Bescheidwisser - Andreas Hain - E-Book

Bescheidwisser E-Book

Andreas Hain

3,9

Beschreibung

Können wir Blicke im Rücken spüren? Woher stammt das Spaghetti-Eis? Und warum sind wir süchtig nach frischem Brot? Warum leben Menschen mit Haustieren stressfreier? Was ist teurer, von Hand spülen oder mit der Maschine? Und was haben Aspirin und Heroin gemeinsam? Haben Ziegen eigentlich Bock? Ist Gähnen wirklich ansteckend? Und was ist eigentlich Geld? Der Bescheidwisser klärt auf! Ein großes Lesevergnügen.

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Seitenzahl: 114

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Andreas Hain

BESCHEIDWISSER

Warum Schuhe quietschen –und andere ganz alltägliche Weltwunder

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Lizenziert durch SWR Media Services GmbH

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: © shutterstock © Foodlovers - Fotolia.com

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (Buch) 978-3-451-06307-7

ISBN (E-Book) 978-3-451-80203-4

Inhalt

Einleitung

Gefühlte Blicke, gerollte Zungen und das große VergessenMENSCH & KÖRPER

Warum die Zwiebel auf die Tränendrüse drückt und was ein Italiener mit einer Spätzlepresse so alles anstelltESSEN & TRINKEN

Warum die E-Mail eigentlich schon in der Renaissance erfunden wurde und Caesar als der Vater der Kryptografie giltTECHNIK & ERFINDUNGEN

Wann Kaugummi erfunden wurde und warum Schuhe quietschenKURIOSES & UNHEIMLICHES

Einleitung

Welche ist wohl die dümmste Frage, die Sie sich jemals gestellt haben? Was mich selbst angeht: Da fallen mir Hunderte ein. Allerdings schätze ich mich glücklich, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem selbst die allerdämlichste Frage nicht als selbige gewertet wird. Vielmehr ist sie oft Anlass für eine herrliche Radiogeschichte. Wer gibt schon gern zu, sich ernsthaft damit zu beschäftigen, wie spitz Nachbars Lumpi wirklich ist? Oder ob der große Ludwig van Beethoven womöglich viel zu klein war, um mit den Füßen an die Orgelpedale zu kommen?

Das eine Mal sind die Antworten schwer zu finden, ein anderes Mal liegen sie auf der Hand. Eines allerdings passiert oft: Es kommen abenteuerliche Geschichten zutage. Zum Beispiel, dass ein Ziegenhirte wohl so etwas wie der Entdecker von Kaffee war, weil seine Tiere plötzlich aufgeputscht im Dreieck sprangen, nachdem sie an der Pflanze genagt hatten. Genau solche Geschichten erzählt der SWR3-Bescheidwisser.

Das wissenschaftliche Drumherum ist bei wichtigen Erfindungen und Entdeckungen meistens sauber dokumentiert. Oft ist aber nicht überliefert, wie die Situation wirklich war – also ob jemand gestaunt, geschwitzt, gelacht oder etwas Überraschendes gesagt hat. Die meisten Bescheidwisser-Folgen sind deshalb garniert mit dem, was Radio – und jetzt auch dieses Buch – so besonders macht: Kleine Spielszenen und Sprüche. Wie ein Hörspiel oder Mini-Roman – frei nach wahren Begebenheiten. Ob es in der jeweiligen Situation wirklich so war? Zumindest haben wir mit allem, was wir herausfinden konnten und viel Phantasie die Geschichten so erzählt, dass Sie das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein. Entsprechende Ausrufe des Erstaunens, der Freude oder der Überraschung – wir im Radio nennen das Sozialgeräusche – werden Ihnen in diesem Buch sofort ins Auge fallen.

Vielen Dank an alle, die uns sagen, dass sie von Bescheidwisser-Geschichten nicht genug bekommen. Entweder, weil sie Spaß an amüsanten Wissensgeschichten haben oder als Lehrer damit ihren Unterricht auflockern. Und für alle, die noch nie von Bescheidwisser-Geschichten gehört haben: Sie werden Dinge erfahren, die Sie so schnell nicht vergessen werden und am liebsten weitererzählen wollen. Viel Freude beim Bescheidwissen und viele Aha-Effekte – dafür stehe ich mit meinem Namen: AH.

Baden-Baden im November 2014

Gefühlte Blicke,gerollte Zungen unddas große VergessenMENSCH&KÖRPER

Blicke spüren

Manchmal merken wir ganz genau, wenn uns jemand von hinten anstarrt. Aber ist es tatsächlich möglich, dass wir Blicke spüren können?

Max-Planck-Institut. Garching. 2003

Die junge, italienische Astrophysikerin Lidia Tasca stellt eine ungeheure Behauptung auf.

„Ich spüre Blicke – und ich kann Menschen so lange von hinten ansehen, bis sie sich umdrehen …“

Merkwürdigerweise klappt das bei ihr meistens.

15 Jahre davor. 1988 in London

Dr. Rupert Sheldrake fängt gerade an, sich wissenschaftlich mit der Frage zu beschäftigen, ob man Blicke im Rücken spüren kann. Er ist Biologe und macht ein paar Tests. Erst mit seiner Familie.

Sheldrake: „Pass auf, ich werde dich jetzt öfters von hinten anstarren – oder weggucken. Jedes Mal, wenn du meinst, ich würde dich anstarren, sag: Ich kann deinen Blick spüren.“

Frau: „Ich kann deinen Blick spüren …“

Er wiederholt diese Versuche – mit allen möglichen Menschen. Egal, wo Dr. Sheldrake ist. Und weil er sowieso für Seminare und Vorträge auf der ganzen Welt unterwegs ist, probiert er es überall aus. In Florida.

„You stare at me! I can feel it.“

In Assisi in Italien.

„Lo posso sentire. Che mi stai guardando.”

Sogar in Deutschland, in Stuttgart und Todtmoos.

„Du starrst mich an, das kann ich spüren …“

1998

Nach einigen Jahren und zig Versuchen mit Schülern und Studenten auf der ganzen Welt, scheint sich Dr. Sheldrakes Vermutung zu bestätigen. Die Chance der angestarrten Testpersonen das richtige Ergebnis einfach zu raten, ist 50:50. Aber genau sechzig Prozent der Angestarrten tippen genau richtig – als könnten sie den Blick spüren.

Heute

Jedes Mal, wenn wissenschaftlich überprüft wird, ob „Angestarrte“ merken, dass sie beobachtet werden, gehen die Ergebnisse tendenziell in Richtung: Ja, Blicke kann man spüren. Warum das so ist? Erklären kann das bis jetzt niemand.

Genauso wenig wie das Phänomen, dass man manchmal, schon kurz bevor eine SMS kommt, weiß, dass sie kommt und von wem sie sein wird.

Orientieren sich Frauen anders als Männer?

Links, äh, rechts. Stimmt es, dass Frauen sich anders orientieren als Männer? Und wer von beiden macht es besser?

2001 an der Universität Ulm

Frauen orientieren sich mehr an Gebäuden und markanten Punkten, Männer mehr am Straßenverlauf und an Kreuzungen. Warum das so ist, will Dr. Reinhard Tomczak und sein Forscherteam herausbekommen. Er führt Frauen und Männer durch ein virtuelles Labyrinth – per Joystick sollen sie den Weg herausfinden. Dabei wird gemessen, wie aktiv bestimmte Regionen des Gehirns sind.

Frau: „Hier geht’s lang, ganz klar. Oh!“

Mann: „Ha! Hier lang, logisch. Keine Frage.“

Danach steht fest: Männer finden viel schneller aus einem Labyrinth als Frauen. Und um sich zu orientieren, aktivieren Frauen andere Gehirnbereiche als Männer.

2006 in Großbritannien

Erst hier wird in einer großangelegten Studie klar: Frauen haben bei der Orientierung noch einen Joker in der Hand, den sie in keinem Labyrinth, sondern nur im echten Leben ausspielen können.

Frau: „Hallo, Sie da hinten, auf dem Bürgersteig! Entschuldigung, halloo? Kurze Frage …“

Sie fragen viel früher nach dem Weg – spätestens nach zehn Minuten nämlich – und kommen so oft schneller ans Ziel. Männer hingegen …

Mann: „Tss, jemanden fragen? Ich werd’ doch wohl selbst herausfinden, wo es langgeht.“

Ein Mann fragt im Schnitt frühestens nach zwanzig Minuten jemanden. Viel lieber aber überhaupt nicht.

2007 im Forschungszentrum Jülich im Rheinland

Hier untersuchen Wissenschaftler Gehirne von Verstorbenen. Und zwar die Hirnregionen, die für die Wahrnehmung von Bewegungen zuständig sind. Die Bereiche, in denen die Verschaltungen zwischen den Nervenzellen stattfinden, sind bei Männern größer als bei Frauen. Männer können, was Bewegungen angeht, mehr Informationen aufnehmen und sich besser orientieren.

Das heißt allerdings nicht, dass sie schneller ans Ziel kommen – denn fürs „Leute ansprechen und einfach nach dem Weg fragen“ sind ganz andere Hirnregionen zuständig.

Aus der Tür, aus dem Sinn

Jeder kennt das: Man geht durch die Wohnung und weiß plötzlich nicht mehr, was man Sekunden vorher beabsichtigt hat zu tun. Warum nur?

2011 an der Universität Notre Dame im US-Staat Indiana

Hier ärgert sich der Psychologieprofessor Gabriel Radvansky über den Frust der Vergesslichkeit.

„Warum stehe ich hier im Flur … ich wollte doch … hm, was wollte ich bloß?“

Dabei findet er heraus, dass diese Erinnerungslücken immer dann besonders oft kommen, wenn er durch eine Tür geht. Jedes Zimmer, durch das wir gehen, speichert das Gehirn als neues Ereignis ab. Neuer Raum gleich neuer Speicher-Ordner. Kein Wunder, dass wir uns nicht mehr an den abgelegten Schlüssel im Flur erinnern können, wenn wir erstmal in einem anderen Zimmer sind.

Der Beweis der Vergesslichkeit

Professor Radvansky will seine Idee mit einigen Tests nachweisen. Dazu lässt er Probanden farbige Holzklötzchen in Kisten packen. Danach gehen sie in ein anderes Zimmer. Der Test zeigt: Kaum jemand kann sich daran erinnern, welche Farbe ein Holzklötzchen hat, das er eben noch in einem anderen Raum in eine Kiste gepackt hatte. Unser Gedächtnis wird also schlechter, sobald wir den Aufenthaltsort ändern.

Die Rettung gegen Erinnerungslücken

Ein Trick kann uns helfen, damit wir nicht jedes Mal wahnsinnig werden, wenn wir wieder ratlos in der Wohnung stehen. Professor Radvansky empfiehlt Hilfsgesten: Wem im Wohnzimmer einfällt, dass er eine Schere aus der Küche holen will, soll einfach mit den Fingern eine Schere formen und dann loslaufen. So steht man garantiert nicht mehr ratlos und vergesslich in der Küche.

Wovon unsere Lebenserwartung abhängt

Vor dem Schlafengehen ein Glas Rotwein. Immer genügend Vitamine. Rezepte für ein langes Leben gibt es viele. Aber wie alt kann der Mensch überhaupt werden?

Rund 50 vor Christus– im alten Rom

Eine blühende Stadt. Caesar hat alles im Griff. Es gibt riesige Paläste und Wohnhäuser, und wer reich ist, hält sich Sklaven, die bei der Arbeit oder der Körperpflege helfen. In der Stadt wohnen dicht gedrängt die ärmeren Römer in mehrstöckigen Mietshäusern. Dazwischen gibt es aber immerhin befestigte Straßen und Kanalisation. Auch wenn hier und da ein paar sehr alte Menschen leben – zu dieser Zeit haben hier die Menschen eine durchschnittliche Lebenserwartung von nur 22 Jahren. Dass Kinder ihre Großeltern kennen, kommt fast nicht vor.

„Mama, was ist eine Oma?“

Im 19.Jahrhundert in Mitteleuropa

Jahrhundertelang haben Kriege und Krankheiten dafür gesorgt, dass die Menschen selten älter als fünfzig Jahre geworden sind, viele starben früher. Erst im 19. Jahrhundert beginnen in vielen Ländern Europas ganz neue Verhaltensweisen. In der Schweiz beispielsweise spielen plötzlich Hygiene und medizinische Versorgung eine Rolle. Gegen Pocken gibt es großangelegte Impfkampagnen.

Heute

Forscher und Statistiker wissen, dass Menschen locker achtzig Jahre und älter werden können, obwohl kaum etwas an ihnen tatsächlich achtzig Jahre alt ist: Hautzellen sterben ständig und haben sich nach vier Wochen einmal komplett erneuert. Eine Magenzelle überlebt nur gut zwei Tage.

Fakt ist: Altern bedeutet immer eine Anhäufung von Fehlern im Körper. Je mehr Fehler, desto früher stirbt jemand. Aber wie alt können Menschen werden, wenn der Körper eben nicht durch Krankheit, Krieg oder Ungesundes kaputt gemacht wird? Manche Wissenschaftler sagen, dass eine absolute Lebensspanne von 125 Jahren möglich ist. Bei Mäusen kann durch Genveränderung erreicht werden, dass sie um fünfzig Prozent älter werden.

Schon jetzt gehen Statistiker davon aus, dass Männer, die im Jahr 2050 sechzig Jahre alt sind, im Schnitt noch weitere 23 Jahre leben – Frauen sogar 28, bis sie also 88 sind.

Werden wir immer größer?

Viele Kinder wachsen über ihre Eltern hinaus. Die Menschen werden nach und nach immer größer. Aber wenn das schon immer so war: Bei welcher winzigen Größe hat es angefangen, und wie lange geht das noch so weiter?

18. Jahrhundert

Es ist die Zeit der Klassik. Die Menschen, die es sich leisten können, tragen üppige, weiß gepuderte Perücken. Aber über die Körpergröße kann das nicht hinwegtäuschen.

„He, kleiner Mann, gehen Sie weg da von der Orgel … Sie kommen ja kaum mit den Füßen auf die Pedale …“

„Bitte?“

„Oh pardon, Sie sind’s. Ludwig – Herr van Beethoven, spielen Sie doch bitte weiter …“

In dieser Zeit hat Europa die kleinsten Menschen. Männer sind, so wie Ludwig van Beethoven, nur rund 1,65 Meter groß. Vorher waren sie größer.

9.Jahrhundert, Frühmittelalter in Europa

Die Temperaturen sind recht mild, die Ernten üppig. Die meisten Menschen leben auf dem Land und sind von der Körpergröße so groß wie wir heute. Also 1,73 Meter im Durchschnitt.

Weil in den Jahrhunderten danach die Temperaturen in Europa abfallen und immer mehr Menschen immer weniger Nahrung haben, wirkt sich das auch auf die Gesundheit und die Körpergröße aus.

1884

Kein besonderes Jahr – nur für die Statistik der Körpergrößen recht interessant. Bei den ärztlichen Untersuchungen der Schweizer Rekruten wurde jeweils auch die Körpergröße gemessen.

Arzt: „So, der Herr dann mal an die Messlatte bitte … danke … ha. Genau 1,63 Meter.“

1,63 Meter – das war die Durchschnittsgröße der Männer im Jahre 1884 in der Schweiz. Nur hundert Jahre später, also um 1990, sind Schweizer Männer im Schnitt 1,76 Meter groß.

Heute

Die Frage der Größe hat vor allem mit der Ernährung und der medizinischen Versorgung zu tun. So werden japanische Kinder inzwischen im Schnitt genauso groß wie amerikanische. Wie groß jemand tatsächlich wird, hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Zeit als Kleinkind, die Phase im Einschulungsalter und die Pubertät verlaufen ist.

Mutter: „Trink deine Milch aus, bevor du in die Schule gehst!“

Wenn genügend Spurenelemente in der Nahrung sind und das Kind selten krank ist, dann ist die Chance sehr hoch, dass das Kind sein genetisches Maximum der Größe erreicht. In Europa deutet sich an, dass die Größenzunahme etwas nachlässt und sich bei Durchschnittsgrößen von 185cm für Männer und 172cm für Frauen einpendeln wird.

Der Heimlich-Griff

Wenn irgendwo irgendwem etwas im Halse stecken bleibt, hilft oft nur noch ein beherzter Handgriff – das Heimlich-Manöver. Seitdem rettet dieser feste Bauchwürgegriff viele Menschen vor dem Ersticken. Aber warum?

1969. Cincinnati in den USA

Ein renommierter Lungen-Arzt namens Henry Jay Heimlich ist gerade Direktor des jüdischen Krankenhauses in Cincinnati geworden.

„Dr. Heimlich, bitte in die Thoraxchirurgie, Dr. Heimlich bitte  …“

Wenn sich jemand ernsthaft verschluckt, gibt es meistens einen kräftigen Schlag auf den Rücken. Aber das genau kann auch dazu führen, dass ein Essensrest nur noch fester in der Luftröhre hängt.

Verschlucken zählt zu dieser Zeit mit zu den häufigsten Unfalltodesursachen. Das lässt Dr. Heimlich keine Ruhe.

„Da ist doch noch genug Luft in der Lunge – selbst wenn jemand ausgeatmet hat. Hm. Das müsste doch reichen, um von innen genügend Druck aufzubauen, dass so ein blödes Apfelstück wieder rausgeschleudert wird.“

Er betäubt einen Hund. Nur für einen kurzen harmlosen Moment. Er schiebt ihm ein Plastikteilchen in die Luftröhre. Und sofort danach, drückt er mit einem sanften Ruck den Bauch des Hundes zusammen. Das Plastikteilchen schleudert im hohen Bogen aus dem Hals. Eine kleine Sensation.

1975