber gewundert, weil sie ein bisschen ängstlich ist, aber kann ich ihr einen Wunsch abschlagen?

Ich bin froh, dass wir endlich landen. Ich versuche zwar mir nichts anmerken zu lassen, aber ich habe unheimliche Angst vorm Fliegen. Seitdem ich damals auf dem Weg nach Miami in schreckliche Turbulenzen geriet, kann ich die Angst nicht mehr abschütteln. Das Flugzeug kippte zur Seite, fiel nach unten und wieder hoch, wie ein Ping Pong Ball im freien Fall, das Licht ging an und aus, bis es schließlich ausblieb. Die Stewardess ward nicht mehr gesehen, Wasser lief innen an den Scheiben runter, es knatschte unheimlich und zu allem Überfluss faselte der Pilot etwas von Sauerstoffmasken. Im ganzen Flugzeug herrschte Totenstille. Kein Gekreische wie man es aus Katastrophenfilmen kennt. Ich dachte meine letzte Stunde hat geschlagen.

Sofia weiß von alledem nichts, und so soll es auch bleiben. Ich versuche sowieso das Bild eines starken Mannes aufrechtzuerhalten. Niemand soll wissen, was für einen weichen verletzlichen Kern ich habe. Aus diesem Grund trainiere ich jeden Tag, damit meine Muskelberge immer größer werden. Denn bei einem Typen mit dicken Muskeln kommt man nicht auf die Idee er könne einen weichen Kern haben, oder?

Auf der Straße angekommen, wende ich mich an sie:

„Sofi, lass uns das Taxi da vorne nehmen.“

Da wir beide nicht schlecht verdienen haben wir für heute Nacht ein Zimmer im Hilton in Metrotown genommen. Morgen oder übermorgen beginnt dann das wahre Leben in der Wildnis.

T1 - 7 Mason Miller

Ich stehe vor dem Spiegel und fahre mir mit der Hand durch mein braungelocktes Haar. Eigentlich sehe ich gar nicht schlecht aus: dichte braune lockige längere Haare, Bart, 1,90 m groß, muskulös und braungebrannt. Meine Augen sind eisblau wie Bergseen. Trotzdem bin ich immer noch Single. Aber wo soll in diesem Kaff auch eine Frau herkommen? Außerdem liebe ich die Natur. Die Zeit während meines Studiums in der Stadt habe ich gehasst. Aber meine Eltern bestanden darauf, dass ich etwas Vernünftiges lerne. Also bin ich zum Studieren ihnen zuliebe in die Stadt gezogen. Wie sehr habe ich den Abschluss herbeigesehnt, ich wollte nur noch zurück in die Natur. Die Tiere und die Einsamkeit sind mir deutlich lieber als die Stadt, auch wenn es bedeuten sollte, dass ich auf eine Frau verzichten soll. Nun bin ich bereits 31 und lebe wieder bei meinen Eltern, was mich für Frauen nicht unbedingt attraktiver macht.

Seit sechs Jahren arbeite ich bereits für die Forstbehörde als Guide. Heute kommen drei Pärchen zur neuen Tour in Fort Nelson an. Hoffentlich sind diesmal nicht so Weicheier wie beim letzten Mal dabei. Es war so schlimm, dass wir die Tour abbrechen mussten.

Da Fort Nelson nur über einen kleinen Flughafen verfügt, muss ich zum Glück nicht verschiedene Flüge abwarten. Das Dorf ist so klein, hier kennt jeder jeden. Der Flug ist der einzige in der nächsten Stunde, auch sollten nicht allzu viele Passagiere an Bord sein. Zur Sicherheit habe ich ein Pappschild mit den Namen gebastelt. Das die auch alle einen anderen Namen haben müssen. Ich hoffe es sind alle einverstanden, wenn wir uns nur beim Vornamen nennen.

Normalerweise ist es hier nicht so heiß. Die Sonne brennt unerbittlich vom Himmel und keine Wolke ist in Sicht. Seit Tagen geht es schon so. Als ich am Horizont das kleine Flugzeug erblicke, eine Beechcraft 1900D, verlasse ich mein schattiges Plätzchen. Gut, dass unsere Tour größtenteils durch Wald führt. Langsam kommt das Flugzeug näher und setzt schließlich zum Landeanflug an. Da der Flug nur meine Teilnehmer als normale Passagiere an Bord hat, habe ich, als ich von Charlie davon erfuhr, schnell das selbst gebastelte Pappschild weggebracht. Charlie ist sowas wie der Chef vom Flughafen, gleichzeitig Sheriff von Fort Nelson. Charlie weiß alles und kennt jeden. Nun werde ich gleichsehen, wer oder was auf mich zukommt.

Eine schlanke kleine Frau mit langen dunkelblonden Haaren schreitet energisch voran. Später erfahre ich, dass sie Rebecca Stratton heißt und einmal eine Bank übernehmen soll. Unverkennbar, man merkt es ihr jetzt schon an. Die restlichen Teilnehmer trotten stumm hinterher. Wie Lemminge. Das kann ja heiter werden denke ich und setze mein strahlendes Lächeln auf.

„Hi, ich bin Mason, euer Guide für die nächsten zehn Tage.“

Es folgt ein wildes Durcheinander und Händeschütteln, als sich alle gegenseitig begrüßen und vorstellen.

„Folgt mir zum Parkplatz. Von dort werden wir ca. zwanzig Minuten in den Wald zur Forsthütte fahren. Heute Nacht bleiben wir dort und starten morgen früh um 7:00.“

Wir setzen uns in Bewegung und alle folgen mir brav im Entenmarsch zum Parkplatz. Am Auto angekommen drehe ich mich zu ihnen um:

„Zwei können vorne bei mir im Fahrerhaus sitzen, der Rest muss auf der Ladefläche Platz nehmen.“

Von der befestigten Straße geht es auf einem Feldweg hinein in den Wald. Die nächsten fünfzehn Minuten geht es über Steine und Wurzeln, durch Pfützen und Löcher. Ich wundere mich, dass sich noch keiner über das Gerumpel beschwert, meist ist das der Fall. Wie erwartet ertönt von hinten und vorne ein Ahh! und Ohh! als sich vor uns der Wald öffnet und den Blick frei gibt auf eine wunderschöne Blumenwiese auf deren anderer Seite die Forsthütte steht. Die Reaktionen der Teilnehmer sind eigentlich immer gleich, ich würde mich wundern, wenn nicht. Mittlerweile sind ein paar Schäfchenwolken am Himmel und alles wird von der Sonne beschienen. Ich kann mich gar nicht satt sehen an diesem Bild. Es wirkt wie ein Bild auf einer Postkarte.

„Wir sind da!“ rufe ich.

Begeistert springen alle vom Wagen und sehen sich um. Hätten wir in diesem Moment geahnt, was auf uns zukommt, wären wir nicht zur Wanderung aufgebrochen.

T1 - 8 Mason

Heute geht es los, denke ich. Ich weiß nicht, wie oft ich die Strecke schon gegangen bin, aber irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. Aber was soll schon schief gehen? Auch habe ich heute Nacht wirre Träume gehabt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, immer wenn ich denke ich habe es, ist alles wie im Nebel verschwunden. Na ja, was soll’s, wird schon schiefgehen.

So, jetzt aber Konzentration, habe ich alles? Zur Sicherheit packe ich noch extra Munition und Bengalos ein. Ein Messer befestige ich an meiner Wade. Ich will die Gruppe ja nicht mit meinen Gefühlen belasten. Es ist schon kurz nach sechs und ich gehe runter. Die Teilnehmer sind alle schon beisammen und warten auf mich. Der Duft von frischem Kaffee liegt in der Luft.

„Ich hoffe ihr habt alle gut geschlafen. Heute wird es ernst und wir gehen direkt nach dem Frühstück los. Habt ihr alle Sachen eingepackt, die auf der Packliste standen?“

Zum Glück vernehme ich ein zustimmendes Gemurmel. Sie scheinen an alles gedacht zu haben.

„Zusätzlich bekommt ihr gleich jeder eine Dose Pfefferspray von mir, für den unwahrscheinlichen Fall eines Bärenangriffs.“

„Waaaas? Bären?“ das ist Sofia.

„Ja, es gibt hier Bären. Grizzlys und Braunbären. Normalerweise greifen sie Menschen aber nicht an. Außer sie fühlen sich bedroht oder man steht zwischen der Mutter und ihrem Kind. Auch dann handelt es sich meist um Scheinangriffe, um den Störenfried zu vertreiben. Am besten legt man sich in solch einem Fall flach auf den Bauch, Hände in den Nacken und stellt sich tot. Auf keinen Fall solltet ihr versuchen wegzurennen oder auf einen Baum zu klettern. Versucht möglichst ruhig zu bleiben. Am besten macht man sich vorher schon durch Geräusche bemerkbar. Bären sind scheue, im Sommer nachtaktive Allesfresser. Zu eurer Beruhigung, sie sind zu 75% Vegetarier und die restlichen 25% bestehen aus Vögeln, Nagern, Fischen und Aas. Menschen stehen nicht auf ihrer Speisekarte.“

„Ich möchte aber trotzdem keinen sehen.“ vernehme ich Sofia.

Nachdem jetzt alles geklärt ist und das Geschirr gespült, machen wir uns auf den Weg. Draußen scheint die Sonne und es scheint ein warmer Tag zu werden. Wie in letzter Zeit fast täglich. Meine trüben Gedanken verziehen sich und ich freue mich endlich wieder in der freien Natur unterwegs zu sein. Ich werde mich nach und nach mal mit allen unterhalten, um ein grobes Bild meiner Teilnehmer zu bekommen. Natürlich nicht so auffällig, mehr so nebenbei wie es sich ergibt, aber darin habe ich ja einige Jahre Erfahrung.

So wie ich es geplant habe, treten wir um die Mittagszeit aus dem Wald auf eine Sonnendurchflutete Lichtung, durch deren Blumenwiese ein kleiner Bach plätschert. Den ganzen Vormittag sind wir durch den Wald gestapft, haben den Vögeln gelauscht, gescherzt und gelacht. Hin und wieder wurden wir von einem Sonnenstrahl gekitzelt.

Habe ich anfangs meine Bedenken wegen der Gruppe gehabt, so wurden diese zerstreut. Im Laufe des Vormittags habe ich alle näher kennengelernt, und ich muss sagen, es ist die beste Gruppe, die ich je hatte. Zwei Sachen haben alle gemeinsam: sie würden alles füreinander tun und die Liebe zur Natur, was im Umkehrschluss bedeutet, die Flucht aus der Stadt. Wobei ich mir bei Mateo mit der Liebe zur Natur nicht so ganz sicher bin, vielleicht ist es auch nur die Liebe zu Sofia? Rebecca habe ich anfangs für eine eingebildete Tusse gehalten, genau wie ich Mateo für eingebildet gehalten habe. Man soll halt lieber nicht von dem Äußeren auf den Charakter schließen. Lulu und Jin sind ziemlich ruhig, aber man sollte sich besser nicht mit ihnen anlegen. Aber genug jetzt mit meinen Gedanken.

„So, hier auf der Lichtung werden wir eine Stunde pausieren, bevor es weitergeht. Wir haben noch ein strammes Stück vor uns, bevor wir das Nachtlager aufschlagen können.“

Nachdem alle etwas erholt sind, die Wasserflaschen aufgefüllt und die Füße im kalten Wasser gekühlt, gehen wir wieder in den Wald weiter unseres Weges. Der Waldboden ist mit Kiefernnadeln bedeckt und federt unter meinen Füßen. Wie ich diesen Abschnitt der Wanderung liebe. Als wenn man in eine andere Welt eintaucht, sobald man die Lichtung verlässt. Die Dunkelheit des Waldes empfängt uns sofort und kühle Luft strömt uns entgegen. Es riecht nach frisch abgebrochenen Kiefernzweigen.

Ist da ein leises Knurren zu vernehmen? Schleicht da etwas in der Dunkelheit des Waldes umher? Sehen kann ich nichts. Zum Glück gehe ich als Letzter und Paul hat die Führung übernommen, da der Weg hier ziemlich schmal ist und ich schon auf der Lichtung für einen Moment das komische Gefühl von heute Morgen hatte. Ich entsichere mein Gewehr und halte es schussbereit in der Hand. Paul ist durch das klickende Geräusch der Entsicherung aufmerksam geworden und schaut mich jetzt fragend an. Ich signalisiere ihm, dass er nichts sagen soll, um die anderen nicht zu beunruhigen. Ich traue ihm noch am meisten zu. Dadurch, dass er auf einer Farm aufgewachsen ist, hat er Erfahrung mit größeren Nutztieren, zwar keine Wölfe oder Wildschweine, da diese in England ausgerottet sind, aber immerhin mehr als alle anderen. Jetzt sehe ich wie er das Pfefferspray unbemerkt von dem Rest herausholt und einsatzbereit in der Hand hält.

Erleichterung macht sich in mir breit, als wir die Freifläche für unser Nachtlager erreichen. Diesmal handelt es sich nur um eine einfache Wiese, die gegenüber von einer hohen Felswand begrenzt wird. Wenn man aus dem Wald rauskommt, eröffnet sich nach rechts ein weites Baumfreies Gebiet mit den Rocky Mountains im Hintergrund. In der Mitte schlängelt sich das Blaue Band eines Flusses hindurch, deren Ausläufer unsere Wiese abtrennt. Links von der Wiese ist ein leicht bewaldeter Hügel. Dort führt morgen unser Weg lang. Allerdings werde ich das komische Gefühl nicht mehr los, auch habe ich ständig das Gefühl beobachtet zu werden, aber wer soll uns hier beobachten?

„Wir sind an unserem Platz für heute Nacht angekommen. Lulu und Mateo, holt ihr bitte Feuerholz, Sofia und Rebecca, ihr das Wasser? Paul, Jin und ich werden die Zelte aufbauen. Alles Essbare, was wir heute nicht essen werden, packt bitte in den Beutel, den ich gleich bereitlegen werde. Paul und ich werden ihn später aufhängen, damit die Bären nicht angelockt werden.“

„Mason kann ich dich kurz allein sprechen?“ fragt mich jetzt Paul.

„Was gibt es denn Paul?“ frage ich Paul.

„Was hast du vorhin gehört oder gesehen, dass du dein Gewehr entsichert hast?“ mit dieser Frage von Paul habe ich schon gerechnet.

„Ich meinte ein Knurren gehört zu haben und dass etwas im Wald ist. Aber wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet.“ total professionell. Warum sage ich das jetzt? Weil es mir selbst Angst eingejagt hat und ich einen Verbündeten brauche?

„Ich hatte aber auch das Gefühl, das dort etwas ist. Vielleicht sollten wir heute Nacht Wache halten.“ meint Paul.

„Ich mache es sowieso, aber du brauchst es nicht, du hast schließlich bezahlt.“

Aber eigentlich wäre ich ganz froh darüber, denke ich. Was ist nur los mit mir?

„Ob du es willst oder nicht, werde ich heute Nacht Wache halten. Ich habe mich informiert, du bist diese Tour gefühlte 1.000mal gegangen, wenn du also ein komisches Gefühl hast, hat das einen Grund.“ Paul ist jetzt energisch.

„OK, also halten wir Wache. Kannst du mit einem Gewehr umgehen?“ Erleichterung macht sich in mir breit. Wo kommen auf einmal diese Gefühle her?

Das ich einmal einen Teilnehmer meiner Wanderung frage, ob er mit einem Gewehr umgehen kann. Wenn mein Chef davon erfährt, bin ich meinen Job los. Andererseits fühle ich mich jetzt besser. Ob es mit dem wirren Traum zusammenhängt? Was ist nur los mit mir?

„Klar kann ich das. Ich bin schließlich auf einer Farm aufgewachsen.“ unterbricht Paul meine Gedanken.

„Ich wecke dich dann so um halb drei und dann tauschen wir.“ schlage ich ihm vor.

„Ich schlafe dann am Feuer und nicht im Zelt, damit Becci nichts mitbekommt.“ Paul ist ganz eifrig bei der Sache. Für ihn ist es ja auch ein großes Abenteuer und er kennt meine Gedanken nicht.

„Ok, so machen wir es. Jetzt lass uns zu den anderen ans Feuer gehen und essen. Kannst du mir nach dem Essen noch helfen den Beutel mit den übrigen Vorräten aufzuhängen?“ frage ich Paul.

„Klar mach ich das.“

Wir merken nicht, wie ein bernsteinfarbenes Augenpaar uns aus der Dunkelheit heraus beobachtet, sich umdreht und im Wald verschwindet.

T1 - 9 Paul

Heute geht es endlich los. Wie lange ich darauf gewartet habe. Der Job den Becci mir in der Bank verschafft hat, ist zwar schön und gut, aber ich bin eigentlich viel lieber in der freien Natur.

Gemeinsam essen wir alle Frühstück. Ein bisschen wundert mich, dass Mateo und Sofia dabei sind. Sie scheint ziemlich ängstlich zu sein, vor allem und jedem und er macht es wohl nur wegen ihr? Zu Lulu und Jin kann ich nicht viel sagen, sie sind ziemlich verschlossen. Ich hoffe das wird sich noch ändern, wir sind immerhin die nächsten zehn Tage zusammen. Mason bewundere ich, so cool wie er wäre ich auch gerne. Zudem hat er einen Traumberuf.

Wenn man vom Teufel spricht, bzw. in diesem Fall an ihn denkt, kommt er die Treppe runter. Nachdem er uns über das Verhalten Bären gegenüber aufgeklärt hat und etwas aufgeräumt ist, geht es endlich los.

Aus der Hütte treten wir in strahlenden Sonnenschein. Obwohl es noch früh am Morgen ist, ist es schon verdammt heiß. Auch hier scheint der Klimawandel angekommen zu sein. Die Durchschnittstemperatur soll hier bei 17 Grad liegen, die Höchsttemperatur bei 23, auch soll jetzt der feuchteste Monat sein. Man darf gespannt sein. Für die Wanderung stört es mich auf jeden Fall nicht, wenn wir schönes Wetter haben.

Quer über die bunte Blumenwiese geht es los. Teilweise liegt noch Tau auf den Gräsern, der im Sonnenlicht langsam verdampft. Überall ist ein fleißiges Summen der Bienen zu vernehmen, auch die Vögel zwitschern fröhlich. So kommt es mir zumindest vor. Ach was ist das herrlich!

Gegenüber der Hütte treten wir in den Wald hinein. Sofort empfängt uns kühle Luft. Man merkt das der Wald belebt ist, überall raschelt und knackt es. Durch die nicht ganz geschlossenen Baumkronen fallen die Sonnenstrahlen auf den Waldboden und tauchen alles in ein verwunschenes Licht. Der sandige Waldboden wird von verschiedenen Gräsern und wo die Sonne hinfällt, auch von Blumen bewachsen. Meine Gedanken werden unterbrochen, als Mason auf mich zukommt.

„Hi, ich will dich mal ein bisschen kennenlernen, wo wir schließlich die nächsten Tage zusammen verbringen werden.“ sagt Mason.

„Was soll ich dir großartig erzählen? Ich mache diese Wanderung zusammen mit meiner Freundin Becci.“

„Wie seid ihr auf die Idee gekommen?“ fragt Mason.

„Wir arbeiten beide bei einer Bank in London und wollen dem Großstadtmief und der Tretmühle entkommen. Außerdem vermisse ich die frische Luft und die Natur. Du musst wissen, ich komme von einer kleinen Farm. Die hat leider nicht genug für alle abgeworfen, darum hat mein Vater mich zum Studieren in die Stadt geschickt. Dort habe ich dann meine Becci kennengelernt.“ bereitwillig erzähle ich ihm meine Geschichte.

„Du hast Glück so eine gutaussehende und liebenswerte Freundin zu haben.“ sagt Mason jetzt.

„Ja, das habe ich. Ich würde alles für sie tun.“ erkläre ich voller Stolz.

„Ich habe leider nicht so ein Glück mit Frauen. Wer will schon einen Einsiedler, der mit 31 noch bei seinen Eltern wohnt?“ fragt Mason und sieht dabei bedrückt aus. Er versucht es zu überspielen, aber man merkt ihm an, wie sehr ihm das zusetzt.

„Du bist doch bestimmt heiß begehrt, wenn du weg gehst!“ ich versuche ihn aufzumuntern.

„Haha, guter Witz. Dafür müsste ich erstmal in die Stadt fahren und weggehen. Ich liebe die Natur viel zu sehr, ein Leben in der Stadt käme für mich nicht in Frage. Wie habe ich die Zeit während meines Studiums, zu dem mich meine Eltern gedrängt hatten, gehasst.“ man merkt ihm an, wie sehr er die Stadt hasst.

„Ich gebe zu, hier draußen wird es etwas schwierig werden, jemanden zu finden. Fast wie ein Sechser im Lotto.“ flachse ich.

„Ich werde jetzt mal weiter gehen. Man sieht sich.“ Mason dreht sich um und geht weiter.

„Bis später.“ habe ich ihn jetzt vertrieben?

Irgendwie hatte ich ihn anders eingeschätzt. So fünf Freundinnen an jeder Hand. Mindestens. Bei seinem Aussehen. Aber er scheint dieselben Probleme zu haben, wie alle.

„Was wollte er von dir?“ das ist typisch meine Becci, immer ein bisschen neugierig.

„Nichts Besonderes. Er wollte mich nur ein bisschen kennenlernen, weil wir ja jetzt die nächsten Tage zusammen sind. Zu dir wird er bestimmt auch noch kommen.“

„Da bleibe ich lieber bei dir.“ sagt Becci greift nach meiner Hand und kuschelt sich an mich.

Ich sehe, dass Mason eigentlich gerade kommen wollte, mich aber angrinst und umdreht.

„Ich habe vorhin versucht mit Lulu zu quatschen. So von Frau zu Frau, aber sie ist total verschlossen und lässt einen nicht an sich ran. Keine Ahnung was für ein Problem sie hat. Aber ich bin ja auch mit dir hier, wir machen uns eine wunderschöne Zeit.“

„Ja das machen wir. Hast du die schönen Blumen dort gesehen? Und wie fröhlich die Vögel zwitschern.“

Schweigend gehen wir zusammen durch den Wald und genießen jeden Moment. Weiter vorne sehe ich wie Mateo, Sofia und Mason sich unterhalten und über irgendetwas lachen. Ich drehe mich nach Lulu und Jin um, dabei blicke ich direkt in Lulus Gesicht. Ihr Blick ist abweisend.

Gegen Mittag treten wir aus dem Wald und werden von der grellen Sonne geblendet. Als wir uns an das helle Licht gewöhnt haben, erblicken wir eine wunderschöne Blumenwiese, durch die sich ein kleiner Bach schlängelt. Fleißige Bienen tummeln sich um die vielen Mohnblumen. Der Weg führt über die Wiese und gegenüber in den Wald. Dort sieht der Wald gar nicht so verlockend und einladend aus. Er hat etwas Bedrohliches und Düsteres an sich.

Mason verkündet jetzt, dass wir hier unsere Pause machen werden, bevor wir das letzte Stück des Weges in Angriff nehmen. Als erstes entledige ich mich meiner Schuhe und Strümpfe, setze mich auf einen Felsbrocken und tauche meine Füße in das eiskalte Wasser des Baches. Ahh, was tut das gut! Becci macht es mir nach und setzt sich neben mich auf den Felsen.

„Ist es nicht wunderschön hier?“ fragt Becci.

„Da hast du Recht! Es ist einmalig hier. Ich könnte ewig mit dir hier sitzen bleiben.“

„Gut, dass du mich überzeugt hast, diese Wanderung zu machen! Es ist einfach traumhaft.“

Liebevoll sieht sie mich von der Seite an, und ich weiß, dass sie jeden Streit mit ihren Eltern wert ist. Wir sitzen eine ganze Weile so da, bis Mason zu uns kommt.

„Paul, würde es dir gleich etwas ausmachen, die Gruppe anzuführen, während ich die Nachhut bilde?“

„Kein Problem, kann ich machen. Erwartest du denn Schwierigkeiten?“

Jetzt mache ich mir ja doch Gedanken, warum er mich das fragt.

„Nein, der Weg ist hier nur ziemlich schmal, der Wald ziemlich dunkel, da will ich nicht, das einer verloren geht.“

„Wie gesagt, kein Problem.“ antworte ich ihm.

„Danke!“ mit diesen Worten dreht sich Mason um, geht zu den anderen und verkündet, dass wir in fünf Minuten weitergehen.

„Findest du es nicht merkwürdig, dass er dich das fragt?“ fragt mich Becci.

„Nein, wieso? Seine Erklärung macht doch Sinn.“

Wie soll ich ihr auch sagen, dass ich es schon recht merkwürdig finde. Aber ich will sie ja nicht beunruhigen.

Wir machen uns also auf und gehen gegenüber der Wiese in den Wald. Es ist schon ein erhebendes Gefühl, das Mason mich gefragt hat, ob ich die Gruppe anführen will. Aber wahrscheinlich ist es nur so ein Teambuilding Ding und ich bilde mir umsonst etwas ein. Aber stolz bin ich trotzdem. Bei der Vorbereitung auf unseren Urlaub habe ich einiges über Mason gelesen, und ich muss sagen, er enttäuscht mich nicht.

Kaum das wir den Wald betreten werden wir von kalter und feuchter Luft umschlossen. Ringsum ist es stockfinster und der Boden federt unter jedem Schritt. Als wenn man über etwas lebendiges gehen würde. Ein merkwürdiger Geruch, den ich nicht beschreiben kann, liegt in der Luft. Auch riecht es nach frisch abgebrochenen Kiefernzweigen. Aber wodurch sollen sie abgebrochen sein? Hat sich da in der Dunkelheit nicht etwas bewegt? Inzwischen fühle ich mich an der ersten Stelle nicht mehr so wohl. Aber was soll ich machen? Ich will Becci nicht beunruhigen.

Plötzlich höre ich ein klickendes Geräusch hinter mir. Die anderen werden sich nichts dabei denken, aber für mich klang es eindeutig wie das Entsichern einer Waffe. Ich drehe mich um, und sehe, dass Mason sein Gewehr jetzt schussbereit trägt. Er schaut mir direkt in die Augen und signalisiert mir, dass die anderen nichts mitbekommen sollen. Zu dumm nur, dass ich keine Waffe habe. Wie gern hätte ich jetzt auch ein Gewehr. So komme ich mir völlig nackt und ungeschützt vor. Ach ja, ich habe ja noch das Pfefferspray. Unbemerkt hol ich es raus. Aber ob das etwas hilft?

Nach sich unendlich anfühlenden Stunden, verlassen wir endlich den Wald. Ich hole tief Luft, so als wenn ich sie die ganze Zeit angehalten hätte. Links geht es eine Anhöhe hoch mit vereinzelten Bäumen, vor uns eine große Wiese. Hinter der Wiese, uns gegenüber, befindet sich eine steile Felswand. Zur rechten Seite erstreckt sich eine weite Fläche, am Horizont kann man die Rocky Mountains erkennen. Von dort kommt ein Fluss, der die Wiese zu dieser Seite begrenzt.

Mason teilt uns gerade mit, dass wir hier übernachten werden, und verteilt die Aufgaben. Gerade bekomme ich noch mit, wie Lulu Mason abschätzig anschaut und Jin etwas ins Ohr flüstert. Als Mason sie direkt anspricht, setzt sie ein breites Lächeln auf.

Ich muss ihn unbedingt auf die Vorgänge im Wald ansprechen. Das war nicht normal. Wir sollten heute Nacht Wache halten, ich will nicht, das Becci etwas passiert. Nachdem ich mit Mason gesprochen habe, ist es also beschlossene Sache, dass wir heute Nacht Wache halten werden. Beruhigt hat mich das Gespräch nicht unbedingt, es scheint so, als wäre etwas nicht in Ordnung. Aber wie es aussieht, war die erste Position doch nicht nur so ein Teambuilding Ding. Also hält Mason viel von mir, sonst würde er mir nicht das Gewehr anvertrauen. Ich weiß nur noch nicht, wie ich Becci erklären soll, dass ich heute am Feuer schlafen werde.

T1 - 10 Lulu

 

Es ist kurz vor 4:30 morgens. Eigentlich viel zu früh, um aufzustehen. Dennoch krabbele ich leise aus dem Zelt, ich will Jin nicht aufwecken. Es ist noch ziemlich dämmerig draußen, aber die Sonne scheint gerade aufgegangen zu sein. Sie ist noch als kühler Ball am Horizont zu sehen und es ist noch sehr frisch draußen, trotz allem scheint es wieder ein sonniger Tag zu werden.

 

Das dort drüben mit dem Gewehr in der Hand ist doch nicht Mason. Es sieht von der Silhouette eher wie Paul aus. Aber wo ist Mason? Warum hat Paul das Gewehr? Warum muss überhaupt jemand Wache halten?

 

Ich würde ja fragen, aber mein Deutsch ist nicht gut genug. Außerdem kann ich Mason sowieso nicht ausstehen, er benimmt sich, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen. Und Paul verhält sich wie ein kleiner Arschkriecher, sowas habe ich sowieso gerne. Sollen die Beiden mal Cowboy spielen, obwohl ich immer dachte solche Typen gäbe es nur in den USA. Da habe ich mich wohl getäuscht und mache lieber mit Jin mein eigenes Ding.

 

Um die schlechten Gedanken zu vertreiben und mich auf mich selbst zu fokussieren, fange ich an meine morgendlichen Tai-Chi Übungen zu machen. Normalerweise mache ich sie mit Jin zusammen, aber er träumte gerade so schön, zumindest sah er ganz verzückt aus. Das hier ist so ein wunderschöner Ort dafür und die Luft noch rein und frisch.

 

Langsam kommt Bewegung in die Zelte. Jetzt kann ich es ganz deutlich sehen, es war Paul mit der Waffe. Er hat jetzt ganz schnell mit Mason gewechselt und jetzt tun sie so, als hätten sie sich grad erst getroffen und würden sich unterhalten. Sie haben nicht bemerkt, dass ich sie vorher schon beobachtet habe.

 

Nachdem die Zelte abgebaut sind und alles verstaut ist, geht es weiter.

„Jin, hast du gestern Abend auch die Glühwürmchen gesehen? Es waren zwar nur zwei, aber immerhin“

„Zwei? Das waren aber bestimmt keine Glühwürmchen. Davon wären mehrere gewesen. Ich habe aber auch keine gesehen.“

„Komisch ich war mir ganz sicher, es waren Glühwürmchen, aber was war es dann?“

 

Wäre nicht Mason unser Guide, sondern ein „Normalie“ würde ich jetzt fragen, aber den Großkotz, nein danke. Wie erwartet fragt er Paul, ob dieser am Schluss gehen mag, während er selbst die Gruppe anführt.