Unterwegs mit Gabriele Tröger und Michael BussmannOrientiert in BerlinDie Stadt, die anders istSightseeing-KlassikerSightseeing-AlternativenEssen gehenAusgehenShoppingWege durch BerlinTour 1: Vom Potsdamer Platz ins RegierungsviertelTour 2: MuseumsinselTour 3: Vom Alexanderplatz ins NikolaiviertelTour 4: Spandauer VorstadtTour 5: Rund um den Checkpoint CharlieTour 6: Tiergarten, Kulturforum und DiplomatenviertelTour 7: City WestTour 8: Schloss Charlottenburg und UmgebungTour 9: Prenzlauer BergTour 10: FriedrichshainTour 11: KreuzbergTour 12: SchönebergTour 13: NeuköllnJWD - Raus aus der CityTreptower ParkKöpenickFriedrichshagen und MüggelseeStasimuseum LichtenbergGedenkstätte HohenschönhausenGärten der Welt MarzahnSpandauDahlemGrunewaldWannseeAusflug nach PotsdamNachlesen & NachschlagenStadtgeschichteKunst und KulturVeranstaltungenNachtlebenSport, Spaß und SpaBerlin mit KindernBerlin (fast) umsonstAnkommen in BerlinRumkommen in BerlinÜbernachtenBerlin von A bis ZWas bringt der Bär auf die Waage?Berlin kompaktAlle MuseenAlle RestaurantsAlle Shopping-AdressenÜber dieses BuchÜbersichtskarten und PläneIndex
Ins Zentrum der MachtAuf der Suche nach der DDR?Die U 6 im geteilten BerlinMoskau lässt grüßen: Monumentalbauten an der Karl-Marx-AlleeFlughafen Tempelhof: Vom Paradeplatz zum Kiter-EldoradoRadtour: Rund um den MüggelseeBerliner Siedlungen der Moderne – UNESCO-Welterbe seit 2008Radtour: Vom Großen Wannsee zum GriebnitzseeGrößenwahn GermaniaDie Mauer, die vom Himmel fielBerlin Kidz, Nomad, EMESS – Street Art in BerlinMauerradweg: Vom S-Bahnhof Bornholmer Straße zur OberbaumbrückeBerlins schönste Friedhöfe – wer liegt wo?Was bringt der Bär auf die Waage?
Tour 1: Vom Potsdamer Platz ins RegierungsviertelTour 2: MuseumsinselTour 3: Vom Alexanderplatz ins NikolaiviertelTour 4: Spandauer VorstadtTour 5: Rund um den Checkpoint CharlieTour 6: Tiergarten, Kulturforum und DiplomatenviertelTour 7: City WestTour 8: Schloss Charlottenburg und UmgebungTour 9: Prenzlauer BergTour 10: FriedrichshainTour 11: KreuzbergTour 12: SchönebergTour 13: NeuköllnTreptower ParkKöpenickFriedrichshagen und MüggelseeSpandauDahlemGrunewaldWannseeAusflug nach PotsdamÜbernachten in BerlinZeichenerklärungBerlin und PotsdamVerkehrsnetz Berlin
Tour 1: Vom Potsdamer Platz ins RegierungsviertelDie Muss-Tour für alle, die Berlin noch nicht kennen und wenig Zeit mitbringen.Tour 2: MuseumsinselKunst und Kultur aus 6000 Jahren Menschheitsgeschichte über zig Museen verteilt.Tour 3: Vom Alexanderplatz ins NikolaiviertelEin Spaziergang vom bekanntesten Platz Berlins in eine Altstadt, die eigentlich keine ist.Tour 4: Spandauer VorstadtKleine Boutiquen, jede Menge Galerien, spannende Restaurants und die berühmten Hackeschen Höfe – hier schlendert, guckt und genießt man.Tour 5: Rund um den Checkpoint CharlieInteressante Museen und Erinnerungsorte, die sich den dunklen Kapiteln der deutschen Vergangenheit stellen, aber auch viel Kunst.Tour 6: Tiergarten, Kulturforum und DiplomatenviertelRund um Berlins zentrale Parkanlage, in welcher der schönste Biergarten zur Brathendl-Session lädt.Tour 7: City WestKaDeWe, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Kurfürstendamm – die City West, nach der Wende ins Hintertreffen geraten, ist heute wieder voller Dynamik.Tour 8: Schloss Charlottenburg und UmgebungNeben der größten erhaltenen Hohenzollernresidenz auch interessante Museen und das Olympiastadion.Tour 9: Prenzlauer BergDer Stadtteil der durchsanierten Altbauten, wahrlich schön und beschaulich.Tour 10: FriedrichshainWer jung und partyfreudig ist, sollte hier den Marker zücken.Tour 11: KreuzbergDer facettenreiche Stadtteil ist quicklebendig und voller Überraschungen, da hart und schroff, dort gemütlich und leger.Tour 12: SchönebergBeliebt nicht nur bei der queeren Crowd – mit netten Bars, Galerien und viel Multikulti-Flair.Tour 13: NeuköllnSchwer in Bewegung – Neukölln ist unter Hipstern der angesagteste Stadtteil Berlins.Tour 14: Friedrichshagen und MüggelseeDer Müggelsee ist der größte Berliner See, und die alte Künstlerkolonie Friedrichshagen ein charmantes Städtchen an dessen Ufer – wäre da nur nicht der Fluglärm bei Ostwind.Tour 15: Wannsee„Pack’ die Badehose ein und dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus nach Wannsee.“ Das Ausflugsziel lockt aber auch Kunst- und Kulturfreunde an.
Wege durch Berlin
Preußenprunk versus Moderne
Tour 1
Die Tour verspricht Highlights über Highlights im Herzen Berlins. Der eigentliche Puls der Stadt schlägt allerdings woanders. Für Trubel sorgen vorrangig Touristen.
Ehemaliges Sony Center, Wahrzeichen des Potsdamer Platzes
Holocaust-Denkmal, Stelenlabyrinth in Erinnerung an das Grauen
Brandenburger Tor und Boulevard Unter den Linden, muss man mal gesehen haben
Gendarmenmarkt, schönster Platz Berlins
Reichstag, für die Kuppel ist eine Anmeldung nötig
Alte, neue und vergessene Mitte I
Vom Potsdamer Platz ins Regierungsviertel
Zwischen Tiergarten und Museumsinsel hat sich Berlin neu erfunden. Hat historische Bauten, die Krieg und Sozialismus überdauerten, bewahrt und modernisiert. Hat sich bei manchem Neubau an Altes angelehnt oder ging sogar ganz neue Wege. Dem waren lange Diskussionen vorausgegangen - nach dem Mauerfall herrschte Uneinigkeit bezüglich der Neugestaltung der historischen Berliner Mitte und der Neubebauung der dortigen Brachen und Lücken, die noch aus dem Krieg stammten. Die einen wollten eine „kritische Rekonstruktion“, die anderen Wagnisse eingehen. Abgeschlossen ist die Neugestaltung bis heute nicht, noch immer wird abgerissen und neu gebaut.
Die angegebene Dauer der Routen beinhaltet nicht den Besuch von Museen oder anderen Sehenswürdigkeiten. Die Seitenverweise hinter den Sehenswürdigkeiten beziehen sich auf eine detailliertere Beschreibung weiter hinten.
Für den alten Glanz Preußens stehen auf dieser Tour das Brandenburger Tor, die Humboldt-Universität, die Staatsbibliothek, die Staatsoper Unter den Linden oder der Gendarmenmarkt. Ein Synonym für das neue Berlin sind der Potsdamer Platz und das Regierungsviertel mit seinen lichtdurchfluteten Bauten - man kann nur hoffen, dass gläserne Fassaden niemals aus der Mode kommen. Dazwischen gibt es aber auch Belangloses, Kompromissen geschuldet, die aus der Armut Berlins, dem mangelnden Mut der Stadtväter und dem Geiz der Investoren geboren wurden.
Die vielen Sehenswürdigkeiten machen die Gegend nördlich und südlich des Boulevards Unter den Linden zu einem Touristenmagneten. Der Berliner geht hier ins Theater oder in die Oper, in die Uni oder ins Büro. Sich verabreden, essen, feiern, ja. Leben tut er jedoch in der Regel woanders. Ganz nebenbei: Kein Eck Berlins ist so penibel sauber wie jenes hier beschriebene. Weggeworfenes verschwindet so unauffällig, als wären Müllmänner in Zivil unterwegs. Auf das Schaufenster der Stadt gibt man acht.
Tour-Info Länge ca. 6,5 km, Dauer ca. 3 Std., → Karte.
Die Route
Potsdamer Platz
Am Potsdamer Platz steigen gläserne Fassaden gen Himmel, und auch Bürohäuser, wie man sie von der Skyline New Yorks kennt, nur eine Nummer kleiner. Verkehr herrscht auch auf dem Platz, aber nicht mehr so wie in den 1920er-Jahren. Damals war der Platz mit seinen umliegenden Cafés und Restaurants, Grandhotels und Filmpalästen der verkehrsreichste des Kontinents. Was eine Ampel und was ein Zebrastreifen ist, weiß heute jedes Kind. Als man hier aber 1924 die erste Ampel Europas aufstellte und den Zebrastreifen einführte, war das so neu, dass es erklärungsbedürftig war: „Zur Verkehrsregelung ist ein kleiner Verkehrsturm mit Uhr in der Mitte errichtet, der im Volksmund ‚Oberkieker‘ heißt. Der dort in den Haupttagesstunden den Verkehr regelnde Beamte der Schutzpolizei zeigt durch optische Signale (grün bzw. rot) an, welche Durchfahrtrichtung freigegeben ist und welche gesperrt ist. Fußgänger haben sich auch danach zu richten und die vorgeschriebenen Übergänge zu benutzen, die auf dem Fahrdamm durch weiße Linien angedeutet sind“ (Straube-Führer Berlin, 1925).
Nach dem Krieg war der Platz eine weite Ödnis, Niemandsland und zugleich eine Art Dreiländereck: Hier trafen nicht nur der sowjetische (Mitte), der amerikanische (Kreuzberg) und der britische Sektor (Tiergarten) aufeinander, sondern auch Prostituierte, Kleinkriminelle und Schwarzhändler. Tauchte nämlich die Militärpolizei des einen Sektors auf, so flüchtete man einfach in den anderen. Im geteilten Berlin verlief über den heutigen Platz die Mauer, mehrere über den Platz verteilte Mauerelemente erinnern daran.
Acht Monate nach dem Fall der Mauer ging hier mit 350.000 Besuchern das bis dato größte Konzert der Rockgeschichte über die Bühne: „The Wall“. Kurz darauf begannen die Arbeiten an - wieder ein Superlativ - der damals größten Baustelle Europas. Und wie Phönix aus der Asche erhoben sich vier Quartiere - Viertel mit z. T. eigenen Straßen und Plätzen, die alle zusammen den heutigen Potsdamer Platz ausmachen. Es ist eine künstliche Welt, der Versuch einer Großstadtinszenierung in Anlehnung an die Hochhauskultur der USA.
Zur ersten Orientierung stellt man sich am besten einfach neben den Nachbau des „Oberkiekers“ und blickt in Richtung Hochhäuser. In diesem Fall hat man den Leipziger Platz im Rücken (→ „Rund um den Checkpoint Charlie“). Der gläserne Gebäudekomplex mit dem BahnTower bildet das ehemalige Sony Center, wo sich u. a. das Museum für Film und Fernsehen befindet. Rechts davon, durch eine kleine Grünfläche getrennt, erstreckt sich das Beisheim-Center mit dem Ritz-Carlton. Dieses Areal, das bis zum Tiergarten reicht, ließ Otto Beisheim, der 2013 verstorbene Metro-Gründer, erbauen. Links des Sony Centers, durch die breite Potsdamer Straße getrennt, liegt die ehemalige Daimler-City, in die die Alte Potsdamer Straße führt. Zwei Hochhäuser flankieren ihren Anfang, auf dem Dach des rechten befindet sich der Panoramapunkt.
Vom Potsdamer Platz folgt man der Ebertstraße an den Mauerelementen vorbei gen Norden - die Ebertstraße zeichnet hier den einstigen Mauerverlauf nach. Hinter dem Weinberg der Hessischen Vertretung und dem roten Elefanten im Garten der Landesvertretung Niedersachsens tut sich das Stelenfeld des Holocaust-Denkmals auf, das - so war’s nicht gedacht - Kinder zum „Huhu“-Schreien verführt. Auf der anderen Seite der Ebertstraße, schon im Tiergarten, steht einsam und schräg ebenfalls eine Stele: das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Die Kriminalisierung Homosexueller durch den Paragrafen 175 im Jahr 1935 führte zu über 50.000 Verurteilungen. Es kam zu Zwangskastrationen und Deportationen in KZs. In der Stele tut sich etwas, gehen Sie hinüber.
Wieder auf der anderen Seite der Ebertstraße folgt die Botschaft der USA. „Hässlich, aber sicher“ titelte „Die Welt“ zu deren Eröffnung. Einziger Hingucker sind die fünfzackigen Sterne des Konzeptkünstlers Sol LeWitt im Eingangsbereich.
Wenige Schritte weiter steht man vorm Brandenburger Tor, Wahrzeichen und touristischer Hotspot Berlins. Das einstige Stadttor trennt den Platz des 18. März vom Pariser Platz. Oft ist es Zentrum von Kundgebungen: auf der einen Seite die Pro-Rufe, auf der anderen Pfiffe. Vom Platz des 18. März führt die Straße des 17. Juni gen Westen durch den Tiergarten auf die Siegessäule zu (→ Tiergarten, Kulturforum und Diplomatenviertel). Vom Pariser Platz hingegen führt der Boulevard Unter den Linden gen Osten dorthin, wo einst das Stadtschloss stand, das heute in neuer, wiederaufgebauter Form den Namen Humboldt Forum trägt.
Pariser Platz
Wie der Potsdamer Platz waren auch das Brandenburger Tor und der Pariser Platz, an der Sektorengrenze zwischen Ost und West gelegen, 28 Jahre lang Sperrgebiet und eine einzige Ödnis. An die einst umliegenden Palais erinnerte nichts mehr. Lediglich ein paar Kaninchen wagten sich seinerzeit in die Nähe der Grenzbeamten. Erst mit dem Wiederaufbau nach der Wende wurde aus dem Karree mit den historischen Abmessungen von 120 x 120 m wieder ein wenig das, was der Platz einmal war: die sog. „Berliner Stube“.
An das Brandenburger Tor grenzt im Norden das Max-Liebermann-Haus (Hnr. 7). Es steht als an den Originalbau angelehnte Rekonstruktion genau an jener Stelle, wo die Familie Liebermann einst ihr Stadthaus hatte; am Wannsee unterhielt der Maler Max Liebermann zudem noch eine Villa. Beim Anblick der Fackelzüge der SA durch das Brandenburger Tor tat Liebermann den viel zitierten Ausspruch: „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.“ Das Gebäude beherbergt heute die Stiftung Brandenburger Tor, die darin temporäre Ausstellungen zeigt (Do-So 11-18 Uhr, stiftungbrandenburgertor.de).
Weiter im Uhrzeigersinn fällt die von Christian de Portzamparc entworfene Französische Botschaft ins Auge (Hnr. 5) und an der Südseite des Platzes das Hotel Adlon. Das berühmteste Hotel Berlins wurde 1907 eröffnet, der Wiederaufbau erfolgte in Anlehnung an die Originalfassade. Schon Könige und Kaiser logierten hier, die 185 m2 große Royal Suite bekommt man übrigens ab 16.965 € pro Nacht. Günstiger kommt ein Cocktail oder eine Tasse Tee in der beeindruckenden Lobbybar.
An das Hotel schließt die gläserne Fassade der Akademie der Künste an (Hnr. 4). Im Vorgängerbau bastelte Albert Speer an seinen Modellen für die Welthauptstadt Germania.
Essen & Trinken
2 Capital Beach 3 Grill Royal 5 Kantine des Berliner Ensembles 7 Zollpackhof 8 Käfer Dachrestaurant 10 Café Einstein 11 Cookies Cream 13 Bocca di Bacco 14 Borchardt 15 Augustiner am Gendarmenmarkt 16 Lutter & Wegner 19 Chupenga 20 Intermezzo 22 Liu Chuan Chuan Xiang und Nudelhaus 24 Manifesto 25 Weilands Wellfood
Cafés
4 Böse Buben Café-Bar 6 Refinery High End Coffee 16 Cafeteria der Musikhochschule Hanns Eisler/Mosaik 21 Schokoladenhaus Rausch 23 Tea Lounge
Nachtleben
17 Weingalerie Nö! 18 Newton Bar
Shopping
1 Langer Blomqvist 9 Kulturkaufhaus Dussmann 21 Schokoladenhaus Rausch 26 Deko Behrendt
Die nächste Tür ist ein Muss! Treten Sie ein ins Foyer der DZ-Bank (Hnr. 3). Auch wenn man es von außen gar nicht glauben mag: Hinter der eher unspektakulären Fassade verbirgt sich spektakuläre Architektur. Verantwortlich dafür zeichnete Frank O. Gehry. Schade, dass der Bausenat mit seinem strikten Regelwerk eine solch unkonventionelle Formensprache nur im Verborgenen duldet.
Unter den Linden
Der Boulevard Unter den Linden ging aus einem Reitweg vom Schloss zum Tiergarten hervor. Auf Anordnung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm wurden 1647 die ersten Linden und Kastanien gepflanzt. Damals stromerten hier noch aus den nahen Ställen entflohene Schweine umher. Bis ins 18. Jh. blieb die Allee unbefestigt. Aber dann reihten sich wie Perlen an einer Kette peu à peu repräsentative königliche Bauten aneinander, die das militärische und geistig-künstlerische Preußen widerspiegeln sollten. So wuchs die Allee vom Schloss aus gen Westen und fand mit dem Brandenburger Tor ihren krönenden Abschluss. Die Baulücken füllten Aristokraten und das reiche Bürgertum mit Stadtpalais, Hotels, Cafés, Restaurants und noblen Geschäften. 1925 gab es entlang des Boulevards 18 Automobilsalons, 17 Juweliere, 13 Zigarrenläden und v. a.: viel Verkehr. Polizisten regelten ihn mit Trillerpfeife und Trompete. Das Überqueren der Straße war einer Zeitzeugin zufolge ein „Kunststück für Großstädter, eine Pein für Provinzler“. Zwar stahl der Ku’damm in den Goldenen Zwanzigern den „Linden“ nach und nach die Show und stieg zur ersten Adresse Berlins auf. Die Linden aber blieben weiterhin der Prachtboulevard, bis heute verewigt in Büchern, Bildern, Filmen und Chansons. „Auf ‘ner Kilometerlänge sieht man nichts als Menschenmenge“ sang Marlene Dietrich. Und Walter Kollos „Linden-Marsch“war gar die inoffizielle Berlinhymne: „Solang noch Unter’n Linden die alten Bäume blüh’n, kann nichts uns überwinden. Berlin bleibt doch Berlin.“ Wie wahr! Die Nazis holzten die Bäume ab - Boulevard und Stadt waren gesehen. Vieles, an dem Sie vorbeispazieren werden, ist keine 70 Jahre alt! Zu DDR-Zeiten waren die Linden übrigens die Sackgasse der Nation, das Verkehrsaufkommen glich dem einer Dorfstraße. Und so soll es auch wieder werden: Der Straßenverkehr soll von dem 60 m breiten Boulevard mit seinem Band aus Silberlinden in der Mitte weitestgehend verbannt werden.
Die grandiose Innenarchitektur der DZ-Bank am Pariser Platz
Wenige Schritte, nachdem man die Wilhelmstraße überquert hat, liegt linker Hand der Eingang zu Madame Tussauds (Hnr. 4). Hier wurde am 4. Juli 2008 das letzte Attentat auf Hitler verübt: Ein Altenpfleger enthauptete den Führer. Wer will, kann sich im Wachsfigurenkabinett zu Günther Jauch an den Fragetisch setzen. (Tägl. 10-18 Uhr, 29,50 €, madametussauds.com/Berlin.)
Auf der anderen Straßenseite steht die Botschaft der Russischen Föderation. Als Sowjetische Botschaft wurde der Komplex mit Ehrenhof, Repräsentationssälen, Wohnungen und Schwimmbad im Stil des stalinistischen Neoklassizismus zwischen 1950 und 1953 erbaut.
Nachdem man die Neustädter Kirchstraße überquert hat, liegt linker Hand der unauffällige Eingang zum ZDF-Hauptstadtstudio (Hnr. 36-38), wo u. a. Maybrit Illner mit ihren Gästen diskutiert. Das Atrium ist frei zugänglich.
An der Ecke zur Friedrichstraße grüßt Wilhelm Tell vom Haus der Schweiz. Es ist eines jener 13 Gebäude zwischen Brandenburger Tor und Universität, die den Krieg halbwegs unversehrt überstanden haben. Schräg gegenüber, im Büro- und Geschäftszentrum Lindencorso, geht man zum Bentley-, Porsche- und Bugatti-Shoppen.
Dem Lindencorso gegenüber wiederum bestätigen das Cold War Museum und das Bud Spencer Museum (Unter den Linden 10, tägl. 9-17 Uhr, 12 €, für Fans ein Muss, budspencer-museum.com) den Status der Straße Unter den Linden als Tourimeile.
Unmittelbar nach Überquerung der Charlottenstraße liegt linker Hand die Staatsbibliothek, der größte historische Baukomplex in Berlin-Mitte (1914 eröffnet). Allein die Front ist 107 m breit und reicht bis zur Universitätsstraße, in der Länge misst der Komplex 170 m. Im Rahmen der letzten Generalsanierung (2005-2021) kam ein Glaskubus-Lesesaal in der geistigen bzw. räumlichen Mitte hinzu. Verantwortlich dafür zeichnete das Architekturbüro HG Merz- sehenswert, ein Blick in den Hof und die Treppenhalle lohnt. Führungen finden jeden zweiten Freitag um 15 Uhr statt (kostenlos, Anmeldung erforderlich, staatsbibliothek-berlin.de).
Auf Höhe Universitätsstraße beendet das Reiterstandbild des Alten Fritz die Mittelpromenade. Das Denkmal aus der Mitte des 19. Jh. schuf Christian Daniel Rauch. Figuren zeitgenössischer Persönlichkeiten schmücken den Sockel, darunter Militärs, Angehörige des Königshauses und - unter dem Hinterteil des Pferdes - Vertreter von Kunst und Wissenschaft.
Linker Hand folgt die Humboldt-Universität. Begründer Wilhelm und Bruder Alexander sitzen an warmen Sommertagen davor - in Marmor auf hohen Sockeln. Im Winter verziehen sie sich in ein geschütztes Depot. Den beiden zu Füßen findet man zumeist Stände mit antiquarischen Büchern.
Bebelplatz
Gegenüber der Humboldt-Universität erstreckt sich der Bebelplatz, ehemals Opernplatz. Auf ihm veranstalteten am 10. Mai 1933 die Stiefellecker der Deutschen Studentenschaft in SA-Uniform im Zuge der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ die Bücherverbrennung. Erich Kästner stand bei strömendem Regen unerkannt in der Menge, als der Feuerspruch verkündet wurde: „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe den Flammen die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner!“ Insgesamt wurden 24 deutsche Schriftsteller symbolisch ausgetilgt. Auf Höhe des Schriftzugs der Juristischen Fakultät befindet sich eine Glasplatte im Boden, darunter leere Bücherregale, ein so einfaches wie eindrucksvolles Mahnmal von Micha Ullmann.
Das barocke Gebäude der Juristischen Fakultät selbst wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jh. als Königliche Bibliothek erbaut und nach dem Zweiten Weltkrieg wie die meisten umliegenden Häuser und Palais wiederaufgebaut. Wegen seiner geschwungenen Form wird es auch „Kommode“ genannt. Zugrunde lag ein Entwurf Fischer von Erlachs für die Wiener Hofburg, der einfach kopiert wurde. Da sich die Wiener mit der Umsetzung des Entwurfes Zeit ließen, war die Kopie über 100 Jahre früher fertig als das Original ...
Die Südseite des Bebelplatzes nimmt das Hotel de Rome ein. Das Gebäude wurde einst als Zentrale der Dresdner Bank erbaut und besitzt eine tolle Dachterrasse (→ Übernachten, und Nachtleben). Links davon erhebt sich die St.-Hedwigs-Kathedrale, über die Spötter sagen, sie sehe aus wie eine umgestülpte Teetasse.
Die „Kommode“ am Bebelplatz
Im Osten, gen Fernsehturm, begrenzt die Staatsoper Unter den Linden das Forum Fridericianum, wie der Bebelplatz von Kunsthistorikern auch genannt wird. Mit dem Ensemble repräsentativer Bauten wollte sich Friedrich II. unvergesslich machen. Zu seiner Zeit war der Besuch des Opernhauses übrigens noch kostenlos, aber nicht fürs Volk - das durfte gar nicht erst hinein.
Weiter entlang der Linden passiert man linker Hand, von einem Kastanienhain umgeben, die Neue Wache, heute die Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft.
Darauf folgt, ebenfalls linker Hand, das barocke Zeughaus, die ehemalige preußische Waffenkammer. Wo einst Kanonen und Gewehre (früher „Geschwindschüsse“ genannt), Trommeln und Trophäen lagerten, präsentiert heute das Deutsche Historische Museum seine Sammlungen.
Auf der anderen Seite der Linden steht schräg gegenüber der Neuen Wache das Prinzessinnenpalais, das heute auch den Namen Palais Populaire trägt und die Kunstsammlung der Deutschen Bank beherbergt. Darauf folgen das Kronprinzenpalais (mit Säulenportal, Hnr. 3), in dem hin und wieder Ausstellungen stattfinden, und die Alte Kommandantur (Hnr. 1), heute die Hauptstadtrepräsentanz der Bertelsmann AG und Stiftung. Dieses Ensemble herrschaftlicher Bauten wurde in Anlehnung an die Originalpläne nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererrichtet.
Schinkelplatz und Hausvogteiplatz
Die Schlossbrücke führt auf die Museumsinsel, wir aber halten uns unmittelbar vor der Brücke rechts und gelangen so zum Schinkelplatz, der nur durch den Spreearm von Schloss und Schlossplatz getrennt ist.
Im Rücken der Statue des preußischen Architekten Schinkel stand einst die von ihm entworfene Bauakademie - sie soll wiederaufgebaut werden, ein Eckstück als Vorgeschmack steht bereits. Aus der Bauakademie, die die preußische Architektur maßgeblich prägte, ging übrigens später die Technische Universität Berlin hervor.
Ein paar Schritte weiter erhebt sich die Friedrichswerdersche Kirche - ebenfalls nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel errichtet. Gehen Sie hinein: sehenswert und kostenlos.
Der Schinkel Pavillon direkt hinter der Kirche hat mit dem preußischen Baumeister recht wenig zu tun - er wurde zu DDR-Zeiten errichtet. Wo Erich Honecker gerne Gäste empfing, zeigt heute die Kuratorin und Fotokünstlerin Nina Pohl kleine, aber feine experimentelle Ausstellungen, nicht selten sind Big Names darunter. (Oberwallstr. 1, nur Do-Fr 14-19 Uhr, Sa/So 11-19 Uhr, 6 €, erm. 4 €, schinkelpavillon.de.)
Über den Werderschen Markt gelangt man in die Kurstraße. Der Gebäudekomplex linker Hand ist das Auswärtige Amt. Der vordere Teil stammt aus den 1990ern und besitzt einen überdachten Lichthof (mit einem jedermann zugänglichen Coffeeshop). Der hintere Teil ist ein Bau aus der Hitlerzeit und beherbergte einst die geraubten Gold- und Devisenreserven der Reichsbank.
Gegenüber dem Nazibau erblickt man die Berlin Townhouses, ein Ensemble in Reihe gebauter Häuser mit schmalen Fassaden. Im Rücken der Häuserzeile liegt der Hausvogteiplatz. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten stellte er das Zentrum der Berliner Mode- und Textilbranche dar, in der überwiegend jüdische Schneider, Modeschöpfer und Händler tätig waren. Ein zweiteiliges Denkmal erinnert daran: am Platz selbst drei Flächen aus verspiegeltem Edelstahl, die Ankleidespiegeln ähneln, auf den Stufen hinab zum U-Bahnhof Informationen über die einst hier ansässigen jüdischen Modefirmen.
Gendarmenmarkt und Friedrichstraße
Über die Taubenstraße gelangt man zum Gendarmenmarkt, vielfach als schönster Platz Berlins gepriesen. Hier trifft man auf den nach dem Krieg wiedererrichteten klassizistischen Dreiklang aus Konzerthaus (Mitte), Französischem Dom (rechts) und Deutschem Dom (links) - die beiden Letzteren waren aber in ihrer Geschichte nie Bischofskirchen. Es lohnt, die weite Freitreppe zum Konzerthaus hinaufzuspazieren, man hat dann meist die Möglichkeit, einen Blick durch die Tür in den Großen Saal zu werfen.
Das Quartier 205 trennt den Gendarmenmarkt von der Friedrichstraße. Nimmt man den Eingang auf Höhe der Rückseite des Deutschen Doms, gelangt man zum „Turm von Klythie“, den der US-amerikanische Künstler John Chamberlain aus Autoblechen und verchromten Stoßstangen schuf. Von hier führt eine unterirdische, leider ziemlich leblose Galerien- und Ladenpassage durch das Quartier 205 und das Quartier 206 zur feinen Foodmeile in den Galeries Lafayette (Quartier 207). Vielleicht aber auch nicht mehr: Zum Zeitpunkt der Recherche wurde gemunkelt, dass der Mietvertrag mit Lafayette, der Ende 2024 ausläuft, nicht verlängert wird und die Zentral- und Landesbibliothek den Standort übernimmt.
Die Friedrichstraße, der wir, nun oberirdisch, weiter Richtung Bahnhof Friedrichstraße folgen - in der Ferne kann man die Hochbahngleise erkennen -, war in den Goldenen Zwanzigern eine der schillerndsten Straßen Berlins. Berühmte Cafés und Restaurants gab es hier genauso wie Theater und Kabaretts, Tanzsalons, feine Gesellschaftslokale, schmierige Vergnügungsetablissements und einfache Schänken. „Nach 4 Uhr“ war die Straße „durchsetzt von gewissen, vielfach sehr elegant angezogenen und je nach Alter und Aussehen entsprechend bemalten ‚Damen‘“ (Straube-Reiseführer „Berlin“, 1925). Die Straße wurde in jener Zeit zum weltweiten Mythos und Synonym für das verruchte Berlin. Die Nazis schoben dem wilden, „undeutschen“ Treiben einen Riegel vor, dann regnete es Bomben. Der Wiederaufbau nach der Wende machte aus der Friedrichstraße eine Geschäftsmeile. Zwischen zeitgenössischen Bauten fallen ein paar wenige Fassaden ins Auge, die den Krieg überdauerten, so z. B. jene des sog. HausesAutomat (Hnr. 167/168). 1905 wurde darin eines der ersten Berliner Automatenrestaurants eröffnet, in dem man Speisen gegen Münzeinwurf aus Automaten bekam. Die Tradition hat das gepflegte Restaurant Bocca di Bacco nicht wiederbelebt.
Nachdem man die Straße Unter den Linden überquert und das Kulturkaufhaus Dussmann mit der laut Eigenwerbung „größten Klassikabteilung der Welt“ passiert hat, gelangt man zum Bahnhof Friedrichstraße. Der Admiralspalast rechts dahinter (also nördlich) wurde 1911 als rund um die Uhr geöffnete Luxustherme und Eislaufbahn eröffnet und 1922 zum Varieté-Theater umgebaut. 1946 gründete sich darin die SED. Heute wird hier ein buntes Programm geboten (→ Kultur).
Gegenüber stehen zwei düstere Hochhäuser. Für diesen Standort hatte übrigens Mies van der Rohe1921 jenen gläsernen Wolkenkratzer „Wabe“ entworfen, der, obwohl nie realisiert, zu einer Ikone der Moderne wurde. Zwischen den Hochhäusern und dem Bahnhof Friedrichstraße befindet sich der Tränenpalast, der zu DDR-Zeiten oft Schauplatz dramatischer Abschiedsszenen war (→ „Die U6 im geteilten Berlin“).
Regierungsviertel
Spaziert man die Spree entlang gen Westen, also wieder unter den Bahngleisen des Bahnhofs Friedrichstraße hindurch, gelangt man ins Regierungsviertel. Den Auftakt bildet linker Hand das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Am gegenüberliegenden Spreeufer sollen - wenn irgendwann der letzte Plattenbau verschwunden ist und das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs feststeht - Büroräume für die Bundestagsverwaltung entstehen.
Auf dem weiteren Spaziergang entlang dem Spreeufer - in der Ferne sieht man bereits die Kuppel des Bundestages - passiert man das ARD-Hauptstadtstudio. Von hier wandern die Kommentare zum politischen Geschehen aus Berlin in die Wohnzimmer.
Auf das ARD-Hauptstadtstudio folgt hinter der Marschallbrücke linker Hand das Jakob-Kaiser-Haus, kein einzelnes Gebäude, sondern ein „Haus aus acht Häusern“ mit 1745 Büros, die durch Achsen und Brücken miteinander verbunden sind. Davor kann man auf einer Glaswand die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes in der Fassung von 1949 nachlesen, ein Werk von Dani Karavan.
Das Jakob-Kaiser-Haus gehört wie das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf der gegenüberliegenden Uferseite zum Bundestag. Das Lüders-Haus beherbergt neben weiteren Büros für die Bundestagsabgeordneten die parlamentarische Bibliothek (1,4 Mio. Bände), außerdem jenen Anhörungssaal, in dem die gefürchteten Untersuchungsausschüsse stattfinden, und das Mauer-Mahnmal.
Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf ehemals Ost-Berliner Seite ist durch zwei Brücken (die obere hat den Spitznamen „höhere Beamtenlaufbahn“) mit dem Paul-Löbe-Haus auf ehemals West-Berliner Terrain am anderen Ufer verbunden - der symbolische Brückenschlag des Bundestags zwischen Ost und West. Für beide Häuser zeichnete der Architekt Stephan Braunfels verantwortlich.
Direkt am Spreeufer - die Spree war hier der Todesstreifen - erinnern sieben Kreuze an die einstigen Maueropfer. Geht man zu den Kreuzen hinab und schaut dort linker Hand ums Eck, erblickt man zwei grüne Männer auf zwei grünen Leitern. Sie haben, wie so manche Abgeordnete auch, „hohe Ziele“ vor Augen. Die Leuchtskulpturen schuf Neo Rauch.
Für die Besichtigung der Bundestagsgebäude und des Kanzleramts→ „Ins Zentrum der Macht“ .
Der Reichstag mit seinen vier Ecktürmen, seinem klassizistischen Portal und seiner gläsernen Kuppel kommt am besten von seinem begrünten Vorplatz aus, dem Platz der Republik, zur Geltung. Die grauen Container nahe dem Eingang dienen der Besucherabfertigung, ihre Tage sind jedoch gezählt. Für die mehrere Millionen Besucher jährlich soll ein Besucherzentrum am Tiergarten gebaut werden, von wo es dann durch einen Tunnel in den Reichstag geht.
Im Paul-Löbe-Haus kommen die Ausschüsse und Lobbyisten (geschätzte 5000 in Berlin) zusammen und beraten über Fischfangquoten und Subventionen. Das Hauptportal des Hauses mit monumentalem Vordach und verglaster Eingangshalle erhebt sich gegenüber dem Ehrenhof des Bundeskanzleramtes, wo beim Besuch hoher Staatsgäste der rote Teppich ausgerollt wird. Im siebten Stock des Kanzleramts-Kubus hat Olaf Scholz sein Büro, im Stockwerk darüber pflegt er zu speisen. Viel „umbaute Luft“ kennzeichnet die Architektur des Kanzleramtes, das wegen der riesigen Bullaugen an den Seiten - so heißt es in den Kommentaren der vorbeiziehenden Ausflugsschiffe - von den Berlinern „Waschmaschine“ genannt wird. Das ist Humbug!
Gegenüber der Zufahrt zum Kanzleramt steht - irgendwie etwas verloren - die Schweizer Botschaft. Wie durch ein Wunder überstand das Gebäude den Krieg, während alles drum herum in Schutt und Asche versank. Aber allzu viel stand hier schon vor Kriegsbeginn nicht mehr. Das ehemalige feudale Alsenviertel hatte bereits Hitler stellenweise plattmachen lassen, um seinen Traum von Germania zu verwirklichen (→ Kasten).
Im Sommer kann man den Spaziergang in der Strandbar Capital Beach ausklingen lassen. In dem Gebäude mit der weißen Rasterfassade am Ufer gegenüber sitzt übrigens PricewaterhouseCoopers, rechts davonstehen das Futurium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (grünlicher Bau). Linker Hand befindet sich der Hauptbahnhof, der größte Kreuzbahnhof Europas. Er zählt täglich rund 300.000 Reisende und Besucher. Vom Hauptbahnhof gelangt man per U- und S-Bahn oder Bus in alle Ecken der Stadt.
Sehenswertes im Detail
Eyecatcher am Potsdamer Platz
Ehemaliges Sony Center
Der gläserne Komplex nach einem Entwurf von Helmut Jahn umfasst sieben Gebäude, darin u. a. die DB-Konzernzentrale, luxuriöse Penthouse-Wohnungen, das Museum für Film und Fernsehen und das Legoland Discovery Centre. Als Sony Center ging es in die Geschichte Berlins ein. Acht Jahre nach dessen Eröffnung im Jahr 2000 verkaufte Sony das Objekt jedoch, Sony Europe belegt aber bis heute Büroflächen darin. 2023 endeten die Namensrechte. Im gleichen Jahr fanden umfangreiche Umbaumaßnahmen statt. 2024 will das Sony Center unter einem neuen Namen und mit einer großen Food Hall im zentralen Bereich Besucher anlocken.
Der Gebäudetrakt rechts hinter dem BahnTower überbrückt die Reste des einstigen Grandhotels Esplanade, das im Krieg zu 90 % zerstört wurde. Zu dessen Gästen gehörten einst Charlie Chaplin, Greta Garbo und Billy Wilder. Die Ruine selbst diente Wim Wenders als Kulisse für seinen Filmklassiker „Himmel über Berlin“. Für die Neugestaltung des Potsdamer Platzes musste die Ruine versetzt werden. Dabei wurde der 1300 t schwere Kaisersaal auf Luftkissen verschoben (nicht zugänglich, heute ein Veranstaltungssaal). Der angrenzende historische Frühstückssaal wurde für den Transport in über 500 Teile zerlegt. Er gehört wie der Kaisersaal heute zum Restaurant Frederick’s.
Vom Forum in der Mitte des Sony Centers blickt jeder mal nach oben. Abends ist der Blick am schönsten: Die sich selbst reinigenden Stoffbahnen in der grandiosen Dachkonstruktion wechseln dann ihre Farben.
(S)+(U) Potsdamer Platz. das-center-am-potsdamer-platz.de.
Deutsche Kinemathek
Museum für Film und Fernsehen
Spannend konzipierte Zeitreise durch die über 100-jährige Film- und Fernsehgeschichte Deutschlands. Der Schwerpunkt liegt auf jener Zeit, als Berlin noch Hollywood Konkurrenz machte, man denke nur an Murnaus „Der letzte Mann“ oder Langs „Metropolis“. In der „Mediathek Fernsehen“ können 12.000 Sendungen aller Genres ab 1952 per Mausklick abgerufen werden - da werden Kindheitserinnerungen wach! Wie lange es dieses Museum an diesem Ort aber noch geben wird, ist fraglich. Anfang 2025 läuft der Mietvertrag aus, und die Deutsche Kinemathek hat angekündigt, umziehen zu wollen.
Potsdamer Str. 2 (ehem. Sony Center), (S)+(U) Potsdamer Platz. Mi-So 10-18 Uhr. 9 €, erm. 5 €. deutsche-kinemathek.de.
Kunst zwischen Glas und Stahl
Ehemalige Daimler-City
Die ehemalige „Daimler-City“ (wer hier ursprünglich 1990 investierte, kann jeder selbst erraten - 2007 wechselte hier der Besitzer) besteht aus 19 Gebäuden, über 100 Geschäften, zehn Straßen und einer zentralen Piazza. Den Masterplan zum Prototyp des neuen Berlin schufen Renzo Piano und Christoph Kohlbecker. Folgt man vom Potsdamer Platz der Alten Potsdamer Straße, passiert man nach wenigen Schritten den Eingang zum Panoramapunkt auf dem Kollhoff-Tower. Hinauf geht es mit dem schnellsten Aufzug Europas. Oben lädt ein Café ein, nett v. a. am frühen Abend, wenn einem die Lichter Berlins zu Füßen liegen und man auch nach mehreren Gläschen Wein noch den Überblick behält. Etwas weiter steht linker Hand das einstige Weinhaus Huth (Hnr. 5), das einzige noch gänzlich erhaltene historische Gebäude rund um den Potsdamer Platz. Die angrenzende Mall The Playce wurde jüngst neu eröffnet, darin befindet sich mit dem Manifesto Market ein Food Hub mit 22 Essensständen und drei Bars (→ Essen & Trinken).
Etwas weiter trifft die Alte Potsdamer Straße auf den Marlene-Dietrich-Platz. Vor dem dortigen Musical-Theater wird zur Berlinale der rote Teppich ausgerollt, das Theater wird dann zum Filmpalast.
(S)+(U) Potsdamer Platz. Panoramapunkt Potsdamer Platz, Potsdamer Platz 1. Im Sommer tägl. 10-19 Uhr, im Winter bis 18 Uhr. 9 €, erm. 7 €. panoramapunkt.de.
Gegen das Vergessen
Holocaust-Denkmal
2711 aufrechte Stelen, die an Sarkophage erinnern, bilden das Denkmal für die ermordeten Juden Europas (errichtet 2003-2005), das nach einem Entwurf von Peter Eisenmann entstand. Dazwischen befinden sich 23 „Internet-Pflastersteine“ mit einem QR-Code, mit dessen Hilfe man sich die App „Virtuelles Konzert“ herunterladen kann. Beim Gang durch das Stelenfeld (am besten mit Kopfhörer) erklingt dann das eigens für das Denkmal komponierte Werk „Vor dem Verstummen“ von Harald Weiss genau so, wie es 2008 eingespielt wurde: 24 Musiker hatten sich dazu im Stelenfeld verteilt, und je nachdem, wo man gerade spaziert, hört man auf diese Weise mal die Geige lauter, mal den Kontrabass. Unter dem Stelenfeld liegt der Ort der Information (Zugang an der südöstlichen Ecke), der die nationalsozialistische Terrorpolitik kurz erläutert, vielmehr aber die Dimension des Holocaust und die einstige Vielfalt des europäischen Judentums wie auch die Orte des Verbrechens beleuchtet. Im „Raum der Namen“ sind zum Gedenken und in Erinnerung an die ermordeten oder verschollenen Juden über Lautsprecher Kurzbiografien hörbar, mehr als 10.000 sind bereits aufgenommen, 6 Mio. wären möglich. Wären einmal alle Kurzbiografien in der hier präsentierten Form gesprochen, müsste man sechs Jahre, sieben Monate und 27 Tage warten, bis sich der erste Name wiederholt.
2711 Stelen erinnern an die ermordeten Juden Europas
Cora-Berliner-Str. 1, (U) Brandenburger Tor o. (S)+(U) Potsdamer Platz. Ort der Information, tägl. (außer Mo) 10-18 Uhr. Eintritt frei, oft lange Schlangen. stiftung-denkmal.de.
Das Symbol der Stadt
Brandenburger Tor
Zwischen 1788 und 1791 wurde das 65,5 m breite Tor von Carl Gotthard Langhans in Anlehnung an die Propyläen der Athener Akropolis erbaut. Und in Anlehnung an das Mausoleum von Halikarnassos (heute Bodrum/Türkei), eines der sieben Weltwunder der Antike, setzte man eine Quadriga mit der Friedensgöttin Eirene obenauf, ein Werk von Johann Gottfried Schadow. 1806 wurde die Göttin von Napoleon geraubt, 1814 eroberte man sie zurück, fortan tat sie Dienst als Siegesgöttin Viktoria. Bis zum Ende der Kaiserzeit war die breitere mittlere Durchfahrt für das gemeine Volk tabu, nach dem Mauerbau für jedermann - das Tor stand nun im Niemandsland. Im südlichen Torhaus befindet sich heute eine Touristeninformation, im nördlichen der „Raum der Stille“, dessen Vorbild der Meditationsraum im Gebäude der Vereinten Nationen in New York ist. Historische Aufnahmen vom Brandenburger Tor schmücken den gleichnamigen U-Bahnhof, der einer der elegantesten Berlins ist (Zugang auf Höhe des Hotels Adlon).
Pariser Platz, (S)+(U) Brandenburger Tor.
Die Kulturinstitution Deutschlands
Akademie der Künste
In dem von Behnisch & Partner projektierten Gebäude finden Lesungen, Filmvorführungen und spannende Ausstellungen statt. Eine Dependance der Akademie befindet sich in Tiergarten.
Pariser Platz 4, (S)+(U) Brandenburger Tor. Öffnungszeiten und Eintrittspreise variieren je nach Ausstellung. adk.de.
Erinnerung an den Kalten Krieg
Cold War Museum