Besuch aus Germanyland - Michael Meyn - E-Book

Besuch aus Germanyland E-Book

Michael Meyn

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Beschreibung

Mr. Meyn und sein Rippchen, wie er seine Ehefrau liebevoll nennt, erwarten Besuch aus Germanyland. Selbstverständlich möchte man besonders gastfreundlich sein und den Weitangereisten Land, Leute, Sitten und Gebräuche näher bringen. Doch Mr. Meyn wäre nicht er selbst, wenn er das nicht gründlich vermasseln würde. Vom verkorksten Ausflug zum Grand Canyon, über typisch, amerikanische Buffets, bis hin zu vorgetäuschtem Sex zieht Meyn alle Register, um die Zeit mit den Gästen nach seinen Vorstellungen zu gestalten.

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Seitenzahl: 54

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Besuch aus Germanyland

 

 

 

von

Michael Meyn

Elke Schröder

Impressum:

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-456-3

MOBI ISBN 978-3-95865-457-0

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Ankunft

“Beeil dich, wir müssen los!”

Mein Rippchen schubste unwirsch meine Beine vom Wohnzimmertisch.

“Los? Wohin?” Was hatte ich denn nun schon wieder vergessen?

“Zum Flughafen. Die Krafziks kommen.”

“Die kommen doch erst nächsten Monat, Schnuckie.”

“Du irrst. Schau auf den Kalender. 22. Februar: ›Ankunft Krafziks: 14:05 Uhr. Unbedingt Käse verstecken!”

“Komisch. Wie komme ich dann bloß auf den 22. März?”

“An dem Tag reisen sie wieder ab.”

“Was?!” Mir wurde übel. “Die bleiben einen ganzen Monat?”

“Ja, sicher. Aber das wusstest du auch.”

“Ich muss es irgendwie verdrängt haben.” Ich überlegte kurz. “Sind wir denn überhaupt auf Besuch vorbereitet?”

“Wie meinst du das?”

“Hast du den Käse in Sicherheit gebracht?”

“Komm jetzt!”

Auf der Fahrt zum Flughafen versuchte ich mir noch schnell ein paar Infos zu holen:

“Welches Hotel haben die Krafziks gebucht? Weißt du, das ist alles ganz schlecht geplant. Wir hätten für sie von hier aus buchen sollen. Als Bürger von Nevada bekommen wir doch einen Rabatt.”

“Nicht nötig. Sie wohnen bei uns.”

Nun war ich etwas überrascht. “Doch nicht etwa in meinem Schreibzimmer, oder? Wo soll ich denn dann schreiben?”

Mein Rippchen schaute mich an, als wollte sie mich fragen: Wo warst du eigentlich, als wir das alles gemeinsam besprochen haben? Stattdessen sagte sie ruhig:

“Sie werden in unserem Schlafzimmer schlafen.”

“Und wir?”

“Wir schlafen im Gästezimmer.”

“Wir haben kein Gästezimmer.”

“Gut, dann schlafen wir halt in deinem Schreibzimmer.”

“Dort steht aber kein Bett.”

“Richtig. Darum habe ich uns ja auch eine Luftmatratze gekauft.”

Gern hätte ich laut gemeckert. Die Vorstellung, die nächsten vier Wochen auf einem aufblasbaren Wackelpudding schlafen zu müssen, machte mich seekrank. So wollte ich nicht leben. Kräftig trat ich aufs Gaspedal und steuerte auf ein größeres Kasino zu. Mit einem geübten Griff ins Lenkrad brachte uns mein Rippchen wieder auf den richtigen Kurs.

“Hast du das Schild noch im Kofferraum?”, fragte sie mich. Bereits vor zwei Monaten hatte sie mir aufgetragen, ein Willkommensschild anzufertigen.

“Ja.”

“Brav.”

Am Terminal eines Flughafens, oder besser gesagt, vor einer Schiebetür zu stehen und auf Besuch zu warten, ist ungefähr so spannend wie vor einer Schiebetür am Flughafen zu stehen und nicht auf Besuch zu warten. Warten ist einfach langweilig.

“Halte das Schild hoch, Schatz!”, forderte mich mein Rippchen aufgeregt auf. “Sie können jeden Moment durch die Tür kommen.”

Ich gehorchte und hielt mir das Schild, auf dem ›Welcome Friends!!!‹ stand, über den Kopf. In unregelmäßigen Abständen öffnete sich die Schiebetür, durch die übermüdet aussehende Touristen mit ihren Gepäckwagen traten. Viele bedankten sich für den freundlichen Willkommensgruß. Ein kleiner Inder fühlte sich gar ermutigt, mich lieb zu drücken und wich mir nicht mehr von der Seite. Mit der Hüfte schubste ich ihn mehrmals in eine Gruppe deutscher Senioren, doch er kehrte immer wieder zurück.

Dann endlich: Da waren sie, die Krafziks! Jürgen mit seiner Holden, die wir alle nur Frau Tülle nannten. Gestresst sahen sie aus, mit bleichem, deutschem Teint. Fast wären sie an uns vorbei gegangen. Ich schnitt ihnen den Weg ab und hielt Jürgen das Schild ins Gesicht. Mein Rippchen war sogar noch aufdringlicher; sie warf sich dem erschöpften Mann direkt um den Hals. Freudentränen. Großes Hallo. Stürmische Umarmungen. Und ich stand doof da mit meinem Schildchen und einem kleinen Inder am Bein.

Die Luft ist raus

Die Krafziks hatten sich am Tag ihrer Ankunft bei mir beliebt gemacht, indem sie mir nach dem Kofferauspacken vier beeindruckende Stücke Gouda überreichten. Ich verzichtete also auf mein trotziges Getue und lockerte den Klammergriff an unserem Ehebett. Nichtsdestotrotz ließen die ersten Komplikationen nicht lange auf sich warten. Ich hatte es ja von Anfang an geahnt. Die blöde Luftmatratze zickte bereits in der ersten Nacht. Ich wachte auf, weil sich mein Beckenknochen in den harten Boden bohrte. Die Luft war raus. Irgendwo musste es eine undichte Stelle geben. Dabei hatte sich mein Rippchen beim Aufblasen so viel Mühe gegeben. Eine gute Stunde hatte sie an dem Gummistöpsel gehangen, bis die riesige Matratze schön prall und bequem aussah. Danach war sie sofort eingeschlafen.

Nun lagen wir beide hellwach auf dem Teppich, der laut unseren Gästen “so schön flauschig” war und spürten jeden einzelnen Knochen in unseren Körpern.

“Das war wohl nix”, fasste ich zusammen. “Wenn wir das nächste Mal Besuch bekommen, würde ich gerne in einem Hotel schlafen.”

“Red' nicht immer so'n dummes Zeug!” Mein Rippchen dachte, ich würde scherzen.

“Wieso? Wenn wir jede Woche 30 Dollar auf die Seite legen, können wir uns ein hübsches Zimmer im Bellagio leisten.”

Sie ignorierte meine grandiose Idee und fragte stattdessen entmutigt:

“Und was machen wir jetzt?”

“Tja, Sie werden wohl wieder blasen müssen, Frau Meyn.”

“Beim besten Willen nicht! Mir tut der Nacken weh.”

“Die Ausrede hast du immer!”

“Ist aber so. Außerdem habe ich keine Puste mehr. Blas du doch!”

“Geht nicht. Mir wird sofort schwindelig.”

Bis zum Sonnenaufgang lagen wir auf der platten Luftmatratze und erfanden immer neue Entschuldigungen, warum wir den Stöpsel nicht in den Mund nehmen wollten. Meine vorgetäuschte Gummiallergie übertrumpfte alles. Deprimiert wollte mein Rippchen Trost in der Bibel suchen, doch beim Griff ins Bücherregal überkam sie aus heiterem Himmel ein Schwächeanfall, der sie im Stand – den Kopf auf der mittleren Holzplatte ruhend – einnicken ließ. Was für ein friedvolles Bild, dachte ich und schloss die Augen.

Am Frühstückstisch blickte ich in fröhliche, ja, ausgeschlafene Gesichter. Die ganze Wohnung roch geradezu nach prima Stimmung.

“Gut geschlafen?”, fragte ich desinteressiert.

“Ganz hervorragend.” Die Krafziks nickten munter. “Und ihr?”

“Ganz beschissen!” Damit war die Unterhaltung für mich beendet. Wie ein Blinder ertastete ich das Frühstück, weil ich mit meinem steifen Nacken nicht nach unten schauen konnte. Mein Rippchen gab mir ein paar Schmerztabletten. Auch sie sah leicht lädiert aus; ihr Kopf klebte verkrampft auf der rechten Schulter, und als sie aus der Küche in die Essecke trat, sah es aus als zöge sie nicht nur ein, sondern gleich beide Beine hinter sich her.

“Es bleibt doch dabei, oder?”, fragte Jürgen mit vollem Mund. “Wir fahren zum Grand Canyon?”

“Ja, sicher.” Ich schüttelte den Kopf. Nicken klappte nicht.