Bergroman Trio März 2023 - Alfred Bekker - kostenlos E-Book

Bergroman Trio März 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: (399XE) Alfred Bekker: Die Fehde am Bergsee Anna Martach: Zwei Herzen in Bedrängnis Sandy Palmer: Florian, der Bergretter "Vorsicht!", rief der Waldner Franzl, als das Boot plötzlich heftig hin und her schaukelte. "Franziska! Lisa! Seid ihr denn jetzt ganz narrisch geworden! Wo habt ihr denn eure Gedanken?" Sie waren zu dritt auf dem kleinen Boot - der Waldner Franzl und seine beiden Töchter. Und das bedeutete nicht nur, dass es ziemlich eng war, sondern dass jeder der drei auch sehr genau auf seine Bewegungen achtgeben musste, damit das Fischerboot nicht kenterte. Zwar waren sie alle drei gute Schwimmer, aber nach einem unfreiwilligen Bad im eiskaltem Wasser des Bergsees stand dem Waldner nicht der Sinn. Und von seinen Töchtern war das eigentlich auch nicht anzunehmen. Die beiden bildschönen Madln sahen ihren Vater etwas erschrocken an. "Mei, was ist denn los mit euch?", fragte der Waldner. "Wenn man mit dem Fischerboot auf den See fährt, ist das net gerad' der rechte Moment, um herumzuträumen..." "Geh, Vater! Reg dich net auf, es ist ja nochmal gutgegangen", erwiderte Franziska. Der Waldner atmete tief durch.

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Alfred Bekker, Sandy Palmer, Anna Martach

Bergroman Trio März 2023

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Inhaltsverzeichnis

Bergroman Trio März 2023

Copyright

Die Fehde am Bergsee

Zwei Herzen in Bedrängnis

Florian, der Bergretter

Bergroman Trio März 2023

von Alfred Bekker, Anna Martach, Sandy Palmer

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Alfred Bekker: Die Fehde am Bergsee

Anna Martach: Zwei Herzen in Bedrängnis

Sandy Palmer: Florian, der Bergretter

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Die Fehde am Bergsee

von Alfred Bekker

.

Die beiden Töchter des Waldner Franzl, eines Bergsee-Fischers, stehen im Mittelpunkt dieses Romans um ein dramatisches Schicksal in den Bergen.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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1

"Vorsicht!", rief der Waldner Franzl, als das Boot plötzlich heftig hin und her schaukelte. "Franziska! Lisa! Seid ihr denn jetzt ganz narrisch geworden! Wo habt ihr denn eure Gedanken?"

Sie waren zu dritt auf dem kleinen Boot - der Waldner Franzl und seine beiden Töchter. Und das bedeutete nicht nur, dass es ziemlich eng war, sondern dass jeder der drei auch sehr genau auf seine Bewegungen achtgeben musste, damit das Fischerboot nicht kenterte. Zwar waren sie alle drei gute Schwimmer, aber nach einem unfreiwilligen Bad im eiskaltem Wasser des Bergsees stand dem Waldner nicht der Sinn.

Und von seinen Töchtern war das eigentlich auch nicht anzunehmen.

Die beiden bildschönen Madln sahen ihren Vater etwas erschrocken an.

"Mei, was ist denn los mit euch?", fragte der Waldner. "Wenn man mit dem Fischerboot auf den See fährt, ist das net gerad' der rechte Moment, um herumzuträumen..."

"Geh, Vater! Reg dich net auf, es ist ja nochmal gutgegangen", erwiderte Franziska.

Der Waldner atmete tief durch.

"So gerade eben", gab er dann zu. Seine umwölkte Stirn hatte sich unterdessen aber schon wieder sichtbar geglättet.

Wirklich böse sein konnte er den beiden Dirndln sowieso nicht.

Die Sonne stand schon tief über den schneebedeckten Gipfel, die den Kreuztaler See umgaben. Das Abendrot spiegelte sich auf der azurblauen Wasseroberfläche.

Der Waldner Franzl genoss diesen Anblick jedesmal aufs Neue, wenn er mit seinem Boot hinausfuhr. Das gewaltige Panorama der Bergwelt beeindruckte ihn immer wieder.

Daran hatte sich in all den Jahrzehnten nichts geändert, in denen er nun schon seine Fischerei auf diesem malerischen Bergsee betrieb, dessen glasklares Wasser überall seinesgleichen suchte.

Zusammen mit seinen Töchtern Franziska und Lisa war er mit dem Boot hinausgefahren, um die Reusen zu leeren. Die beiden Madln waren zu hübschen, jungen Frauen herangewachsen und halfen fleißig im elterlichen Fischerei-Betrieb mit.

Franziska war die jüngere der beiden. Sie hatte blondes, leicht gelocktes Haar, das sie mit einem Haarband zu bändigen pflegte. Ihre himmelblauen Augen waren von derselben Farbe wie die Oberfläche des Kreuztaler Sees bei gutem Wetter.

Ihre ältere Schwester Lisa hatte etwas dunkleres, aber immer noch blondes Haar, das ihr bis auf die Schultern herabfiel. Sie galt allenthalben als die Temperamentvollere und Mutigere der beiden. Und so hatte Franziska nicht selten das Gefühl, etwas ins Hintertreffen zu geraten - besonders wenn es darum ging, einen der feschen Burschen aus der Gegend anzusprechen.

Lisa wagte mehr und aufgrund ihrer charmanten Art gewann sie auch fast immer. Sich einen Korb einzufangen, davor hatte das Madl keine Angst. Außerdem spielte sie ganz gerne mit dem Feuer. Franziska war da von etwas vorsichtigerer und nachdenklicherer Natur.

Im ganzen waren die beiden Schwestern allerdings meistens ein Herz und eine Seele - trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit.

Der Waldner mochte gar nicht daran denken, was geschehen würde, wenn die beiden Madln irgendwann einmal nicht mehr im Betrieb mithalfen. In diesem Fall musste er dann einen Gehilfen anstellen. Auch wenn seine Frau ihm schon seit längerem riet, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, so wollte der Fischer davon doch erst einmal nichts wissen.

"Geh, Vater, du musst schon ein bisserl aufpassen, dass du net vom Kurs abkommst!", sagte die Franziska plötzlich.

Franzl Waldner stellte fest, dass seine Jüngere recht hatte.

Er war so in Gedanken gewesen, dass das Boot jene Uferstelle mit ziemlicher Sicherheit verfehlt hätte, an der die Reusen festgemacht waren. Selbst ohne Fernglas konnte man sie jetzt bereits sehen. Die Pflöcke, an denen sie befestigt waren, ragten leicht über die Wasseroberfläche.

Der Waldner riss die Pinne des Außenbordmotors herum, so dass das Boot auf Kurs kam.

"Mei, ich war halt ein bisserl in Gedanken", sagte der Waldner. "Aber das gilt heute ja wohl net allein für mich, geh?"

Sie erreichten gerade die Reusen, da tauchte in der Ferne ein weißes Kajütboot auf und die drei blickten einige Augenblicke lang wie gebannt dorthin.

"Das ist die BERGSEE-KÖNIGIN", stellte Lisa fest und begann zu winken.

"Geh, Lisa!", meinte die Schwester. "Auf die Entfernung sieht dich doch sowieso niemand!"

"Der Martin wird mich schon bemerken", meinte Lisa selbstbewusst. "Wer weiß, vielleicht schaut er gerade jetzt mit dem Fernglasl in unsere Richtung..."

"Das ist doch Schmarrn!", stieß Franziska hervor.

"Mei, was bist denn so kratzbürstig!"

"Du tust ja gerade so, als wärst gut bekannt mit dem Martin!"

"Und was würdest du sagen, wenn ich's wär?"

"Dann würde ich sagen, dass du da gewiss net allein bist, Schwesterherz!"

"Ich weiß gar net, was du hast, Franziska! Du hast doch deinen Peter! Was ist denn dagegen einzuwenden, dass ich's mir genau anschau, wenn ein neues Mannsbild in der Gegend auftaucht!"

"Gegen das Schauen hat auch keiner was gesagt, Lisa!"

Der Waldner hatte seinen beiden Töchtern eine Weile erstaunt zugehört. "Mei, was ereifert ihr euch denn? Der Brandner Martin hat scheinbar einen nachhaltigen Eindruck auf euch gemacht...."

Lisa zuckte die Achseln. "Ganz fesch ist er ja..."

"...aber wie man so hört, lässt er ja nix anbrennen", ergänzte Franziska.

Lisa sah ihre Schwester mit erstauntem Gesicht an.

"Das braucht ja deine Sorge net zu sein - oder?"

Martin Brandner war vor einiger Zeit am Kreuztaler See aufgetaucht und hatte eine Tauchschule eröffnet. Dem Waldner hatte es erst gar nicht gefallen, dass dadurch mehr Touristen in die Gegend gezogen wurden. Misstrauisch hatte er das Kajütboot des Brandners betrachtet und schon geargwöhnt, dass das Treiben des Neulings vielleicht negative Folgen für den Fischfang haben könnte. Inzwischen war er zu der Erkenntnis gelangt, dass der strahlend blaue Kreuztaler See vielleicht doch groß genug für sie beide war.

"Nun verdreht mal net vollends eure Hälse", meinte der Waldner schließlich, während seine beiden Töchter dem weißen Kajütboot nachblickten. "Oder wollen wir den Fang heute in der Reuse lassen?"

Die beiden Madln lachten und dann machten sich die drei ans Werk.

2

Es dämmerte schon, als der Waldner mit seinen Töchtern zum heimatlichen Fischerhaus zurückkehrte. Es lag idyllisch am Seeufer. Ein schmucker Bootssteg führte ins Wasser hinein.

Und ganz in der Nähe befanden sich ein paar Räucherstuben.

Schon von weitem sah Franzl Waldner, dass zwei Personen auf dem Bootssteg waren und ihnen zuwinkten. Die eine Person war seine Frau. Und bei der anderen handelte sich um den Niedermayer Peter.

"Scheint, als wäre Besuch für dich da", brummte der Waldner zu Franziska. "Jedenfalls nehme ich an, dass der Niedermayer deinetwegen gekommen ist..." Der Waldner seufzte. "Mei, musste es den ausgerechnet einer von denen sein?"

"Geh, Vater! Hast irgendetwas gegen den Peter vorzubringen? Er ist ein rechtschaffener Bursche - und für das, was damals unserem Bruder passiert ist, kann er nix!"

Das Gesicht des Waldners wurde düster.

"Eingebildet ist er, der Sohn des Großbauern! Hält sich wohl für was Besseres als unser eins!"

"Das ist net gerecht, was du jetzt sagst!", entgegnete Franziska sehr ernst.

Vor Jahren hatte der Waldner neben seinen beiden schmucken Töchtern auch einen Sohn gehabt. Xaver hatte er geheißen.

Zusammen mit Hans, dem älteren Sohn des Niedermayer-Bauern, war er zu einer waghalsigen Bergtour aufgebrochen. Die beiden jungen Männer waren in ein Unwetter hineingeraten und nicht zurückgekehrt. Später hatte man sie beide nur noch tot bergen können. Seitdem war der Waldner nicht gut auf alles zu sprechen, was den Namen Niedermayer trug, denn er machte Hans' Leichtsinn für den Tod seines Sohnes verantwortlich.

Allein, so pflegte er immer zu sagen, hätte der Xaver sich niemals auf ein so riskantes Unternehmen eingelassen.

Und nun ging seine Tochter mit dem jüngeren Sohn des Großbauern! Selbst von einer Verlobung war schon die Rede!

Der Waldner konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass ihre beiden Familien auf diese Weise miteinander verbunden sein sollten. Allein der Gedanke daran war ihm schon unerträglich, denn jedesmal, wenn er den Peter sah, wurde er an diese tragische Geschichte erinnert. Die Wunde in seinem Inneren, die nur sehr langsam heilen wollte, wurde dann immer wieder aufs Neue aufgerissen.

Erschwerend kam noch hinzu, dass Peter Niedermayer seinem älteren Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten war und sich darüber hinaus in seiner Freizeit auch, genau wie dieser, als eifriger Kletterer betätigte.

Unwillkürlich ballte der Waldner die Hände zu Fäusten, als er den Peter auf dem Steg stehen sah.

Kann der sich net ein anderes Dirndl aussuchen?, ging es dem Fischer ärgerlich durch den Kopf. Muss es denn ausgerechnet meine Franziska sein?

Andererseits war Franzl Waldner Realist genug, um zu wissen, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Aber vielleicht, so hoffte er nach wie vor, würde das Madl doch noch zur Besinnung kommen und sich anderswo nach einem geeigneten Mann umschauen.

Manchmal wünschte er sich sogar, dass Franziska etwas mehr von der Leichtlebigkeit ihrer Schwester gehabt hätte. Dann hätte sie den Bauernsohn gewiss längst vergessen gehabt, war er überzeugt.

"Ich sag dir, der ist nix für dich!", meinte er, obwohl er wusste, dass Franziska ihm kaum zuhören würde. "Der Peter ist genauso leichtsinnig wie sein Bruder war. Du willst es nur net wahrhaben!"

"Weil es auch net der Wahrheit entspricht, Vater!", versetzte Franziska bestimmt.

"Geh, Madl! So gut kannst ihn noch gar net kennen", schüttelte der Waldner den Kopf. "Der Peter ist doch mit dem goldenen Löffel geboren. Genau wie sein Bruder! Und nur deshalb ist er so leichtsinnig. Lass es dir gesagt sein."

"Ach Vater! Wenn du die Vergangenheit doch nur vergessen könntest!"

"Vergessen?", fragte der Waldner etwas unwirsch. "Du sprichst von deinem Bruder!"

Franziska seufzte.

"Das vergesse ich schon net. Darauf kannst dich verlassen! Aber ein bisserl freundlicher könntest trotz alledem zum Peter sein..."

Das Boot erreichte bald den Steg. Franziska sprang an Land und machte es mit geschickten Handgriffen fest.

Ihre Mutter begrüßte die Ankömmlinge mit einem herzlichen Lächeln. "Früh seid ihr diesmal zurück", stellte Maria Waldner fest. "Ich hoffe nur, dass auch etwas in den Reusen war!"

"Mei, ein bisserl war es schon", murmelte die Franziska und blickte geradewegs an ihrer Mutter vorbei.

"Ja, du hast Besuch, mein Kind", kommentierte die Waldnerin. Dann beugte sie sich etwas vor und murmelte in gedämpftem Tonfall: "Tu mir einen Gefallen und lass es heut' Abend net zu spät werden..."

"Na, das wird es schon net", erwiderte Franziska.

Und diese Erwiderung hatte ihren guten Grund.

In letzter Zeit hing zwischen den beiden nämlich ein bisschen der Haussegen schief. Nicht, dass sie sich lauthals gestritten hätten, aber der Peter redete dauernd vom Heiraten und das Madl war sich einfach nicht sicher, ob sie dazu schon bereit war. Irgendwie fühlte sie sich für solche Gedanken noch ein bisschen zu jung. Erst einmal etwas vom Leben haben, bevor man sich die ganze Verantwortung auf den Hals lädt!, so sagte eine Stimme in Franziska. Es gab da noch eine zweite, widerstreitende Stimme, der es eigentlich kaum schnell genug damit gehen konnte, vor den Altar zu treten und einen eigenen Hausstand zu gründen. Aber die zweite Stimme war im Moment noch die Schwächere.

"Grüß dich, Peter", seufzte sie, als sie dem Sohn des Niedermayer-Bauern gegenüberstand. "Das ist nett, dass du vorbeischaust..."

Einträchtig gingen sie den Steg entlang und erreichten schließlich das feste Land. Weil das Seeufer recht flach war, ragte der Steg ziemlich weit in den See hinein.

Der Niedermayer Peter war ein fescher Bursche.

Hochgewachsen, mit breiten Schultern und hellwachen Augen, mit denen er das Madl begehrlich anblickte.

"Mei, selbst in deiner Arbeitskleidung siehst hübsch aus, Franziska", meinte er anerkennend. "Und die ist ja nun net gerade figurbetont..."

"Geh, Peter..."

"Das war als Kompliment gemeint!"

Franziska lächelte.

"Ich hab's auch so aufgefasst. Aber du übertreibst damit ein bisserl!"

"Ich seh das schon richtig..."

"Ich werde mich trotzdem erstmal umziehen, bevor wir zwei was unternehmen... und ich denke, da wirst wohl kaum etwas dagegen einzuwenden haben!"

Eine halbe Stunde später spazierten die beiden etwas abseits des Fischerhauses am Seeufer entlang. Die Berge rings um den Kreuztaler See herum strahlten in den unterschiedlichsten Rottönen. Die weißen Flächen der hochgelegenen Schneehänge leuchteten hell. Die Sonne sank immer tiefer und würde bald hinter den gezackten Gipfeln verschwinden. Schon lagen große Schatten auf dem Hochwald und den Almen.

Hand in Hand gingen die beiden jungen Leute eine ganze Weile lang schweigend am Ufer entlang. Ein aufkommender Fallwind kräuselte die Wasseroberfläche und begann, kleinere Wellen zu erzeugen.

"Mei, ich versteh net, warum du die Sache noch so weit hinauszögern musst, Franziska", begann schließlich der Peter mit dem Thema, das das Madl schon die ganze Zeit über gefürchtet hatte und dessentwegen sie sich auch gar nicht mehr so richtig auf die Treffen mit dem feschen Bauernsohn freute. "In ein oder zwei Monaten könnte Verlobung sein und im Herbst dann die Hochzeit! Bei uns auf dem Hof ist Platz genug, um das ganze Dorf einzuladen! Mei, das würde ein Fest..."

"Geh, Peter - hat das net noch Zeit?"

"Aber wenn man sich doch liebt!"

"Auf der einen Seite hast ja recht - aber..."

Franziska sprach nicht weiter. Sie stockte und brach ab. Zu ungeordnet waren die Gedanken in ihr, als dass nicht etwas über ihre Lippen kommen würde, das sie später vielleicht bereut hätte.

Sie wollte Peter nicht verletzen. Und eigentlich mochte sie ihn ja auch wirklich gern.

Könnte er mir net einfach ein bisserl mehr Zeit lassen?, ging es dem Madl durch den Kopf. Sie konnte es nicht ausstehen, zu etwas gedrängt zu werden. Das war schon als Kind so gewesen und ihre Eltern hatten das hin und wieder seufzend zur Kenntnis nehmen müssen.

"Aber was?", hakte Peter jetzt nach.

Sie blieben stehen.

Ihre Blicke trafen sich. Peter fasste sie bei den Schultern.

Auf seiner Stirn stand eine ernste Falte.

Franziska öffnete halb die Lippen. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nicht einen einzigen Ton heraus. Ein Kloß saß ihr im Hals.

"Es ist wegen deines Vaters, net wahr?", stellte Peter dann fest.

"Na..."

"Gib's doch ruhig zu! Wir zwei können doch ehrlich miteinander sein! Ich nehme net an, dass dein Vater dir gegenüber anders redet, als er es sonst im Dorf tut, wenn er zum Beispiel beim Wirt am Schanktisch sitzt!"

"Peter..." versuchte Franziska ihren Liebsten zu beruhigen.

Aber das war im Grunde sinnlos.

Eigentlich hatte er ja recht, was die Einstellung des Waldners anging.

Nur stimmte es nicht, dass diese nun etwa der tiefere Grund dafür gewesen wäre, dass Franziska bislang auf Peters Heiratsabsicht eher zurückhaltend reagiert hatte. Über die Ablehnung ihres Vaters hätte sich das willensstarke Madl notfalls hinweggesetzt. Irgendwann, so war ihre Überzeugung, hätte der dann schon seinen Groll aufgegeben. Spätestens dann, wenn sich Enkel einstellten.

"Dein Vater glaubt, dass ich genauso wär wie mein Bruder. Das ist doch richtig, oder? Und den macht er für den Tod seines Sohnes verantwortlich - obwohl der Xaver gewiss ein genauso risikofreudiger Kletterer gewesen ist wie der Hansi!"

"Mei, das mag schon sein, Peter!"

"Mach ich vielleicht deine ganze Familie dafür verantwortlich, dass mein Bruder in den Bergen ums Leben gekommen ist? Das ist doch einfach lächerlich so etwas. Die zwei waren Freunde, haben sich in Gefahr begeben und leider das Risiko falsch eingeschätzt. Das ist alles. Und so traurig das auch sein mag - aber soll diese Geschichte vielleicht die Zukunft vergiften? Unser Leben?"

"Ach, Peter..."

"Dein Vater wird schon über seinen Schatten springen...", war der Bauernsohn überzeugt. Ihrer beider Blicke trafen sich, verschmolzen für Augenblicke miteinander. Franziska hatte in diesem Moment fast das Gefühl, seine Gedanken lesen zu können. Er hingegen schien nichts von dem erfasst zu haben, was in ihr vorging.

Franziska seufzte.

"Mit meinem Vater hat das nix zu tun", sagte sie dann.

Peter sah sie etwas erstaunt an.

Einen Augenblick lang sagte er kein Wort. Dann ließ er ihre Schultern los.

"Womit dann?", fragte er nach. "Bist dir vielleicht doch net so sicher, ob du mich liebst? Glaubst vielleicht, dass da noch was Besseres kommt?"

Peter atmete tief durch. Es war ihm anzusehen, wie sehr er innerlich aufgewühlt war.

"Peter, wie kannst nur so etwas denken!", erwiderte Franziska. "Natürlich liebe ich dich... Ich möchte halt nur, dass wir uns etwas mehr Zeit geben. Wir sind doch jung! Läuft uns die Hochzeit vielleicht davon?"

Peter schüttelte den Kopf.

"Ich versteh dich net, Franziska. Tut mir leid." Er schüttelte wütend den Kopf.

Nun war es also richtig zum Hader zwischen ihnen beiden gekommen. Das hatte Franziska immer befürchtet. Deswegen war sie auch Peter gegenüber bislang nicht mit der vollen Wahrheit herausgekommen.

Doch nun war es geschehen. Und Worte, die einmal gesprochen waren, konnte man nicht wieder zurückholen.

"Ich frage mich, was wirklich hinter deiner Zögerlichkeit steckt, Franziska... oder besser gesagt: wer!"

"Peter!"

"Mei, man muss doch nur eins und eins zusammenzählen, um darauf zu kommen..." Peter fasste sich an den Kopf. "Nun ergibt alles plötzlich einen Sinn..."

"Peter! Das ist doch net wahr, was du da sagst!"

"Ach, nein?"

Peter hatte die Hände zu Fäusten geballt.

"Lass uns doch in Ruhe über alles reden. Mei, was ist schon dabei, wenn wir die Sache net so überstürzen?"

"Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir alles noch einmal überdenken, Franziska."

"Was soll das heißen?", fragte Franziska tonlos.

"Genau das, was ich gesagt habe. Net mehr und net weniger..."

"Aber da ist wirklich kein anderer, Peter! Das musst du mir glauben!"

Franziska nestelte am Jackenkragen des Niedermayer Peters herum.

Dieser knurrte etwas Unverständliches vor sich hin.

"Mei, lange kannst mir doch sowieso net bös sein, Peter! Also lass es besser ganz!"

"Ganz narrisch machst einen!", erwiderte Peter. Aber sein Gesicht war schon wesentlich weniger ärgerlich. Doch ein gewisses Misstrauen blieb. Und Franziska wusste nur zu gut, dass sie dies auch nicht im Handumdrehen ausräumen konnte.

Schließlich gab sich Peter einen Ruck. Er legte den Arm um Franziska, und sie schmiegte sich an seine Schulter.

"Musst net alles so ernst nehmen, was ich daherrede", meinte er dann. "Aber die Sache hat mich halt so aufgewühlt... Im Grunde will ich doch nix anderes, als mit dir zusammen glücklich werden, Franziska..."

3

Martin Brandner blickte von der Veranda seiner Tauchschule aus auf den abendlichen Bergsee. Das Kajütboot, mit dem er seine Tauchschüler hinausfuhr, lag gut vertäut an der Anlegestelle. Thomas Hofer, sein Gehilfe, hielt eine Angel in der Hand, aber das Glück war ihm nicht hold. Immer wieder warf er den Köder aus, aber an diesem Abend war es wie verhext. Er bekam nichts an den Haken.

"Lass es gut sein, Thomas!", rief Martin. "Heute fängst du doch nix mehr!"

Thomas Hofer sah das etwas später selbst ein. Er rollte die Angelschnur ein und kehrte in Richtung der Tauchschule zurück.

Martin Brandner hatte sie in einem leerstehenden Fachwerkhaus eingerichtet, das zuvor schon jahrelang leer gestanden hatte.

"Mei, was machst denn für ein griesgrämiges Gesicht, Martin?", meinte Thomas. Er war einige Jahre älter als sein Arbeitgeber und hatte zuvor als Großknecht auf einem der umliegenden Höfe gearbeitet. "Das Geschäft geht doch net schlecht!"

"Hast du eine Ahnung", murmelte Martin, und sein Gesicht verfinsterte sich dabei etwas.

Thomas sah Martin verwundert an.

"Mei, was soll das denn heißen? Waren denn net genug Touristen auf dem Boot, die sich die Taucherei zeigen lassen wollten? Mehr hätten wir doch kaum verkraften können - es sei denn du stellst noch ein paar Hilfskräfte ein. Aber so leicht wird wohl niemand zu finden sein, der genug vom Tauchen versteht..."

"Unsere Kosten sind einfach zu hoch, Thomas. Und jetzt am Anfang drückt natürlich auch noch ein Berg Schulden. Ich muss mir was überlegen."

"Ich versteh das net", schüttelte Thomas den Kopf. "Die Tauchschule ist doch gut angelaufen..."

"Nicht gut genug, Thomas", entgegnete Martin Brandner. "Ich will dir keine Angst machen, aber die Situation ist so ernst, dass es im Handumdrehen vorbei sein kann."

"Ich würde das sehr bedauern", meinte Thomas dann, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte. "Schon deshalb, weil ich die Arbeit sehr gerne mache... aber wenn's hart auf hart kommt, dann kann ich jederzeit beim Bauern wieder anfangen!"

"Ich hoffe net, dass es soweit kommt!"

Thomas Hofer nickte. "Es wird sich schon eine Lösung ergeben."

"Dein Wort in Gottes Ohr!"

"Mit ein bisserl mehr Zuversicht lebt es sich doch entschieden leichter!"

Martin Brandner schwieg dazu, dachte sich aber seinen Teil. Du hast gut reden!, ging es ihm durch den Kopf. Dein Geld ist es ja auch net, von dem alle Ausgaben bestritten werden müssen!

Dass es am Anfang nicht leicht sein würde, so ein Geschäft aufzubauen, damit hatte er gerechnet.

Aber dass er schon nach so kurzer Zeit mit einem Bein im Ruin stand, das konnt er selbst noch kaum glauben. Aber die Zahlen waren eindeutig.

So oft er darin auch herumrechnete, sie wurden dadurch einfach nicht rosiger. Sollte ich mich wirklich so verschätzt haben?, ging es ihm durch den Kopf. Das Tauchen war seine Leidenschaft und vielleicht hatte ihn das blind und leichtsinnig gemacht.

"Vergiss net, das das größte Kapital für uns dort liegt", hörte er nun die ermunternde Stimme seines Gehilfen, der bei diesen Worten hinaus auf den See deutete. "Es dürfte kaum ein Gewässer mit so klarem Wasser geben. Ein Paradies für jeden Taucher!"

"Mei, ich weiß", seufzte Martin. "Aber was auch immer werden wird - dieser Tag ist erstmal vorbei... Für heute ist jedenfalls Feierabend und ich werde versuchen, keinen Gedanken mehr an die Zahlen zu verschwenden!"

Das war natürlich ein Wunsch, der sich wahrscheinlich nicht realisieren ließ. Die Sorgen würden Martin Brandner nicht loslassen, so sehr er sich das auch gewünscht hätte.

Thomas nickte und verabschiedete sich.

Einen Augenblick später hörte Martin ihn mit dem Wagen davonfahren.

Nachdenklich blickte der Brandner Martin dann eine ganze Weile auf das weiße Kajütboot. Ein schöner Anblick, wie es da am Steg lag. Martin hatte viel in das Boot investiert. Ich hoffe nur, dass ich das alles halten kann!, ging es ihm durch den Kopf.

4

Als Lisa Waldner die Tauchschule an diesem Abend erreichte, sah sie den Brandner Martin in der Nähe des Stegs. Lisa war am Flussufer entlanggegangen.

Aber es war durchaus kein Zufall, dass ihr Spazierweg sie geradewegs an der Tauchschule vorbeiführte. Sie hatte gehofft, den Martin hier zu treffen. Natürlich sollte es ganz zufällig aussehen.

Und wie es schien, sollte das Madl Glück haben.

Martin Brandner war sogar allein!

Lisas Herz schlug etwas schneller.

Seit sie den Martin zum ersten Mal gesehen hatte, musste sie dauernd an ihn denken. Immer wieder kreisten ihre Gedanken und Empfindungen um diesen Fremden, der zum Kreuztaler See gekommen war, um hier Touristen das Tauchen beizubringen. Gut sieht er aus!, dachte Lisa. Das dunkelblonde, leicht gewellte Haar, die hochgewachsene Gestalt...

Jetzt nur net den Mut verlieren!, ging es ihr durch den Kopf.

Die Madln aus Kreuztal waren ganz narrisch, seit Martin Brandner in die Gegend gekommen war. Und fast immer sah man ihn in Begleitung. Beim Dorftanz rissen sich die Dirndln geradezu um die Chance, mit dem Martin über den Tanzboden zu wirbeln. Er war inzwischen überall als heiterer, geselliger Mensch bekannt, der gerne scherzte und ein gekonnter Süßholzraspler war. Aber so recht festgelegt hatte er sich bislang wohl noch nicht. Jedenfalls hoffte Lisa, dass es so war.

Sie fasste sich ein Herz und ging weiter.

"Servus", grüßte sie, als er sich eher zufällig nach ihr umdrehte.

Er nickte ihr zu.

"Servus....!" Sein Lächeln wirkte sympathisch. Der Blick seiner braunen Augen ging Lisa durch und durch. "So allein am Abend?"

"Mei, es ist halt nix los heute im Dorf."

"Freilich, da sprichst ein wahres Wort!"

"Aber das größte Schauspiel findet hier sowieso täglich statt." Sie deutete zu der Kette schroffer Gipfel, hinter der die Sonne inzwischen versunken war.

"Du meinst den Sonnenuntergang am Kreuztaler See?"

"Ja. Ich glaub, mir wird es auch in Jahren noch net lang, das anzuschauen!"

Martin zuckte die Achseln. "Ich bin zwar noch net so lang hier, aber ich kann wohl nachempfinden, was du meinst..."

Er zog ein wenig die Augenbrauen zusammen, als er sie musterte.

"Bist du net die Waldner Franziska?", fragte er dann. "Die Tochter des Fischers?"

Lisas Gesicht wurde dunkelrot, teilweise vor Scham, zum anderen Teil aus Wut.

"Na, ich bin net die Franziska!", erwiderte sie, wobei sie sich große Mühe geben musste, einen gekränkten Unterton zu verbergen. Das fing ja gut an! Verwechselte dieses Mannsbild sie einfach mit ihrer Schwester!

Bin ich denn so unscheinbar?, ging es ihr ärgerlich durch den Kopf.

Im Allgemeinen war es so, dass sie die Kontaktfreudigere und Mutigere von beiden war, so dass man ihren Namen daher auch schneller in Erinnerung behielt. Dass es mal umgekehrt sein könnte, passte Lisa überhaupt nicht.

"Mei, aber..."

"Ich bin Lisa Waldner, net Franziska. Das ist meine Schwester!"

"Tut mir leid, dann habe ich euch wohl verwechselt!"

Lisa versuchte so zu tun, als hätte ihr das überhaupt nichts ausgemacht. Sie zuckte die schmalen Schultern und meinte: "Woher solltest du dich auch an mich erinnern? Wir haben uns ja auch auf dem Dorftanz letzte Woche nur einen Tanz lang in den Armen gehalten..."

Ein bisschen Verschnupftheit klang nun aber doch aus ihren Worten heraus.

Und Martin bemerkte das.

Er sah sie an.

"Mei, ich hab vielleicht den Namen verwechselt - aber das Gesicht, das hab ich net vergessen!", behauptete er. "Ich meine, was ist schon ein Name? Es gibt sogar hier in Kreuztal mehrere Madln, die Franziska oder Lisa heißen! Aber mit einem Gesicht ist das ganz etwas anderes... Das ist einmalig. Und deins ganz besonders..."

Lisa hob den Kopf.

"Ach, dass sagst jetzt so..."

"Ich sag nix, was ich net auch so meine!", erwiderte Martin im Brustton der Überzeugung.

"Ach, wirklich?"

Sie mussten beide lächeln.

"Freilich!", bekräftigte Martin.

"Komisch, aber dir geht da ein ganz anderer Ruf voraus, Martin!"

Er näherte sich ihr etwas. Sie standen jetzt nur noch etwa einen Schritt voneinander entfernt. Der Anfang ist gemacht!, dachte Lisa. Er sah sie auf eine Weise an, die ihr gefiel.

Sie glaubte Schmetterlinge in ihrem Bauch zu haben.

Und gleichzeitig erhob sich eine warnende Stimme in ihrem Inneren. Sei auf der Hut!, sagte diese Stimme. Du wärst net die Erste, die auf dieses umwerfende Lächeln schon hereingefallen ist und anschließend keinen freien Willen mehr hatte.

"Mei, wie das halt so ist, wenn ein Fremder in ein Dorf wie Kreuztal kommt", meinte Martin dann, während Lisa wie gebannt an seinen Lippen hing. Der Klang seiner Stimme schien sie zu verzaubern. "Es wird eben viel geredet über den, der als Fremder kommt! Das ist gewissermaßen ein Naturgesetz. Aber ich kann dich beruhigen! Das meiste von dem, was du wahrscheinlich gehört hast, stimmt net!"

"Dass du ein Süßholzraspler erster Klasse bist, stimmt aber!", erwiderte Lisa in gedämpftem Tonfall. "Davon habe ich mich heuer selbst überzeugen können..."

Martin zuckte die Achseln.

"Was bleibt mir anderes übrig - wenn ich unverhofft einem so schönen Dirndl begegne?"

"Jetzt tust du es wieder!"

"Freilich - ich werde durch deine Anwesenheit förmlich dazu gezwungen!"

Sie lachten beide.

Und dann verschmolzen für einem Moment ihrer beider Blicke miteinander.

Sie schwiegen, lauschten einen Augenblick den kleinen Wellen, die der von den Bergen herabwehende Fallwind auf der Seeoberfläche bildete und die in einem steten Rhythmus ans Ufer spülten.

"Es freut mich sehr, dass wir uns heute Abend hier getroffen haben", sagte Martin dann. Und das meinte er wirklich so, denn Lisas Anwesenheit hatte genau das bewirkt, wonach er sich zuvor so gesehnt hatte.

Martin hatte die Sorgen, die ihn plagten, für eine kurze Zeit vollkommen vergessen.

"Es muss dabei net bleiben", sagte sie dann. "Ich komme öfter hier vorbei..."

"Warum habe ich dich dann nie bemerkt?"

"Vielleicht, weil du die Abende gewöhnlich im Wirtshaus verbringst!" Lisa atmete tief durch. "Jetzt muss ich jedenfalls wieder gehen", sagte sie, obwohl sie eigentlich noch ganz gerne geblieben wäre. Aber sie wollte sich ihm auf keinen Fall aufdrängen. Umgekehrt sollte es sein! Martin sollte an ihrer Angel zappeln wie ein geköderter Fisch! Sie berührte ihn leicht am Arm. "Servus", sagte sie und wandte sich zum Gehen.

"Bis Morgen!", rief ihr der Brandner Martin nach, nachdem sie schon einige Meter hinter sich gebracht hatte. Lisa drehte sich noch einmal um, sagte nichts, sondern lächelte nur.

5

Es war schon spät, als der Niedermayer Peter an diesem Abend heim auf den elterlichen Hof kam. Die Sonne war längst untergegangen, und die Niedermayerin hatte sich schon ein wenig Sorgen gemacht.

Ihr Mann hatte sie zu beruhigen versucht.

"Der Bub ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Brauchst dich deswegen net narrisch machen!"

Aber inzwischen war Mitternacht vorbei. Und selbst, wenn Peter ins Wirtshaus ging, war er nie so lange weggeblieben.

Als er die Stube betrat, wirkte Peter sehr in sich gekehrt und niedergeschlagen.

Der Bauer und seine Frau saßen an einem großen, rustikalen Holztisch und sahen ihn fragend an.

"Mei, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte der Niedermayer.

"Es ist nix", brummte der Peter.

Mit dem Vater konnte er nicht darüber reden, dass der Abend mit Franziska nicht so verlaufen war, wie der junge Bauernsohn sich das eigentlich vorgestellt hatte. Zwar wusste der Niedermayer, dass sein Sohn sich hin und wieder mit der Tochter des Fischers traf, aber begeistert war er davon nicht.

Allein der Name Waldner erinnerte ihn an den schmerzlichen Verlust seines älteren Sohnes. Ein Verlust, der durch nichts zu ersetzen war.

Die Bäuerin sah ihren Sohn prüfend an.

"Ist es wegen dem Madl?", schloss sie messerscharf.

Peter wich ihrem Blick aus.

Aber seine Mutter kannte ihn nur zu gut. Ihr etwas vorzumachen war für den Peter nahezu unmöglich.

"Mei..."

"Nun setz dich mal und heraus mit der Sprache!", forderte die Niedermayerin. "Habt ihr Streit, die Franziska und du?"

"Ich woas net..."

"Was woast net, Bub?"

"Sie meint, dass wir uns noch Zeit lassen sollen mit dem Heiraten. Aber ich bin da ganz anderer Ansicht. Und mittlerweile weiß ich net mehr so recht, ob ihre plötzliche Zurückhaltung net einen anderen Grund hat..."

Die Niedermayerin hob die Augenbrauen.

"Was meinst denn damit?"

Er zuckte die Achseln. "Vielleicht muss ich auch erstmal eine Nacht über alles schlafen...", meinte er dann. Aber insgeheim wusste, dass er am nächsten Morgen auch nicht glücklicher sein würde. Nachdem er und Franziska am See auseinandergegangen waren, hatte Peter noch einen weiten Umweg gemacht, war über Wiesen und Felder gegangen und hatte dabei nachgedacht. Zu einem Ergebnis war er allerdings bislang nicht gekommen.

Was soll ich tun?, fragte er sich.

Er liebte die Franziska von ganzem Herzen.

Aber auf der anderen Seite fraß das Misstrauen an ihm. Er glaubte ihr einfach nicht, dass die Tatsache, dass das Madl mit dem Heiraten noch warten wollte, nichts mit der Person des jungen Bauern zu tun hatte.

"Mei, such dir ein anderes Madl, Bub!", meinte der Vater. "Es gibt doch genug fesche Dirndln hier im Tal, da bist doch net auf die Waldnerin angewiesen!"

Peter seufzte.

"Wenn das so einfach wäre", meinte er. Aber sein Herz hatte da auch ein Wörtchen mitzureden und das sprach eine ganz eindeutige Sprache.

Der Peter wünschte seinen Eltern eine gute Nacht.

Er hatte keine Lust, sich noch länger über die leidige Angelegenheit zu unterhalten.

"Willst net noch etwas essen?", fragte die Bäuerin. Peter schüttelte energisch den Kopf.

"Na, ich hab keinen Hunger", behauptete er und ging dann die Treppe hinauf, die zu seiner Kammer führte.

Die Niedermayerin sah ihren Mann mit besorgtem Gesicht an.

"Der Junge ist net wiederzuerkennen!", meinte sie. "Früher hat er solche Dinge doch immer viel leichter genommen..."

"Ja, die Waldner Franziska hat ihm wohl ganz gehörig den Kopf verdreht. Viel mehr, als wir vielleicht ahnen..."

"Wenn man mal davon absieht, dass sie aus einer Familie kommt, gegen die du gewisse Vorbehalte hast, dann ist doch eigentlich gegen das Madl auch nix einzuwenden, finde ich", meinte die Bäuerin. Und dann legte sie, als sie den erstaunten Gesichtsausdruck ihres Mannes sah, ihre schmale Hand auf die seine und lächelte ihn zärtlich an. "Ich glaub, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. So, wie's ausschaut, wird sowieso nix aus den beiden! Jedenfalls kein Paar!"

6

"Erzähl mal, Schwesterherz! Wo bist du denn mit dem Peter gewesen?", erkundigte sich die Lisa aufgeregt, als die beiden Schwestern noch sehr spät bei der Franziska auf der Kammer saßen. Das taten sie oft. Und dann teilten sie ihre großen und kleinen Geheimnisse miteinander.

"Ach, nix besonderes", meinte die Franziska mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Es ist halt so, dass es der Peter einfach net abwarten kann..."

"Was - abwarten?"

"Na, dass wir zusammen vor den Altar treten. Er redet von nix anderem."

"Er hat dich also gefragt!"

"Mei..."

"Und was hast ihm gesagt? Die Hochzeit werdet ihr dann wohl auf dem Niedermayer-Hof feiern müssen. Ich glaub net, dass der Vater so schnell seine Meinung über den Peter ändern wird..."

"Geh, Lisa!", erwiderte Franziska mit tadelndem Unterton.

Die spontane, lebendige Art und Weise ihrer Schwester ging ihr manchmal auch etwas auf die Nerven. Vor allem hatte sie so eine Art des Auftretens, dass man ihr nach und nach alles erzählte, was sie wissen wollte.

"Du hast ihm doch keinen Korb gegeben, oder?", fragte Lisa. "Der Peter ist der reichste Bauernsohn in der Umgebung. Und fesch ist er noch obendrein!"

"Nein, aber ich will noch net heiraten, Lisa. Erst noch...etwas erleben, verstehst, was ich meine?"

Lisa lächelte hintergründig. "Natürlich verstehe ich das."

Franziska zuckte die Achseln.

"Ich glaube, der Peter versteht das gar net. Ich hab's versucht, ihm zu erklären, aber..."

"Ich wollte dir das nie so direkt sagen, aber..."

"Was?", hakte Franziska nach.

Lisa drehte mit dem Zeigefinger in ihrem Haar herum. Sie zuckte die Schultern.

"Vielleicht ist er auch net der Richtige für dich!"

Franziska machte eine wegwerfende Geste. "Mei, bei jeder anderen würde ich darüber jetzt sehr ernsthaft nachdenken, aber bei dir..."

Lisa tat sehr empört.

"Wieso?"

"Geh, Lisa, das sagst du mir doch nur, weil du den feschen Peter am Ende für dich selbst willst! Ich kenn' dich doch!"

Die Madln lachten beide herzhaft und ziemlich laut.

Dann schraken sie plötzlich zusammen, und Lisa legte einen Finger vor ihre Lippen. "Net ganz so laut, Schwesterherz, wir sind schließlich die Einzigen, die im Moment in diesem Haus noch auf den Beinen sind!"

"Also gut."

Lisa seufzte.

Sie sah ihre Schwester unverwandt an und wurde wieder ernst.

"Du kannst ganz beruhigt sein, aber für mich ist der Peter nix. Ganz bestimmt net!"

Franziska atmete tief durch. Ihr Blick war jetzt nach innen gerichtet.

"Ich weiß ja im Moment net einmal mehr, ob ich ihn selbst noch möchte..." Dann hob sie den Kopf und blickte ihrer Schwester direkt in die Augen. "Aber was ist mir dir?", fragte sie. "Wo warst du denn heute Abend?"

"Mei..."

"Was heißt hier 'mei'? Irgendwo wirst doch gewesen sein, auch wenn die Mutter den Eindruck hatte, du wärst wie vom Erdboden verschluckt gewesen... Und erzähl mir jetzt bloß net, dass du mutterseelenallein am Seestrand spazierengegangen bist und den Anblick der Berge genossen hast!"

Lisas Gesichtsausdruck veränderte sich.

Ihre Augen begannen zu leuchten und eine sanfte Röte überzog ihre Haut. So manchem mag sie ja etwas vormachen können, dachte Franziska bei ihrem Anblick. Aber mir nicht. Bis über beide Ohren verliebt ist sie! Fragt sich nur in wen...

"Wer ist es?", fragte Franziska dann. "Etwa der Brandner Martin?"

Lisa zuckte zusammen.

"Geh, Franziska, wo denkst du hin? Meinst, ich hab Lust, mich in eine lange Schlange zu stellen, um mal abgebusselt zu werden? Na, na..."

"Und wer dann?"

"Einstweilen ein Geheimnis, Schwesterherz!"

"Das ist net fair!", protestierte Franziska. "Ich offenbare dir mein Innerstes und du..."

"Gib mir noch ein bisserl Zeit damit, Franziska. Was du vom Peter verlangst, wirst mir ja jetzt wohl auch net abschlagen können, oder?"

Lisa sah auf die Uhr.

Dann meinte sie: "Es ist schon spät. In aller Frühe müssen wir raus und die Reusen kontrollieren. Besser wir schlafen jetzt ein bisserl, sonst fallen wir morgen vielleicht tatsächlich ins Wasser..."

Franziska nickte und erhob sich von dem groben Holzstuhl, auf dem sie gesessen hatte.

"Gute Nacht, Schwesterherz", sagte sie.

"Gute Nacht."

Als Franziska die Kammer ihrer Schwester verlassen hatte, lag Lisa noch lange wach da, starrte gegen die Decke und sah vor ihrem inneren Auge sein Gesicht.

Das Gesicht Martin Brandners.

Mei, was für ein Mannsbild!, dachte sie.

Aber ihr war klar, dass sie noch einiges auf die Beine stellen musste, wenn sie den wirklich für sich gewinnen wollte. Und so lange sie das noch nicht hundertprozentig geschafft hatte, wollte sie auch mit niemandem darüber reden. Nichteinmal mit ihrer Schwester, mit der sie sonst alles teilte.

7

Als Lisa am Morgen erwachte, hatte sie das Gefühl, die ganze Nacht kein Auge zugemacht zu haben. Ihr Kopf war voll von Gedanken. Und die meisten davon drehten sich um den Brandner Martin.

Mei, sei net narrisch!, versuchte sich selbst zu sagen. So verliebt sie auf der einen Seite auch war, so gefiel es ihr doch andererseits nicht, dass ein Mannsbild sie derart konfus machte.

Der Morgen verging mit Arbeit auf der Fischerei. Aber alle, die ihr begegneten, bemerkten sehr wohl den besonderen Glanz ihrer Augen und das verhaltene Lächeln, das ständig um ihre Lippen herum zu sehen war.

"Geh, nun sag schon, wer es ist", raunte die Franziska ihr zwischendurch einmal zu, als die Beiden allein waren.

Aber Lisa weigerte sich.

"Es ist und bleibt ein Geheimnis", erklärte sie. "Und dabei wird's auch bleiben, ganz gleich, wie oft du mich noch mit deinen Fragen löcherst."

Am Nachmittag war die Arbeit getan, und Lisa war irgendwann einfach verschwunden. Da das aber bei nichts ungewöhnliches war, machte sich auch niemand weiter Sorgen darüber.

Sie hatte nur gesagt, dass sie etwas am See spazieren gehen wollte, aber das nahm ihr ohnehin niemand ab.

Franziska saß in sich gekehrt in der Stube. Erst hatte sie mit einer Handarbeit angefangen, sie dann aber zur Seite gelegt und versucht, sich in ein Buch zu vertiefen. Auch darauf hatte sie ihre Gedanken nicht sammeln können. Immer wieder ging ihr das gestrige Gespräch mit dem Niedermayer Peter durch den Kopf.

Er war sehr verärgert gewesen, das war dem Madl wohl klar.

Andererseits konnte sie auch nicht einfach seinem Verlangen nachgeben, wenn sie das nicht auch selbst wollte.

Irgendwie werden wir uns schon sicherlich wieder miteinander versöhnen! machte sie sich selbst Mut. Ganz bestimmt, du wirst sehen!

Sie seufzte.

Und dann ging ihr eine andere Frage durch den Kopf, die ihr seit gestern ununterbrochen im Hirn herumspukte.

Liebst du ihn eigentlich noch?, fragte sie sich. Und selbst wenn - hatte es Sinn, wenn sie ein Paar wurden, da ihre Vorstellungen vom Leben doch offensichtlich viel unterschiedlicher waren, als sie ursprünglich gedacht hatte?

"Mei, was sitzt denn hier in der Stube wie ein begossener Pudel?", drang die Stimme ihrer Mutter in ihre Gedanken.

Franziska schreckte auf.

Die Waldnerin setzte sich zu ihr an den Tisch.

"Ich bin ein bisschen müde von der Arbeit, das ist alles", meinte Franziska. "Das Einholen der Reusen ist ganz schön anstrengend... Richtig Muskelkater habe ich gehabt!"

"Aber darüber hast du doch sonst nie geklagt!"

"Ich weiß auch net..."

Mit ihrer Mutter konnte sie unmöglich über das reden, was ihr an schweren Gedanken im Kopf herumspukte. Schließlich war der Peter im Hause Waldner nicht gerade wohlgelitten.

"Du, vielleicht solltest es deiner Schwester nachmachen und net immer daheim in der Stube hocken! Ist im Dorf nix los?"

"Geh, Mama!"

"Aber wenn du schon nix zu tun hast, dann könntest den Wagen nehmen und ein paar Besorgungen machen. Der Vater will den Räucherschuppen reparieren, aber ihm fehlen die passenden Nägel... Na, was ist?"

Franziska seufzte, dann nickte sie. Sie konnte das eigentlich nicht abschlagen. Andererseits fürchtete sie, dem Peter im Dorf vielleicht zu begegnen.

Aus dem Weg gehen konnte sie ihm ja schlecht...

Franziska erhob sich und ihre Mutter nahm sie bei den Händen.

"Madl, wenn du irgendeinen ersnthaften Kummer hättest, dann würdest du doch mit mir darüber reden, net wahr?"

"Freilich."

"Dann ist es ja gut."

8

Franziska nahm den Wagen und fuhr ins Dorf. Der Gröbinger Gustav hatte dort einen Laden, in dem es von allem ein bisschen gab. Von der Nudelkonserve bis zum Werkzeug, vom warmen Pullover bis zum Nagel. Und selbst das eine oder andere Buch konnte man in den völlig überfüllten Regalständern des Gröbingers finden.

Für ein zweites Geschäft reichte im Ort einfach der Umsatz nicht, da waren sich eigentlich alle einig. Und wenn ihm auch die großen Warenhäuser in der Stadt arge Konkurrenz machten, so hatte sich der Gröbinger doch in all den Jahren auf seine treuen Stammkunden verlassen können. Und das, obwohl bei ihm natürlich alles ein bisschen teurer war.

Franziska parkte den Wagen vor dem Laden und stieg aus.

Es war ein sonniger Spätnachmittag.

Richtig warm war es geworden, auch wenn sich hoch über den Gipfeln ein paar düstere Gewitterwolken aufgetürmt hatten.

Mit schnellen Schritten und immer noch in Gedanken ging Franziska auf den Eingang des Gröbinger-Geschäftes zu. Ehe sie sich versah, tauchte ein Schatten vor ihr auf. Sie prallte gegen den Oberkörper eines hochgewachsenen, breitschultrigen Mannes, der gerade aus der Tür gekommen war.

"Hoppla", sagte eine tiefe, angenehm klingende Stimme.

Um ein Haar wäre Franziska zu Boden gefallen, aber der Mann hielt sie an den Oberarmen.

Sie blickte auf.

Franziska erkannte den jungen Mann sofort.

Jeder im Dorf kannte ihn, seit er mit seiner Tauchschule hier in der Gegend von sich Reden gemacht hatte.

Es war der Brandner Martin.

"Entschuldigung, ich wollte dich keineswegs über den Haufen rennen, aber..."

"Schon gut", sagte Franziska. "Es ist ja auch nix ernsthaftes passiert..."