Berlin. Eine Stadt in Biographien - Dorothee Fleischmann - E-Book

Berlin. Eine Stadt in Biographien E-Book

Dorothee Fleischmann

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Beschreibung

Berlin. Eine Stadt in Biographien - Eine Stadt wird nicht nur von Gebäuden und Straßenzügen geprägt, die Identität von Berlin entsteht erst mit den Geschichten seiner Bewohner. Denn was wäre die Stadt ohne Friedrich den Großen, Rosa Luxemburg oder Harald Juhnke? 20 ausgewählte Biographien zeichnen ein lebendiges, historisches wie auch aktuelles Bild der Stadt. Die Porträts werden durch Adressen ergänzt, die eine Stadterkundung auf den Spuren der porträtierten Personen ermöglichen. Dieser Band umfasst Porträts von: Friedrich der Große, Königin Luise von Preußen, Alexander von Humboldt & Wilhelm von Humboldt, Karl Friedrich Schinkel, Otto von Bismarck, Rudolf Ludwig Karl Virchow, Max Liebermann, Heinrich Zille, Paul Lincke, Käthe Kollwitz, Rosa Luxemburg, Max Reinhardt, Alfred Döblin, Walter Gropius, Kurt Tucholsky, Marlene Dietrich, Willy Brandt, Hildegard Knef, Harald Juhnke und Manfred Krug. Autorin: Dorothee Fleischmann

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Seitenzahl: 162

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Dorothee Fleischmann

BERLIN

Eine Stadt in Biographien

TRAVEL HOUSE MEDIA GmbH

Herausgegeben von Norbert Lewandowski

INHALTSVERZEICHNIS

DIE AUTORINEDITORIALAUF EINEN BLICKORIENTIERUNGKÖNIG FRIEDRICH II. VON PREUSSENWILHELM VON HUMBOLDT & ALEXANDER VON HUMBOLDTKÖNIGIN LUISE VON PREUSSENKARL FRIEDRICH SCHINKELOTTO VON BISMARCKRUDOLF LUDWIG KARL VIRCHOWMAX LIEBERMANNHEINRICH ZILLEPAUL LINCKEKÄTHE KOLLWITZROSA LUXEMBURGMAX REINHARDTALFRED DÖBLINWALTER GROPIUSKURT TUCHOLSKYMARLENE DIETRICHWILLY BRANDTHILDEGARD KNEFHARALD JUHNKEMANFRED KRUG
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DIE AUTORIN

Dorothee Fleischmann, geboren in Bremen, studierte zunächst Architektur, dann Kommunikationswissenschaft und Werbepsychologie in München. 1993 ging sie nach Berlin, schrieb ihre Magisterarbeit über Parteienwerbung und wurde Referentin bei der Treuhandanstalt. Anschließend war sie im Bereich der Unternehmenskommunikation sowie für die Literaturbeilage des »Handelsblatts« tätig. Seit 2001 macht sie Pressearbeit und schreibt als freie Journalistin und Autorin unter anderem Reiseführer und für Reiseportale. 2008 zog sie mit ihrer Familie wieder nach Berlin.

»Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen …«, sang Hildegard Knef. Sie meinte die Male und Narben, die das Antlitz der Stadt prägen. Ihre Sternstunden und Tragödien, ihre Lebenslust und Götterdämmerungen.

Wie jede außergewöhnliche Metropole wird auch Berlin in erster Linie von den Menschen geprägt, die hier gelebt und gewirkt haben. MERIANporträts stellt einige dieser Menschen vor und lässt sie die Besucher wie individuelle Reiseleiter durch Historie und Gegenwart der Stadt begleiten.

In 20 Kapiteln erleben wir das Berlin des Alten Fritz und Bismarcks, den falschen Glanz der 20er-Jahre, die Katastrophe nach 1933, aber auch die magischen Stunden im Herbst 1989, als Willy Brandt unter Tränen sagte, dass nun zusammenwachse, was zusammengehöre. Wir treffen in der Universität auf die Freigeister der Gebrüder Humboldt oder am Prenzlauer Berg auf Käthe Kollwitz, entdecken am Alexanderplatz Alfred Döblin und spüren auf dem Ku’ damm die Melancholie von Kurt Tucholsky.

Wir haben die Lieder von Hildegard Knef und Marlene Dietrich im Kopf, sehen die Bilder von Max Liebermann und frösteln an der Gedenkplatte für Rosa Luxemburg am Landwehrkanal. Wir sehen Schinkels Bauwerke und begegnen in den Theatern der Stadt der Schaffenskraft von Max Reinhardt. Und über allem schweben die Berliner Melodien und Gassenhauer von Paul Lincke.

Natürlich ist es schwer, die »richtigen« 20 Personen auszuwählen. Vermutlich ist es, objektiv betrachtet, sogar unmöglich, schließlich wurde Berlin von weit mehr als 20 Menschen geprägt. Doch in der Summe soll unsere subjektive Auswahl jenes unverwechselbare Kaleidoskop ergeben – das Faszinosum Berlin.

Am Ende steht das Lebensgefühl dieser Stadt. Und die unverwechselbare Berliner Luft.

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AUF EINEN BLICK

Ohne ihre Bewohner wäre die Stadt eine andere. Ohne Friedrich II., Käthe Kollwitz und Willy Brandt … wäre Berlin nicht Berlin.

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ORIENTIERUNG

Farbige Kästchen mit Ziffern 1 und farbige Buchstaben-Ziffern-Kombinationen (▶D 3) verweisen auf die Orientierungskarte.

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KÖNIG FRIEDRICH II. VON PREUSSEN

1712–1786

Der »Alte Fritz« ist die berühmteste Persönlichkeit Berlins. Der Philosoph, Musiker und Feldherr auf dem Preußenthron schuf eine europäische Großmacht und verewigte sich in ihrer Metropole Berlin.

Die Berliner werden ihn immer lieben, ihren »Alten Fritz«. Doch auf seinem Grabstein liegen keine Blumen, sondern Kartoffeln. König Friedrich II. von Preußen wurde auf eigenen Wunsch auf der Terrasse seines geliebten Schlosses Sanssouci in Potsdatm beigesetzt. Er hat einst die Kartoffel als Nahrungsmittel in Preußen durchgesetzt und so entscheidend den Hunger bekämpft. Mit dem Kartoffelbefehl von 1756 hat er mutmaßlich viele Menschenleben gerettet. Soldaten, Feldwächter und Ratsdiener mussten den Anbau so lange überwachen, bis schließlich alle die Segnungen dieser Pflanze begriffen. Die Dankbarkeit der Berliner und Brandenburger währt bis heute; deshalb legen sie ihrem »Alten Fritz« Kartoffeln aufs Grab.

Friedrich II. wurde am 24. Januar 1712 im Berliner Stadtschloss( ▶J 4) geboren und starb am 17. August 1786 in Potsdam. Die Freude in Berlin war groß, als er das Licht der Welt erblickte, denn die Eltern, König Friedrich Wilhelm I. und seine Gattin Sophie Dorothea von Hannover, hatten bereits zwei Söhne verloren. Es krachten Kanonenschüsse, sie verkündeten die Geburt des Königssohns. Zeitlebens schlugen zwei Seelen in seiner Brust, die des Philosophen und die des mächtigen Herrschers.

Der junge Friedrich wurde sehr streng und religiös erzogen. Sein Tagesablauf war genau vorgeschrieben, vom Frühstück in sieben Minuten bis zur Freizeit nach 17 Uhr, in der Friedrich alles tun konnte, was er wollte, »wenn es nur nicht gegen Gott ist«. Schon früh entstanden Konflikte mit dem strengen Vater. Als er heimlich mit dem Flötenunterricht begann, kam es immer häufiger zu schweren Auseinandersetzungen. Die Interessen des Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., galten dem Militär und der Wirtschaft, nicht aber den schöngeistigen Liebeleien seines Sohnes. Und der junge Friedrich provozierte den Streit durch sein aufsässiges Verhalten. Mit Stockschlägen soll der Vater versucht haben, seinem Sohn die philosophischen Ideen auszuprügeln. Erfolglos.

Als Friedrich II. sich mit dem musisch gebildeten und acht Jahre älteren Leutnant Hans Hermann von Katte anfreundete, dessen Weltgewandtheit ihn begeisterte, wurden die Auseinandersetzungen besonders heftig. Im Frühjahr 1730 wollte der Prinz nach England fliehen und weihte seinen Freund in den Plan ein. Der Fluchtversuch in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1730 scheiterte. Von Katte wurde durch einen kompromittierenden Brief als Mitwisser entlarvt und von einem Kriegsgericht wegen Desertion zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Auf Druck des Königs wurde die Strafe in ein Todesurteil umgewandelt. Der Herrscher zwang seinen Thronfolger, die Hinrichtung mitanzusehen; jedoch soll Friedrich vorher in Ohnmacht gefallen sein.

Ursprünglich wollte der Soldatenkönig auch seinen Sohn wegen Verrats hinrichten lassen und sah erst nach massiven europäischen Interventionen von Kaiser Karl VI. und Prinz Eugen davon ab; schließlich verurteilte er ihn »nur« zu einer Festungshaft, sein Status als Prinz wurde ihm zeitweilig aberkannt. Über die Gründe für die drakonische Härte der Bestrafung wird noch heute spekuliert: Der Soldatenkönig habe von Katte als »Verführer« seines Sohnes gesehen; manche Quellen mutmaßen sogar eine homosexuelle Beziehung zwischen den beiden Freunden.

EINE EHE, DIE KEINE IST …

Erst durch seine Heirat mit der ungeliebten Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern – auch auf Druck des Königs – im Jahr 1732 sowie durch militärische Leistungen konnte Friedrich II. sich von seinem strengen Vater befreien. Die jungen Eheleute zogen nach Schloss Rheinsberg am Grienericksee, die Ehe blieb jedoch distanziert und kinderlos.

Schon vor der Verlobung hatte Friedrich seinen beiden Schwestern, die er achtete und denen er vertraute, von der Abneigung gegen seine künftige Gattin erzählt: Sie sei »schlecht erzogen, ist blöde und weiß sich nicht zu benehmen«. Lieber als seiner Ehefrau widmete sich der Kronprinz dem Studium der Philosophie, der Geschichte und Poesie. Auf Rheinsberg komponierte er 1738 seine erste Sinfonie und verfasste verschiedene Schriften, in denen er sich mit dem aufgeklärten Absolutismus auseinandersetzte.

Als sein Vater 1740 starb, trennte sich Friedrich von seiner Frau und wies ihr als Wohnsitz Schloss Schönhausen zu, wo sie über fünf Jahrzehnte einsam verbrachte. Nunmehr König, begann Friedrich mit der Umsetzung politischer Reformen, darunter die Abschaffung der Folter. Toleranz und Offenheit gehörten zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Das zeigte sich in vielerlei Hinsicht in Berlin: Einwanderer kamen in die Stadt, religiöse Minderheiten wie Hugenotten und Katholiken wurden geduldet, eine französische Zeitung für Politik und Kultur gegründet und eine eingeschränkte Pressefreiheit – für den Literaturteil – eingeführt. Alle Religionen waren aus Friedrichs Sicht gleich zu bewerten, »jeder soll nach seiner Façon selig werden«.

In Friedrichshagen, einem Stadtteil von Berlin-Köpenick, steht ein Standbild des Preußenkönigs. Er blickt kühn und selbstbewusst in die Ferne. So stellt man sich den König zu Beginn seiner erfolgreichen Karriere vor. Das Denkmal wurde zur 250-Jahr-Feier Friedrichshagens im Jahre 2003 aufgestellt und stammt von dem armenischen Bildhauer Spartak Babajan. Das Standbild stellt Friedrich II. als jungen Herrscher dar, der durch die Trockenlegung von Landstrichen, Neugründung von Dörfern und Ansiedlung von Kolonisten Friedrichshagen friedlich eroberte.

Ganz anders sieht die Bronzeplastik vor dem Neuen Flügel des Charlottenburger Schlosses aus, wo Friedrich II. gemeinsam mit seinem Großvater, Friedrich I., steht. Links König Friedrich I., der Bauherr des Schlosses, rechts von ihm Friedrich der Große, der Landesherr und Schlachtenlenker. Mit seinem Feldmarschallstab stützt er sich auf Gesetzbücher, ein Zeichen für seinen Gerechtigkeitssinn. Weil er es abgelehnt hatte, schon zu Lebzeiten als Denkmal verewigt zu werden, ist die Arbeit von Johann Gottfried Schadow das erste Monument von ihm. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet und steht für die Weltoffenheit des Monarchen. Friedrich korrespondierte mit Voltaire, interessierte sich für Kunst, sammelte Bilder und war ein Förderer der zeitgenössischen Kunst. Er spielte hervorragend Querflöte und komponierte eigene Stücke.

Unter Friedrich dem Großen entwickelte sich Berlin im 18. Jh. allmählich zur Metropole und Preußen zur politischen und militärischen Großmacht. Berlin wurde zu einem Zentrum der Aufklärung. Seine Freundschaft mit Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff führte zum Bau eines neuen Stadtzentrums, dessen Gebäude bis heute das Stadtbild in Mitte prägen. Repräsentationsbauten entstanden, die Allee Unter den Linden( ▶F 4–H 4) entwickelte sich zur Prachtstraße: Das Zeughaus, das Kronprinzenpalais19( ▶H 4) und das Opernpalais, die Staatsoper und das Prinz-Heinrich-Palais (heute Humboldt-Universität 18( ▶H 3/4)), die St. Hedwigs-Kathedrale und die AlteBibliothek wurden gebaut. Auch die Königliche Porzellan-Manufaktur wurde auf Initiative Friedrichs eröffnet.

Als Feldherr galt Friedrich der Große lange Zeit als unbesiegbar. Im Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763 konnte er sich gegen drei europäische Großmächte (Frankreich, Österreich und Russland) behaupten. Der Monarch schonte sich wenig, die zahlreichen Kriegszüge, an denen er persönlich teilnahm, zehrten körperlich und seelisch an ihm. Nach einer der wenigen Niederlagen (bei Kunersdorf1759) schrieb er: »Meine Kleidung ist von Kugeln durchlöchert, zwei Pferde wurden mir unter dem Leib erschossen, mein Unglück ist, dass ich noch am Leben bin.« Seine eiserne Konsequenz im Siebenjährigen Krieg verdeutlicht folgendes Zitat: »Es ist nicht nötig, dass ich lebe, wohl aber, dass ich meine Pflicht tue und für das Vaterland kämpfe, um es zu retten, wenn es noch zu retten ist.« Trotz des Sieges und des endgültigen Gewinns der Provinz Schlesien ließ er sich ungern feiern.

FRIEDRICH II. SCHEUTE DEN TOD NICHT

Auf dem wuchtigen, 36 Tonnen schweren Reiterdenkmal »Der Alte Fritz« 14( ▶H 4) auf dem Mittelstreifen Unter den Linden sitzt Friedrich der Große hoch zu Ross. Es wurde 111 Jahre nach seiner Thronbesteigung am 31. Mai 1851 enthüllt. 1840 wurde nach vielen Diskussionen der Grundstein gelegt. König Friedrich Wilhelm IV.nahm sich des Projektes an, was ihm nicht nur Lob einbrachte. Vielmehr kursierte der Spruch: »Alter Fritz, steig du hernieder, und regier die Preußen wieder. Lass in diesen schlechten Zeiten, Friedrich Wilhelm weiterreiten.«

Das Denkmal überstand mit einigen Blessuren beide Weltkriege, wäre aber in den 50er-Jahren beinahe – wie andere Denkmäler, die nicht der kommunistischen Ideologie entsprachen – im Schmelztiegel gelandet. Es überlebte schließlich im Park von Sanssouci und wurde 1980 auf Veranlassung von Erich Honecker wieder an seinem ursprünglichen Platz Unter den Linden aufgestellt.

Im Alter zog sich der charismatische Preußenkönig, der schwer von der Gicht geplagt wurde, auf sein Schloss nach Sanssouci zurück. Kein anderes Schloss ist so mit seiner Persönlichkeit verbunden wie dieses. Der Name – ohne Sorge – war Wunsch und Idee des Königs. Sein einstiger Sommersitz wurde ihm zum Lieblings- und Zufluchtsort in schwierigen Zeiten. Hier streifte er mit seinen Hunden durch den Schlosspark.

Friedrich der Große wurde zum Inbegriff für deutsche Disziplin. Er war ein autoritärer Reformer und aufgeklärter Patriarch, ein sensibler Schöngeist und als strategischer Feldherr ein Genie. Toleranz, Wissenschaft und Aufklärung waren für ihn die Mittel, um Berlin und Brandenburg entscheidend aufzuwerten. Darüber hinaus war ihm das Wohlergehen der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen: »Jedem Bürger sein Besitztum sichern und alle so glücklich zu machen, wie es die menschliche Natur zulässt, ist Pflicht derer, die an der Spitze der Gesellschaft stehen«, lautete sein Wahlspruch.

DENKMAL IN KÖPENICK-FRIEDRICHSHAGEN

Marktplatz, Treptow-Köpenick

▶ S-Bahn: Friedrichshagen

DENKMAL VOR DEM SCHLOSS CHARLOTTENBURG

Charlottenburg

▶ U-Bahn: Mierendorffplatz, Richard-Wagner-Platz

FRIEDRICH-II.-REITERDENKMAL 14▶H 4

Unter den Linden, Mitte

▶ S-Bahn: Friedrichstraße, Alexanderplatz

SCHLOSS SANSSOUCI MIT GRABPLATTE

Potsdam

www.sanssouci-sightseeing.de

▶ Bus ab Potsdam Hbf.: Schloss Sanssouci, Luisenplatz, Fahrzeit ab Berlin Hbf. ca. 70 Min.

WILHELM VON HUMBOLDT
1767–1835
ALEXANDER VON HUMBOLDT
1769–1859

Forscher, Entdecker, Philologe, Universitätsgründer, Humanist – nie wieder hat es in Deutschland so ein Bruderpaar gegeben. Berlin verdankt ihm eine geistige Aura, die seit über 200 Jahren strahlt.

Schloss »Langweil« nannten sie den Familiensitz in Tegel. Das mutet schon etwas komisch an, denn die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt sind – auch oder gerade heute – ein Symbol für Weltoffenheit und gleichzeitig der Inbegriff geistigen Lebens in Berlin. Vielleicht war die Ruhe und Einsamkeit des Schlosses ja der Grund, dass es sie zeitlebens in die Ferne zog. Den einen nicht über die Grenzen Europas hinaus, den anderen dafür am liebsten um die ganze Welt. Obwohl beide gar nicht so gern in ihre Heimatstadt zurückkehrten, sondern viel lieber weiter geforscht hätten, ist Berlin besonders stolz auf diese bemerkenswerten Söhne.

So trifft man auf den Namen Humboldt an den unterschiedlichsten Stellen: Humboldt-Schloss, Humboldtforum, Humboldtinsel, Humboldt-Universität18( ▶H 3/4), Humboldt-Hafen, Humboldt-Bibliothek, Humboldthain und Humboldt-Denkmal, Humboldt-Gesellschaft oder Little Humboldt – dieser Name ist auch nach mehr als 200 Jahren präsenter denn je und steht für fortschrittliches Denken und Wissen. Er verleiht dieser Stadt jenen einzigartigen Glanz, den zeitgenössische Berliner Persönlichkeiten nur noch sehr selten verbreiten.

Alexander von Humboldt hatte sich »Schloss Langweil« als Namen für sein Zuhause ausgedacht. Der Ortsteil Tegel lag im 18. Jh. weitab vom geistigen Zentrum Berlins, wo die Familie nur in den Wintermonaten lebte. Die Brüder erhielten eine umfassende Erziehung durch Hauslehrer, die dem aufklärerischen Denken nahestanden und den Jungen ein breites Wissen vermittelten. Alexander, der mit sechs Jahren lesen und schreiben konnte, aber als der lernunwilligere galt, zeigte schon früh sein Interesse für die Natur und hieß bald in seiner Familie »der kleine Apotheker«. Sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm konnte schon mit drei Jahren lesen und schreiben und offenbarte früh sein sprachliches Talent. Auf Wunsch der Mutter sollte Wilhelm Jura, Alexander Staatswirtschaftslehre studieren. Doch sie hatten ihre eigenen Vorstellungen und gingen bald eigenen Interessen nach.

An der Universität in Göttingen, dem damaligen Zentrum der aufgeklärten Wissenschaften, studierte Wilhelm Sprachen, Philosophie, Staats- und Naturwissenschaften. Alexander besuchte Vorlesungen der Physik, Anatomie, Zoologie und Biologie. Am meisten interessierte ihn jedoch Georg Forster, der als Naturforscher die Welt umsegelt hatte. Das war auch sein großer Traum, den er alsbald realisieren sollte.

Von Göttingen ging Alexander an die Bergakademie in Freiberg, um das Innere der Erde zu erforschen. Nach dem Tod seiner Mutter verabschiedete er sich sofort vom Staatsdienst, um nun – durch das Erbe ermöglicht – als Wissenschaftler die Welt zu entdecken. Am 5. Juni 1799 brach er Richtung Südamerika auf. Fünf Jahre später betrat er wieder europäischen Boden. Sein Ziel war eine Gesamtdarstellung des physisch-geografischen Wissens der Zeit. Erst 1829 machte er sich auf eine weitere Forschungsreise zum Ural. Dann kehrte er endgültig und auf Wunsch des preußischen Königshauses nach Berlin zurück.

Er war ein beliebter Gast bei Hof, ein Vorzeigewissenschaftler, dessen Anekdoten und Reisebeschreibungen gern gehört wurden. Alexander galt als äußerst unterhaltsam, obwohl er in offiziellen Gesellschaften häufig politisch und religiös aneckte. Seine Zeitgenossen schätzten und fürchteten seinen Witz und seine Ironie. Doch fiel ihm das Leben in seiner Heimatstadt nicht besonders leicht; er hätte lieber die Welt entdeckt.

EINE GROSSE LIEBE TRITT IN WILHELMS LEBEN

Wilhelm von Humboldt zählt bis heute zu den großen Gelehrten der deutschen Kulturgeschichte, er ist einer der Urväter der Konzeption der Universität zu Berlin. Schon als 13-Jähriger spricht er fließend Griechisch, Latein und Französisch. Anfang 1790 tritt er nach dem Abschluss seiner Studien in den preußischen Staatsdienst in Berlin ein. Bereits ein Jahr später verlässt er auf eigenen Wunsch die sichere Anstellung und heiratet im Juni 1791Caroline von Dacheröden.

Friedrich Schiller nennt sie »ein unvergleichliches Geschöpf«, für Goethe ist sie die bedeutendste Frau ihrer Zeit. Caroline ist nicht nur klug, gebildet und abenteuerlustig, sondern ebenso leidenschaftlich musisch interessiert. Zusammen bereisen sie Europa, fördern deutsche Künstler, sammeln Kunst. Sie führen eine moderne Ehe mit Verhältnissen und Affären, lieben sich dennoch sehr. »Ich glaube nicht, dass es noch einmal zwei Menschen auf Erden gibt, auf die das verehelichte Leben so tief und wechselseitig gewirkt hat wie bei uns«, schreibt Wilhelm von Humboldt.

Zunächst leben sie auf den Familiengütern Carolines. Wilhelm wird kritischer Berater und Mitarbeiter Schillers in Jena, später auch der von Goethe. Ende 1797 ziehen sie nach Paris um, 1803 bis 1808 folgt Rom. Das Domizil der Humboldts wird zum Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler. Anschließend übernimmt Wilhelm die Sektion für Kultus und Unterricht im Preußischen Innenministerium und leitet grundlegende Reformen im Erziehungssystem ein. 1819 wird er seiner Ämter enthoben, da er sich den Karlsbader Beschlüssen widersetzt und eine liberale Verfassung für Preußen erreichen will.

Wilhelm und Caroline ziehen sich auf den Familiensitz nach Tegel zurück. Hier setzt er seine sprachwissenschaftlichen Forschungen fort, das Paar bildet bald wieder das Zentrum für die geistige Elite der Stadt. Als Caroline am 26. März 1829 stirbt, wird sie auf ihren Wunsch im Tegeler Park bestattet.

Wilhelm, der »Philosoph von Tegel«, besucht jeden Abend das Grab seiner Frau, bis er selbst am 8. April 1835 neben ihr begraben wird. Die Schriftstellerin und Salonière Rahel Varnhagen von Ense, eine Freundin von Caroline, äußert sich über das Paar: »Mit größerer Grazie war noch niemand verheiratet, völlige Freiheit gebend und nehmend.«

Alexander von Humboldt überlebt seinen älteren Bruder um über 20 Jahre. Die unübersehbare Menschenmenge, die seinem Sarg im Mai 1859 zum Dom folgt, ist nach zeitgenössischen Berichten nur mit der zu vergleichen, die die 270 Berliner Märzgefallenen der Revolution von 1848 begleitete. Alexander wird neben seinem Bruder im Familiengrab beigesetzt. »Es ist ein glänzendes Gestirn im Reich des Geistes für diese Welt erloschen«, schreibt der Philologe August Böckh.

Die enorme Popularität Alexanders lag nicht zuletzt an seinem Lebenswerk »Kosmos«, einer Gesamtschau der wissenschaftlichen Welterforschung.

An Rahel Varnhagen von Ense, die ihn bei der sprachlichen Gestaltung beraten sollte, schrieb er 1834: »Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt.«Schloss Humboldt liegt in einer wundervoll ruhigen und friedvollen Atmosphäre; es ist bis heute bewohnt. Ein langer Weg führt auf das weiße Bauwerk zu. 1766 gelangte es in den Besitz der Familie von Humboldt. Wilhelm von Humboldt gestaltete das Anwesen nach Plänen Karl Friedrich Schinkels im Stil des Klassizismus um. Die Innengestaltung wurde auf die hier untergebrachte Antikensammlung abgestimmt, die das Paar während ihres Italienaufenthaltes angelegt hatte. So entstand hier das erste preußische Antikenmuseum. Eine Lindenallee, an der auch die rund 400 Jahre alte Wilhelm-von-Humboldt-Eiche steht, führt zu der Familiengrabstätte der Humboldts.

DIE HÜTER VON FREIHEIT UND HUMANITÄT

Ganz in der Nähe des Schlosses, direkt am Tegeler See, liegt die Humboldtinsel. Hier entstehen »Floating Houses« – unsinkbare schwimmende Häuser für Wassersportbegeisterte mit direktem Wasserzugang. Wenige Schritte weiter, am Tegeler Hafen, steht ein Denkmal der Humboldt-Brüder. Alexander hantiert mit einem Sextanten, Wilhelm hält ein aufgeschlagenes Buch in der Hand, worin steht: »Verweile in der Menschlichkeit, gründe dich auf Gerechtigkeit.« Das Denkmal, auf dem die Brüder zum ersten Mal gemeinsam abgebildet sind, wurde erst 1997 aufgestellt.

Und vor der Humboldt-Universität18( ▶H 3/4) sitzen die Humboldt-Brüder in Stein rechts und links neben dem Eingangstor. Jahrelang hatte sich ein Komitee bemüht, Alexander von Humboldt zum 100