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Immer mehr Menschen entscheiden sich gegen eine Partnerschaft, bei der beide dauernd zusammen in einer Wohnung oder einem Haus leben. Das Unverbindliche wird zur Norm. Viele haben keine Lust mehr, dauernd für den anderen Wäsche zu waschen, Joghurtbecher wegzuräumen oder zu bügeln. Spätestens nach einer Partnerschaft bleiben viele allein wohnen. Manche für immer. Es gibt immer mehr Single-Haushalte in Deutschland. Warum das so ist und was das für die Gesellschaft und für Deutschland bedeutet, erklärt das Buch.
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Vorwort
Kapitel 1: Die neue Unverbindlichkeit
Kapitel 2: Die 10 häufigsten Kleinigkeiten, die in einer Beziehung den anderen ärgern
Kapitel 3: Die Ambulatisierung der Liebe
Kapitel 4: Kinder? Nein, danke!
Kapitel 5: Hausarbeit ist Frauensache war gestern
Kapitel 6: Die Ökonomie des Egoismus
Kapitel 7: Generationenbruch
Kapitel 8: Kulturelle und internationale Perspektiven
Kapitel 9: Die Psychologie der neuen Einsamkeit
Kapitel 10: Männer und Frauen in der Beziehungskrise
Kapitel 11: Wenn alle allein leben
Kapitel 12: Gegenbewegungen und Alternativen
Kapitel 13: Wege aus der Beziehungskrise
Kapitel 14: Mann Arbeit, Frau Herd und Kinder - war früher alles besser?
Kapitel 15: Herausforderungen für den Städtebau
Epilog: Zurück zur Verbindlichkeit?
Anhang: Zahlen, Daten Fakten
Entwicklung der 1-Personen-Haushalte in Deutschland (19502023)
Zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland (1950-2023)
Entwicklung des Frauenanteils an deutschen Hochschulen (19112024)
Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Lebensmodell klar definiert: Man lernte sich kennen, verliebte sich, heiratete, bekam Kinder und blieb zusammen, bis der Tod einen schied. Dieses Muster prägte Generationen und galt als gesellschaftlicher Normalfall. Wer davon abwich, wurde skeptisch beäugt oder gar ausgegrenzt.
Heute ist diese Selbstverständlichkeit Geschichte. In einer Zeit, in der Menschen ihre Partner über Dating-Apps "swipen" wie Waren im Online-Shop, in der Beziehungen bei der ersten größeren Schwierigkeit beendet werden und in der die Frage nach Kindern oft mit einem entschiedenen "Nein" beantwortet wird, müssen wir uns fragen: Was ist aus unserem Verständnis von Bindung und Verantwortung geworden?
Die Metapher des Buchtitels ist bewusst gewählt: Während früher Beziehungen "stationär" gelebt wurden – mit gemeinsamer Wohnung, geteiltem Alltag und langfristiger Verpflichtung –, bevorzugen heute immer mehr Menschen die "ambulante" Variante. Man trifft sich, wenn es passt, man trennt sich, wenn es nicht mehr passt, und man vermeidet alles, was nach dauerhafter Bindung aussehen könnte.
Dieses Buch ist weder eine Verteufelung moderner Lebensformen noch eine nostalgische Verklärung vergangener Zeiten. Es ist der Versuch einer ehrlichen Bestandsaufnahme eines gesellschaftlichen Wandels, der weitreichende Konsequenzen hat – für den Einzelnen, für Familien und für die Gesellschaft als Ganzes.
Die Frage, die sich durch alle Kapitel zieht, lautet: Führt die neue Freiheit in der Gestaltung von Beziehungen zu mehr Glück und Erfüllung, oder zahlen wir dafür einen Preis, der höher ist, als wir zunächst dachten? Und wenn ja: Welchen Weg können wir finden zwischen der Sehnsucht nach Unabhängigkeit und dem menschlichen Grundbedürfnis nach echter Verbindung?
"Mal schauen, wohin uns das führt." Dieser Satz ist zum Leitspruch einer ganzen Generation geworden. Wo früher klare Erwartungen und Verpflichtungen das Fundament von Beziehungen bildeten, herrscht heute oft eine Haltung vor, die man als strategische Unverbindlichkeit bezeichnen könnte. Man hält sich alle Optionen offen, vermeidet Festlegungen und behandelt Partnerschaften wie befristete Verträge, die jederzeit gekündigt werden können.
Das traditionelle Eheversprechen "bis dass der Tod uns scheidet" klingt heute für viele Menschen wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Stattdessen dominiert eine Haltung, die Beziehungen als Projekte auf Zeit betrachtet. Solange beide Seiten profitieren, solange die Bedürfnisse erfüllt werden und solange keine größeren Anstrengungen nötig sind, funktioniert das Arrangement. Sobald aber Schwierigkeiten auftreten, Kompromisse gefordert werden oder einer der Partner mehr Engagement verlangt, wird die Reißleine gezogen.
Diese neue Unverbindlichkeit zeigt sich in allen Bereichen des Zusammenlebens. Paare ziehen nicht mehr automatisch zusammen, selbst nach Jahren der Beziehung. Man behält getrennte Wohnungen, getrennte Finanzen und getrennte Lebenspläne. Die Devise lautet: So wenig Verflechtung wie möglich, so viel Autonomie wie nötig.
Was auf den ersten Blick wie eine Befreiung von überholten Zwängen aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein System, das vor allem eines gewährleistet: die jederzeitige Fluchtmöglichkeit. Die permanente Verfügbarkeit von Alternativen – sei es durch Dating-Apps oder die gesellschaftliche Akzeptanz häufiger Partnerwechsel – macht es verlockend einfach, bei ersten Problemen den Weg des geringsten Widerstands zu wählen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Deutschland leben mittlerweile mehr Menschen allein als in traditionellen Familienstrukturen. Single-Haushalte sind zur dominierenden Wohnform geworden, besonders in den Großstädten. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Eheschließungen kontinuierlich, während die Scheidungsrate hoch bleibt.
Besonders auffällig ist der Trend bei der Familienplanung. Immer mehr Paare entscheiden sich bewusst gegen Kinder, oft mit dem Argument, dass Nachwuchs die persönliche Freiheit zu stark einschränken würde. Die Geburtenrate liegt deutlich unter dem Niveau, das für eine stabile Bevölkerungsentwicklung nötig wäre.
Diese Entwicklung ist nicht auf Deutschland beschränkt. In den meisten westlichen Industrienationen zeigen sich ähnliche Muster: sinkende Heiratszahlen, steigende Scheidungsraten, weniger Kinder und mehr Menschen, die dauerhaft allein leben. Was einst als Ausnahme galt, wird zur Regel.
Der vielleicht fundamentalste Wandel liegt in der veränderten Grundeinstellung zu Partnerschaften. Während Beziehungen früher als natürlicher, wenn auch nicht immer einfacher Teil des Erwachsenwerdens galten, werden sie heute zunehmend als optionales Extra betrachtet. Man kann eine Beziehung haben, muss aber nicht. Man kann heiraten, muss aber nicht. Man kann Kinder bekommen, muss aber nicht.
Diese Wahlfreiheit ist grundsätzlich ein Fortschritt. Niemand sollte zu einem Lebensmodell gezwungen werden, das nicht zu ihm passt. Problematisch wird es aber, wenn aus der Möglichkeit zur Wahl eine grundsätzliche Scheu vor Verbindlichkeit wird. Wenn die Angst vor falschen Entscheidungen so groß wird, dass gar keine Entscheidungen mehr getroffen werden.
Viele Menschen bewegen sich heute in einem Zustand permanenter Ambivalenz. Sie sehnen sich nach Nähe und Geborgenheit, fürchten aber gleichzeitig die Einschränkungen, die eine echte Bindung mit sich bringt. Sie wollen geliebt werden, aber nicht lieben müssen. Sie suchen Sicherheit, aber ohne Garantien zu geben.
Das Ergebnis ist eine Beziehungskultur, die von Unsicherheit und Oberflächlichkeit geprägt ist. Statt sich auf den anstrengenden, aber lohnenden Prozess einzulassen, eine tiefe Verbindung zu einem anderen Menschen aufzubauen, bevorzugen viele die scheinbar einfachere Variante des unverbindlichen Miteinanders.
Diese neue Unverbindlichkeit mag kurzfristig mehr Freiheit versprechen. Langfristig führt sie jedoch oft zu einer paradoxen Situation: Je mehr Optionen zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es, eine davon wirklich zu wählen und bei dieser Wahl zu bleiben. Die Angst, etwas zu verpassen, wird größer als die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen.
So entsteht eine Gesellschaft von Menschen, die zwar formal frei sind in ihren Entscheidungen, sich aber oft einsamer und unverbundener fühlen als je zuvor. Die Frage ist: Ist das der Preis, den wir für unsere neue Freiheit zahlen müssen? Oder gibt es einen Weg, der Autonomie und echte Verbindung miteinander vereint?
In den ersten Wochen und Monaten einer Beziehung übersehen wir vieles. Die rosarote Brille filtert störende Details heraus, und kleine Macken erscheinen uns charmant oder werden schlicht ignoriert. Doch sobald der Alltag Einzug hält und zwei Menschen beginnen, ihren Lebensraum dauerhaft zu teilen, treten die kleinen Gewohnheiten und Nachlässigkeiten zutage, die das Zusammenleben zur täglichen Herausforderung machen können.
Es sind paradoxerweise nicht die großen Konflikte oder fundamentalen Meinungsverschiedenheiten, die Partnerschaften am meisten belasten. Vielmehr sind es die scheinbar banalen Alltagsmomente, die sich wie kleine Nadelstiche in das Beziehungsgewebe bohren und langfristig mehr Schaden anrichten können als ein einmaliger großer Streit. Diese zehn Verhaltensweisen tauchen in nahezu jeder Partnerschaft auf und tragen maßgeblich dazu bei, dass Menschen zunehmend die Vorteile des Single-Daseins schätzen lernen.
An der Spitze der alltäglichen Beziehungsärgernisse steht ein Phänomen, das in praktisch jedem Haushalt auftritt: die leere Klopapierrolle. Der eine Partner verbraucht das letzte Stück, hinterlässt den leeren Karton am Halter und geht seiner Wege, als wäre nichts geschehen. Der andere steht später vor der unangenehmen Überraschung und muss sich in einer nicht gerade komfortablen Situation selbst helfen.
Diese scheinbare Kleinigkeit symbolisiert ein tieferliegendes Problem: die Verweigerung, Verantwortung für gemeinsam genutzte Ressourcen zu übernehmen. Es zeigt eine Haltung, die davon ausgeht, dass der andere schon dafür sorgen wird – eine Form der stillen Ausbeutung der Partnerschaft, die sich in unzähligen weiteren Bereichen fortsetzt.
Die Küche wird zum Schlachtfeld, wenn einer der Partner seine benutzten Teller, Tassen und Besteck einfach in die Spüle stellt, anstatt sie zu spülen oder in den Geschirrspüler zu räumen. Das dreckige Geschirr türmt sich auf, verstopft das Becken und macht es für den Partner unmöglich, selbst etwas zu kochen oder zu spülen, ohne erst einmal aufzuräumen.
Besonders frustrierend wird diese Situation, wenn derjenige, der das Geschirr abstellt, offensichtlich davon ausgeht, dass der andere es schon wegräumen wird. Diese stumme Arbeitsteilung funktioniert nur, wenn beide Partner sich daran beteiligen – was selten der Fall ist.
Leere Joghurtbecher im Wohnzimmer, ausgetrunkene Wasserflaschen neben dem Bett, leere Chips-Tüten auf dem Sofa – überall dort, wo konsumiert wird, bleiben die Überreste liegen. Der Verursacher steht auf und geht, die leeren Behälter bleiben zurück wie stumme Zeugen der Gedankenlosigkeit.
Diese Verhaltensweise ist besonders ärgerlich, weil sie zeigt, dass der Partner den gemeinsamen Wohnraum nicht als gemeinsame Verantwortung betrachtet, sondern als selbstverständlichen Service, den der andere erbringt.
Getragene Kleidung landet auf dem Boden, auf Stühlen, über Türen gehängt oder einfach dort, wo sie ausgezogen wurde. Das Schlafzimmer verwandelt sich in eine textile Landschaft, durch die sich der ordnungsliebende Partner jeden Tag navigieren muss.
Besonders irritierend ist dabei die Tatsache, dass schmutzige und saubere Kleidung oft wild durcheinanderliegen, sodass der Partner nie sicher sein kann, was noch angezogen werden kann und was bereits in die Wäsche gehört.
Nasse Handtücher auf dem Boden, über der Badewanne drapiert oder zusammengeknüllt auf der Heizung – überall, nur nicht ordentlich aufgehängt zum Trocknen. Das führt nicht nur zu muffigen Gerüchen und Schimmelbildung, sondern auch dazu, dass ständig neue Handtücher gebraucht werden.
Die Verweigerung, ein Handtuch ordentlich aufzuhängen, obwohl Haken und Stangen vorhanden sind, ist ein Paradebeispiel für die kleinen Akte der Rücksichtslosigkeit, die das Zusammenleben vergiften können.
Lange Haare in der Dusche, Barthaare im Waschbecken, Haare auf der Bettwäsche – überall finden sich die Spuren der täglichen Körperpflege. Besonders ärgerlich wird es, wenn der Duschabfluss verstopft ist und derjenige, der die meisten Haare verliert, nicht die Initiative ergreift, das Problem zu lösen.
Diese Nachlässigkeit bei der Körperhygiene im gemeinsamen Raum zeigt einen Mangel an Respekt vor dem Partner und dem gemeinsamen Lebensraum.
Lichter brennen in Räumen, die niemand nutzt. Der Fernseher läuft, obwohl niemand hinschaut. Ladegeräte stecken permanent in der Steckdose, auch wenn nichts geladen wird. Diese scheinbaren Kleinigkeiten summieren sich nicht nur auf der Stromrechnung, sondern zeigen auch eine grundlegende Gedankenlosigkeit im Umgang mit gemeinsamen Ressourcen.
Der Partner, der ständig hinter dem anderen herläuft und Lichter ausschaltet, fühlt sich wie ein unbezahlter Hausmeister der Beziehung.
Angebrochene Packungen stehen offen herum, Reste von Mahlzeiten vergammeln in Tupperdosen, deren Inhalt nicht mehr identifizierbar ist. Milch wird nicht verschlossen zurückgestellt, Käse trocknet aus, und niemand übernimmt die Verantwortung für die Hygiene im Kühlschrank.
Diese Art der Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer und zeigt eine respektlose Haltung gegenüber dem gemeinsamen Haushaltsbudget.
Das Bett bleibt ungemacht, Kissen liegen kreuz und quer, die Decke ist verknotet am Fußende. Der Partner, der als Letzter aufsteht, hinterlässt ein Schlachtfeld und erwartet stillschweigend, dass der andere das Bett richtet – oder lebt damit, dass es den ganzen Tag ungemacht bleibt.
Ein ungemachtes Bett ist für viele Menschen der Inbegriff eines ungepflegten Zuhauses und kann die Stimmung für den ganzen Tag verderben.
Der Partner scrollt während des Essens durch soziale Medien, schaut Videos ohne Kopfhörer, führt laute Telefonate, während der andere versucht zu entspannen oder zu arbeiten. Die ständige digitale Präsenz verhindert echte Kommunikation und zeigt, dass die Aufmerksamkeit des Partners woanders liegt.
Diese moderne Form der Respektlosigkeit ist besonders frustrierend, weil sie zeigt, dass virtuelle Kontakte wichtiger genommen werden als die physisch anwesende Partnerschaft.
Diese zehn Verhaltensweisen mögen auf den ersten Blick trivial erscheinen, doch ihre Wirkung ist alles andere als harmlos. Jede einzelne dieser Nachlässigkeiten sendet eine Botschaft: "Deine Zeit ist weniger wert als meine", "Du bist dafür zuständig, hinter mir aufzuräumen", "Meine Bequemlichkeit ist wichtiger als unser gemeinsamer Raum".
Die kumulative Wirkung dieser kleinen Akte der Gedankenlosigkeit kann eine Beziehung nachhaltig schädigen. Sie erzeugen eine Atmosphäre der Ungerechtigkeit und Ausbeutung, in der sich einer der Partner zunehmend als unbezahlte Haushaltshilfe fühlt, während der andere die Vorteile einer Partnerschaft genießt, ohne die entsprechenden Verpflichtungen zu übernehmen.
Diese alltäglichen Ärgernisse tragen maßgeblich dazu bei, dass Menschen zunehmend die Vorzüge des Alleinlebens schätzen lernen. Im eigenen Haushalt herrschen die eigenen Regeln, und niemand hinterlässt Chaos, für das man nicht selbst verantwortlich ist. Die Wohnung bleibt so sauber oder unordentlich, wie man sie selbst hinterlässt – ein Luxus, der in einer Partnerschaft oft verloren geht.
Die Erkenntnis, dass man allein effizienter, stressfreier und zufriedener leben kann, führt viele Menschen dazu, Beziehungen als ambulante Erfahrung zu präferieren. Man besucht sich, genießt die schönen Momente zusammen und kehrt dann in die eigenen vier Wände zurück, wo Ordnung und Sauberkeit den eigenen Standards entsprechen.
In einer Gesellschaft, die individuelle Autonomie und Effizienz hochschätzt, erscheinen diese kleinen alltäglichen Kompromisse und Ärgernisse zunehmend als unnötige Belastung. Die ambulante Beziehung bietet alle emotionalen und körperlichen Vorteile einer Partnerschaft, ohne die Nachteile des gemeinsamen Alltags – eine Lösung, die für viele Menschen attraktiver erscheint als der traditionelle Weg des Zusammenziehens und der dauerhaften Haushaltsgemeinschaft.
Die Art, wie Menschen heute Partner finden und Beziehungen leben, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten revolutionär verändert. Was früher ein organischer, oft zufälliger Prozess war – man lernte sich im Freundeskreis, bei der Arbeit oder im Studium kennen –, ist heute zu einem strategischen Unterfangen geworden, das stark von technologischen Plattformen geprägt wird. Die Liebe ist ambulant geworden: schnell verfügbar, flexibel einsetzbar und jederzeit kündbar.
Der Siegeszug der Dating-Apps hat die Partnersuche fundamental verändert. Wo früher Zeit, Geduld und oft auch Mut nötig waren, um jemanden kennenzulernen, genügt heute ein Wisch nach rechts. Diese scheinbare Vereinfachung hat jedoch einen hohen Preis: Die Mechanik des Swipens reduziert potenzielle Partner auf wenige oberflächliche Merkmale und fördert eine Konsumhaltung, die der Komplexität menschlicher Beziehungen nicht gerecht wird.
Das Prinzip ist verführerisch einfach: Aus einem scheinbar unendlichen Pool von Kandidaten kann man sich die vermeintlich Besten heraussuchen. Gefällt das Profil, wird nach rechts gewischt. Passt die erste Nachricht nicht, wird blockiert. Läuft das erste Date nicht perfekt, gibt es morgen den nächsten Kandidaten. Diese Logik des permanenten Upgrade-Potenzials durchdringt zunehmend auch etablierte Beziehungen.
Die psychologischen Auswirkungen dieser neuen Partnersuchkultur sind beträchtlich. Viele Nutzer berichten von einem Gefühl der Beliebigkeit und Austauschbarkeit. Wenn hunderte potenzielle Partner nur einen Klick entfernt sind, sinkt die Bereitschaft, in schwierigen Phasen an einer Beziehung zu arbeiten. Warum Konflikte lösen, wenn der nächste Partner schon wartet?
Besonders problematisch ist die Entstehung einer Art Sammlermentalität. Manche Menschen nutzen Dating-Apps nicht primär, um einen Partner zu finden, sondern um ihre Optionen zu maximieren. Sie führen gleichzeitig mehrere oberflächliche Beziehungen, ohne sich auf eine einzige wirklich einzulassen. Das Gefühl, jederzeit eine bessere Alternative finden zu können, verhindert echte emotionale Investition.
Die Algorithmen der Dating-Plattformen verstärken dieses Problem noch. Sie sind darauf programmiert, die Nutzer möglichst lange auf der Plattform zu halten. Eine erfolgreiche, dauerhafte Beziehung ist schlecht fürs Geschäft. Entsprechend werden die Nutzer mit immer neuen, vermeintlich perfekten Matches gelockt, auch wenn sie bereits in einer funktionierenden Beziehung stehen.
