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Cædmon (ca. 657 - 680) ist der früheste bekannte angelsächsische Dichter. Er stammte aus dem Königreich Horthumbria, und versorgte als Hirte im Doppelkloster Streonæshalch (der heutigen Abtei Whitby) die Tiere. Ursprünglich kannte er die Kunst des Gesanges nicht, lernte aber eines Nachts während eines Traumes zu komponieren, wie der Kirchenhistoriker Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert schreibt. Später wurde er ein eifriger Mönch und ein talentierter christlicher Poet. Seine Geschichte wird in der "Historia ecclesiastica gentis Anglorum" (Kirchengeschichte des Volkes der Angeln) von Beda Venerabilis erzählt.
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Seitenzahl: 214
Veröffentlichungsjahr: 2022
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I.
Genesis.
II.
Exodus.
III.
Daniel.
IV.
Judith.
V.
Christ und Satan.
Cædmon (ca. 657 - 680) ist der früheste bekannte angelsächsische Dichter. Er stammte aus dem Königreich Horthumbria, und versorgte als Hirte im Doppelkloster Streonæshalch (der heutigen Abtei Whitby) die Tiere. Ursprünglich kannte er die Kunst des Gesanges nicht, lernte aber eines Nachts während eines Traumes zu komponieren, wie der Kirchenhistoriker Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert schreibt. Später wurde er ein eifriger Mönch und ein talentierter christlicher Poet.
Cædmon ist einer von zwölf angelsächsischen Dichtern, die in den mittelalterlichen Quellen erwähnt werden, und einer von nur dreien dieser Dichter, von denen sowohl zeitgenössische biographische Informationen als auch Teile ihrer literarischen Werke überliefert sind. Seine Geschichte wird in der Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Kirchengeschichte des Volkes der Angeln) von Beda Venerabilis erzählt, welcher schrieb:
„24. Kapitel.1
In jenem Kloster war ein Bruder, dem die Gabe des Gesanges von Gott in wunderbarer Weise verliehen worden.
In dem Kloster der Äbtissin Hilda befand sich auch ein Bruder, den die göttliche Gnade besonders auszeichnete. Derselbe pflegte Lieder der Frömmigkeit und Gottesliebe zu dichten, so daß er alles, was er von Lehrern aus der Heiligen Schrift hörte, bald hernach in Versen, die mit der größten Lieblichkeit und Genauigkeit gesetzt waren, in seiner anglischen Muttersprache wiedergab. Seine Lieder entflammten manchmal vieler Herzen zur Weltverachtung und zum Sehnen nach himmlischem Leben. Auch andere nach ihm versuchten es, religiöse Lieder zu dichten, aber er blieb von allen unerreicht. Denn er hatte nicht durch Menschen und deren Unterricht die Kunst des Gesanges gelernt, sondern durch die göttliche Gnade die Gabe des Gesanges erlangt. Darum vermochte er auch nicht, ein leichtfertiges, nicht erbauendes Lied zu dichten, für seine fromme Zunge ziemten sich nur fromme Lieder. So lange er in der Welt gelebt, also bis zum vorgerückteren Alter hatte er nie ein Lied gekannt. War er einmal bei einem Mahl zugegen und alle sollten zur Erhöhung des Frohsinnes der Reihe nach ein Lied vortragen, so stand er gleich vom Tisch auf, sobald er die Zither in seine Nähe kommen sah, und kehrte in seine Wohnung zurück.
So hatte er auch einst getan, das gastliche Haus verlassen und sich zu dem Stall der Lasttiere begeben, deren Bewachung ihm für diese Nacht aufgetragen war. Als er sich dort zur gehörigen Zeit zur Ruhe niedergelegt hatte, stand ihm in einem Traumgesicht jemand zur Seite, der ihn grüßte, bei Namen nannte und zu ihm sprach: „Cædmon, sing mir etwas.“ Er aber antwortete: „Ich verstehe das Singen nicht. Weil ich nicht singen konnte, bin ich ja von jenem Gastmahl weggegangen und hierhergekommen.“ „Und dennoch“, sagte jener wiederum, „sollst du mir etwas singen.“ „Aber was soll ich denn singen?“ fragte Cædmon. Jener sprach: „Singe den Ursprung der Schöpfung.“
Als er diesen Bescheid vernommen, begann er sogleich das Lob Gottes des Schöpfers in Versen zu singen, die er nie vorher gehört hatte. Deren Sinn ist etwa folgender: „Jetzt gilt es, zu preisen den Urheber des himmlischen Reiches, den Ratschluß und die Macht des Schöpfers, die Taten des Vaters der Herrlichkeit. Er, der ewige Gott, ist der Urheber aller Wunderwerke. Er, der allmächtige Schirmer des menschlichen Geschlechtes, hat zuerst den Himmel, die Spitze des Gebäudes, und darauf die Erde für die Menschenkinder erschaffen.“ Das ist der Sinn, nicht aber der Wortlaut des Liedes, das er im Schlaf gesungen. Selbst bei der größten Fertigkeit kann man ja keine Lieder aus einer Sprache in die andere wörtlich übersetzen, ohne daß dieselben von ihrer Schönheit und Zierde verlieren.
Als er nun vom Schlaf aufwachte, hatte er noch alles im Gedächtnis, was er schlafend gesungen hatte. Nach derselben Weise fügte er sogleich noch mehrere Verse zu dem Lied des Gottespreises hinzu.
Als er frühmorgens zu dem ihm vorgesetzten Verwalter kam, teilte er demselben mit, welche Gabe ihm verliehen worden sei. Zur Äbtissin geführt, wurde ihm aufgetragen, im Beisein vieler gelehrter Männer seinen Traum zu erzählen und das Lied mitzuteilen. Das Urteil aller sollte entscheiden, was an seiner Erzählung sei und woher das Mitgeteilte seinen Ursprung habe. Und alle waren der einstimmigen Ansicht, daß ihm vom Herrn eine himmlische Gabe verliehen worden sei. Man trug nun einen Abschnitt der Heiligen Schrift geschichtlichen oder belehrenden Inhalts vor und hieß ihn, wenn er könne, denselben in ein Lied umzudichten. Er übernahm die Aufgabe und entfernte sich. Am folgenden Morgen kam er wieder und hatte, was ihm aufgegeben worden, in das schönste Lied umgedichtet. Diesen Fingerzeig der göttlichen Gnade benutzte die Äbtissin Hilda und sprach ihm zu, die Welt zu verlassen und ins Kloster einzutreten. Sie nahm ihn wirklich ins Kloster zu all den Ihrigen auf, gesellte ihn der Schar der Brüder zu und gab den Auftrag, ihn in der heiligen Geschichte zu unterrichten. Er wiederholte nun bei sich alles, was er beim Lernen hörte, es gleichsam wiederkäuend wie ein reines Tier, und gestaltete das Gehörte zum lieblichsten Lied um. Durch den lieblichen Widerklang machte er abwechselnd seine Lehrer zu seinen Zuhörern. Er sang von der Erschaffung der Welt, dem Ursprung des Menschengeschlechtes und der ganzen Geschichte der Genesis, von dem Auszug Israels aus Ägypten und seinem Einzug in das Land der Verheißung, von mehreren anderen Geschichten der Heiligen Schrift, von der Menschwerdung des Herrn, von seinem Leiden, seiner Auferstehung und Himmelfahrt, von der Ankunft des Heiligen Geistes und der Lehre der Apostel. Desgleichen sang er viele Lieder von dem Schrecken des jüngsten Gerichtes und dem Entsetzen der Höllenstrafe, von der Süßigkeit des himmlischen Reiches, und sehr viele andere von den göttlichen Wohltaten und Strafgerichten. Sein ganzes Streben ging bei alledem dahin, die Menschen von der Liebe zur Sünde abzuwenden und zur heiligen Liebe, zum Eifer in Übung des Guten anzuspornen. Denn er war ein gar frommer Mann, in Demut unterwürfig den Regeln des Klosterlebens, gegen jene, welche denselben zuwiderhandeln wollten, von großem Feuereifer entbrannt. Daher beschloß er auch sein Leben mit einem schönen Tod.
Als nämlich die Stunde seines Scheidens nahte2, wurde er 14 Tage vorher krank. Die Krankheit trat jedoch so gelinde auf, daß er während dieser ganzen Zeit sich unterhalten und umhergehen konnte. Es befand sich nun in seiner Nähe eine Zelle, in welche die schwer Erkrankten und dem Tode Nahen gewöhnlich gebracht wurden. Beim Anbruch des Abends seiner Sterbenacht bat er nun seinen Wärter, er möge ihm in jener Zelle ein Lager bereiten. Dieser war erstaunt über solch eine Bitte, da jener dem Tod durchaus nicht so nahe schien, tat jedoch, wie ihm aufgetragen war. Sie gelangten in jener Zelle an und sprachen und scherzten miteinander und mit denen, die außer ihnen daselbst anwesend waren. Als bereits Mitternacht vorüber war, fragte Cædmon auf einmal, ob sie die heilige Eucharistie darin hätten.3 Jene antworteten: „Was soll denn die heilige Eucharistie, du bist ja dem Tode fern, da du so heiter wie ein Gesunder mit uns sprichst.“ Wiederum sprach er: „Bringt mir dennoch die heilige Eucharistie.“ Als er dieselbe in seine Hand genommen, fragte er, ob alle wohlwollenden Sinn gegen ihn hegten und niemand Klage über Zank und Streitsucht zu führen hätte. Alle antworteten, sie hegten gegen ihn friedfertigen und von allem Zorn fernen Sinn.
Da antwortete er: „Meine Kinder, ich trage in mir friedfertige Gesinnung gegen alle Diener Gottes.“ Und nun stärkte er sich mit der himmlischen Wegzehrung und rüstete sich zum Eingang in das andere Leben. Darauf fragte er, wie nahe die Stunde sei, wo die Brüder aufgeweckt würden, dem Herrn die nächtlichen Lobgesänge zu singen. Sie antworteten, dieselbe sei nicht mehr fern. „Gut also“, sagte er, „erwarten wir diese Stunde.“ Er bezeichnete sich darauf mit dem heiligen Kreuzzeichen, legte sein Haupt aufs Kissen zurück, schlummerte langsam ein und endete in Stille sein Leben.
Und so geschah es, daß er, gleichwie er in schlichtem, reinen Sinn und in ruhiger Andacht dem Herrn gedient hatte, also auch in einem ruhigen Tod die Welt verließ und zu Gottes Anschauung gelangte, und daß die Zunge, welche so viele Worte des Heiles zum Lob des Schöpfers gedichtet, auch ihre letzten Worte zu seinem Lob sprach, als er sich segnete und seine Seele in dessen Hände befahl. Aus dem Erzählten leuchtet hervor, daß er auch seine Sterbestunde im voraus gewußt hat.“
1 Beda Venerabilis: Kirchengeschichte des Volkes der Angeln. IV. Buch, Kap. 24. (Schätze der christlichen Literatur, Band 7.)
2 A. D. 680.
3 Der aus den Zeiten der Christenverfolgungen herstammende Brauch, die heilige Eucharistie den Christen, in kostbare Tücher oder Gefäße verborgen, mit in ihre Wohnung zu geben, auf daß sie bei plötzlicher Gefahr sich selber den Fronleichnam des Herrn reichen konnten, scheint hiernach auch in den älteren Klöstern vorhanden gewesen zu sein, so daß die Mönche und Nonnen das heilige Sakrament in ihren Zellen hatten und es nicht ausschließlich aus des Priesters Händen nahmen, sondern es sich auch selbst reichten.
I.
Uns ist es Pflicht gar sehr, daß wir den Fürst der Himmel
der Weltvölker Glorienkönig mit Worten preisen
und im Gemüte lieben: er ist die Machtfülle,
das Haupt von allen Hochgeschöpfen,
5. Obherr voll Allmacht. Es ist ein Ursprung nie
ein Anfang ihm geworden noch wird nun ein Ende kommen
dem ewiglichen König: er ist immer mächtig
über die Himmelsthrone mit hoher Stärke.
Er hielt wahrfest und hochkräftig die Himmelsbusen,
10. die da waren gesetzet weit und breit
den Kindern der Glorie durch Gottes Allmacht,
den Geisterwärtern. Es hatten Jubel und laute Freude
vor ihres Urhebers Angesicht der Engel Scharen
und gar hehre Wonne: ihr Heil war groß.
15. Die glorreichen Diener priesen Gott den Herren,
sagten Lob mit Lust dem Lebensfürsten,
verherrlichten seine Herrschaft, waren in hoher Würde
seliglich gar sehr. Sünde konnten sie
und Frevel nicht vollführen; in Friede lebten sie vielmehr
20. mit ihrem Obherrn ewig, begannen anders nichts im Himmel
ins Werk zu setzen außer Wahrheit und Recht,
bevor der oberste der Engel aus Übermut
in Wahnsinn fiel: sie wollten da nicht länger
üben ihr eignes Beste, sondern ab fielen sie
25. von Gottes Freundliebe. Sie hatten großes Prahlen,
daß sie von Gott dem Herrn die glorienfeste Wohnung
mit starkem Heer erstreiten möchten,
die weite himmelsklare. Ihnen fiel da harmvoll aus
Eifersucht und Übermut und die Anmaßung des Engels,
30. der den Unrat zuerst begann
zu weben und zu wecken, da er mit Worten sprach
nach Neidkampf dürstend, daß er im Nordteile
Heimat und Hochsitz des Himmelreiches
zu eigen wollte haben. Da ward Gott Ingrimms voll
35. und feind dem Volke, das er vorher würdigte
des Glanzes und der Glorie: den treulosen Geistern schuf er
wehvolle Wohnung ihrem Werk zum Lohne,
der Hölle Heulen und harte Qualen;
es hieß der Herr das Haus der Strafen
40. die freudlose Tiefe auf die Verfluchten warten,
auf die Führer der Geister, als er es fertig wußte
begabt mit ewiger Nacht und ausgebaut mit Qualen,
erfüllt mit Feuer und mit furchtbarer Kälte,
mit Rauch und roter Lohe: er hieß da in dem ratlosen Hofe
45. Schreckenstrafe wachsen. Sie hatten Schuldenlast
grimme wider Gott gehäuft: des ward ihnen grimmer Lohn!
Sie sagten, daß das Reich sie mit rüdem Mute
zu eigen wollten haben und könnten’s ausführen leicht:
doch dieser Wahn belog sie, da der Waltende
50. der Himmel Hochkönig seine Hand erhub
die höchste wider die Heerschar. Da mochten nicht die Hartverblendeten
die meinvollen wider den Schöpfer Machtwerk üben,
sondern ihren hohen Mut zerschlug der Hehre da
und beugte ihren Stolz, da er erbittert ward,
55. beschlug die Sündenschädiger des Siegs und der Gewalt,
der Herrlichkeit und Kraft und nahm den Himmelsjubel
seinem Feinde, Frieden und die Freuden alle,
den Glanz der Glorie, und an den Gegnern rächte er
gar sehr seinen Zorn mit selbsteigner Macht
60. mit strengem Sturze. Er hatte starken Mut
in Grimm ergramet, griff an die Gegner
mit feindlichen Händen und in seiner Umfassung brach er
wütend im Gemüte seine Widersacher
beraubt der Heimat, des Reichs der Glorie.
65. Es schaffte da und schied der Schöpfer unser
die übermütige Schar der Engel aus den Himmeln:
es trieb der Waltende die treulose Menge
das leidige Heer an langen Weg,
die armseligen Geister; ihre Anmaßung war dahin,
70. verborsten war ihr Prahlen und gebeugt die Stärke,
geschändet ihre Schönheit: sie lagen in der schwarzen Wohnung
gebunden seitdem in Verbannung lebend.
Sie durften nicht mehr hoch aufjubeln, sondern in der Hölle
Qualen wohnten sie nun elend, lernten Wehe kennen,
75. Schmerz und Sorge, litten schwere Pein
bedeckt von Düster, drückenden Nachlohn
dafür daß sie begannen wider Gott zu streiten.
II.
Da war fest wie vorher Freundschaft in den Himmeln,
Friedesitten lieblich, der Fürst allen lieb,
80. der Herr seinen Dienern: die Herrlichkeit der Scharen
der Wonnehabenden wuchs bei dem Herren.
Es waren da in Eintracht, die den Erbsitz der Glorie
das Himmelreich bewohnen: Haß war geschwunden,
Angst bei den Engeln und unseliger Streit,
85. seitdem die Heerführer den Himmel verließen
des Lichts beraubt. Es stunden leer hinter ihnen
an Glorienfülle reich die großen Sitze
von Gaben grünend in dem Gottesreiche
wonnereich und glänzend der Bewohner bar,
90. seitdem gebeugt in Elend zur Verbannungsstätte
die Geister untern Harmverschluß gegangen waren.
Es erwägte drauf der Walter unser
in seines Herzens Sinnen, wie er die hehre Schöpfung
die Erbsitzgründe abermals besetzte
95. die sonnenhellen Sitze mit seligerem Volke,
welche die anmaßenden Geister hatten aufgegeben
hoch in den Himmeln. Drum wollte der heilige Gott
hier unterm Raum des Äthers durch seine reiche Macht,
daß ihm die Erde unten, oben der Himmel
100. und die weiten Wasser, die Weltgeschöpfe,
gesetzet würden zum Ersatz der Feinde,
da er die Abtrünnigen sandte von oben aus den Himmeln.
Außer Hüllschatten war da hier noch nichts
geworden irgend: dieser weite Grund
105. stund finster noch und tief und fremd dem Herren,
eitel und unnütz; mit seinen Augen schaute
an den der starkmutige König und die Stätte überblickte er
die freudenleere: finsteres Gewölke
sah er schweben unterm Himmel schwarz in Allnacht
110. wüst und dunkel, bis diese Weltschöpfung drauf
ward durch das Wort des Walters der Glorie.
Zuerst schuf hier der ewigliche König
der Helm aller Wesen den Himmel und die Erde;
es errichtete den Äther und dies geraume Land
115. gründete standfest da mit strenger Kraft
der Fürst voll Allmacht. Die Gefilde waren noch
das Gras ungrün: der Ozean deckte
alles weit und breit, die Wogen die dunkeln,
schwarz in Allnacht. Da ward strahlend in Glorie
120. hin übern Holm getragen in hoher Segensfülle
des Himmelswartes Geist. Es hieß der Herr der Engel
des Lebens Spender Licht vorkommen
über diese breiten Gründe; alsbald ward erfüllet
des Hochköniges Geheiß: ihm ward ein heilig Licht
125. über diese wüste Schöpfung, wie der Wirker es gebot.
Drauf sonderte der Siegruhmswalter
über den liegenden Fluten das Licht vom Düster,
die Schatten von dem Scheinglanz. Es schuf da den beiden
der Lebenspender Namen: der Lichter erstes
130. ward geheißen Tag durch unsres Herren Wort,
die wonnigglanze Schöpfung. Wohl gefiel
dem Fürst zuvörderst die Hervorbringungszeit:
es sah der Tage erster die tiefen Schatten
schwarz hinwegschwinden über den weiten Gründen.
135. Da schritt die Zeit dann über das Gezimmer fort
des Mittelkreises4: es schob der Mächtige hinterher
dem schimmernden Scheinglanz, der Schöpfer unser,
der Abende ersten und ein brach dann
das düstere Dunkel, dem allda der Herr
140. schuf Nacht zum Namen. Unser Notretter
sonderte sie und seitdem immer
vollführten und befolgten sie des Fürsten Willen
ewiglich auf Erden. Drauf kam der andere Tag
licht nach dem Düster. Da hieß des Lebens Wart
145. mitten werden in des Meeres Fluten
ein herrlich Hochgezimmer; die Holme teilte
der Walter unser und wirkte da
des Himmels Feste: die erhub der Mächtige
auf von der Erde durch sein eigen Wort,
150. der Fürst voll Allmacht. Die Flut war abgeteilet
unterm hohen Äther mit heiliger Macht,
die Wasser von den Wassern, die da weilen noch
hier unter der Feste des Völkerdaches.
Darauf kam eilig über die Erde schreitend
155. hell der Morgen dritter. Noch waren da dem Herren nicht
weites Land und Wege nutzbar, sondern bewunden stund die Erde
fest mit Fluten. Der Fürst der Engel
hieß durch sein Wort zusammen die Wasser kommen,
die ihren Lauf, nun unter den Lüften halten
160. gestabt an ihre Stätte. Da stund alsbald
der Holm unter dem Himmel, wie der Heilige es gebot,
beisammen breit, sobald gesondert war
vom Land die Meerflut. Da sah des Lebens Wart
der starke König die Stätte trocken
165. weithin sichtbar, die der Wart der Glorie
Erde nannte. Er setzte den Ozeanswogen
den geraumen Fluten ihren rechten Lauf
und fesselte – – – – –
***
Da däuchte es nicht wohlgetan dem Wart des Himmels,
170. daß Adam länger einsam wäre,
des glanzvollen Gartens und der jungen Kreaturen
Hirte und Halter. Drum schuf der Hochkönig
eine Gehilfin ihm, der Herr voll Allmacht:
eine Frau erweckte und als Gefährtin gab sie
175. des Lebens Lichtfürst dem lieben Manne.
Ab löste er dazu dem Adam den Stoff
von seinem Körper los und kunstvoll zog er
ihm eine Rippe aus der Seite: der war in Ruhe fest
und sanft entschlummert, fühlte Schmerzen nicht
180. noch etwas von Beunruhigung; nicht ein Tropfen kam
von Blut aus der Wunde, sondern der Gebieter der Engel
löste ihm vom Leib eine Rippe, eine lebensfähige,
ohne den Mann zu verwunden. Davon machte Gott
ein lieblich Weib und gab ihr Leben ein,
185. eine ewigliche Seele: sie waren Engeln gleich.
Da war die Braut des Adam, die Gott Eva nannte,
begabt mit Geist. In Jugend waren beide
wonnigglänzend in die Welt erzeuget
durch die Macht des Schöpfers. Meinwerk konnten sie
190. nicht üben noch vollbringen, sondern zu dem Obherrn war
in ihrer Brust den beiden brennende Liebe.
Da gab den Segen sein der sanftherzige König
der Schöpfer aller Wesen vom Geschlecht der Menschen
den frühesten zweien, dem Vater und der Mutter,
195. dem Weib und dem Bewaffneten. Er sprach mit Worten da:
„Seid fruchtbar und wachset, füllt mit Nachwuchs
die allgrüne Erde, mit eurem Geschlechte,
mit Söhnen und mit Töchtern! euch soll das Salzwasser
wohnen in Gewalt und alle Weltgeschöpfe.
200. Gebrauchet Lusttage und die Last der Brandung
und die Himmelsvögel! es ist das heilige Vieh
und auch das Wildgetier euch in Gewalt gegeben
und alles Lebende was das Land betritt;
alles was Odem hat, was des Ozeans Fluten wecken
205. in der Heimat der Walle, das gehört euch beiden.“
Da schauete der Schöpfer unser
seiner Werke Wohlgestalt und der Gewächse Fülle,
der jungen Kreaturen. Der Garten stund
gut und gastlich mit Gaben erfüllt,
210. mit fortwährenden Gütern. Freudig leckten
das Land das linde laufende Fluten,
wallende Brunnen. Die Wolken brachten
über den geraumen Grund noch keine Regen da
mit Winden dunkel: doch mit Gewächsen stund
215. das Feld geschmückt. Fortlauf hielten
allda vier edle Auenströme
aus dem neuen Garten, dem Glückgefilde:
die hatte geteilt der Herr mit Macht
alle aus einem, als er die Erde schuf,
220. aus einem wonnigglanzen Wasser und in die Welt gesendet.
Den einen heißen Phison die Volkmänner,
die Erdbewohner, der ein Erdenland
umgürtet breit mit glänzender Strömung,
Hevilath von außen: in dem Erbsitzboden
225. finden die Völker von fern und nahe
Gold und Gemmen, der Gaumänner Kinder,
die besten von allen, wie uns die Bücher melden.
Dann ist ein andrer Strom, der um der Äthiopier
Land und Leutewohnung liegt von außen,
230. um das große Reich: Gihon ist sein Name.
Dann folgt der Tigris, der die Völkerschaft
der Assyrier flutend umsäumt von außen:
so ist’s auch mit dem vierten, den in der Völker manchem
die Wehrmänner Euphrat weithin nennen.
***
235. „Genießet all das andere, laßt nur den einen Baum!
vor dem Gewächse wahret euch! dann wird’s euch nicht an Wonne mangeln.“
Dem Himmelskönig neigten sie mit ihrem Haupte da
sich gern entgegen, dankten Gott für alles,
für die Lehren und die Gaben: er hieß sie in dem Lande wohnen.
240. Da fuhr der heiligliche Herr zum Himmel wieder,
der starkmutige König. Es stund sein Handgewerk
beisammen an dem Sande. Sie kannten Sorgen keine
zu beweinen: sie erwägten nur, wie sie den Willen Gottes
am längsten möchten leisten. Sie waren lieb dem Herrn,
245. solang sie seine heiligen Worte halten wollten.
III.
Der Allwalter hatte der Engelgeschlechter
der heilige Herr durch seiner Hände Kraft
zehne sich geschaffen: die hatten sein Zutrauen wohl,
daß sie begehen wollten seine Jüngerschaft
250. und wirken seinen Willen; drum gab Weisheit ihnen
und schuf mit seinen Händen sie der heiligliche König.
Er hatte sie so seliglich gesetzet: einen hatte er so sehr stark geschaffen,
so mächtig in seinen Mutgedanken, ließ ihn so machtvoll walten
am höchsten nach ihm in dem Himmelreiche. Er hatte ihn so hellweiß geschaffen;
255. so wonnig war sein Wachstum in den Himmeln, das ihm kam vom Weltvölkerherrn:
er war leuchtend gleich den lichten Sternen. Das Lob sollte er des Herrn wirken,
verherrlichen den Himmelsjubel und seinem Herren danken
für das Lehen, das er ihm am Lichte gab, solange er’s ihn ließe walten.
Doch er wandte sich zum Schlimmem, begann Wutkampf zu erheben
260. widern höchsten Himmelswalter, der da sitzet auf dem heiligen Stuhle.
Unserem Herrn war er teuer: nicht mochte dem verhohlen bleiben,
daß sein Engel anfing übermütig da zu sein,
erhub sich wider seinen Herren, suchte haßvolle Sprache,
entgegen großes Prahlen, wollte Gott nicht dienen,
265. sprach daß sein Leib ihm wäre licht und glänzend,
hellweiß und prächtig. Er mochte nicht in seinem Herzen finden,
daß er im Jüngertume Gott wollte
dienen, seinem Herrn: es däuchte ihm selber,
daß er Macht und Stärke mehr noch habe
270. denn der heilige Herrgott haben möchte
über Volksgenossen. Es sprach viele Worte
der Engel da voll Übermut: er dachte durch sein Eines Kraft,
wie er einen strenglicheren Stuhl sich wirkte
einen höheren im Himmel, sprach daß sein Herz ihn treibe,
275. daß zu wirken er begünne im Westen und im Norden,
ein fest Gezimmer sich zu gründen, sprach daß ihm Zweifel däuchte,
daß er Gott sollte als Jünger dienen:
„Was soll ich arbeiten? (sprach er) Mir ist durchaus nicht not
einen Herrn zu haben! mit meinen Händen mag ich
280. wirken so viel Wunder: ich hab Gewalt gar groß,
daß einen besseren Stuhl ich mir erbauen mag
einen höheren im Himmel! was brauche ich um seine Huld zu dienen,
zu begehen solches Jüngertum? ich mag werden Gott wie er!
Es stehn mir strenge Genossen bei, die mich im Streite nicht verlassen,
285. hartmutige Helden; sie haben mich zum Herrn erkoren,
die berühmten Recken: mit solchen mag man Rat erdenken,
fassen mit solchen Volksgenossen! meine Freunde sind sie gerne,
mir hold in ihrem Herzen: ich mag ihr Herr wohl sein
und dieses Reich beherrschen! Drum dünkt mir recht das nicht,
290. daß ich in irgend etwas brauche abzuschmeicheln
Gott der Güter eines: ich will länger nicht sein Jünger bleiben!“
Als da der Allwalter all das hörte,
daß solchen Übermut sein Engel da begann
zu erheben wider seinen Herren und sprach hochfahrende Worte
295. tolle wider seinen Fürsten, da sollte er die Tat entgelten,
Wehe für den Wutkampf haben und gar wehvolle Strafe,
aller Mordqualen meiste: so geht es auch der Menschen jedem,
der wider seinen Walter Wutkampf beginnet
mit Meinwerk wider den Herrn! Da ward der Mächtige ergrimmt,
300. der höchste Himmelswalter, und warf ihn von dem hohen Stuhle.
Er hatte Haß bei seinem Herrn gewonnen, hatte seine Huld verloren;
gram ward ihm der Gute im Gemüte: drum sollte er den Grund aufsuchen
der harten Höllenstrafe, weil er kämpfte widern Himmelswalter.
Der sprach von seiner Huld ihn ab und warf ihn zu der Hölle nieder
305. in die tiefen Täler, wo er zum Teufel ward.
Der Feind und seine Gefährten alle fielen aus den Himmeln
durch so lange wie drei Nächte und Tage,
die Engel von oben in die Hölle, und sie alle schuf der Herr
allda zu Teufeln um. Weil sie nicht seine Taten wollten
310. und sein Wort nicht wert halten, drum warf sie an das schlimmere Licht
unter die Erde nieder der allmachtvolle Gott
und schob die Siegelosen in die schwarze Hölle.
Allda hat am Abend unmeßbar lange
aller Feinde jeder Feuer immer neu
315. und mit Anbruch des Tages kommt Ostwind stets
und Frost furchtbar kalt, immer Feuer oder Frost:
haben sollten sie manch hart Geschwing;
man wirkte ihnen es zur Wehestrafe: ihre Welt war gewendet
und zum erstenmale war da angefüllt die Hölle
320. mit den Widersachern. Es behielten weiter noch die Engel
des Himmelreiches Höhen, die ihrem Gott eh Huld geleistet.
Die Feinde lagen in dem Feuer, die so viel vorher hatten
Wutkampfs wider ihren Walter: die dulden Wehequalen,
heißwallende Gluten in der Hölle mitten,
325. Brand und breite Lohe und auch bitteren Rauch,
Dampf und Düster, da sie den Dienst Gottes
verachtet hatten: ihr Eigensinn betrog sie
und der Übermut des Engels: sie wollten des Allwalters
Wort nicht wert halten. Sie hatten große Wehestrafe,
330. waren da gefallen in des Feuers Busen
zur heißen Hölle nieder ob ihrer heillosen Verblendung
und ob ihres Übermutes, suchten ein andres Land:
das war leer des Lichtes und der Lohe voll,
furchtbaren Feuers. Die Feinde merkten,
335. daß sie eine Unzahl Qualen hatten eingewechselt
durch ihren großen Übermut und durch die Allmacht Gottes
und durch ihre Anmaßung, die allerstärkste.
IV.
Da sprach der übermütige König, zuvor der Engel schönster,
der hellweißeste im Himmel und seinem Herren lieb,
340. teuer seinem Fürsten, bis sie zu toll wurden,
so daß für ihre Frechheit ihnen der Vater selber ward
der mächtige im Gemüte zornig und warf ihn in die Mördergrube
nieder an das Todbett und schuf ihm einen Namen drauf,
sprach daß der höchste Teufel heißen sollte
345. Satan seitdem, hieß ihn dann der schwarzen Hölle
Grund bewachen und wider Gott nicht kämpfen.
Satan redete; sorgend sprach er,
der die Hölle fortan halten sollte
und den Grund bewachen: er war einst Gottes Engel
350. hellweiß in dem Himmel, bis ihn sein Herz verlockte