Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts - Manuel Jäger - E-Book

Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts E-Book

Manuel Jäger

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Beschreibung

Kaum eine andere arbeitsrechtliche Thematik ist in den vergangenen Jahren so viel diskutiert worden, wie die der Bezugnahmeklauseln. Dies gilt insbesondere für das säkulare Arbeitsrecht. Aber auch im kirchlichen Arbeitsrecht sind viele Fragen im Zusammenhang mit Bezugnahmeklauseln höchst umstritten. Die Beachtung des kirchlichen Propriums, basierend auf der Selbstbestimmungsgarantie der Religionsgesellschaften nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, steht einer pauschalen Übertragung der im weltlichen Arbeitsrecht geltenden Grundsätze der Bezugnahmeklauseln auf das kirchliche Arbeitsrecht entgegen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des kirchlichen Arbeitsrechts werden in der Arbeit die in kirchlichen Arbeitsverhältnissen vereinbarten Bezugnahmeklauseln, ihre Auslegung, ihre Bezugnahmeobjekte, ihre vertragliche Inhaltskontrolle, ihre Reichweite und ihr Fortbestand bei einem Betriebsübergang eingehend untersucht und analysiert. Dabei wird aufgezeigt, welchen Einfluss die Bezugnahmeklauseln auf die Funktionsfähigkeit des kirchlichen Arbeitsrechts insgesamt haben. Der Fokus liegt auf der Reichweite der Bezugnahmeklauseln sowie auf ihrer Rolle bei einem Systemwechsel durch Betriebsübergang von einem kirchlichen auf einen weltlichen Rechtsträger. Bei der Erarbeitung der Themenkomplexe wird die jüngste nationale und europäische Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln ausgewertet und – soweit erforderlich – auf die Übertragbarkeit und Auswirkung auf das kirchliche Arbeitsrecht hin geprüft.

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Manuel Jäger

Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© 2018, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau

www.lambertus.de

Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil

Druck: Franz X. Stückle Druck und Verlag, Ettenheim

ISBN 978-3-7841-3093-4

ISBN eBook 978-3-7841-3094-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1.Kapitel

Herkunft der Bezugnahmeklauseln und Anwendbarkeit im kirchlichen Arbeitsrecht

A.Einleitung

B.Bezugnahmeklauseln als Instrument des weltlichen Arbeitsrechts

I.Kodifikation in der Tarifvertragsverordnung der Weimarer Republik

II.Keine Normierung im säkularen Tarifvertragsgesetz

III.Bezugnahmeklauseln als anerkanntes Rechtsinstitut

IV.Bezugnahmeklauseln als schuldrechtliche Abrede ohne normative Wirkung

V.Keine Unzulässigkeit aus dem Spannungsverhältnis der Bezugnahmeklauseln

C.Anwendbarkeit weltlicher Grundsätze der Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht

I.Das Selbstbestimmungsrecht als tragende Säule privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Arbeitsrecht

II.Privatrechtliche Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Arbeitsrecht als Anknüpfungspunkt der Bezugnahmeklauseln

III.Leitgedanke der Dienstgemeinschaft auch bei privatrechtlich begründeten Arbeitsverhältnissen

IV.Erweiterung des kirchlichen Arbeitsrechts – Zuordnung kirchlicher Einrichtungen

1.Säkulare Zuordnungsvoraussetzungen

2.Kircheninterne Zuordnungsvoraussetzungen

a)Katholische Kirche

b)Evangelische Kirche

c)Ökumenische Einrichtungen und Organisationen

V.Fazit

2.Kapitel

Bezugnahmeobjekte im kirchlichen Arbeitsrecht

A.Einleitung

B.Betriebliche Mitbestimmung

C.Überbetriebliche Mitbestimmung

I.Der „Dritte Weg“

II.Der „Zweite Weg“

III.Anwendung des „Zweiten und Dritten Weges“ im kirchlichen Arbeitsrecht

D.Notwendigkeit der Bezugnahme im kirchlichen Arbeitsrecht

I.Rechtsgehalt des „Zweiten Weges“

1.Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen

2.Tarifvertrag Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

3.Sonderfall: Tarifvertrag Nordelbische Kirche

4.Fazit

II.Rechtsgehalt des „Dritten Weges“

1.Auffassung der Rechtsprechung zur Rechtsnormqualität der Arbeitsbedingungen des „Dritten Weges“

a)BAG vom 06.11.1996

b)BAG vom 20.03.2002

c)BAG vom 08.06.2005

d)BAG vom 17.11.2005

e)Zusammenfassung der Rechtsprechung

2.Literaturmeinungen zum Rechtsgehalt des „Dritten Weges“

a)Öffentlich-rechtlicher Ansatz

b)Privatrechtlicher Ansatz

3.Stellungnahme zum Rechtsgehalt des „Dritten Weges“

a)Stellungnahme zu den Literaturansichten

b)Stellungnahme zur Auffassung in der Rechtsprechung

4.Fazit

3.Kapitel

Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht

A.Beispiele: Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverträgen

B.Dienstvertragliche Vereinbarung als Ausgangspunkt der Bezugnahmeklauseln

C.Grundlegende Typologie von Bezugnahmeklauseln

I.Sachlicher Umfang

1.Verpflichtung zur verbindlichen Wirkung der Regelungen des „Zweiten und Dritten Weges“

2.Auswirkung auf den sachlichen Umfang

II.Grad der Dynamik: Statische oder dynamische Bezugnahme

1.Statische Bezugnahmeklausel

2.Dynamische Bezugnahmeklausel

a)Kleine dynamische Bezugnahmeklausel

b)Große dynamische Bezugnahmeklausel

3.Tendenz zur Verwendung kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln

D.Wirkung kirchlicher Bezugnahmeklauseln

I.Deklaratorische oder konstitutive Wirkung

II.Wirkung der Bezugnahme bei Verweis auf AVR des „Dritten Weges“

1.„Teil-konstitutive“ Wirkung bei dynamischer Verweisung

2.Ablehnung einer „teil-konstitutiven“ Wirkung

III.Wirkung der Bezugnahme bei Verweis auf Regelungen des „Zweiten Weges“

IV.Wirkung einer kollektivrechtlichen Bezugnahme

V.Fazit

E.Auslegung kirchlicher Bezugnahmeklauseln

I.Differenzierung zwischen Bezugnahmeklausel und Bezugnahmeobjekt

II.Auslegung der Bezugnahmeklauseln

1.Kanon der Vertragsauslegung bei Bezugnahmeklauseln

2.Ergänzende Auslegung von Bezugnahmeklauseln

III.Auslegung der Bezugnahmeobjekte

1.Auslegung kirchlicher Tarifverträge

2.Auslegung AVR

IV.Fazit

F.Bezugnahme auf Tarifwerke des öffentlichen Dienstes

I.Einordnung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes im kirchlichen Arbeitsrecht

II.Individualvertragliche Auswirkungen durch Wechsel von BAT auf TVöD

III.Kollektivrechtliche Bezugnahme auf Tarifwerke des öffentlichen Dienstes

G.Bezugnahme auf tarifdispositive Vorschriften des staatlichen Arbeitsrechts

I.Ausgangslage

II.Kirchenklauseln in staatlichen Arbeitsgesetzen

III.Anwendbarkeit der weltlichen Öffnungsklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht

IV.Tarifdispositive Vorschriften bei Bezugnahme auf Tarifverträge des öffentlichen Dienstes

4.Kapitel

Inhaltskontrolle von Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Dienstverträgen

A.Einleitung

B.Inhaltskontrolle der Bezugnahmeobjekte

I.Inhaltskontrolle kirchlicher Tarifverträge

1.Ausgangslage

2.Materielle Richtigkeitsgewähr kirchlicher Tarifverträge

3.Reichweite der Bereichsausnahme bei Bezugnahme

II.Inhaltskontrolle AVR

1.AVR des „Dritten Weges“ als AGB

a)Rechtsprechung

aa)4.Senat des BAG

bb)6.Senat des BAG

cc)Senat des BAG

b)Literatur

c)Stellungnahme

d)Fazit

2.Ausschluss der Inhaltskontrolle

a)Ausschluss nach § 310 Abs.4 S.1 BGB (analog)

b)Ausschluss nach § 310 Abs.4 S.2 BGB

c)Billigkeitskontrolle des 4.Senats des BAG

3.Fazit

C.Inhaltskontrolle der Bezugnahmeklauseln

I.Kirchliche Bezugnahmeklauseln als AGB

1.Anwendbarkeit

2.Voraussetzungen nach § 305 Abs.1 BGB

3.Auslegung von Bezugnahmeklauseln als AGB

4.Bezugnahmeklausel als überraschende Klausel

5.Zweifel bei der Auslegung

II.Reichweite der Inhaltskontrolle kirchlicher Bezugnahmeklauseln

1.Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge des „Zweiten Weges“

2.Bezugnahmeklauseln auf AVR des „Dritten Weges“

a)Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

aa)Eingeschränkte Inhaltskontrolle kirchlicher Bezugnahmeklauseln

(1)Urteil des 4.Senats vom 10.12.2008

(2)Urteil des 4.Senats vom 18.11.2009

(3)Urteil des 4.Senats vom 21.11.2012

bb)Uneingeschränkte Inhaltskontrolle kirchlicher Bezugnahmeklauseln

(1)Urteile des 6.Senats vom 22.07.2010

(2)Urteil des 6.Senats vom 28.06.2012

(3)Urteil des 3.Senats vom 14.07.2015

b)Literatur

c)Stellungnahme

d)Uneingeschränkte Inhaltskontrolle bei dynamischer Verweisung

aa)Kein unzulässiger Änderungsvorbehalt bei Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission

bb)Änderungsvorbehalt und Letztentscheidungsrecht

(1)Letztentscheidungsrecht im engeren Sinne

(2)Letztentscheidungsrecht im weiteren Sinne

e)Fazit

5.Kapitel

Reichweite kirchlicher Bezugnahmeklauseln

A.Einleitung

B.Kirchenrechtliche Verfahrensordnungen des „Dritten Weges“

I.Keine normative Wirkung

II.Geltung durch individualvertragliche Bezugnahmeklauseln

1.Praktische Relevanz

2.Die Rechtsprechung des BAG

3.Zusammenfassung der Rechtsprechung

4.Reaktionen in der Literatur zur Rechtsprechung des BAG

5.Stellungnahme

C.Dienstvereinbarungen

I.Normative Wirkung kirchlicher Dienstvereinbarungen

1.Kircheneigene Regelungen zum Rechtsgehalt von Dienstvereinbarungen

2.Auffassung der Rechtsprechung zur normativen Wirkung von Dienstvereinbarungen

a)Urteil des 1.Senats vom 19.06.2007

b)Urteil des 2.Senats vom 29.09.2011

c)Urteil des 1.Senats vom 24.06.2014

d)Urteil des 5.Senats vom 24.09.2014

e)Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 03.11.2016

f)Zusammenfassung der Rechtsprechung zur normativen Wirkung der Dienstvereinbarungen

3.Literaturansichten zur normativen Wirkung von Dienstvereinbarungen

a)Differenzierung zwischen einer inner- und außerkirchlichen Wirkung

aa)Literaturmeinung

bb)Beurteilung

b)Normative Wirkung durch Pflicht zum Erlass kirchlicher Mitarbeitervertretungsordnungen

aa)Literaturmeinung

bb)Beurteilung

c)Betriebliche Eingliederung als Legitimationsgrundlage

aa)Literaturmeinung

bb)Beurteilung

d)Normative Wirkung kraft kirchengesetzlicher Anordnung

aa)Literaturmeinung 1

bb)Literaturmeinung 2

cc)Beurteilung

e)Differenzierung nach „Art“ der Dienstvereinbarung

aa)Literaturmeinung

bb)Beurteilung

f)Keine normative Wirkung kirchlicher Dienstvereinbarungen

aa)Literaturmeinung

bb)Beurteilung

4.Abschließende Stellungnahme zum Rechtsgehalt kirchlicher Dienstvereinbarungen

5.Ergebnis und Auswirkung auf Bezugnahmeklauseln

II.Individualvertragliche Geltung der Dienstvereinbarungen durch Bezugnahmeklauseln

1.Bezugnahmeklauseln mit Anhaltspunkt im Wortlaut auf Dienstvereinbarungen

2.Bezugnahmeklauseln ohne Anhaltspunkt im Wortlaut auf Dienstvereinbarungen

a)Konkludente Vereinbarung einer Bezugnahme auf Dienstvereinbarungen

b)Auslegung der Bezugnahmeklauseln

aa)Allgemeine Auslegung

bb)Ergänzende Auslegung

3.Wirkung der Bezugnahmeklauseln auf Dienstvereinbarungen

III.Ergebnis: Dienstvereinbarungen und Bezugnahme

D.Fazit zur Reichweite der Bezugnahmeklauseln

6.Kapitel

Die Rolle der Bezugnahmeklausel beim Systemwechsel durch Betriebsübergang

A.Einleitung

B.Relevanz der Thematik

C.Kirchliche Spannungsfelder als Gründe für zahlreiche Betriebsübergänge

I.Wettbewerbsdruck durch Privatisierung

II.Globalisierung als Spannungsfeld

III.Gesellschaftliches Spannungsverhältnis

IV.Fazit

D.Die Rolle der Rechtsprechung

E.Der staatliche Normenbestand beim Betriebsübergang

I.§ 613a BGB – Struktur der arbeitsrechtlichen Grundlage beim Betriebsübergang

II.Erweiterung des Anwendungsbereichs nach § 324 UmwG

III.Voraussetzung und Abgrenzung des Betriebsübergangs nach § 613a BGB

IV.Anwendbarkeit des § 613a BGB im kirchlichen Arbeitsrecht

F.Einordnung der Bezugnahmeklausel im Gefüge des § 613a BGB

I.Bezugnahme auf kirchliche Tarifverträge

1.Herkömmliche Einordnung

2.Neue Einordnung der Bezugnahmeklausel im Gefüge des § 613a Abs.1 BGB erforderlich?

a)Ausgangspunkt: Art.3 Abs.1 und 3 RL 2001/23/EG

b)Die Rechtsprechung des EuGH zur Einordnung der Bezugnahmeklauseln

c)Zusammenfassung der Rechtsprechung

d)Reaktionen auf die Rechtsprechung des EuGH

3.Stellungnahme

4.Zwischenergebnis

II.Bezugnahme auf AVR des „Dritten Weges“

1.Auslegung

a)Wortlautauslegung

b)Richtlinienkonforme Auslegung

2.Analogie

a)Literatur

b)Stellungnahme

3.Zwischenergebnis

III.Bezugnahme auf Dienstvereinbarungen

1.Auslegung

2.Analogie

a)Planwidrige Regelungslücke

b)Vergleichbare Interessenlage

3.Zwischenergebnis

IV.Fazit

G.Weitergeltungsproblematik kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang von einem kirchlichen auf einen weltlichen Rechtsträger

I.Besonderheiten bei der Weitergeltung von in Bezug genommenen Dienstvereinbarungen

II.Weitergeltung einer kleinen dynamischen Bezugnahme auf Arbeitsbedingungen des „Zweiten und Dritten Weges“

1.Ausgangspunkt

2.Ende der Dynamik durch Auslegung der Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede

a)Auslegung dynamischer Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede

aa)Rechtsfolgen der Gleichstellungsabrede beim Betriebsübergang

bb)Kritik an der Auslegung als Gleichstellungsabrede

b)Rechtsprechungswandel

aa)Rechtsfolgen einer unbedingt zeitdynamischen Verweisung

bb)Zusammenfassung

c)Übertragbarkeit der Auslegung als Gleichstellungsabrede

aa)Kirchlicher Tarifvertrag als Bezugnahmeobjekt

bb)AVR des „Dritten Weges“ als Bezugnahmeobjekt

cc)Zwischenergebnis

3.Ende der Dynamik durch Verlust der kirchlichen Zuordnung

a)Bezugnahmeklausel auf AVR des „Dritten Weges“

aa)Eintritt einer auflösenden Bedingung

(1)Zunehmende Befürwortung einer auflösenden Bedingung

(2)Dennoch: Keine auflösende Bedingung

bb)Störung der Geschäftsgrundlage

b)Bezugnahme auf Tarifverträge des „Zweiten Weges“

c)Fazit

4.Einfluss der europäischen Rechtsprechung auf die Dynamik

a)Urteil Werhof

b)Urteil Alemo-Herron

aa)Sachverhalt

bb)Die Entscheidung des EuGH

cc)Beurteilung des Urteils Alemo-Herron

dd)Auswirkungen des Urteils Alemo-Herron auf die nationale Rechtsprechung

ee)Die Reaktion des 4.Senats des BAG: Vorabentscheidungsverfahren

(1)Sachverhalt der Ausgangsverfahren

(2)Vorabentscheidungsfragen des BAG

(3)Begründung des BAG

c)Urteil Asklepios

aa)Beurteilung des Urteils Asklepios

bb)Auswirkungen auf die Rechtsprechung des BAG

d)Übertragbarkeit auf das kirchliche Arbeitsrecht

aa)Bezugnahmeklausel auf AVR des „Dritten Weges“

bb)Bezugnahme auf Tarifverträge des „Zweiten Weges“

e)Fazit

III.Ergebnis zur Weitergeltung kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang

Zusammenfassung der Ergebnisse

Literaturverzeichnis

CURRICULUM VITAE

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis November 2017 berücksichtigt werden.

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jacob Joussen, für die exzellente Betreuung der Arbeit und die äußerst zügige Beantwortung sämtlicher Anfragen. Seine Anregungen im Vorfeld und Laufe der Arbeit waren mir eine große Hilfe.

Frau Prof. Dr. Claudia Schubert danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und für die wertvollen Ratschläge. Meinem Doktorvater und Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M. danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe.

Ganz herzlich danken möchte ich Hendric Stolzenberg LL.M., auf den das Thema dieser Arbeit zurück geht sowie meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Bernward und Maria Jäger, für die Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung. Meine umfangreichste Danksagung gebührt Julia Hoberg, ohne die die Erstellung der vorliegenden Arbeit nicht möglich gewesen wäre, ihr ist diese Arbeit gewidmet.

Düsseldorf, im Juli 2018

Manuel Jäger

Einleitung

Das kirchliche Arbeitsrecht ist als Teilrechtsgebiet des Arbeitsrechts einzuordnen, das zugleich Staatskirchenrecht ist und durch die besondere Beziehung zwischen Kirche und Staat geprägt wird. Es umfasst alle Rechte und Pflichten eines zwischen einem kirchlichen Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsverhältnisses. Eine besondere Stellung nehmen dabei die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln ein. Bei ihnen handelt es sich um eine weder im kirchlichen noch im säkularen Arbeitsrecht normierte Möglichkeit, außerhalb des Arbeitsvertrages stehende arbeitsrechtliche Bestimmungen eine individualvertragliche Geltung zu verleihen. Bezugnahmeklauseln erklären vor allem bestimmte kollektive Arbeitsrechtsregelungen – unabhängig von ihrem Rechtsgehalt – für anwendbar und machen diese Regelungen zum Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die Klauseln müssen daher immer im Zusammenhang mit den auf sie verweisenden Bezugnahmeobjekten beurteilt werden. Bei den Bezugnahmeobjekten des kirchlichen Arbeitsrechts handelt es sich für gewöhnlich um die in Tarifverhandlungen mit kirchlichen Arbeitnehmerverbänden beschlossenen Tarifverträge des „Zweiten Weges“ oder um die kollektiven Arbeitsbedingungen, die in paritätisch mit Dienstnehmer- und Dienstgebervertretern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen des „Dritten Weges“ festgelegt werden. Die auf einem dieser Wege zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen enthalten Bestimmungen zum Abschluss, Inhalt und zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Klauseln bilden die Schnittstelle zwischen Individualarbeitsrecht und kollektivem Arbeitsrecht. Neben den Arbeitsrechtsregelungen des „Zweiten und Dritten Weges“ können die Bezugnahmeklauseln aber auch auf gesetzliche oder betriebliche Regelungen verweisen.

Die Verwendung und der Abschluss von Bezugnahmeklauseln unterliegen grundsätzlich keinen über die Grenzen der allgemeinen Privatautonomie hinausgehenden Beschränkungen. Einerseits führt das dazu, dass die Bezugnahmeklauseln in ihrer Formulierung stark voneinander abweichen und sich – mit Ausnahme der grundlegenden typologischen Einordnung, wie etwa dem Grad ihrer Dynamik – nur selten pauschal beurteilen lassen. Andererseits treten dadurch aber auch viele Probleme, Unsicherheiten und Fragen auf, die durch die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts geprägt sind.

Diese Probleme und Unsicherheiten sind vielschichtig und haben weitreichende Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, betreffen aber auch die Interessen des Arbeitgebers.

Neben den allgemeinen Fragen nach Auslegung, Anwendbarkeit und Wirkung von Bezugnahmeklauseln sind in letzter Zeit vor allem Probleme im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle, Reichweite und Rolle von Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang mit kirchlicher Beteiligung aufgekommen: Weisen Bezugnahmeklauseln auf die Arbeitsrechtsregelungen des „Dritten Weges“ einen kontrollfähigen Inhalt gem. §§ 307 ff. BGB auf? Erstrecken sich Bezugnahmeklauseln auch auf kirchenarbeitsrechtliche Vorschriften, wenn der Wortlaut der Klausel hierfür keine Anhaltspunkte enthält? Wie sind Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB einzuordnen? Wirkt eine dynamisch in Bezug genommene kollektive Arbeitsrechtsregelung des kirchlichen Arbeitsrechts auch nach einem Betriebsübergang auf einen weltlichen Betriebserwerber dynamisch weiter? Insbesondere die zuletzt aufgeworfene und aus dem weltlichen Arbeitsrecht bekannte Problematik der dynamischen Fortgeltung ursprünglich dynamischer Bezugnahmeklauseln hat in letzter Zeit bei Betriebsübergängen mit kirchlicher Beteiligung vermehrt für Diskussionen gesorgt.

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen kann nicht pauschal erfolgen, sondern muss stets im Einzelfall geprüft werden. Im Zuge dessen kann zwar als Ausgangspunkt regelmäßig auf allgemeine Grundsätze des säkularen Arbeitsrechts zurückgegriffen werden, dennoch darf das kirchliche Proprium, basierend auf dem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, dabei nicht außer Acht gelassen werden. Die Überschneidung der staatskirchenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Ebene begründet viele Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts. So ist es häufig gerade die Eigenart des kirchlichen Dienstes, die eine vom weltlichen Arbeitsrecht abweichende Beurteilung der Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts erfordert.

Ziel der Arbeit ist eine umfassende Aufarbeitung und Darstellung der Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Dabei sollen nicht nur die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts gegenüber dem weltlichen Arbeitsrecht, sondern auch innerkirchliche Unterschiede, abhängig davon, ob eine Bezugnahme auf Arbeitsrechtsregelungen des „Zweiten Weges“ oder des „Dritten Weges“ vereinbart wurde, herausgearbeitet und aufgezeigt werden. Zwar muss jede Bezugnahmeklausel für sich ausgelegt und auf den konkreten Einzelfall angewendet werden, dennoch soll die Handhabung der Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht durch die Darstellung mehrerer verallgemeinerungsfähiger Grundsätze vereinfacht und übersichtlicher gestaltet werden.

Im 1. Kapitel wird beschrieben, wie sich die Bezugnahmeklauseln in das allgemeine kirchliche Arbeitsrecht einfügen. Überblicksartig wird dabei auf die für die Bezugnahmeklauseln relevanten Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts eingegangen.

Im 2. Kapitel wird die kollektive Arbeitsrechtssetzung des „Zweiten und Dritten Weges“ in ihren Grundzügen erarbeitet. Hier stellt sich vor allem die Frage nach dem Rechtsgehalt der Regelungen des „Zweiten und Dritten Weges“. Diese Problematik ist eng verbunden mit der grundsätzlichen Frage nach der Notwendigkeit von Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen.

Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen und Grundtypen der Bezugnahmeklauseln. Die Darstellung erfolgt an Beispielen mehrerer unterschiedlicher Bezugnahmeklauseln aus kirchlichen (Muster-)Arbeitsverträgen. Neben der Erarbeitung von Typologie, Wirkung und Auslegung von Bezugnahmeklauseln werden auch die Bezugnahme auf Tarifwerke des öffentlichen Dienstes und das Verhältnis zu tarifdispositiven Vorschriften erörtert.

Im 4. Kapitel wird vertiefend auf die Inhaltskontrolle von Bezugnahmeklauseln nach §§ 305 ff. BGB eingegangen. Bei der Inhaltskontrolle muss zwar strikt zwischen der Kontrolle der Bezugnahmeklausel und der Kontrolle des Bezugnahmeobjekts differenziert werden, dennoch ist die Frage nach der Inhaltskontrolle von Bezugnahmeklauseln eng mit der Frage nach der Inhaltskontrolle des Bezugnahmeobjekts verbunden. Folglich stellt sich auch im kirchlichen Arbeitsrecht unter anderem die Frage, ob zum Schutz der Besonderheiten des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts das aus dem weltlichen Arbeitsrecht bekannte Verbot einer „mittelbaren Tarifzensur“ ebenfalls berücksichtigt werden muss.

Darauf folgend wird im 5. Kapitel als erster Schwerpunkt die Reichweite der Bezugnahmeklauseln untersucht. Mit Blick auf Verfahrensvorschriften zur kollektiven Arbeitsrechtssetzung im kirchlichen Arbeitsrecht besteht hierzu in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit. Demgegenüber hat die Frage nach der Reichweite von Bezugnahmeklauseln hinsichtlich kirchlicher Dienstvereinbarungen bisher kaum Beachtung in der arbeitsrechtlichen Diskussion gefunden. Hierzu muss zunächst die vorgelagerte Frage nach dem Rechtsgehalt der Dienstvereinbarung geklärt werden.

Als zweiter Schwerpunkt der Arbeit wird im 6. Kapitel auf die Rolle der Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang eingegangen. Nach der grundlegenden Einordnung der Klauseln im Gefüge des § 613a BGB liegt der Fokus auf der Frage nach der Weitergeltung kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang von einem kirchlichen auf einen weltlichen Rechtsträger. Ausgehend von der Handhabung im weltlichen Arbeitsrecht, das in diesem Bereich stark durch die Rechtsprechung des EuGH und einer richtlinienkonformen Auslegung geprägt ist, wird die Übertragbarkeit der dort geltenden Grundsätze auf das kirchliche Arbeitsrecht geprüft.

1. KapitelHerkunft der Bezugnahmeklauseln und Anwendbarkeit im kirchlichen Arbeitsrecht

A. Einleitung

Bezugnahmeklauseln sind einzelarbeitsvertraglich ausgehandelte Vereinbarungen zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, die auf kollektivvertragliche Arbeitsrechtsregelungen, sog. Bezugnahmeobjekte, verweisen.1 Die Aufnahme von Bezugnahmeklauseln in den Arbeitsvertrag hat zur Folge, dass der Inhalt eines Arbeitsvertrages um umfangreiche Regelungen erweitert wird. Die Klauseln bilden die Brücke vom Individualarbeitsrecht zum kollektiven Arbeitsrecht. Ausgangspunkt der Beurteilung von Bezugnahmeklauseln ist jedoch stets das einzelne Arbeitsverhältnis.

B. Bezugnahmeklauseln als Instrument des weltlichen Arbeitsrechts

Bezugnahmeklauseln haben ihren Ursprung im weltlichen Arbeitsrecht. Sie sind aber weder im kirchlichen noch im weltlichen Arbeitsrecht ausdrücklich gesetzlich normiert. Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben sich die Bedeutung und Wirkung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel verändert und vor allem (weiter-)entwickelt.

I.Kodifikation in der Tarifvertragsverordnung der Weimarer Republik

In der Tarifvertragsverordnung (TVVO) der Weimarer Republik vom 23. Dezember 19182 war die Bezugnahmeklausel in § 1 Abs. 2 TVVO ausdrücklich geregelt. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen „Arbeitsvertrag unter Berufung auf den Tarifvertrag“ abgeschlossen haben, handelte es sich bei den Parteien des Arbeitsvertrages nach § 1 Abs. 2 TVVO um am Tarifvertrag „beteiligte Personen“. An dieser Formulierung hat sich damals zugleich der Streit entfacht, ob die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel zu einer Tarifbindung führen könnte. Überwiegend sah man in einer Bezugnahmeklausel ein eigenes tarifrechtliches Institut, das ebenso wie die Mitgliedschaft in einem tarifvertragsschließenden Verband eine echte Tarifgebundenheit erzielte.3 Die Bezugnahmeklausel sollte danach also eine tariflich veranlasste Tarifbindung erzeugen, die mit einer unmittelbaren Verbandszugehörigkeit einherging.4 Die Gegenansicht vertrat die Auffassung, dass eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel lediglich eine schuldrechtliche Einigung sei, die nicht zu einer normativen Geltung des Tarifvertrages führe.5

II.Keine Normierung im säkularen Tarifvertragsgesetz

Das heute geltende Tarifvertragsgesetz (TVG) in der ursprünglichen Fassung vom 09. April 19496 und der Neubekanntmachung vom 25. August 19697 enthält keine Normierung von Bezugnahmeklauseln auf einen Tarifvertrag. Daraus kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass sich die Legislative gegen das Institut der arbeitsvertraglichen Verweisung entschieden hat. Vielmehr hat der Gesetzgeber hervorgehoben, dass eine normative Tarifbindung stets von den im TVG normierten Voraussetzungen abhänge. Eine unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrages tritt gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG nur ein, wenn bei beiderseitiger Tarifgebundenheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Geltungsbereich eines wirksamen Tarifvertrages betroffen ist. Die §§ 3, 4 TVG ordnen also zwingende Voraussetzungen an, die erfüllt sein müssen, damit ein Tarifvertrag normativ auf ein Arbeitsverhältnis wirkt.

III.Bezugnahmeklauseln als anerkanntes Rechtsinstitut

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG8 und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum9 ist die Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel ein zulässiges Rechtsinstrument, um kollektivrechtlichen Arbeitsbedingungen auch ohne normative Wirkung individualvertragliche Wirkung zu verleihen. Es entspricht den Grundsätzen der Vertragsfreiheit, dass die Bestimmungen eines Tarifvertrages durch eine schuldrechtliche Vereinbarung in den Arbeitsvertrag übernommen werden können.10 Nach § 5 Abs. 1 UrhG besteht darüber hinaus kein Urheberrechtsschutz für Tarifverträge oder sonstige kollektivrechtliche Arbeitsregelungen. Sämtliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer können, auch ohne selbst Mitglied einer tarifvertragsschließenden Partei zu sein, beliebig auf tarifliche Regelungen zurückgreifen und eine Verweisung hierauf vereinbaren.11

IV.Bezugnahmeklauseln als schuldrechtliche Abrede ohne normative Wirkung

Da der Gesetzgeber also wieder Abstand von der Formulierung im TVVO genommen und eindeutige Regeln für eine normative Wirkung von Tarifverträgen aufgestellt hat, besteht heute insoweit Einigkeit in Rechtspraxis und Schrifttum, als es sich bei einer Bezugnahmeklausel auf kollektivrechtliche Bestimmungen um eine schuldrechtliche Vereinbarung handelt.12 Eine Bezugnahmeklausel wirkt lediglich individualvertraglich als schuldrechtliche Abrede im zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsverhältnis. Trotzdem wird vereinzelt – im Ergebnis aber nicht überzeugend – versucht auch aus der schuldrechtlichen Abrede eine unmittelbare und zwingende Wirkung zu begründen, die zu einer normativen Wirkung führen soll.13 Einem derartigen Verständnis steht allerdings der eindeutige Gesetzeswortlaut des TVG entgegen. Liegen die im TVG geregelten Voraussetzungen nicht vor, können durch die Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel zwar gegenwärtige und/ oder potenzielle normative Geltungsdefizite eines Tarifvertrages überwunden werden, eine unmittelbare und zwingende Wirkung kann die schuldrechtliche Klausel aber nicht herbeiführen.14

Eine normative Wirkung kann auch nicht dadurch erzielt werden, wenn dies in der Bezugnahmeklausel ausdrücklich vereinbart wird. Zwar sind Bezugnahmeklauseln als schuldrechtliche Abreden für gewöhnlich nur an die Grenzen der Privatautonomie gebunden. Die Grenzen der Privatautonomie nach §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB sind aber dann überschritten, wenn eine schuldrechtliche Vereinbarung eine unmittelbare und zwingende Geltung herbeiführen soll.15

V.Keine Unzulässigkeit aus dem Spannungsverhältnis der Bezugnahmeklauseln

Zweifel an einer Zulässigkeit von Bezugnahmeklauseln werden, ohne jedoch eine generelle Unzulässigkeit einer einzelvertraglichen Bezugnahme zu fordern, vor allem mit Blick auf ein Spannungsverhältnis zwischen Bezugnahmeklausel und Tarifautonomie geäußert.16 Die Kritiker berufen sich darauf, dass durch eine umfassende Verwendung von individualvertraglichen Bezugnahmeklauseln Reibungen und Kollisionen mit der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG entstünden.17 Ausgangspunkt ist, dass weder ein tarifgebundener noch ein tarifungebundener Arbeitgeber nach der Gewerkschaftszugehörigkeit potenzieller Arbeitnehmer fragen darf und dementsprechend „sicherheitshalber“ mit sämtlichen Arbeitnehmern eine Bezugnahmeklausel vereinbart.18 So ist aus Sicht des Arbeitgebers gewährleistet, dass für alle in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer die gleichen Arbeitsbedingungen gelten. Dieses Vorgehen laufe den Interessen der Gewerkschaften zuwider und würde sie in Art. 9 Abs. 3 GG verletzen, so die Argumentation der Kritiker.19 Denn durch die Vereinabrung einer Bezugnahmeklausel habe auch ein Außenseiter die Möglichkeit, in den Genuss der durch Tarifvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen zu kommen. Sie bemerken weiter, Bezugnahmeklauseln würden somit zur Entbehrlichkeit eines Gewerkschaftsbeitritts führen, was eine Schwächung der Position der Gewerkschaften zur Folge habe.20 Damit gehe ein klarer Vorteil für nicht organisierte Arbeitnehmer einher, die – ohne eigenes Engagement und ohne Beitragszahlungen an die Gewerkschaft – an den erkämpften tariflichen Leistungen partizipieren könnten.21 Dieses „Trittbrettfahren“ vieler Arbeitnehmer könne durch die zunehmende Schwächung der Gewerkschaften zu einem Absinken des Tarifniveaus oder im Extremfall sogar zu Arbeitsbedingungen, die nicht auf einem Tarifvertrag beruhen, führen.22

Diese genannten Umstände berühren jedoch – wie von den Kritikern selbst hervorgehoben – nicht die Frage der Zulässigkeit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel an sich. Denn die mit Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie ist selbst dann weder mittelbar noch unmittelbar verletzt, wenn man annähme, eine weite Verbreitung von Bezugnahmeklauseln führte zu einer Schwächung der Gewerkschaften.23

Um dennoch eine Abstufung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern zu erreichen, sind die Gewerkschaften zunehmend bestrebt, in Tarifverträgen sog. Differenzierungsklauseln zu vereinbaren. Diese Klauseln geben tarifvertragsschließenden Koalitionen die Möglichkeit, dass tarifrechtliche Leistungen allein an die Gewerkschaftsmitglieder entrichtet werden. Nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern soll die zusätzliche tarifliche Leistung dann verwehrt bleiben.24 Das BAG hält sog. einfache Differenzierungsklauseln für zulässig.25 Die sog. qualifizierten Differenzierungsklauseln26 seien jedoch, so das BAG, zwingende und damit um unwirksame Klauseln.27 Allerdings judiziert das BAG in Sachen Differenzierungsklauseln nach wie vor sehr restriktiv, was im Ergebnis dazu führt, dass die Anzahl arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge trotz zulässiger einfacher Differenzierungsklauseln nicht abnimmt.28

C. Anwendbarkeit weltlicher Grundsätze der Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht

Im Anschluss an die Darstellung der rechtlichen Hintergründe von Bezugnahmeklauseln im weltlichen Arbeitsrecht, schließt sich die Frage nach der Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das kirchliche Arbeitsrecht an. Dies erfordert zunächst ein grundlegendes Verständnis über das Verhältnis vom kirchlichen zum weltlichen Arbeitsrecht.

I.Das Selbstbestimmungsrecht als tragende Säule privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Arbeitsrecht

Ausgangspunkt des kirchlichen Arbeitsrechts ist neben der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Hergeleitet wird das Selbstbestimmungsrecht aus dem über Art. 140 GG inkorporierten Verfassungsrecht der Weimarer Reichsverfassung.29 Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV kann jede Religionsgesellschaft ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig und innerhalb der Schranken des für alle geltenden Rechts ordnen und verwalten. Mit der Gewährleistung einer selbstständigen Ordnung ihrer Angelegenheiten ist die interne kirchliche Rechtssetzung von einer staatlichen Einflussnahme befreit.30

Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV sind organisatorisch strukturierte Vereinigungen, welche die umfassende Bezeugung des Glaubens und die allseitige Erfüllung der durch das gemeinsame Glaubensbekenntnis gestellten Aufgaben bezwecken.31 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden davon zunächst die verfasste katholische und evangelische Kirche, die nach Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, erfasst. Keine Religionsgesellschaften sind dagegen die im karitativen Bereich der katholischen und evangelischen Kirche existierenden Einrichtungen, da diese – unabhängig von ihrer karitativen Zwecksetzung – nur partiell der Entfaltung eines Bekenntnisses dienen.32 Diesen Einrichtungen kommt allerdings die Möglichkeit zuteil, am Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu partizipieren. Eine solche Teilhabe erfordert jedoch die Zuordnung zur evangelischen oder katholischen Kirche. Dies setzt voraus, dass die Einrichtungen nach dem Selbstverständnis der Kirchen berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen, was ein Mindestmaß kirchlicher Einflussmöglichkeit erfordert.33

Zu dem Begriff der „eigenen Angelegenheiten“ i.S.v. Art 137 Abs. 3 WRV zählen alle Umstände, die das Wirken der Religionsgemeinschaften betreffen und damit zu ihrem Sendeauftrag zählen.34 Somit gilt das Selbstbestimmungsrecht auch für die Ausgestaltung des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts.35Die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie der Kirchen beschränkt sich dabei gerade nicht nur auf die interne Ämterorganisation, sondern erstreckt sich auch auf die allgemeine Ordnung des kirchlichen Dienstes.

Bezieht sich die Selbstbestimmungsgarantie aber auf die Begründung von Arbeitsverhältnissen, muss differenziert werden zwischen der Festlegung der eigenen Glaubens- und Sittenlehre einerseits und dem Abschluss privatrechtlicher Arbeitsverträge andererseits.36 Die Glaubens- und Sittenlehre, die auf dem kirchlichen Selbstverständnis basiert, erlaubt den Kirchen selbst zu entscheiden, welche Art des Dienstes es im kirchlichen Bereich geben soll.37 Der katholischen und evangelischen Kirche wird folglich das Schaffen und Aufrechterhalten einer internen Organisationsstruktur garantiert. Sie bestimmen eigenständig darüber, wer welche Aufgabe ausübt, in welcher Rechtsform sie auszuüben ist und welche Anforderungen die Beschäftigten zur Ausübung der konkreten Tätigkeit erfüllen müssen.38 Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV verleihen die Kirchen ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates. Es sind allein die Kirchen, die darüber entscheiden, wie ein solches Amt übertragen wird, etwa durch Weihe oder Ordination.39 Dabei handelt es sich um einen innerkirchlichen Akt, der ausschließlich auf Kirchenrecht basiert und sich danach richtet. Die aus dem Selbstbestimmungsrecht hergeleitete arbeitsrechtliche Regelungsautonomie gilt in diesen Fällen unbegrenzt.40 Die „Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne des kirchlichen Selbstverständnisses“ steht dabei im Vordergrund.41

Die Kirchen können aber auch Nichtamtsträger beschäftigen. Für die Ausgestaltung dieser Beschäftigungsverhältnisse stehen den Kirchen zwei unterschiedliche Wege zur Verfügung. Einerseits ermöglicht Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV den Kirchen – sofern sie den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts innehaben –, ihre Anstellungsverhältnisse auch öffentlich-rechtlich auszugestalten, sog. kirchliches Amtsrecht.42 Die Arbeitsverhältnisse der Kirchenbeamten werden nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag, sondern durch einen Hoheitsakt begründet. Das kirchliche Amtsrecht unterliegt nicht den Normen des allgemeinen Arbeitsrechts.43 In diesem Bereich kann die Kirche ihre eigenen Angelegenheiten daher mittels des Selbstbestimmungsrechts eigenständig und autonom regeln.

Andererseits sichert das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen das Recht zu, ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis zu begründen. Schließt ein kirchlicher Anstellungsträger einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag ab, bedient er sich dabei nicht der Glaubensund Sittenlehre oder dem Kirchenbeamtentum, sondern der jedermann eingeräumten Privatautonomie des säkularen Rechts.44 Die Handhabung dieser Arbeitsverhältnisse richtet sich dann sowohl nach dem staatlichen, als auch nach dem kirchlichen Arbeitsrecht, sodass ein komplexes Geflecht zwischen den unterschiedlichen Rechtsquellen entsteht. Grundlegende Besonderheit des kirchlichen Arbeitsrechts ist in diesem Zusammenhang, dass es sich einerseits aus dem staatlichen und daher für alle geltenden Arbeitsrecht und andererseits aus dem nur im kirchlichen Sektor Anwendung findenden kirchlichen Arbeitsrecht zusammensetzt. Die zwei Rechtsgebiete überlagern sich wechselseitig.45 Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche, aber auch zwischen Gesellschaft und Kirche, was nicht zuletzt dazu führt, dass das kirchliche Arbeitsrecht zunehmend unter Druck gerät.46

Gegenstand dieser Arbeit sind ausschließlich die zuletzt dargestellten privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse, die ein kirchlicher Anstellungsträger mit seinen Arbeitnehmern abschließt.

II.Privatrechtliche Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Arbeitsrecht als Anknüpfungspunkt der Bezugnahmeklauseln

Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts räumt den Kirchen also die Möglichkeit ein, ihre eigenen Angelegenheiten auch in privatautonomen Gestaltungsformen, wie einem Arbeitsvertrag nach § 611 Abs. 1 BGB, zu ordnen. Daraus resultiert jedoch zugleich die Fragestellung, ob bei einer privatrechtlichen Ausgestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse das kirchliche oder das säkulare Arbeitsrecht vorgeht.47 Das BVerfG führt hierzu in einem grundlegenden Beschluss aus dem Jahre 1985 aus:

„Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Das ist die schlichte Folge einer Rechtswahl. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den ‚eigenen Angelegenheiten‘ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das spezifisch Kirchliche, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich.“48

Demnach können die Kirchen zur Begründung von Arbeitsverhältnissen auf staatliches Recht zurückgreifen, sind dann aber auch an die Grenzen und Möglichkeiten des Privatrechts gebunden. Dies sei eben, so das BVerfG, die „schlichte Folge einer Rechtswahl“. Ein Rückgriff der Kirchen auf das staatliche Arbeitsrecht führt indes nicht dazu, dass die kirchlichen Arbeitsverhältnisse ihre Zugehörigkeit zur Kirche und zu den eigenen Angelegenheiten verlieren.49 Vielmehr bleibt auch für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts, unabhängig von der konkreten Nähe des Arbeitnehmers zum Verkündungsauftrag der Kirche, wesentlich.50 Jedoch können die Kirchen nur auf die nach staatlichem Recht zustande gekommenen Arbeitsverhältnisse einwirken, wenn eine arbeitsrechtliche Regelungsmaterie von den „eigenen Angelegenheiten“ i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV erfasst ist. Denn nur dann ist es den Kirchen gestattet, vom staatlichen Recht abweichende Regelungen festzulegen. Streitpunkte sind regelmäßig die Auslegung und die Reichweite der „eigenen Angelegenheiten“. Allgemein zur Konkordanz zwischen staatlicher Ordnung und kirchlicher Selbstbestimmung führte das BVerfG deshalb bereits 1976 schlichtend aus, es sei „auf beiden Seiten davon auszugehen, dass staatliche Gesetze nicht die den Kirchen wesentlichen eigenen Ordnungen beeinträchtigen und dass kirchliche Gesetze nicht die für den Staat unabdingbare Ordnung kränken werden“51. Zu den eigenen Angelegenheiten gehört in jedem Fall, dass die Kirchen das Recht haben, in begrenztem Maße von ihren Arbeitnehmern bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit die Beachtung der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre zu fordern.52 Von diesem Recht haben die Kirchen in Form von sog. Verhaltensund Loyalitätspflichten, die bis in die Intimsphäre reichen, Gebrauch gemacht.

Die Rechtsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiter bestimmen sich also nach zivilrechtlichen Grundsätzen, welche durch die im kirchlichen Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ergänzt werden.53 Das gilt sowohl auf der Ebene des Individualarbeitsrechts als auch auf der Ebene des kollektiven Arbeitsrechts. In einer neueren Entscheidung hat das BAG für den Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV daher klargestellt, dass die das weltliche Arbeitsrecht ergänzende kirchliche Regelungsautonomie sowohl „die individualrechtliche wie kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer“ erfasse.54

Schließen die Kirchen oder ihre Einrichtungen privatrechtliche Arbeitsverträge ab, können die Arbeitsvertragsparteien auch auf das aus dem weltlichen Arbeitsrecht stammende Instrument der Bezugnahmeklauseln zurückgreifen und auf kollektivrechtliche Arbeitsrechtsregelungen verweisen. Die im allgemeinen Arbeitsrecht geltenden Grundsätze zu Bezugnahmeklauseln sind auch im kirchlichen Arbeitsrecht anzuwenden, müssen jedoch regelmäßig durch die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts modifiziert werden.

III.Leitgedanke der Dienstgemeinschaft auch bei privatrechtlich begründeten Arbeitsverhältnissen

Die christlichen Kirchen stellen als Basis und Begründung für die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts auf den Leitgedanken und das Ideal der Dienstgemeinschaft ab.55 Mit dem Begriff Dienstgemeinschaft soll das Leitprinzip des kirchlichen Dienstes benannt werden, damit dieser nach innen und außen glaubwürdig als Teilhabe am Heilswerk Jesu Christi verkörpert wird.56 Die auf säkularer Grundlage geschlossenen kirchlichen Arbeitsverhältnisse müssen sich in ein marktwirtschaftlich organisiertes Arbeitsleben einordnen, ohne dabei den Hintergrund des kirchlichen Agierens auf dem Arbeitsmarkt aus dem Auge zu verlieren. Um die Kirchlichkeit in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen zu gewährleisten, stellen die katholische und evangelische Kirche den Dienst in ihren Einrichtungen deshalb auf das Fundament der Dienstgemeinschaft. Grundlage der Dienstgemeinschaft ist eine Rückbesinnung auf das Handeln Christi, der sich zum Diener aller gemacht hat. Hinter dem Begriff Dienstgemeinschaft steckt nämlich der Gedanke, dass sich die kirchlichen Mitarbeiter nicht auf die dienende Nachfolge des Einzelnen beschränken, sondern Jesus Christus im Dienste der Versöhnung folgen, was ein Zusammenstehen vieler in einer „Gemeinschaft des Dienstes“57 erfordert. Dadurch entsteht zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine Parität und Partnerschaft, die sich über niemanden erheben will und auf dem „Vorbild“ der urchristlichen Gemeindebildung gründet.58 Die Dienstgemeinschaft fußt auf dem Grundideal der Liebe des auferstandenen Christi zu seiner Gemeinde und der erwiderten Liebe der Gemeinde zu ihm.59 Die christlichen Kirchen leiten daraus ab, dass die Dienstgemeinschaft aus drei Grunddiensten besteht. Dazu zählen die Verkündigung des Evangeliums, der Gottesdienst und der aus dem Glauben erwachsende Dienst am Mitmenschen.60 Um diese Grunddienste zu verwirklichen, existieren kirchliche Einrichtungen. Die Mitarbeiter, die in ihnen tätig sind, tragen dazu bei, dass der Sendungsauftrag der Kirchen erfüllt werden kann.61 Da die Dienstgemeinschaft die Bejahung und Anerkennung des Sendungsauftrags der Kirche voraussetzt, geht es im kirchlichen Dienst nicht nur um einen sachgerechten Einsatz von Personal, sondern auch um die aus der Überzeugung und Kraft des Glaubens erwachsende Arbeit in der Erfüllung des Auftrags Christi.62

Die Dienstgemeinschaft ist somit sinnbildlich für die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung im kirchlichen Dienst zu verstehen, die sich sowohl auf eine interne als auch auf eine externe Komponente erstreckt.63 Intern verbindet sie alle in einer kirchlichen Einrichtung Tätigen zu einer Gemeinschaft. Deshalb steht nicht die im weltlichen Arbeitsrecht vorherrschende „Bipolarität“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Fokus des kirchlichen Arbeitsrechts, sondern eine „Multipolarität“, d. h. eine Tätigkeit in der Gemeinschaft sowie eine Tätigkeit als Gemeinschaft.64

Dagegen verdeutlicht die externe Komponente der Dienstgemeinschaft, dass bei Wahrnehmung einer kirchlichen Tätigkeit die Erfüllung des Sendeauftrags der Kirchen eine gleichwertige Rolle spielt.65 Nach christlichem Selbstverständnis wird schließlich durch jede Tätigkeit der Mitarbeiter ein Stück des kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht.66 Basierend auf dem Gedanken der Dienstgemeinschaft wird im kirchlichen Arbeitsrecht von „Dienstverhältnis“, „Dienstgeber“ und „Dienstnehmer“ gesprochen.

Die Dienstgemeinschaft prägt zwar das Dienstverhältnis, ist aber nicht als eigenständige Rechtsquelle dessen zu verstehen. Dennoch kann die Kirche den Gedanken der Dienstgemeinschaft ihren privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen zugrunde legen und dadurch das kirchliche Selbstverständnis vertragsrechtlich absichern.67 Diese Befugnis geht aber nicht so weit, als dass die Kirchen weltliches Arbeits- und Zivilrecht überwinden können. Die Besonderheit besteht vielmehr darin, dass sie ihre Dienstverhältnisse im Rahmen des für alle geltenden Rechts frei gestalten können. Nur deshalb und innerhalb dieser Grenzen kann ein kirchlicher Arbeitgeber von seinen Dienstnehmern Voraussetzungen für die Beschäftigung verlangen, Anforderungen an die Ausführung der kirchlichen Tätigkeit stellen und etwa eigene kollektivrechtliche Wege gehen, die ein säkularer Arbeitgeber nicht verlangen oder wählen darf.68 Der Kirche wird dadurch garantiert, dass die religiöse Dimension der Dienstgemeinschaft innerhalb der weltlichen Rechtsordnung und in einem marktwirtschaftlich organisierten Arbeitsleben anerkannt wird.69 Andersherum endet die staatliche Regelungskompetenz kirchlicher Arbeitsverhältnisse dort, wo eine Entscheidung über Wesen und Auftrag der Kirche getroffen wird.70

Grundlage des Verhältnisses von Dienstnehmer und Dienstgeber im kirchlichen Dienst ist somit der weltliche Dienstvertrag nach § 611 Abs. 1 BGB mit all seinen weltlichen Möglichkeiten und Grenzen. Das so geschlossene Arbeitsverhältnis wird jedoch maßgeblich durch die „Gemeinschaft des Dienstes“ beeinflusst. Folglich grenzt das Zusammenspiel von Gemeinschaftsvorstellung und Tätigkeit im Sinne Jesu Christi den kirchlichen Dienst vom säkularen Arbeitsverhältnis ab und begründet nicht nur im Individualarbeitsrecht, sondern auch im kollektiven Arbeitsrecht eine Sonderstellung der Kirchen.71 Um den Stellenwert der Dienstgemeinschaft zu verdeutlichen, haben beide christlichen Kirchen den Leitgedanken fest in ihren Grundordnungen verankert. Die evangelische Kirche hat in § 2 des „Kirchengesetz[es] über die Grundsätze zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie“ (Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz – ARGG) die Dienstgemeinschaft als „Partnerschaftliche Festlegung der Arbeitsbedingungen“ normiert. In der katholischen Kirche ordnet § 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrOkathK) an, dass der Gedanke der Dienstgemeinschaft als Grundprinzip der arbeitsrechtlichen Beziehungen dient. Zudem enthalten die Dienstverträge regelmäßig in der Präambel oder im ersten Abschnitt einen Verweis auf die Dienstgemeinschaft. So heißt es etwa in § 1 des Musterregelarbeitsvertrages der (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster (westfälischer Teil) und Paderborn:

„Der Dienst in der katholischen Kirche erfordert von der/dem Dienstgeber/in und der/dem Mitarbeiter/in die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit unter Beachtung der Eigenart, die sich aus dem Auftrag der Kirche und ihrer besonderen Verfasstheit ergibt.“72

Dadurch stellen die Kirchen auch nach außen sichtbar ihre Arbeitsverhältnisse auf das Fundament der Dienstgemeinschaft und begründen so die Besonderheit des kirchlichen gegenüber dem weltlichen Arbeitsrecht.73

IV.Erweiterung des kirchlichen Arbeitsrechts – Zuordnung kirchlicher Einrichtungen

Neben der verfassten Kirche gibt es eine Vielzahl an Einrichtungen, die zwar kirchliche Arbeit leisten, aber nicht unmittelbar in die Kirche eingegliedert sind. Diese Organisationen sind jedoch dann vom Geltungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts erfasst und können an diesem partizipieren, wenn sie der Kirche in besonderer Weise zugeordnet werden.74 Dass sich die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie nicht nur auf die verfasste Kirche als amtskirchliche Organisation beschränkt, sondern sich auch auf einzelne Einrichtungen, die der Kirche zugeordnet werden, beziehen kann, ergibt sich bereits aus dem Kontext säkularer arbeitsrechtlicher Mitbestimmungsgesetze.75 Diese enthalten, etwa in § 118 Abs. 2 BetrVG, § 1 Abs. 3 Nr. 2 SprAuG, § 1 Abs. 2 S. 2 DrittelbG, § 1 Abs. 4 S. 2 MitbestG, Regelungen, wonach die jeweiligen Gesetze nicht auf „Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform“ anwendbar sind. Dadurch hat der Gesetzgeber einfachgesetzlich normiert, dass nach säkularem Recht organisierte karitative und erzieherische Einrichtungen die Möglichkeit haben am kirchlichen Arbeitsrecht zu partizipieren. Das Recht, im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts privatrechtliche Arbeitsverhältnisse mit Bezugnahmeklausel einzugehen, steht deshalb neben der verfassten Kirche auch solchen Einrichtungen zu, die der Kirche zugeordnet werden.

Insbesondere im Bereich der Wohlfahrtspflege sind viele rechtlich selbstständige Einrichtungen vorhanden, die sich entweder im „Deutschen Caritasverband e. V.“ (DCV) der katholischen Kirche oder im „Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband“ und „Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst“, die gemeinsam das „Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.“ (Diakonie)76 der evangelischen Kirche bilden, zusammengeschlossen haben. Selbstständige kirchliche Einrichtungen können, müssen aber nicht den Wohlfahrtsverbänden angeschlossen sein.

Beim DCV handelt es sich um einen von den deutschen Bischöfen anerkannten katholischen Wohlfahrtsverband. Der Caritasverband wird der katholischen Kirche zwar zugeordnet, ist aber als rechtlich selbstständige Organisation einzuordnen. Auch die Diakonie steht der evangelischen Kirche als eingetragener Verein rechtlich gegenüber, wird der evangelischen Kirche aber zugeordnet. Durch den Zusatz „unbeschadet deren Rechtsform“ hebt der weltliche Gesetzgeber hervor, dass die Zuordnung zur Kirche nicht von der Rechtsform abhängt. Vielmehr sind die jeweiligen Einrichtungen bei der Wahl ihrer rechtlichen Organisationsform an keine Vorgaben gebunden.77 Sie können sowohl den nicht rechtsfähigen Zusammenschluss, beispielsweise der private Verein, die rechtsfähige juristische Person des Privatrechts, wie die GmbH, als auch die juristische Person des öffentlichen Rechts als Rechtsform wählen.78 Um am kirchlichen Arbeitsrecht teilhaben zu können, muss die jeweilige Einrichtung die Anforderungen, die an die Zuordnung zur Kirche gestellt werden, erfüllen. Denn nur wenn ein Anstellungsträger die Zuordnungskriterien erfüllt, ist er auch in der Lage, die für die vorliegende Untersuchung relevanten Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen zu vereinbaren. Im Rahmen der Zuordnungskriterien ist zwischen staatlichen und kircheninternen Anforderungen zu differenzieren.

1.Säkulare Zuordnungsvoraussetzungen

In einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 hat das BVerfG festgelegt, dass es im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche nicht nur Aufgabe der Kirche sei, über die Zuordnung einer Einrichtung zu ihr zu entscheiden, sondern auch die der staatlichen Gerichte.79 Letztere hätten deshalb zu prüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhabe.80 Bereits 1977 hat das BVerfG zudem formuliert, dass nach säkularer Rechtsform organisierte Einrichtungen der Kirche nur dann zugeordnet werden könnten, „wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen“81. Darüber hinaus hat das BAG die Zuordnung zur Kirche davon abhängig gemacht, ob eine Einrichtung, die in einer Organisationsform des Privatrechts geführt wird, bei Erfüllung ihrer Aufgaben auch die „Wesens- und Lebensäußerung der Kirche“ darstellt, um eben dieser zugeordnet werden zu können.82 Die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen gelten sowohl für die katholische als auch für die evangelische Kirche.83

Aus diesen sehr weit formulierten Anforderungen lässt sich als säkulare Mindestvoraussetzung festhalten, dass eine Einrichtung nur dann der Kirche zugeordnet werden kann, wenn sie im weitesten Sinne eine karitative Tätigkeit wahrnimmt. Dies geschieht primär durch Erfüllung einer „kirchlichen Grundfunktion“. Unabdingbar ist somit, dass die religiöse Zielsetzung das bestimmende Element der Tätigkeit der Organisation oder Einrichtung ist. Welcher Maßstab bei Erfüllung einer kirchlichen Grundfunktion anzusetzen ist, wird allein von der Kirche bestimmt.84 Daher können zur Kirche auch Einrichtungen gehören, die kirchliche Mission mittels Öffentlichkeitsarbeit, und zwar „mit publizistischen Mitteln“ betreiben und nicht unmittelbar eine karitative Tätigkeit wahrnehmen, wie etwa die Katholische Nachrichten-Agentur oder der Evangelische Presseverband.85

Besteht der Zweck einer Einrichtung, die von einer Kirche betrieben wird, jedoch überwiegend in der Gewinnerzielung (z.B. Brauereibetrieb eines Klosters), sodass nicht mehr die Aufgabe einer christlichen Tätigkeit im Fokus steht, scheidet eine Zuordnung aus. Einrichtungen, bei denen ausschließlich ein wirtschaftliches Element im Vordergrund steht, können daher bereits aufgrund der Zuordnungskriterien weltlicher Gerichte nicht als Teil der Kirche angesehen werden. Solche Einrichtungen können weder am kirchlichen Selbstbestimmungsrecht noch am kirchlichen Arbeitsrecht teilhaben.

2.Kircheninterne Zuordnungsvoraussetzungen

Neben den allgemeinen säkularen Zuordnungsvoraussetzungen, müssen die Einrichtungen auch strenge kirchliche Vorgaben erfüllen, um der Kirche zugeordnet werden zu können. Es sind nämlich vor allem die Kirchen selbst, die darauf bedacht sind, dass die ihr zugeordneten Einrichtungen auch ein Mindestmaß an kirchlichen Werten vertreten und ihrem Handeln zugrunde legen. Daher hat sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche in der jüngeren Vergangenheit die internen Anforderungen, die eine Einrichtung erfüllen muss, um als kirchliche Einrichtung zählen zu können, reformiert. Die Gründe, welche die Kirchen dazu veranlasst haben, sind vielschichtig. Ein wesentlicher Faktor war aber, dass – aus Sicht der Kirchen – die kirchlichen Einrichtungen ihr religiöses Proprium im Alltag oft nicht sichtbar werden ließen. Stattdessen ist sie häufig wie weltliche Einrichtungen aufgetreten.86 Dies hat sich insbesondere an einem zunehmend wirtschaftlichen Agieren der Einrichtungen gezeigt. Steigender Wettbewerbsdruck hat zu dem Phänomen einer kirchlichen „Tarifflucht“ geführt.87 Kirchliche Einrichtungen, die teilweise ausschließlich zu eben diesem Zweck gegründet wurden, wendeten sich von dem kircheneigenen Vergütungssystem ab und legten einen eigenen Maßstab für die Vergütung ihrer Mitarbeiter zugrunde. Das kirchliche Arbeitsrecht sollte gezielt unterlaufen werden, um so geringere als die in den kirchenrechtlichen Regelungen vorgeschriebenen Löhne zahlen zu können.88

Die kirchlichen Gesetzgeber sahen sich gezwungen dieser Entwicklung entschieden entgegenzutreten, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Es sollte wieder verdeutlicht werden, dass ausschließlich Einrichtungen, welche die kirchlichen Grundwerte verkörpern, als kirchliche Einrichtungen anzusehen sind. Um dieses Vorhaben umzusetzen, haben die Kirchen die Anforderungen, die eine Einrichtung erfüllen muss, um der Kirche zugeordnet zu werden, intensiviert. Diese Anforderungen variieren bei der katholischen und evangelischen Kirche.

a)Katholische Kirche

Die GrOkathK hat im Arbeitsrecht der katholischen Kirche eine bedeutende Rolle inne. Zunächst legt sie die wichtigsten arbeitsrechtlichen Grundlagen fest. So sind in § 3 GrOkathK die Voraussetzungen für die Begründung eines Dienstverhältnisses und in § 4 GrOkathK die Loyalitätsverpflichtungen der Dienstnehmer der katholischen Kirche geregelt.

Die GrOkathK gilt gem. Art. 2 Abs. 1 nur für die dort im Einzelnen aufgeführten Rechtsträger, die unmittelbar der Gesetzgebungsgewalt der Bischöfe unterliegen.89 Alle selbstständigen kirchlichen Einrichtungen, auf die sich die bischöfliche Gesetzgebungskompetenz nicht erstreckt, müssen die GrOkathK nach Art. 2 Abs. 2 verbindlich in ihr Statut übernehmen. Andernfalls ist eine Zuordnung zur Kirche nicht möglich. In diesen Fällen wird den Einrichtungen verwehrt, gerade im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen am Selbstbestimmungsrecht der verfassten Kirchen teilzuhaben.90

Ursprünglich sah Art. 2 Abs. 2 S. 1 GrOkathK vor, dass alle kirchlichen Einrichtungen die Grundordnung bis zum 31.12.2013 verbindlich in ihre Satzung übernehmen müssen. Andernfalls drohte der Verlust der Zuordnung. Diese Regelung wurde auch in der aktuellen Fassung von 2015 beibehalten; lediglich die Frist zur Übernahme bis zum 31.12.2013 wurde wegen Zeitablaufs gestrichen. Es ist also nach wie vor für jeden Rechtsträger, der am Arbeitsrecht der katholischen Kirche teilhaben möchte, erforderlich, die GrOkathK verbindlich anzuwenden. Durch die explizite Verpflichtung der Einrichtungen, die GrOkathK in ihr jeweiliges Statut zu übernehmen, wird in der gesamten katholischen Kirche – einschließlich der ihr zugeordneten Einrichtungen – eine einheitliche Anwendung der grundlegenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen garantiert.

b)Evangelische Kirche

Aufseiten der evangelischen Kirche wurde im Rahmen der elften Synode91 das Vorgehen einzelner kirchlicher Rechtsträger und Einrichtungen scharf kritisiert. Einrichtungen, die dem zunehmenden Wettbewerb mit Outsourcing zum Zweck der Lohnsenkung und Niedriglöhnen entgegentreten, müssen danach mit dem Ausschluss aus dem Diakonischen Werk und damit aus der evangelischen Kirche rechnen.92

Basierend auf dieser Überlegung hat die evangelische Kirche – im Gegensatz zur katholischen Kirche – ein umfangreiches Gesetz erlassen, in dem die genauen Anforderungen festgelegt sind, die eine selbstständige Einrichtung als Zuordnungsvoraussetzungen erfüllen muss. Das Kirchengesetz zur Zuordnung rechtlich selbstständiger Einrichtungen zur EKD (ZuOG-EKD) vom 12.11.2014 legt in §§ 4, 5 und 6 ZuOG-EKD fest, welche Anforderungen eine Einrichtung zu beachten hat, um am Arbeitsrecht der evangelischen Kirche zu partizipieren. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZuOG-EKD muss die Einrichtung in ständiger Verbindung zur Kirche stehen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Mitwirkung an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags dem kirchlichen Selbstverständnis entspricht. Letzteres muss als Zweck im Statut der Einrichtung verankert sein (§ 5 Abs. 1 ZuOG-EKD). Eine Verbindung zur Kirche wird gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 insbesondere dann angenommen, wenn die Einrichtung das einschlägige Kirchenrecht anwendet. Diese Vorschrift ist als Gegenstück zu Art. 2 Abs. 2 GrOkathK zu sehen. Der Unterschied besteht darin, dass die evangelische Kirche die Anwendung der eigenen Gesetze nur indirekt vorschreibt, wohingegen die katholische Kirche die verbindliche Anwendung der GrOkathK von einer Einrichtung voraussetzt. Ein weiterer Unterschied zur Handhabung im katholischen Arbeitsrecht ist, dass in der evangelischen Kirche im Rahmen der Zuordnungsfrage zwischen kirchlichen Einrichtungen an sich und solchen des Diakonischen Werks differenziert wird, vgl. §§ 8, 9 ZuOG-EKD. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 ZuOG-EKD ist eine Einrichtung bereits durch die Mitgliedschaft in der Diakonie der evangelischen Kirche zugeordnet. Dies liegt daran, dass Einrichtungen nur dann in die Diakonie aufgenommen werden, wenn sie bereits die Anforderungen an eine Zuordnung zur evangelischen Kirche erfüllen. Bei sonstigen, nicht der Diakonie angeschlossenen Einrichtungen muss dagegen geprüft werden, ob die im ZuOG-EKD geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. Ob eine Einrichtung i.S.d. ZuOG-EKD als Teil der evangelischen Kirche angesehen werden kann, erfolgt durch eine formale Entscheidung. Zuständig ist jeweils die Gliedkirche, in deren Gebiet die zuzuordnende Einrichtung ihren Sitz hat, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 ZuOG-EKD.

c)Ökumenische Einrichtungen und Organisationen

Handelt es sich bei der Einrichtung um eine ökumenische Einrichtung, können in ihr sowohl evangelische als auch katholische Werte vertreten sein, sie kann aber nur einer Kirche zugeordnet werden. Dies erfolgt in der Regel durch einen Passus in der Satzung.93 Es gelten dann die Zuordnungsanforderungen der jeweiligen Kirche.

V.Fazit

Es ist also nicht ausschließlich die Kirche, die bestimmt, wer kirchlich ist. Vielmehr legt der Staat den äußeren Rahmen für eine Zuordnung zur Kirche fest; die konkrete Ausgestaltung der Zuordnungsfrage erfolgt dann aber durch die Kirchen.

Bedienen sich die Kirchen und die ihr zugeordneten Einrichtungen zur Begründung von Arbeitsverhältnissen der jedermann offenstehenden Privatautonomie, können die Kirchen ihr Arbeitsrecht auch nur im Rahmen des säkularen Arbeitsrechts gestalten.94 Dies legt einerseits die Grenzen der kirchlichen Autonomie fest, ermöglicht es ihnen andererseits aber auch, auf fest etablierte Grundsätze des staatlichen Arbeitsrechts zurückzugreifen. Die im weltlichen Arbeitsrechts allgemein anerkannten Bezugnahmeklauseln können dementsprechend auch Gegenstand von Vereinbarungen kirchlicher Arbeitsverhältnisse auf privatrechtlicher Grundlage sein. Ausgangspunkt für die Beurteilung kirchlicher Bezugnahmeklauseln ist grundsätzlich die Handhabung der Bezugnahmeklauseln im weltlichen Arbeitsrecht. Zu beachten sind aber die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, wie Selbstbestimmungsgarantie und Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip. Diese Umstände können in den verschiedensten Bereichen zu einer vom weltlichen Arbeitsrecht abweichenden Beurteilung der Bezugnahmeklauseln im Kontext kirchlicher Arbeitsverhältnisse führen.

1Für viele Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445.

2Vgl. RGBl. 1918, S. 1456. Ausführlich zur Tarifvertragsordnung der Weimarer Republik, Hopfer, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 207 ff.

3Vgl. Heine, Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln im Wandel der Rechtsprechung, S. 10; Dietz, Die Berufung auf den Tarifvertrag, S. 5 ff.; Otto, Bezugnahmeklauseln, S. 24; Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 63.

4Vgl. Däubler/Lorenz, TVG, § 3 Rn. 222.

5Dietz, Die Berufung auf den Tarifvertrag, S. 2 ff.

6Vgl. WiGBl. S. 55 (68).

7Vgl. BGBl. Nr. 83 1969, S. 1323.

8BAG v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, S. 1286; BAG v. 04.08.1999 – 5 AZR 642/98, RdA 2000, S. 178.

9Däubler/Lorenz, TVG, § 3 Rn. 217; Kempen/Zachert/Brecht-Heitzmann TVG § 3 Rn. 173; Berg/Kocher/Schumann-Dierßen/Schoof, TVG, § 3 Rn. 247; Seibert, NZA 1985, S. 730 (731).

10So bereits v. Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138 (139).

11BAG v. 11.11.1968 – 1 AZR 16/68, NJW 1969, S. 861; HWK/Henssler, § 3 TVG, Rn. 18; Wandtke/Bullinger/Marquart, Urheberrecht, § 5 Rn. 9.

12BAG v. 16.03.2016 – 4 AZR 461/14, BB 2016, S. 1780; BAG v. 24.02.2016 – 4 AZR 990/13, NZA 2016, S. 557; BAG v. 21.10.2015 – 4 AZR 649/14, BB. 2016, S. 1082; BAG v. 15.03.2006 – 4 AZR 75/05; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445; Preis, FS Wiedemann, S. 425 (427); Tiedemann, ArbRB 2016, S. 83 (83); Waas, ZTR 1999, S. 540 (546).

13V. Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138 (142 ff.), der die Ansicht vertritt, dass Tarifverträge möglichst auf alle Arbeitsverträge normativ einwirken sollten, und zwar gerade dann, wenn eine Bezugnahme auf den gesamten Tarifvertrag vorliege. Vgl. hierzu auch Heine, Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme im Wandel der Rechtsprechung, S. 11 ff.

14Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445.

15Hachmacher, Deklaratorische und konstitutive Klauseln in Tarifverträgen, S. 125; Heine, Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme im Wandel der Rechtsprechung, S. 11 ff.

16Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.

17Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.

18Die Frage des Arbeitgebers im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers ist unzulässig, da hierin ein Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG verankerte Koalitionsfreiheit liegt, vgl. BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, S. 306; BAG v. 28.03.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, S. 1294; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 92; HWK/Thüsing, § 123 BGB, Rn. 14.

19Vgl. Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.

20Vgl. Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.

21Kempen/Zachert/Stein, TVG, § 3 Rn. 174 ff.; vgl. auch Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 45 ff.

22Berg/Kocher/Schumann-Dierßen/Schoof, TVG, § 3 Rn. 254 f

23Hanau/Kania, FS Schaub, S. 239 (240 f.); Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 63; Heine, Die Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln im Wandel der Rechtsprechung, S. 19.

24Vgl. Kempen/Zachert/Brecht-Heitzmann TVG § 3 Rn. 174f; HWK/Henssler, § 1 TVG, Rn. 110.

25BAG v. 18.03.2009 – 4 AZR 64/08, NZA 2009, S. 1028 ff. Hier hat das BAG eine jährliche Sonderzahlung i.H.v. 535 Euro ausschließlich an Mitglieder der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft als „einfache Differenzierungsklausel“ für wirksam befunden. Eine einfache Differenzierungsklausel liegt vor, wenn eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ausdrücklich eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die Gewährung bestimmter tariflicher Leistungen ist, vgl. Ebert, ArbRB 2015, S. 205 (205).

26Qualifizierte Differenzierungsklauseln gehen über den Regelungsgehalt, bestimmte tarifliche Leistungen nur den Mitgliedern der tarifschließenden Gewerkschaft zukommen zu lassen, hinaus. Durch sie wird in unzulässiger Art und Weise in die individualvertragliche Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitsvertragsparteien eingegriffen, ausführlich dazu, Ebert, ArbRB 2015, S. 205 (205 f.).

27BAG (GS) v. 29.11.1967 – GS 1/67, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG. Die Zulässigkeit der Differenzierungsklauseln ist dennoch umstritten und vom Einzelfall abhängig.

28Zur restriktiven Rechtsprechung vgl. BAG v. 23.03.2011 – 4 AZR 366/09, NZA 2011, S. 920. In diesem Fall hat das BAG eine Klausel, die tarifgebundenen Gewerkschaftsmitgliedern dann eine Sonderzahlung zusichert, wenn der Arbeitgeber niedrigere Leistungen an Außenseiter kompensiert, für unwirksam erklärt. Vgl. auch Fischer, NZA 2015, S. 662 (664 f.).

29Unbeschadet der systematischen Stellung innerhalb des GG handelt es sich bei den Artikeln der WRV um vollgültiges Verfassungsrecht, vgl. nur BVerfG v. 14.121965 – 1 BvR 413/60, BVerfGE 19, 206; vgl. Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 140 GG, Rn. 8.

30Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 30.

31Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 20.

32Vgl. v. Tiling, Die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, S. 75; Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123).

33Siehe zur Zuordnung kirchlicher Einrichtungen sogleich 1. Kapitel B, IV.

34Sachs/Ehlers, Grundgesetz, Art. 137 WRV, Rn. 7; Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 72.

35Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 72.

36Kocher/Krüger/Sudhof, NZA 2014, S. 880 (881).

37BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387.

38BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138; Sachs/Ehlers, Grundgesetz, Art. 137 WRV, Rn. 9 f.; Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 74.

39Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123).

40Vgl. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 104.

41BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387; vgl. auch BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138 unter Bezugnahme auf BVerfG v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, NJW 1969, S. 29.

42Siehe hierzu § 135 S. 2 BRRG.

43V. Campenhausen, Axel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 236.

44Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 1, Rn. 1.

45So auch Kalb, HdbKathKR, § 20, S. 253.

46Siehe zum steigenden Druck auf das kirchliche Arbeitsrecht Tillmanns, NZA 2013, S. 178 (178); zum Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche, Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 1.

47Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123), ausführlich Richardi, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 69 ff.

48BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138.

49Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 24.

50BVerfG v 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138. Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG die Rechtsprechung des BAG, wonach der bei einer Kündigung eines Arbeitnehmers im kirchlichen Dienst nur gestufte Loyalitätspflichten gelten sollten, je nach Nähe der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Verkündungsauftrag der Kirche, beendet. Ausführlich dazu Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 15. Nach Ansicht von Kocher/Krüger/Sudhof, NZA 2014, S. 880 (882) falle der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Beschäftigten, der nicht verkündigungsnah tätig ist, nicht mehr unter die eigenen Angelegenheiten der Selbstverwaltungsgarantie.

51BVerfG v. 21.09.1976 – 2 BvR 350/75, JuS 1977, S. 258.

52Joussen, RdA 2011, S. 173 (174).

53Joussen, Ad Legendum 2015, S. 19 (19).

54BAG v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, S. 448.

55Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 49.

56Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 53.

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