Bereit für die Liebe! - Katharina Middendorf - E-Book

Bereit für die Liebe! E-Book

Katharina Middendorf

4,9

Beschreibung

Die wachsenden Möglichkeiten der schnellen Bedürfnisbefriedigung machen das Lernen von Hingabe unnötig. Daran zerbrechen viele langfristige Beziehungen. Wie können wir da unsere Fähigkeit zu lieben wieder entdecken, und so zu einer glücklichen Partnerschaft gelangen? Die beiden Autoren werfen aus yogaphilosphischer und psychologischer Sicht — und aus eigener Erfahrung als Paar — einen frischen Blick auf heutige Beziehungsmuster und weisen kluge und leidenschaftliche Wege, um diese grundlegende menschliche Fähigkeit wieder zu stärken: die Kraft, zu lieben. Wenn wir diese Kraft für uns selbst entwickeln, werden wir nicht nur kompetent für glückliche Beziehungen, sondern unsere ganze Begegnung mit der Welt verändert sich.

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Katharina Middendorf und Ralf Sturm

BEREIT FÜR DIE LIEBE!

Wenn du denkst, es ist vorbei, fängt es eigentlich erst an

Haftungsausschluss:

Die am Ende des Buches enthaltenen Übungen wurden von den Autoren und vom Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Weder die Verfasser noch der Verlag übernehmen die Haftung für Schäden irgendeiner Art.

© jkamphausen in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld 2016

Lektorat: Susanne Klein, Hamburg, kleinebrise.net

Gestaltung: PLEX GmbH, Berlin, plexgroup.com

Fotos: Jan und Hannah Rickers, janrickers.com

E-Book Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.

www.weltinnenraum.de

1. Auflage 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Print: 978-3-95883-068-4

ISBN E-Book: 978-3-95883-069-1

www.weltinnenraum.de.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Für Lea, Tara und Naya

INHALT

Vorwort von Ann-Marlene Henning

 

EINFÜHRUNG

Die Liebe ist in Gefahr

Über dieses Buch

Lernen in Gemeinschaft

Wann ist man bereit?

Yoga und Meditation als Wege zur Liebe

Liebe ohne Kampf

Veränderung braucht Zeit

 

BEREIT WERDEN

Der Mann unter dem Baum

Stille und Bewegung

Liebe im Zeitalter der absoluten Freiheit

Liebe oder vertragliche Vereinbarung auf Zeit

Verbundenheit und Freiheit

Subjekt oder Objekt

Liebe dich selbst! Reicht das?

Wie groß soll die Gemeinschaft sein?

Wer ist mit wem zusammen?

Lehrer und Lehrerin

Göttin und Gott

Freunde und das Rekrutieren von Mitstreitern

Gesund oder giftig?

Die Liebe und das Denken

Warnung ohne Gefahr

 

DIE FÜNF DENKFEHLER

Leidvolle Emotionen

Gedanken und Gefühle

Denkfehler Nr. 1: Avidya − „Ich weiß Bescheid.“

Denkfehler Nr. 2: Asmita − „Es geht um mich.“

Gefühle und Emotionen

Denkfehler Nr. 3: Raga − „Ich will das so.“

Denkfehler Nr. 4: Dvesha – „Ich will das so nicht.“

Denkfehler Nr. 5: Abhinivesha − „Ich will hier raus.“

Die fünf Denkfehler in der Praxis: Anke und Sven

Warum fallen wir immer wieder auf die Denkfehler herein?

Hinein ins Vergnügen

 

DIE SPIELPLÄTZE DER LIEBE

Du bist schuld!

Bei sich selbst anfangen

Sieben auf einen Streich

Die sieben Spielfelder im Überblick

Die Dynamik

Sich selbst beruhigen

Spielfeld Nr. 1: Bereit für Vertrauen

Spielfeld Nr. 2: Bereit für Sinnlichkeit

Spielfeld Nr. 3: Bereit für Dynamik

Spielfeld Nr. 4: Bereit für Mitgefühl

Spielfeld Nr. 5: Bereit für Kommunikation

Spielfeld Nr. 6: Bereit für Vision

Spielfeld Nr. 7: Bereit für Transzendenz

 

BEREIT SEIN

Immer wieder bereit werden

Mitgefühl für uns selbst

Wann ist es Zeit, sich zu trennen?

Denkfehler umgekehrt: „Ich liebe ihn doch so!“

Dranbleiben

Liebe sein

 

ANHANG

Einige Worte zu Yoga und Meditation

Wo sich Themen und Persönlichkeitsfelder im Körper finden lassen

Die Übungen in diesem Buch

Denkfehler-Meditation – Lernen zu beobachten

Spielfeld-Meditationen – Persönlichkeitsanteile stärken

Partnerschaftsübungen – das Eigene und das Andere

Zu den Fotos

Wir danken

Literatur

Über die Autoren

VORWORT

Ich bin bereit, mich selbst zu verändern.

Es bleibt meine Lebensaufgabe.

Gerade hier setzt die Wirkung der Liebe ein.

Wir haben uns füreinander entschieden.

Als Paar- und Sexualtherapeutin beschäftige ich mich täglich mit Beziehungs- und Lebensthematiken und lerne dazu – immer wieder!

In „Bereit für die Liebe“ werden die großen und schwer greifbaren Themen Liebe und Kommunikation und wie man diesbezüglich „bei sich sein“ kann unter die Lupe genommen. Es wird verständlicher, worum es dabei wirklich gehen kann. Die echten Dialoge im Buch und die darauf folgende Analyse machen deutlich, dass oft etwas ganz anderes in einer Beziehung und in einer Person los ist, als auf den ersten Blick ersichtlich.

Ja, ich fühlte mich beim Lesen erwischt und sehe einige meiner Denkfehler, die ich in meiner Funktion als Therapeutin sogar behaupte zu kennen, die aber in der konkreten Situation mit meinem Partner immer wieder für mich nicht sichtbar sind: Ich sage nicht, was ich möchte, sondern argumentiere. Ich tarne unter einem konstruktiven Gespräch, dass ich zu keiner Zeit bereit war, das Entscheidende für das Weiterbestehen meiner Beziehung zu tun. Während ich in dem vorliegenden Buch las, sah ich auf einmal die Bomben, die ich lege, und wie sie zünden! Manchmal schaue ich sogar bewusst zu, während meine eingefahrenen Muster vor mir ablaufen, und tue – zu meiner großen Verwunderung – nichts dagegen. Warum bloß? Worum geht es wirklich dabei?

Indem ich mehr über mich und diese „Fehlvorgänge“ in meinem Denken weiß, kann ich weiterkommen. Es ist gut und richtig, sich damit zu beschäftigen. Und das gelingt mit diesem Buch! Das Bild der Spielfelder und die anschaulichen Beispiele dazu brachten immer wieder die Frage auf: Ist das auch in meiner Beziehung zurzeit los? Während mir meine Anteile des Ganzen klarer wurden, wuchs immer mehr meine Liebe zu ihm – meinen Lebenspartner.

Das Buch enthält auch eine Menge Wissen aus der indischen Philosophie, ganz pragmatisch dargelegt, sodass es auch jeder lesen mag. Mir jedenfalls hat es großen Spaß gebracht.

Zum Abschluss möchte ich noch einen prägnanten und für mich wichtigen Ansatz der beiden Autoren herausgreifen: Die Kunst besteht darin, sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig in der Beziehung zu wirken. Das kann ich als Paar- und Sexualtherapeutin nur unterschreiben! Meine Kollegen, Katharina und Ralf, bringen mich jedenfalls dazu, tiefer in meine Beziehung einzusteigen.

Ein empfehlenswertes Buch!

Ann-Marlene Henning

Hamburg, im Mai 2016

EINFÜHRUNG

DIE LIEBE IST IN GEFAHR

Obwohl wir alle uns danach sehnen, scheint es in unserer Gesellschaft nichts Schwierigeres mehr zu geben, als in einer glücklichen Partnerschaft zu leben. Dabei waren die Möglichkeiten vielleicht noch nie so vielfältig wie heute. Doch so groß unsere Sehnsucht nach Verbundenheit mit einem anderen Menschen auch sein mag, es wird immer schwieriger, sie wirklich zu erleben. Denn diese wachsenden Möglichkeiten, auf vielerlei Weise mit anderen in Verbindung zu sein, verhindern manchmal genau das, was wir erreichen wollen: dass tatsächlich eine tiefe menschliche Begegnung entsteht.

Wir leben in einer Welt, in der uns die individuelle Freiheit als eines der höchsten Güter gilt. Im Prozess, unsere Persönlichkeit zu entfalten, haben wir viele Wege gelernt, unsere Autonomie zu betonen. Um uns zu schützen, haben wir allerdings – meist ohne uns dessen bewusst zu sein – auch Teile unseres Wesens versteckt; nicht nur vor anderen, sondern auch vor uns selbst. Es fällt uns immer schwerer, uns zu zeigen, wie wir wirklich sind, und wir können uns manchmal schon selbst nicht mehr sehen, aufgrund der Masken die wir tragen.

Immer mehr Beziehungen – auch langfristige – scheitern an dem Dilemma, dass zwar der Wunsch nach Verbindung besteht, in Zeiten, in denen der externe Stresspegel ansteigt, jedoch der Ruf nach Freiheit immer lauter wird. Sex und neue Romanzen sind mit den Mitteln der modernen Informationstechnologie immer schneller zu haben. Die wachsenden Angebote zur schnellen Bedürfnisbefriedigung machen das Lernen von Hingabe dabei weitgehend unnötig. So ist eine grundlegende menschliche Fähigkeit in Gefahr: die Kraft zu lieben. Inzwischen erklärt sich bereits eine ganze Generation für „beziehungsunfähig“, wie zum Beispiel die gleichnamige Publikation von Michael Nast deutlich macht. Aber was würde es brauchen, beziehungsfähig zu werden?

Viele Partnerschaften enden, bevor das eigentliche Abenteuer begonnen hat. Mit diesem Buch möchten wir Sie einladen, gemeinsam mit uns auf die Reise zu gehen, um das ganze Abenteuer zu erleben. Wir beschäftigen uns im Folgenden mit den Denkweisen, die im Allgemeinen benutzt werden und die uns – wenn wir unverändert so weitermachen – keinen Schritt weiterbringen werden. Sie können dabei herausfinden, wie Sie sich bisher vor anderen – und auch vor sich selbst – versteckt haben. Und wir betrachten gemeinsam die unterschiedlichen Schauplätze der Auseinandersetzungen – und oftmals schließlich Trennungsgründe – in einer Partnerschaft, um zu sehen welche Potenziale in der Beziehung verborgen liegen.

Wir möchten Sie ermuntern, tiefer einzusteigen, statt auszusteigen. Denn die Fähigkeiten, um die es hier geht, sind nicht nur für eine Partnerschaft bedeutsam. Es geht um eine grundlegende Haltung. Wenn wir Kompetenz für uns selbst entwickelt haben, dann sind wir nicht nur kompetent für eine glückliche Beziehung. Unsere ganze Begegnung mit der Welt verändert sich damit. Ist es wahr, dass wir uns, wie oben gesagt, zwischen Freiheit und Verbundenheit entscheiden müssen? Die Antwort heißt: Nein, wenn wir uns für die Liebe entscheiden. Dazu müssen wir unter Umständen alte Gewohnheiten loslassen. Doch die Mühe lohnt sich.

ÜBER DIESES BUCH

Wenn Sie dieses Buch in den Händen halten, gehen wir davon aus, dass Sie daran interessiert sind, in Ihrem Liebesleben etwas Neues kennenzulernen und im besten Fall auch selbst in die Tat umzusetzen. Darüber, wie wir Menschen denken und fühlen, wird schon seit ewigen Zeiten in allen Teilen der Welt nachgedacht, und es wurde schon viel, unter anderem von Philosophen, darüber geschrieben. Die Liebe, die Lust und die Sexualität werden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vorrangig von der Psychologie und der Medizin analysiert und erforscht. Es gibt heute eine nicht mehr zu überschauende Anzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen dazu, und andererseits lässt sich ein ebenso großes Angebot von modernen und postmodernen Mystikern finden, die Wege zu einem erfüllten Liebesleben versprechen.

Es gibt immer wieder neue Theorien darüber und Begründungen dafür, wie unser Gehirn unsere Gefühle beeinflusst und umgekehrt. Neurobiologie und Psychologie bieten eine Vielzahl verschiedener Ansichten, die auch unsere Haltung und Arbeit beeinflusst haben. Oft gehen die Theorien – die unterschiedlichen Betrachtungsweisen entstammen – Hand in Hand, manchmal widersprechen sie sich aber auch regelrecht. Vielleicht kommt Ihnen manches in diesem Buch vertraut vor. Vielleicht stimmen Sie manchem in diesem Buch zu. Vielleicht widerspricht unsere Meinung aber auch an anderen Stellen Ihrem persönlichen Erleben, oder Sie halten manches gar für geradezu unerhört und gefährlich.

Wir sind der Meinung, dass Liebe kein Gefühl ist, das über uns kommt, um irgendwann wieder zu gehen. Wir sind der Meinung, dass Liebe eine Haltung ist, die man sozusagen „erlernen“ kann. Und wie mit allem, was wir lernen, geht es Schritt für Schritt, mit Fortschritten und manchmal auch scheinbaren Rückschritten. Doch wir sind sicher, dass es sich lohnt und dass man tatsächlich ans Ziel gelangen kann.

Das Ziel, das wir anstreben, ist das Zusammenspiel von individueller Freiheit und gleichzeitiger Verbindung mit unserem Partner1. Jeder von uns entscheidet für sich allein, auf diesem Weg loszugehen. Ankommen kann man zu zweit.

LERNEN IN GEMEINSCHAFT

Innerhalb einer Gemeinschaft begegnet man einander, übernimmt Verantwortung füreinander und hilft sich gegenseitig auf die Sprünge, fast wie bei einem Liebespaar. Der Neurobiologe Gerald Hüther plädiert für eine Transformation der bisher vorherrschenden Beziehungskultur in unserer Gesellschaft. Mit diesem Buch möchten wir zur Bildung einer neuen gesellschaftlichen Strömung beitragen. Was diese neue Gemeinschaft in unserer Gesellschaft ausmacht, ist der Wunsch, in einer langfristig verbindlichen, emotionalen Liebesbeziehung zu leben, und die Bereitschaft, dafür an seiner eigenen Entwicklung zu arbeiten. Denn wer sehnt sich nicht nach einer glücklichen Partnerschaft? Immer mehr Menschen verstehen jetzt, dass das nicht von selbst geschieht, sondern dass man etwas dazu tun muss. Und das am besten beizeiten, bevor der Ozean der Gefühle so unruhig ist, dass es schwierig wird, das Ruder noch herumzureißen, bevor das gemeinsame Schiff an den Klippen zerschellt. Es braucht Kraft, alte Denkweisen zu verlassen, aber Sie sind nicht allein.

Dieses Buch ist kein „So geht das mit der Liebe“-Ratgeber. Wir versuchen nicht, Ihnen anzubieten, „in sieben Schritten“ zu etwas zu kommen. Wir wollen mit diesem Buch weniger Fragen beantworten, als Sie dazu einladen, Ihre eigenen Antworten zu finden. Wir möchten Ihnen zeigen, was wir in unserer Praxis erlebt haben, welche Schwierigkeiten wir kennen, und welche Wege, diese Schwierigkeiten hinter sich zu lassen. Sie werden in diesem Buch unsere Erfahrungen aus vielen Jahren der eigenen Entwicklung und der Arbeit mit anderen Paaren finden. Wir freuen uns, wenn das, was Sie hier entdecken, Sie in Ihrem Entschluss bestärkt, sich auch immer wieder neu bereit zu machen für die Liebe. Allein durch diesen Wunsch gehören Sie schon zur Gemeinschaft der Liebenden.

WANN IST MAN BEREIT?

Beim Lesen des Titels „Bereit für die Liebe“ können bei dem, der das Buch in den Händen hält, grundlegende Fragen auftauchen: Wann ist man denn bereit? Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt? Kann man das spüren? Ist man nicht irgendwie immer bereit? Oder gibt es jemanden, der Liebe aus sich heraus ablehnt oder der aufgrund von negativen Erfahrungen nicht bereit sein kann? Wie sieht eine Bereitschaft zur Liebe aus? Kann man die Bereitschaft messen? Und: Hat Bereitschaft nicht auch ihre Grenzen? Sich diesen Fragen zu stellen ist ein erster Schritt, in diese Bereitschaft hineinzufinden. Denn sobald man sich gestattet, Fragen zu stellen, werden Räume eröffnet, und in diesen Räumen können Spielarten der eigenen Sichtweise wachsen. Es wird eine Möglichkeit geboten, bereits vor der Lektüre auf eigene Antworten zu kommen, alte Antworten zu hinterfragen und sich dann beim Lesen inspirieren zu lassen.

Wir widmen uns in diesem Buch den Themen Liebe und Partnerschaft aus der Sicht des Yoga. Das ist eigentlich eine Disziplin, die eher für die Selbsterfahrung entwickelt wurde und in der die Praktizierenden nicht nur den weltlichen, sondern auch den partnerschaftlichen Dingen weitestgehend entsagt haben. Yoga ist von daher primär keine Lehre, die auf das gemeinsame Wachsen als Paar ausgerichtet ist, und dennoch liegen hier spannende Ansätze, die sich auf die partnerschaftliche Liebe anwenden lassen.

YOGA UND MEDITATION ALS WEGE ZUR LIEBE

Die Haltung des Yoga bietet hier eine spannende Grundlage für zwei mögliche Lesarten: Zum einen können wir die Haltung eines Beobachters einnehmen, indem wir die Dinge neutral und ohne Bewertung aufnehmen. Zum anderen lassen wir uns an den Stellen berühren, die jenseits der gedanklichen Einordnung oder Bewertung liegen. Es sind die Stellen, die unser Herz berühren und uns weiter werden lassen, auch wenn wir nicht genau wissen, warum das gerade passiert. Es ist vielleicht auch gar nicht der Inhalt des Gelesenen selbst, der uns da berührt, sondern ein Impuls, der dadurch freigesetzt wurde und der nun in uns eine Resonanz erzeugt und ein Gefühl von Wahrheit in sich trägt.

Damit stellen wir hier zwei große Yogawege vor, die gemeinsam angewendet werden können: Raja Yoga, der Weg der Meditation, der es uns ermöglicht, uns von der Wichtigkeit und Dringlichkeit unserer eigenen Sicht- und Denkweisen zu befreien und dadurch eine klare, weite Sicht einzunehmen. Und Bhakti Yoga, der Weg der Hingabe, der es möglich macht, die Dinge aus dem Herzen heraus auszuführen und die eigenen Denk- und Sichtweisen der Kraft der bedingungslosen Hingabe zu unterwerfen. Es mag zunächst so erscheinen, als sei ein Spagat erforderlich, um diese beiden Wege mit einander zu kombinieren, also zum einen das Denken in seiner Essenz klar werden zu lassen und zum anderen das Denken vom Kopf ins Herz zu lenken. Was sich jedoch unterschiedlich anhört, hat eigentlich das gleiche Ziel: unser Denken so zu optimieren, dass es nicht länger für unser Leiden verantwortlich ist, sei es durch Klarheit und Leerheit oder durch Hingabe und Fülle.

Dabei ist es uns ein Anliegen, uns immer wieder der Stille zu widmen. Das heißt, immer wieder hineinzuhorchen in unser unerschöpfliches Inneres, das bereits alle Antworten kennt, und mit den nötigen Techniken das Klare vom Trüben zu trennen und ins Bewusstsein zu bringen. Und es bedeutet auch, diese Klarheit zu halten, uns immer wieder an sie zu erinnern und dadurch unsere Beziehungen so zu gestalten, dass sie zum Wachstum beitragen und uns Entspannung bringen. Dabei dient uns Yoga hier weniger als Technik denn als Haltung, eine Haltung der Hingabe und auch eine Haltung des klaren Bewusstseins. Diese Mischung integral anzuwenden kann ein wesentlicher Schlüssel sein in dem Prozess, sich bereit zu machen für die Liebe.

LIEBE OHNE KAMPF

Dazu gehört auch zu sehen, wie unnötig das Kämpfen ist, ohne dabei die eigene Position aufgeben zu müssen. Darin liegt ein großer Teil des Geheimnisses der Liebe: die eigene Position zu finden und sich für die Position des anderen zu öffnen − und das nicht in der Komfortzone des Kompromisses, sondern in dem gnadenlos schweren Schritt der Hingabe ohne Selbstaufgabe.

Es kann nicht schaden, sich ab und zu − bildlich gesprochen − vor die Füße des anderen zu werfen und sich zu verneigen, besonders dann, wenn wir ihm oder ihr eigentlich eher auf den Kopf springen möchten. Dies ist vergleichbar mit der in vielen spirituellen Traditionen praktizierten Haltung, dass man in den größten Widerständen sein Ego „beiseitestellt“, um etwas Größerem in sich Raum zu geben. Man nennt das – ohne sich dabei selbst klein zu machen – Demut. Und wir werden merken, dass wir dabei nicht brechen, sondern eher wachsen und stärker werden. Wir erkennen dann auch, wie unser Partner darauf reagiert. Ehrt er das Geschenk? Dann kann auch unsere Liebe miteinander wachsen. Oder wendet er sich ab und versucht, daraus Machtstrukturen aufzubauen? Wenn er unsere Haltung so deutet, dass wir uns als sein Objekt benutzen lassen, dann wissen wir, dass wir hier entweder einen langen Weg miteinander zu gehen haben, bevor wir in einer gleichberechtigten Partnerschaft sind, oder aber vielleicht tatsächlich unsere Tasche packen müssen. Auch das werden wir am Ende des Buches ansprechen: Gibt es einen Zeitpunkt, an dem es richtig ist, sich zu trennen? Wenn der Partner sieht, was wir da beginnen zu leben, und er sich ebenfalls aufmacht, seine bequem eingerichtete Welt zu verlassen, dann wissen wir, dass es sich lohnt, den Weg gemeinsam weiterzugehen.

Hat Bereitschaft auch ihre Grenzen? Ja. Ein klares „Stopp“ auszusprechen ist immer dann erforderlich, wenn jemand anders unsere Grenzen nicht respektiert und gar versucht, gewaltvoll in unser Leben einzudringen. In solchen Fällen ist das Ziehen von klaren Grenzen eine Notwendigkeit. Wichtig ist hierbei, dass man zunächst nicht nur dem anderen die Grenzen setzt, sondern vor allem sich selbst bewusst macht, welche Grenzen man braucht. Was geht für mich? Was geht für mich nicht?

Es geht darum, eine für einen selbst gesunde Beziehung zu definieren und anzustreben, die Sicherheit und Wachstum verspricht. Jede Beziehung, die das nicht tut und in der sich einer der beiden Partner nicht wohlfühlt, gilt es zu überdenken. Das müssen zunächst nicht beide gemeinsam tun. Es reicht, wenn ein Partner damit beginnt. Das heißt in den meisten Fällen nicht, dass man gleich seine Koffer packen sollte. Es bedeutet eher − und vielleicht zum ersten Mal −, seine Liebe und seine Beziehung aktiv zu gestalten; sich darüber klar zu werden, was man sich für die Beziehung wünscht, das zu formulieren und den Partner einzuladen, das Gleiche zu tun. Dafür müssen wir manchmal etwas geduldig sein und dem anderen auch seine Zeit lassen. Ein Punkt, an dem viele Wünsche nach Veränderung scheitern, ist die Ungeduld desjenigen, der die ersten Schritte macht. Dann wird dem anderen kaum Zeit gegeben, mit der neuen Situation zurechtzukommen und im eigenen Tempo nachzuziehen. Wir dürfen nicht vergessen: Veränderung ist zunächst meist ein Prozess, der Angst macht.

VERÄNDERUNG BRAUCHT ZEIT

Wenn wir etwas verändern wollen, dann sollten wir uns selbst verpflichten, dem anderen Zeit zu geben, um mit uns zu kommen. Wir sagen gerne in einer solchen Situation: Einer reicht! Es müssen nicht beide zur gleichen Zeit die gleiche Kraft und den gleichen Wunsch zur Veränderung haben. Aber wenn wir dabei nicht auch etwas Geduld mitbringen, um auf unseren Partner zu warten, dann können wir uns schnell in eine Position bringen, in der der andere keine Chance mehr hat, es uns recht zu machen.

Oft hat einer der beiden Partner dann schon einen „Joker“ zur Verfügung und neue, scheinbar einfachere Perspektiven in Aussicht. Die anfängliche Resignation oder Wut des Partners sind dann willkommene Anlässe der Bestätigung, um den Trennungsturbogang einzulegen.

Es kommt in der Abgrenzung („Ich will das so nicht“) und im Formulieren der eigenen Wünsche („Ich will das so“) häufig zu einer gefährlich arroganten Haltung des Partners, der den ersten Schritt gemacht hat. Eine Haltung, die es dem anderen schwer macht nachzuziehen. Denn eigentlich ist dabei bereits merkbar, dass hier ein doppeltes Spiel läuft. Wenn einer der Partner sich schon mit halbem Herzen aus der Beziehung gelöst hat und ein gemeinsames Weitergehen gar nicht mehr unbedingt gewünscht ist, dann bietet er lediglich Annäherungsversuche an, die mehr Alibi als ernsthaftes Bemühen sind. Wer lässt sich darauf schon gerne ein? Die eigene Veränderung sollte in einer Partnerschaft nicht zunächst ein Schritt in eine andere Richtung sein, sondern ein ernstgemeinter, achtsamer Schritt in eine neue gemeinsame Richtung. Das bedeutet, dass derjenige, der sich zuerst bewegt, sich im Klaren darüber sein sollte, dass es zu Widerständen kommen kann und dass bei der eigenen Differenzierung nun ein Stück weit das möglicherweise langsamere Nachziehen des Partners ausgehalten werden muss. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut!

Dazu eine klassische Situation aus unserer Praxis: Eine Klientin hat seit einem Jahr eine Affäre. In Einzelsitzungen beteuert sie, dass sie sich um die gemeinsame Beziehung bemühe, Gespräche anrege und auch formuliere, was sie sich wünsche. Sie sagt, dass sie ihren Mann liebe, aber sich wünscht, dass er etwas ändert. Auf die Frage, warum sie eine Affäre angefangen habe, antwortet sie, dass sie nicht länger auf Leichtigkeit in der Liebe verzichten und sich zwischendurch auch mal fallen lassen wolle. Sie betont, dass sie sich wahre Intimität wünsche.

Es ist schwer, ihr zu vermitteln, dass ihr Mann ihre Gesprächsangebote nicht als tatsächliche Schritte in eine gemeinsame Richtung wahrnehmen kann, wenn sie sich emotional bereits zu einem anderen Menschen hin orientiert hat. Vielmehr wirkt es wie ein unausgesprochenes, weil geheimes Ultimatum, wenn bereits die Lösung des Paarkonflikts in Form eines neuen Partners im Hintergrund wartet. Das ist keine echte Bereitschaft, sondern eher eine Zwei-Phasen-Strategie. Der andere spürt unterschwellig die nur fünfzigprozentige Bereitschaft, die als hundertprozentige angepriesen wird. Wir können uns Dinge sehr geschickt zurechtlegen und kommen trotzdem nicht an. Der Wunsch der Klientin nach Intimität kann durch Geheimhaltung nicht erfüllt werden. Die Gespräche müssen scheitern. Der Wunsch nach Leichtigkeit in der Beziehung kann durch Forderungen, die selbst nicht eingehalten werden, ebenfalls nicht eintreten. Dann kommt man an den Punkt, sich zu fragen: Ist der Wunsch nach Intimität wirklich echt? Oder herrscht hier eher die Annahme vor: Ich bin nur so weit bereit zu bleiben, wie ich sehe, dass du dich änderst?

In unserem Beispiel trennte sich die Frau schließlich, um umgehend mit ihrem neuen Freund zusammenzuziehen. Intimität und Leichtigkeit haben sich nach ihrer Aussage jedoch noch nicht eingestellt. Der Konflikt mit dem Exmann ist Zweifeln am neuen Partner gewichen. Es hat sich nicht viel geändert. Es gibt neue Strukturen, die den alten gar nicht unähnlich sind, denn der Konflikt selbst wurde nicht gelöst. Echte Bereitschaft konnte sich zu keinem Zeitpunkt entfalten.

Es gibt aber unserer Erfahrung nach auch Möglichkeiten, aus einer scheinbar verfahrenen Situation einen Ausweg zu finden, der tatsächlich zu dem gewünschten Ziel führt. Die Straße dorthin kann steinig und holprig sein. Manchmal besteht vielleicht auch die Gefahr, aus der Kurve zu fliegen, aber am Ende dieser Straße können tatsächlich Intimität und Leichtigkeit warten, Sicherheit und Spannung. Dazu ist es notwendig, durch eine feurige Selbstprobe zu gehen und den Partner daran teilhaben zu lassen. Dann können sich beide Partner tatsächlich zeigen, manchmal mit seltsam erscheinenden Fratzen, aber auch immer wieder mit all ihrer Schönheit. Es braucht keine jahrzehntelange Vorbereitung. Wir sind dann bereit für die Liebe, wenn wir bereit sind, dafür etwas auszuhalten, und mit eindeutiger Bestimmtheit bei unserem Ziel ankommen wollen: mit offenem Herzen zu leben. Das bedeutet, uns nicht vor Schmerzen zu verschließen, aber nicht mehr darunter zu leiden. Wie soll das funktionieren? Ein Mann hat es vor ca. 2500 Jahren vorgemacht. Und viele tun es ihm seither gleich.

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir auf die gesonderte Nennung der weiblichen Form verzichtet. Wenn wir also zum Beispiel im Buch vom „Partner“ sprechen, ist dabei immer auch die Partnerin gemeint.

BEREIT WERDEN

DER MANN UNTER DEM BAUM

Der Wanderer war sehr müde von den Anstrengungen der hinter ihm liegenden Jahre. Dabei hatte eigentlich alles so gut begonnen. Er war in großem Reichtum aufgewachsen, und in seiner Jugend hatte es ihm an nichts gemangelt. Doch dann hatte er Kummer und Schmerz kennengelernt. Und deshalb hatte er sich auf die Suche gemacht: nach einem Weg zu einem Leben ohne Leid.

Lange Zeit war er dabei weisen Menschen gefolgt, die ihn gelehrt hatten, auf alles zu verzichten, was seine Sinne berührte oder gar erfreute. Er hatte ein karges Leben gelebt, in der Hoffnung, so das Geheimnis des Glücks zu erfahren. Nun war sein Körper ausgezehrt vom Fasten und Verzichten. Und weil er erkannte, dass es so nicht mehr weiterging, nahm er dankbar eine Schale mit Milch und Reis an, die ihm ein Mädchen aus dem Dorf anbot.

Er setzte sich unter einen Baum und fasste seinen Entschluss: „Ich werde von hier nicht fortgehen, bevor ich nicht wahrhaftig das Geheimnis des Lebens erkannt habe.“ Dann schloss er die Augen und begann sich auf das zu konzentrieren, was ihm am nächsten war: auf seinen Körper, seinen Atem und seine Gedanken. Er begann, sich selbst kennenzulernen. Es wurde Nacht, und der Mann blieb in seiner Konzentration. Plötzlich wurde die Ruhe um ihn herum jäh gestört. Aus dem Nichts tauchten Geister und Dämonen auf und drohten, ihn mit ihren Pfeilen zu durchbohren und ihn aufzufressen. Doch anstatt ängstlich die Flucht zu ergreifen, blieb der Mann sitzen. Alles, was er tat, war, mit seiner rechten Hand sanft die Erde zu berühren. Und die Schreckgestalten lösten sich auf.

Als Nächstes erschienen Scharen von jungen, kaum bekleideten Frauen, die ihn umschwärmten, ihn liebkosten und ihm ihre Lust anboten. Doch der Mann folgte keiner von ihnen. Er blieb unbewegt von ihren Angeboten und Verführungen an seinem Platz. Wieder berührte er nur sanft die Erde zu seinen Füßen, und die Verführungen verschwanden in das Nichts, aus dem sie gekommen waren.

Als schließlich der Morgen anbrach und die ersten Vögel zu singen begannen, hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte. Er sah, dass es nichts als Erscheinungen waren, die ihm Angst machen oder ihn verführen wollten. Und weil er sich entschlossen hatte, an seinem Platz zu bleiben, war sein Geist von den Schleiern der Unwissenheit befreit und hatte sich ihm das Geheimnis offenbart. Es liegt darin, weder vor etwas wegzulaufen noch etwas hinterherzurennen. Er war angekommen, und es breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

STILLE UND BEWEGUNG

Die Geschichte vom „Mann unter dem Baum“ ist die Geschichte von der Erleuchtung des Buddha; sie erzählt von einem Menschen, der zu seiner Mitte findet. Auf dieser Reise befinden wir uns alle. Wenn Sie dieses Buch in den Händen halten, gehen wir davon aus, dass Sie kein Interesse daran haben, Mönch oder Nonne zu werden. Entweder sind Sie bereits in einer Partnerschaft und möchten diese noch lebendiger werden lassen, oder Sie sind daran interessiert, sich wieder in das Abenteuer der Liebe zu begeben, und möchten die Dynamik in Ihren Beziehungen besser verstehen. In den folgenden Kapiteln laden wir Sie auf eine Reise durch die vielen unterschiedlichen Situationen des Lebens ein, in denen wir vor der gleichen Aufgabe stehen wie der Buddha in der Geschichte. Wollen wir vor allem weglaufen, was uns Angst macht? Wollen wir jeder Einladung, die wir erhalten, nachgehen? Oder können wir lernen, einfach auch einmal an Ort und Stelle sitzen zu bleiben und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren? Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen wird uns das Beispiel des Mannes unter dem Baum stets in gewisser Weise begleiten. Denn es geht immer darum, wie wir uns selbst besser kennenlernen, um bereit zu werden für eines der größten Abenteuer des Lebens: die Liebe.

Wir, die Autoren, sind der Meinung, dass das Leben beides braucht: Stille und Bewegung. Wir glauben, dass dies so ist, weil wir es selbst erleben und auch bei vielen anderen Paaren sehen. Das Leben und die Liebe sind nichts Statisches. Beide verlaufen nicht linear. Und bei all der Bewegung kann es uns guttun, wenn wir jemanden haben, auf den wir uns verlassen können. Wir brauchen keinen Partner, der uns beruhigt oder der uns unsere Arbeit abnimmt. Aber wir können eine ganze Menge Glück erleben, wenn wir die Fahrt durch raue See gemeinsam antreten. Umso schöner ist es dann, zwischendurch am Strand zu entspannen und die Sonne zu genießen.

Vielleicht sind Sie gerade glücklich in einer Partnerschaft und wollen Ihr Bestes dafür tun, dass das auch so bleiben kann. Vielleicht überlegen Sie gerade, sich zu trennen, und möchten wissen, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit für eine weitere gemeinsame Zukunft gibt. Vielleicht sind Sie Single und möchten mehr über ihre eigenen Muster in der Liebe erfahren, um sich dafür bereit zu machen, mit jemandem gemeinsam den weiteren Weg zu gehen. Was auch immer Ihre Motivation für die Beschäftigung mit diesem Thema ist: Es gibt auf jeden Fall eine Menge zu entdecken.

LIEBE IM ZEITALTER DER ABSOLUTEN FREIHEIT

Wo immer wir die Liebe auch suchen, sie scheint uns wieder und wieder zu entrinnen. Liegt es in ihrer Natur, einfach immer wieder zu kommen und zu gehen? Haben die Liedermacher recht, die stets aufs Neue vertonen, wie sehr die Liebe schmerzt und dass der Liebste verschwinden musste? Oder doch eher die Filmemacher, deren Budget umso höher kalkuliert wird, je unerwarteter das Happy End am Schluss der Geschichte ist? Müssen Liebende immer wieder auseinandergehen, weil Liebe eben nur ein flüchtiges Gefühl ist? Oder gibt es eine Liebe, mit der man vielleicht sogar zusammen alt werden kann − in guten wie in schlechten Zeiten?

Anders als in manchen anderen Teilen der Welt haben wir in Europa größtenteils scheinbar gute Karten, einen Partner zu finden, mit dem wir glücklich durchs Leben gehen können. In der Regel dürfen wir frei wählen, wem wir unser Herz schenken wollen. Darüber hinaus sind Romanzen und Sex via Internet heute schneller zu haben als je zuvor. Und diese Freiheit kann für manche Verbindung das vorzeitige Aus bedeuten. Statt uns mit unserem Lebensgefährten wirklich auseinanderzusetzen, wählen wir heute allzu oft einen scheinbar bequemeren Weg: Wir besorgen uns einen neuen Partner, in der Hoffnung, dass dieser dann besser zu uns passt und uns endlich die Wünsche erfüllt, die uns so lange versagt geblieben sind. In unserem Zeitalter der sich immer schneller ändernden Lebensentwürfe wird dies auch immer mehr als gängige Praxis angesehen. Così fan tutte – So machen es alle. Aber kommen wir auf diese Weise wirklich bei der Liebe an, die wir suchen? Denn auffällig dabei ist doch, dass zur gleichen Zeit auch der Markt für Paar- und Sexualberatung boomt. Es scheint also doch etwas zu fehlen.

LIEBE ODER VERTRAGLICHE VEREINBARUNG AUF ZEIT

Die ständig wachsende Anzahl an Beziehungsabbrüchen hat bereits eine Menge Ratgeber und Angebote in die Welt gebracht, die uns zu vermitteln versuchen, was man tun kann, damit die Liebe hält, was sie versprochen hat. Wir lernen, besser zu kommunizieren. Wir lernen, dass es nicht nur um unsere Bedürfnisse geht, sondern auch darum, Empathie für den anderen zu entwickeln. Und doch scheinen wir – wenn wir mit diesen Techniken arbeiten – oft eher Vertragspartner zu sein als Liebende. Wir beginnen, uns für den anderen zu interessieren, aber nur bis zu dem Punkt, an dem es gerade noch tolerierbar ist. Wenn es wirklich unbequem wird, dann steigt die Bereitschaft zu gehen enorm schnell. Wir kündigen dies dann eine Zeit lang an, und irgendwann ist es so weit: Der Vertrag wird gelöst. Es hat wieder nicht gereicht für die Liebe bis ans Lebensende.

Was kann man an die Stelle von Vertragsverhandlungen setzen? Wie nähern wir uns der Liebe? Mit diesem Buch wollen wir Sie dazu ermutigen, dem Wunsch nach „Lösungen“ immer einen Schritt voraus zu sein, damit sich die Liebe in Ihnen und in Ihrer Partnerschaft – ob Sie nun schon darin leben oder ob dieses Geschenk noch auf Sie wartet – entfalten kann. Wir verstehen unter Liebe nicht das flüchtige Gefühl der Verliebtheit, das bekanntermaßen von Hormonen ausgelöst wird, sondern die Haltung, sich einander immer wieder zu begegnen, sich einander zu zeigen und voneinander zu lernen. Eine emotional verbindliche Beziehung kann eine geschützte Gemeinschaft sein, in der zwei Menschen zwei wesentliche Erfahrungen machen können: Verbindung spüren und Wachstum erleben.

VERBUNDENHEIT UND FREIHEIT

Diese Erfahrungsqualitäten sind es, die uns von Kindheit an als Menschen bewegen. Es ist der Grundkonflikt nach Freud: Wir streben nach Geborgenheit und Verbundenheit auf der einen und Freiheit und Unabhängigkeit auf der anderen Seite. Wir brauchen die Erfahrung, dass wir in einer Gemeinschaft aufgehoben sind, und wir wollen uns entwickeln. Wenn unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind, dann können wir unser Potenzial auf allen möglichen Ebenen entfalten, ein Leben lang.

Zu Beginn unseres Lebens schien das alles ganz leicht. Wenn wir Angst hatten, wenn wir unsere Bezugsperson in unserer Nähe brauchten, dann schrien wir, und wir wurden in die Arme genommen. Wenn wir Nahrung brauchten, schrien wir auch, und wir wurden genährt. Wir waren mit unseren Bezugspersonen in Verbindung. In der Verbundenheit ging es uns gut. Und wenn es uns nicht gut ging, machten wir auf uns aufmerksam. Wir hatten in der Regel alles, was wir brauchten, als wir langsam lernten, unsere ersten Schritte in die Freiheit zu machen, um die Welt um uns herum zu entdecken. Mit jeder neuen Begegnung mit unserer Umwelt lernten wir auch mehr über uns und unsere Möglichkeiten. Wir begannen, eine eigene Persönlichkeit zu werden. Der Wunsch nach Freiheit wuchs.

SUBJEKT ODER OBJEKT

Irgendwo auf diesem Weg änderten sich dann aber die Dinge, je nach Elternhaus schneller oder langsamer. Es gab nicht mehr immer jemanden, der uns tröstend die Tränen wegwischte. Vielleicht zeigten sich die ersten Ermüdungserscheinungen bei unseren Bezugspersonen. Selbst die beste Mama braucht mal eine Pause, und auch dem besten Papa reißt einmal der Geduldsfaden. Tatsächlich wachsen die wenigsten Menschen in einer Bilderbuchumgebung auf. Verletzungen, die uns von Menschen, denen wir vertrauen, wissentlich zugefügt wurden, haben wohl mehr Menschen erlebt, als wir uns das selbst eingestehen wollen oder können. Wir erfuhren uns selbst also nicht mehr als bedingungslos geliebte Persönlichkeiten, sondern bemerkten, dass andere Menschen uns als Objekte benutzten.

Wie wird man vom Subjekt zum Objekt? Im leichtesten Fall, indem jemand uns Vorschriften machte darüber, was wir zu tun hätten, um zu gefallen. Oder jemand sagte, was wir zu lassen hätten, um nicht zur Last zu fallen. Ab da half kein Schreien mehr, wie am Anfang, denn dann hätten wir nur noch mehr gestört.

Viele haben aber auch andere Formen kennengelernt, zum Objekt gemacht zu werden, wie zum Beispiel, dass die Bezugspersonen ihnen eine nahezu unerfüllbare Aufgabe zugemutet haben: sie selbst glücklich zu machen, auf welchen Wegen auch immer. Wir sollten besonders sportlich sein oder ein Instrument spielen können, kurzum, wir sollten zu einer Verlängerung des Selbst der Eltern werden. Da ist es nur verständlich, dass man dann irgendwann gar nicht mehr das sein will, was andere von einem erwarten.

Gerald Hüther beschreibt das so: Wenn wir bemerken, dass andere uns zum Objekt ihrer Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen gemacht haben, dann haben wir zwei Möglichkeiten. Wir machen den anderen ebenfalls zum Objekt, indem wir uns sagen: „Der ist nichts wert.“ Oder wir bestätigen unsere Erfahrung, indem wir uns selbst zum Objekt machen, und sagen uns: „Ich bin nichts wert.“

Während wir uns also zu Beginn unseres Lebens noch als Subjekt fühlten und einfach dafür geliebt wurden, dass wir da waren, lernten wir ab einem gewissen Zeitpunkt, dass wir nur noch für das geliebt oder nicht geliebt werden, was wir tun. Zeitgleich übernahmen wir diese Strategien für uns selbst und lernten, sie auf zwei mögliche Weisen anzuwenden: Entweder werteten wir uns selbst ab und verhielten uns so, dass wir Liebe bekamen und möglichst wenig Schmerzen haben mussten. Oder wir machten unsere Umgebung ebenso zu Objekten, indem wir sie abwerteten und uns entschieden, der Liebe aus dem Weg zu gehen, weil sie Schmerz bedeutete. Mit diesen beiden Strategien gehen wir fast alle noch heute durch unser Leben. Unser Denkapparat, den wir auf der Suche nach dem Glück zu benutzen gelernt haben, empfiehlt uns täglich pausenlos, bestimmte Menschen, Dinge oder Zustände zu suchen oder bestimmten Menschen, Dingen oder Zuständen aus dem Weg zu gehen.

LIEBE DICH SELBST! REICHT DAS?

Weil uns diese Strategien so viele Jahre lang augenscheinlich geholfen haben, haben wir auch keinen Grund, unserer Erfahrung zu misstrauen. Wir gehen davon aus, dass irgendwo der Wurm drin sein muss, entweder in uns oder im anderen. Meist machen wir mit einer dieser Haltungen unsere ersten Beziehungserfahrungen − und können so natürlich nicht den „richtigen“ Partner finden. Also suchen wir weiter. Aber erst dann, wenn wir uns zu wundern beginnen, dass uns bestimmte Dinge immer wieder passieren oder wir bestimmte andere Dinge nie erleben, fangen wir an, überhaupt in Betracht zu ziehen, dass nicht allein unsere Umwelt für unsere derzeitige Situation verantwortlich ist. Wir werden bereit, uns selbst zu verändern.

Allerdings sind wir schnell enttäuscht, wenn eine wirkliche Veränderung unseres Lebens nicht gelingt. Wir denken, wenn wir neue Schritte gemacht haben, sollte unser Alltag einfacher werden. Aber das zu wandeln, was wir über so viele Jahre an Gewohnheiten angesammelt haben, bleibt oft eine Lebensaufgabe. Und wir können entscheiden, auf welche Weise wir dieser Aufgabe begegnen wollen. Wollen und können wir die Haltung der Liebe allein einnehmen lernen, auch wenn wir sie selbst bisher nur spärlich erlebt haben?

Es scheint eine verzwickte Situation zu sein. Wie sollen wir Liebe geben, wenn wir es nicht gelernt haben? Und wie soll uns jemand anders lieben, wenn wir uns nicht selbst lieben können?