Besser fix als fertig - Bernd Hufnagl - E-Book

Besser fix als fertig E-Book

Bernd Hufnagl

4,8

Beschreibung

New Work: Das ist für den Neurobiologen Bernd Hufnagl mehr als ein Hype. Stattdessen, so sein Plädoyer, eröffnet das neue mobile Zusammenarbeiten die einmalige Chance, über eine bessere Arbeitswelt nachzudenken, in der Sinnstiftung, Freiheit und Selbstständigkeit eines jeden im Mittelpunkt stehen. Wie diese Welt aussehen kann, erhellt der international gefragte Experte in der erweiterten Neuauflage seines populären Standardwerks. Anhand aktueller Forschungen und Praxistipps belegt er unterhaltsam und verständlich, warum »hirngerechtes Arbeiten« in Zeiten digitaler Dauerpräsenz so wichtig ist. Und er zeigt, wie wir die Ursachen von Stress, Burnout oder ständiger Ablenkung identifizieren und die Folgen lindern können.

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Basierend auf Erkenntnissen der Neurowissenschaften sowie der Evolutions- und Verhaltensbiologie zeigt Bernd Hufnagl, wie wir wieder stärker auf unsere Instinkte und Belohnungssysteme hören. Und er weist nach, warum Tagträumen gerade während der Arbeit sinnvoll ist.

Dieses Buch ist ein Plädoyer für mehr Respekt und Achtsamkeit in einer digitalisierten Gesellschaft – und die vielfältigen Chancen, die New Work für uns alle eröffnet.

INHALT

KAPITEL 1: DIE LOGIK UNSERES GEHIRNS

Frosch, Aggression und Impulskontrolle

Spitzmaus, Gedächtnis, Emotion und Motivation

Controller, Bewusstsein, Verstand, Vernunft und Sprache

Unterdimensionierter Arbeitsspeicher

KAPITEL 2: STRESS UND INNERE WIDERSTANDSKRAFT

Gelernte Hilflosigkeit

Im Bearbeitungs-, Erwartungs- oder Offlinemodus

Verknüpfte Erfahrungen und innere Überzeugung

Kontrollierbarer und unkontrollierbarer Stress

Stress und vegetative Kontrolle

Innere Widerstandskraft: Resilienz oder Vulnerabilität?

Resiliente Organisationen

KAPITEL 3: ARBEIT UND BELASTUNG

Modeerscheinung Job-Burnout?

Definition und Kernkriterien des Burnout-Syndroms am Arbeitsplatz

Salutogenese

Ein Nährboden für Überlastung

Präsentismus

KAPITEL 4: ARBEITEN IM „MULTITASKINGMODUS“

Ein typischer Arbeitstag

Arbeitsunterbrechungen

Multitasking: gleichzeitig oder nacheinander?

Auswirkungen von permanenter Ablenkung und chronischem Multitasking

Bietet Multitasking Vorteile?

KAPITEL 5: HIRNGERECHTE MITARBEITERFÜHRUNG

Evolution der Führung

Führung und Rudelverhalten

Akzeptanz von Führung

Leistungsbereitschaft und Optimismus

Kommunikation

Wertschätzung und Multitasking

Delegieren

KAPITEL 6: NEW WORK – NEW LIFE?

Die Geschichte der New Work-Bewegung

Gibt es einen Idealzustand?

Die Entwicklung der letzten 150 Jahre

New Work und die menschliche Natur

Wie vermeiden wir Betriebsblindheit?

Tagträumen

KAPITEL 7: MOTIVATION, ENTSCHEIDUNGEN UND VERÄNDERUNGSBEREITSCHAFT

Motivation und Gedächtnis

Entscheidungen: ein Wettstreit zwischen Frosch, Spitzmaus und Controller

Der freie Wille

Bauch- oder Vernunftentscheidungen?

Biologische Entscheidungsfallen

Veränderungsbereitschaft

NACHBEMERKUNG

LITERATUREMPFEHLUNGEN

VORWORT

Ist Ihnen das Folgende schon einmal passiert? Sie lesen zehn Minuten lang in einem Buch und bemerken plötzlich, dass Sie nicht die geringste Ahnung haben, was Sie gerade gelesen haben? Ich bin mir fast sicher. Und vielleicht kennen Sie auch dieses Phänomen: Sie sitzen beim Frühstück vor der Tageszeitung, lesen die Headline und die ersten beiden Zeilen eines Artikels und plötzlich … finden Sie sich im nächsten Artikel wieder? Und so geht es quer durch die ganze Zeitung, ohne dass es Ihre bewusste Entscheidung war, alles nur überfliegen zu wollen. Executive Reading nennen es Führungskräfte stolz, wenn ihre Gehirne täglich unzählige Dokumente und E-Mails in beeindruckender Geschwindigkeit geistig scannen. Dabei glauben wir fest daran, alles Wesentliche auch verstanden zu haben. Mag sein. Aber immer mehr Menschen in unserer Berufswelt ertappen sich leider auch bei folgendem Phänomen: Eine Kollegin oder ein Mitarbeiter spricht mit uns, und – Sie ahnen wahrscheinlich schon, was jetzt kommt – während dieser Mensch spricht, denken wir bereits an etwas völlig anderes. Denn wir sind inzwischen innerlich bereits einen Schritt weiter und tun nur aus Höflichkeit so, als ob wir noch zuhören. Executive Listening nennt man die Fähigkeit, sofort zu „wissen“, also zu antizipieren, was gleich gesagt werden wird. Vorschnell gefällte Urteile, die unserer Lebenserfahrung entspringen, machen das möglich. Geduldig und aufmerksam zuzuhören und sein Gegenüber wirklich verstehen zu wollen, ist aber etwas ganz anderes. Eine Führungskraft weiß genau: Zuhören ist der erste Schritt zu richtigen Entscheidungen! Aber weiß sie auch, dass Aufmerksamkeitsstörungen nicht nur bei Kindern zunehmen? Es ist die Unfähigkeit, sich auf nur eine Sache konzentrieren zu können, die in unserer Arbeitswelt zunehmend zum Problem wird.

Der Trend zum second screen ist voll im Gang: Viele haben sich bereits daran gewöhnt, während sie fernsehen, im Internet zu surfen und gleichzeitig neue E-Mails, SMS, Facebook-, Instagram-, LinkedIn-, Tiktok-, Twitter- und WhatsApp-Nachrichten zu kontrollieren. Unser Gehirn hat darauf bereits reagiert und seine Arbeitsweise an die neuen Herausforderungen angepasst. Über einige dieser Veränderungen können wir uns freuen: Jugendliche können definitiv schneller tippen als viele Fünfzigjährige. Sie machen beim Posten auch weniger Tippfehler, denn ihr Hirnareal, das für die Steuerung des Daumens zuständig ist, hat sich messbar (!) vergrößert. Ich hatte kürzlich am Flughafen das Vergnügen, einer jungen Japanerin beim hastigen Schreiben einer Nachricht auf ihrem Smartphone zuzusehen: Ich finde, das war zirkusreif. Respekt. So viel Text in so kurzer Zeit, das schaffe ich nicht einmal beim Sprechen. (Und ich spreche schnell …) Gut, man könnte sich fragen, wozu, wenn klar zu sein scheint, dass wir in Zukunft alle Befehle und Eingaben direkt über die Spracherkennung des Computers diktieren werden. Aber vielleicht ist es auch nur Neid, weil ich nicht so schnell tippen kann …

Sehr positiv finde ich auch folgende Beobachtung: Chirurginnen und Chirurgen, die in ihrer Freizeit häufig Computerspiele spielen, operieren mit computergesteuerten Systemen messbar besser. Die räumliche Vorstellungskraft am zweidimensionalen Computerbildschirm scheint besser ausgeprägt. Liebe Chirurginnen, liebe Chirurgen, auf zur Spielkonsole! Da die wenigsten Unternehmen chirurgisches Fachpersonal beschäftigen, müssen wir wohl versuchen, die Erkenntnisse der Hirnforschung in unsere Arbeitswelt zu übertragen. Wir werden dabei nicht nur die wenigen Vorteile, sondern auch die gut belegten Nachteile unserer Arbeitsweise beleuchten.

In der heutigen Berufswelt arbeiten leider viele Menschen nicht „hirngerecht“. In diesem Buch werde ich darstellen und zu erklären versuchen, was diese Behauptung mit unserem körpereigenen „Belohnungssystem“, unserem Gedächtnis, aber auch mit Arbeitsunterbrechungen und Ablenkbarkeit, Multitasking und unserer sinkenden Veränderungsbereitschaft zu tun hat. Auswirkungen des nicht hirngerechten Arbeitens sind ja bereits erkennbar: Psychische Erkrankungen scheinen rasant zuzunehmen, während gleichzeitig die Belastbarkeit der einzelnen Personen ebenso schnell abzunehmen scheint. Stress und Burnout werden (leider auch oft undifferenziert) zum Bedrohungsszenario.

Das ist erstaunlich, denn immerhin leben wir, objektiv betrachtet, in einem Zustand von Wohlstand und Sicherheit, wie es ihn in unseren Breiten noch nie gegeben hat. Wir könnten jetzt fragen, ob wir möglicherweise dadurch zu „verwöhnt“ oder vielleicht nicht in der Lage sind, erarbeitete oder geschenkte Privilegien teilweise wieder abzugeben. Oder stimmt die Hypothese, dass unsere Arbeitswelt keine idealen Rahmenbedingungen für eine „artgerechte Haltung“ bietet? Sind Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Opfer des „Systems“ oder sind wir selbst für die Schaffung hirngerechter Bedingungen verantwortlich?

Ich behaupte, dass wir mehr Leistungskultur brauchen! In unserer Erfolgskultur entsteht zwangsläufig ein Problem mit der individuellen Belastbarkeit und der Lust an der eigenen Leistung, weil hauptsächlich der Erfolg des Systems honoriert wird. Das klingt grundsätzlich nicht unattraktiv, wirft aber die Frage auf, ob der oder die Einzelne die kleinen täglichen Erfolge auch emotional spüren kann.

Das Ziel dieses Buches ist es, die Erkenntnisse, Theorien und Hypothesen der Neurowissenschaften, Evolutions- und Verhaltensbiologie, Psychologie und Glücksforschung vor allem für eine spezielle Zielgruppe zu verknüpfen und aufzubereiten: für Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen. Menschen also, die Arbeiten erledigen müssen, die andere vorgeben. Die Ziele umsetzen müssen, die primär nicht ihre eigenen Ziele sind, und die täglich schnell möglichst viele Dinge – am besten gleichzeitig – tun sollten. Dieser Ansatz hat das vorliegende Buch schon bei seinem ersten Erscheinen im Jahr 2014 geleitet. Die Reaktionen von Leserinnen und Lesern sowie von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Seminare und Workshops, die ich in den vergangenen Jahren halten durfte, haben mich darin bestätigt, dass diese Themen noch immer aktuell sind. Für mich der Grund, die Inhalte für diese Neuauflage gründlich zu überarbeiten, neue Forschungsergebnisse zu ergänzen und einen zusätzlichen Abschnitt zu integrieren. New Work ist das Thema dieses neuen Kapitels, in dem ich mich mit einer neuen, respektvolleren und wertschätzenderen Art des Zusammenarbeitens auseinandersetze.

Die unterschiedlichen Wahrnehmungen und „Sprachen“ der Wissenschafts- und Arbeitswelt allgemein verständlich zusammenzuführen, ist das Ziel meiner beruflichen Tätigkeit. Mein Drang, immer ein „Generalist“ zu bleiben und Fragen grundsätzlich fächerübergreifend beantworten zu wollen, wurde durch einen meiner Lehrer, Rupert Riedl, geprägt und spiegelt sich in diesem Buch wider. So wird den aufmerksamen Leserinnen und Lesern bestimmt nicht entgehen, dass sich Begrifflichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen der Wissenschafts- und Businesswelt wiederfinden.

Den Kompromiss der Vereinfachung, der bei der Übersetzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in allgemein verständliche Bilder einzugehen ist, muss ich akzeptieren. Das ist nicht ganz so einfach, wie es vielleicht scheint. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dadurch manche sprachliche und inhaltliche Unschärfe der von mir dargestellten Bilder offensichtlich: Ich werde dennoch durch die Verwendung von Begriffen wie beispielsweise Frosch, Spitzmaus, Controller, Arbeitsspeicher, Hardware und Software versuchen, die Vorteile einer einfachen, trennenden und bildhaften Darstellung zu nutzen, um den Leserinnen und Lesern die evolutionsbiologische „Logik“ unseres Gehirns näherzubringen. Mir ist dabei natürlich bewusst, dass unsere heutige Vorstellung neurobiologischer Abläufe im Gehirn von zusammenhängenden, nicht linearen Netzwerken geprägt ist und nicht von klar getrennten Hirnbereichen. Die Nachvollziehbarkeit der Funktionsweise unseres Gehirns, das sich über Jahrmillionen an völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen und Anforderungen anpassen musste, war mir dabei ein wichtiges Anliegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch diese bildhafte Vorstellung die Logik unseres Verhaltens besser nachvollziehen und daraus lernen können.

Meine jahrelange Praxis in der universitären Lehre, in Vorträgen, Führungskräftetrainings und Management-Beratungen bestätigt die Nützlichkeit dieser „Übersetzungshilfen“. Mir geht es dabei nicht nur um eine Auflistung spannender und unterhaltsamer Erkenntnisse, sondern darum, die Eigen- und Fremdwahrnehmung zu schärfen und die Motivation zu mehr Achtsamkeit zu erhöhen. Wenn mir das gelingt, ist mein persönliches Ziel erreicht. Daher verzichte ich bewusst zugunsten der besseren Lesbarkeit und aufgrund der Zielgruppe, für die dieses Buch geschrieben wurde, auf die wissenschaftlich üblichen Zitate und Fußnoten. Ich habe aber versucht, eigene Hypothesen, Gedanken und Erfahrungen deutlich erkennbar zu machen. Die erwähnten Studien sind mit wenig Aufwand im Internet zu finden.