Bildersuche - Felix Thürlemann - E-Book

Bildersuche E-Book

Felix Thürlemann

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Beschreibung

Seit der Einführung von »Google Image Search« im Jahr 2001 haben globale Anbieter viel in die Bildersuche investiert, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Auch bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz war die Suchmaschinenoptimierung ein starker Treiber. Felix Thürlemann untersucht die beiden Grundtypen der Bildersuche – die sprachbasierte und die bildbasierte – aus einer kulturkritischen Perspektive. Er lotet die Macht der scheinbar alles erfassenden Lupe aus und fragt, inwieweit sich die Welt nach denen richtet, die die Bilder von ihr zur Verfügung stellen.

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Seitenzahl: 56

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Sichtbar wird nur, was auch auffindbar ist. Suchmaschinen helfen bei der Navigation durch das Meer der Bilder. Felix Thürlemann wirft einen analytisch scharfen Blick auf die Bildersuche: Welche Vorstellung von Welt vermittelt sich über die Mechanismen von Google & Co.?

Felix Thürlemann

BILDERSUCHE

Wie unsere Sehwünsche sich erfüllen

Verlag Klaus Wagenbach    Berlin

DIGITALE BILDKULTUREN

Durch die Digitalisierung haben Bilder einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Dass sie sich einfacher und variabler denn je herstellen und so schnell wie nie verbreiten und teilen lassen, führt nicht nur zur vielbeschworenen »Bilderflut«, sondern verleiht Bildern auch zusätzliche Funktionen. Erstmals können sich Menschen mit Bildern genauso selbstverständlich austauschen wie mit gesprochener oder geschriebener Sprache. Der schon vor Jahren proklamierte »Iconic Turn« ist Realität geworden.

Die Reihe DIGITALE BILDKULTUREN widmet sich den wichtigsten neuen Formen und Verwendungsweisen von Bildern und ordnet sie kulturgeschichtlich ein. Selfies, Meme, Fake-Bilder oder Bildproteste haben Vorläufer in der analogen Welt. Doch konnten sie nur aus der Logik und Infrastruktur der digitalen Medien heraus entstehen. Nun geht es darum, Kriterien für den Umgang mit diesen Bildphänomenen zu finden und ästhetische, kulturelle sowie soziopolitische Zusammenhänge herzustellen.

Die Bände der Reihe werden ergänzt durch die Website www.digitale-bildkulturen.de. Dort wird weiterführendes und jeweils aktualisiertes Material zu den einzelnen Bildphänomenen gesammelt und ein Glossar zu den Schlüsselbegriffen der DIGITALEN BILDKULTUREN bereitgestellt.

Herausgegeben von

Annekathrin Kohout und Wolfgang Ullrich

Die Bildersuche ist dank dem Smartphone zu einem Instrument des Weltzugriffs geworden.

Einleitung

Suchmaschinen (search engines), wie sie mit einem etwas angestaubten Begriff noch immer genannt werden, sind neben Apps die wichtigsten Eingangspforten zum World Wide Web. Dank ihnen kann zumindest ein großer Teil der auf Servern weltweit gespeicherten Inhalte abgerufen werden. Während die Volltextsuche schon früh befriedigende Resultate lieferte, erwies sich die Entwicklung von effizienten Instrumenten der Bildersuche als wesentlich schwieriger. Ein erster Durchbruch gelang mit der am 12. Juli 2001 lancierten Bildersuchmaschine Google Image Search. Bald darauf investierten globale Anbieter in den Bereich Bildersuche besonders intensiv, um sich gegenüber Konkurrenten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Optimierung der Bildersuchmaschinen wurde ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung der sogenannten Künstlichen Intelligenz. Die unter dem Begriff Computer Vision zusammengefassten, von Algorithmen simulierten Verfahren der Bilderkennung und -analyse sind heute zentrale Elemente bei der digitalen Verarbeitung von ›Welt‹.

Mittlerweile ist die umgekehrte, bildbasierte Bildersuche (content based image retrieval) zu einem effizienten und mächtigen Instrument des Weltzugriffs ausgebaut worden. So können etwa Touristinnen und Touristen, die des Japanischen nicht mächtig sind, unter Einsatz ihres Smartphones die Speisekarte eines lokalen Restaurants in Sekundenschnelle in ihre eigene Sprache übersetzen. (# 1) (# 2) Das mobile Gerät ist zu einem Begleitinstrument geworden, das den eigenen kognitiven Fähigkeiten in manchen Bereichen weit überlegen ist. Durch die Kamera des Smartphones werden häufig mehr Informationen über die Umgebung geliefert, als wenn die Welt direkt wahrgenommen wird.

# 1 Fischrestaurant in Kanasawa, Japan

# 2 Ausschnitt aus der Speisekarte in der Übersetzung von Google Lens

Dieses Buch versteht sich nicht als Ratgeber für eine effiziente Bildersuche. Es ist vielmehr eine an der Bildwissenschaft orientierte kulturkritische Analyse. Nicht behandelt werden Fragen der Programmierung, der Zensur und der Ethik, des Copyrights und der Optimierung von Websites. Auch die Videobildsuche ist nicht Gegenstand. Nachgezeichnet wird in knapper Form und mit offenem Ausgang die Entwicklung der Bildersuche in ihren beiden Grundformen: der sprach- und der bildbasierten Suche. Der Akzent der Analyse liegt auf der Mensch-Maschine-Interaktion des Individuums. Um jedoch die Funktionsweise der Bildersuche zu verstehen, müssen neben den Aktivitäten des Individuums auch die des Kollektivs untersucht werden. Die Unterscheidung zwischen dem Nutzer-Individuum und dem Nutzer-Kollektiv ist für das Verständnis der Suchmaschinen grundlegend. Denn die individuelle Suche ist immer von den Suchaktivitäten der Allgemeinheit geprägt, mit denen die Suchmaschinen laufend optimiert werden.

Eine befriedigende Suche ist eine kleine Erfolgsgeschichte: die Erfüllung eines spezifischen Bildwunsches. Der Prozess macht das Nutzer-Individuum glauben, es führe dabei Regie. Doch die Resultate, die die am kommerziellen Erfolg orientierten globalen Anbieter auf die Anfragen hin liefern, sind weitgehend vorgegeben. Grund dafür ist die selektive Auswahl der auf den Servern zur Abfrage gespeicherten Daten einerseits und die Architektur der Suchalgorithmen andererseits. Zusammen entscheiden sie, welche bildfähigen Dateien1 aus dem Internet als Resultat der Suche auf dem Display in Form von leuchtenden Bildern erscheinen und in welcher Aufbereitung und Anordnung dies geschieht.

Die Analyse der Bildersuche verlangt, das naive Konzept des Bildes als objektiver Darstellung von Welt zu hinterfragen. Die aufgespürten Bilder sind fast durchwegs instrumentalisierte Bilder, denn sie haben eine spezifische Funktion für die Website, in die sie eingefügt sind. Auf den Seiten der Onlinehändler dienen sie der Präsentation von Waren, auf den Museumswebsites vertreten sie die Originale, auf sachbezogenen Seiten verweisen sie als Illustrationen auf die behandelten Themen. Das jeweils gültige Konzept, bei dem das Bild den dargestellten Sachverhalt vertritt, kommt den kommerziellen Interessen der großen Anbieter entgegen und wird durch die von ihnen eingesetzten Algorithmen gefördert.

Die Bilder, die als Suchresultate auf dem Display des Endgeräts aufscheinen, sind dabei überraschend instabil und wandelbar. Diese Beweglichkeit, die das Bild im digitalen Kontext allgemein charakterisiert, wird bei der Bildersuche von den eingesetzten Algorithmen besonders stark ausgereizt. Die in Kachelform präsentierten Bilder haben keinen festen Ort und keine fixen formalen Eigenschaften. Man kann sie durch Anklicken vergrößern, man kann sie verschicken, herunterladen oder auf der Website betrachten, in die sie eingefügt sind. Die soziale Bedeutung der Bildersuche beruht nicht nur auf ihrer großen Verbreitung als einem der wichtigsten Zugänge zum Internet. Für das Individuum, das sich einen Sehwunsch erfüllen will, hat der Prozess der Bildersuche meist eine intensive Rezeption der aufgerufenen Bilder zur Folge. Mehrere kognitive Kompetenzen kommen dabei gleichzeitig ins Spiel: vergleichendes Urteil, Emotion und Vorstellungskraft. Wer für seine Ferienreise auf der Suche nach einem möglichst menschenleeren, weißen Sandstrand ist, bekommt ein reiches Bildangebot geliefert, bei dessen Verarbeitung das auf dem Display Sichtbare und die eigene Imaginationsleistung sich wechselseitig verstärken. Die Gefahr, dass das so generierte Wunschbild den Realitätstest am Ende nicht überstehen wird, ist freilich groß.