Black Neverland - Ana D. Rocky - E-Book

Black Neverland E-Book

Ana D. Rocky

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Beschreibung

»Was kommt nach dem Exorzismus? Genau, die Taufe.« DAS FINALE der Morata-Boys und ihrer Knospe. Nimmerland. Letzte Tage und Wochen. Vier Brüder und eine Knospe … Angel, Sage, Rocco und Phoenix … Wisst ihr noch? Das Mädchen aus New Salem kam in euer Haus und dort wart ihr. Vier verlorene Jungs, die mich auf das Schachbrett zerrten und mir ihre verdorbenen Welten zeigten. Mit aller Kraft wollte ich die Barriere aus Testosteron durchbrechen, zurück in meine Taubheit fliehen. Stattdessen ließ ich das Salz auf meiner Haut zu. Den warmen Meereswind, der mir die Haare zerzauste und Sandkörner, die mir zu schnell durch die Finger rieselten. Ich erlebte sechs Wochen voller Sünde, Absolution und einer Kurve, die ich nicht nehmen konnte. Allein erwachte ich im dunklen Winter, in der Ruhe vor dem heraufziehenden Sturm. Bekämpfe Trauma mit Trauma. Vier Brüder taten es. Zu fünft gingen wir All-in und ich verlor mich zwischen Freiheit und Lebendigkeit. Unser Feuerwerk war gigantisch, episch, grenzüberschreitend. Und doch war fliegen wie fallen, der Spiegel ein zerschmettertes Mosaik. Weil wir es immerzu schmutzig wollten, dann wieder zart. Ganz gleich, wie es passierte: Wir waren die Unreal Engine 5. Bis die Welt endgültig aufhörte, sich zu drehen, jetzt Schicksal und Liebe ihren Lauf nehmen. Wenn Zeit bedeutungslos wird. Düster, Sinnlich, Atmosphärisch, Morata-Brüder Band 5 der Black-Reihe – Das Finale Enthält direkte Sprache und explizite Szenen – Bitte verantwortungsvoll lesen – Es folgen weitere Bücher im Morata-Universe – die Reise von Flores & den Boys ist abgeschlossen Leserstimmen: Ich habe dieses Buch gefühlt, 1000 Broken Hearts Moments. Ich habe geweint, gelitten, gelacht und es am Ende geliebt (Lydia, Bloggerin) Wir begannen mit Absolution, einem Ticket für Welten, die keiner kennt und enden in Neverland. Morata ist nicht nur ein Nachname, Morata ist ein Gefühl von Zusammenhalt. Die Brüder haben mein Herz und mein Fenster wird nun immer einen Spalt offenbleiben, denn Neverland ist in jedem von uns. (Michelle, Bloggerin) Es geht genauso spannend, gefühlvoll und emotional weiter und man bekommt einfach nicht genug vom Morata Universum. Ana überrascht einen immer wieder (Laura, Bloggerin)

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Seitenzahl: 496

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dark Reverse Harem
Impressum
Widmung
Soundtrack
Stell dir vor ...
Wie alles endete
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
Epilog
Morata-Universe
Phoenix Morata Song
Danksagung
Nachwort
Dark New Adult
Dark Romantasy
Über die Autorin
Über den Verlag
Leserwarnung

Dark Reverse Harem

Was erwartet dich in diesem Buch?

Die weibliche Hauptfigur geht mit mehr als einem Mann eine sexuelle Beziehung ein. Für diese Männer ist SIE die EINE und wenn es ein Happy End geben sollte, ist das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht klassisch westlich. Deswegen heißt es auch »umgekehrter Harem«. Es wird geteilt. Und glaub mir:

Du willst definitiv geteilt werden.

Impressum

1. Auflage

Copyright © Ana D. Rocky, Deutschland

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Sternfeder Verlag

Lektorat & Korrektorat: Sternfeder Verlag

Herausgeber: Sternfeder Verlag

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich.

Jede Verwendung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig.

Personen und Handlungen sind frei erfunden und etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen rein zufällig.

Mehr über den Sternfederverlag:

Instagram: @ sternfeder.verlag

www.Sternfederverlag.de

[email protected]

Mehr über die Autorin Ana D. Rocky:

www.facebook.com/anadrocky

Instagram: @ana.d.rocky.autorin

www.anadrocky.com/shop

[email protected]

Widmung

Für alle, die bis zum Schluss kämpfen.

Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.

Neverland sind wir.

Soundtrack

Black Neverland Vibes

For Everything A Reason | Carina Round

Schmerz, Trauer, Ohnmacht, Liebe

Run | Leona Lewis

Split

Sociopath | Lucas King

Sage (der Puncher)

Bulletproof | Godsmack

Phoenix (der Hexer)

Slipknot | Snuff

Angel (der Teufel)

The Last Line | Chester Bennington

Rocco (der Harlekin)

Satellite | Rise Against

Flores (die Knospe)

Zwischen meinen Zeilen | LEA

Der Song meines Lebens

Bittersweet Symphony | The Verve

Vollständige Playlist auf Spotify unter:

Black Neverland Soundtrack

Von Ana D. Rocky

Stell dir vor ...

... du stehst am Ground Zero der Spiele.

Wirst du endgültig blühen?

Oder für immer verwelken?

Eine ausführliche Leserwarnung findest du wie immer am Ende dieses Buches. Pass auf dich auf!

Wie alles endete

99,9%

100 Bürstenstriche am Tag sorgen für glänzendes Haar. So sagt man. Emi kümmert sich um mich und bringt in Ordnung, was schon wieder falsch gelaufen ist. Vor Stunden bin ich zurückgekommen, wurde sofort von Eve in Augenschein genommen und habe Antibiotika bekommen. Wundinfektion war ihre wenig überraschende Diagnose unter vier Augen, weshalb bereits zwei Tabletten geschluckt sind. Auf meine sonstige Verfassung ist sie nicht eingegangen. Stattdessen hat sie mir ein Röhrchen Blut abgezapft und mich genötigt, ins Töpfchen zu pinkeln. Seitdem liegt über dem Haus eine Grabesstille. Das Zimmer wurde zu meinem Sarg und die in mir wütende Hitze ersetzt das Krematorium. Nicht genug! Nachdem, was heute passiert ist, verbrenne ich noch nicht genug.

»Hatte Mum nach mir gefragt, Em?« Diesmal ist es kein Themenwechsel, in den ich mich flüchte, sondern Furcht. Früher wäre sie mir nicht von der Pelle gerückt. Jetzt werde ich ausgesperrt.

Meine Freundin schüttelt den Kopf. »Als ihr aufgebrochen seid, ging der Streit zwischen Caitlyn und ihr in die zweite, dritte und vierte Runde. Deutliche Worte sind gefallen, Fleuri. Ich denke, dass sie nun Zeit braucht. Auch wenn ich Cat nicht einschätzen kann, war sie schonungslos ehrlich und traf mit vielem wunde Punkte. Gloria trägt an dem verunsicherten Mädchen im Spiegel durchaus eine Mitschuld.«

Wieder gleitet die Bürste durch feuchtes Haar, weil ich trotz Eves Empfehlung, strikte Bettruhe zu halten, mir den Tag vom Körper waschen musste. Ein Ring. Eine Frage. Eine Waffe. Endstation.

»Wurde er ... gefunden?« Noch mehr Furcht flutet mich.

»Das weiß ich ehrlicherweise nicht. Wenn eine Familie in der Lage ist, still und heimlich zu operieren, dann die Moratas. Caitlyn rekrutierte die Sippe mit nur einem Fingerschnippen und schwuppdiwupp saß ich allein im Spa. Sogar Holly ist mit aufgebrochen. Wenig später bin ich dir ja nicht mehr von der Seite gewichen. Fleuri ..., Kopf hoch, es kommt schon wieder alles in die Reihe.«

»Diesmal nicht, Emma.«

Anstatt ins gleiche Horn zu blasen, startet sie damit, meine verspannten Schultern zu massieren. »Was hältst du davon, wenn wir die guten alten Zeiten aufleben lassen und jetzt die Facetime mit Danielle nachholen? Das bringt dich sicher auf andere Gedanken.«

»Meinst du denn, sie ist noch wach? Morgen ist doch Schule.«

»Seit wann juckt dich das?«

»Seit ich keine Ahnung mehr habe, wer ich bin, Emi.« Aus Reue senke ich die Lider. Immer waren wir ehrlich zueinander. Jetzt schlucke ich herunter, halte sie auf Abstand und empfinde keine Freude mehr über die Rückkehr in vergangene Zeiten und in unser Dreiergespann. Dort, wo etwas fehlt, wurde ein schwarzes Loch geboren.

Ein paar Zentimeter rutsche ich mit dem Stuhl zurück, schlage mir die Wolldecke enger um den Körper und schlurfe wackelig hinüber zum Fenster. »Genauso ..., bis tief in die Nacht hinein habe ich als kleine Flores auf meinen Dad gewartet, gehofft und gebetet, dass er zu mir zurückkehrt. Dreizehn Jahre später war es dann endlich so weit. Christopher McGhee öffnete mir die Tür, ließ mich hinein in sein bescheidenes Reich und ich habe auf ihn geschossen. Im Pitch. Nachdem er Zeuge wurde, wie mich meine Stiefbrüder liebten. In Phoenix hatte er seinen Sündenbock gefunden, wollte ihn büßen lassen. Dann geriet alles außer Kontrolle und der Mann, der mich zur Frau will, fiel aus dem Leben.« Meine Finger formen eine Waffe und ich blicke mir über die Schulter. »Peng. Peng. Zwei Schuss, überall Blut. Ich trage Roccos Ring und dennoch gehöre ich nicht ihm allein.«

»Seinen Ring? Rocco Moratas Ring? Der Ring des tattooed Guys? Ein Ring von Mr. Hottness Himself? Der mit dem Piercing zwischen deinen Beinen tanzt? Oh. Mein. Gott. Ich muss ihn sehen.«

»Hast du mir nicht zugehört?«, frage ich irritiert, weil ich ihr meine Schuld offenbart habe und sie überhaupt nicht darauf eingeht. Dennoch strecke ich ihr meine linke Hand entgegen. Vergeblich wird jeder Finger einzeln begutachtet, dann wieder fragend mit mir Blickkontakt aufgenommen.

»Wo?«

»Als Anhänger an Phoenix Armband. Rocco war es, der einen Platz neben dem Kleeblatt passend fand. Vorerst.«

Hände werden sich über den Kopf geschlagen, die Backen aufgeplustert, mehrmals geblinzelt, nach den richtigen Worten gesucht. »Uff ...«

»Siehst du mich denn gar nicht mit anderen Augen?«

»Wie könnte ich, Fleuri. Dein Dad ist selbst schuld. Er hat seiner Tochter unvorstellbares Leid zugefügt. Damals und heute.«

Leise klopft es an der Tür, sodass wir unser Gespräch sofort beenden und in Richtung des Geräuschs blicken. »Darf ich hereinkommen, Honey?«

Herzklopfen. Herzstolpern. Herzrasen. Herzensangst. »Ja«, antworte ich schmal. Natürlich lässt sich Caitlyn das nicht zweimal sagen. Umgehend tritt eine Frau ein, die stundenlang fürchterlich geweint haben muss. Ihre Augen wirken verquollen, das Gesicht übersät mit rötlichen Flecken. Der pure Schrecken hat Einzug gehalten, springt sofort auf mich über.

»Nein. Nein. Nein. Bitte nein.« Wie ein Mantra wiederhole ich die Worte, als könnte ich dadurch Geschehenes abwenden. In wenigen Schritten bin ich bei ihr und falle vor Phoenix Mum auf die Knie. »Nein ..., sag mir, dass er nicht ...« Zutiefst verzweifelt schlage ich mir die Hand vor den Mund, weil ich das nicht aussprechen kann. »Cat ...«

Schweigend hilft sie mir wieder auf die Füße, streicht mir die Haare aus der Stirn und küsst mich liebevoll auf die Wange, verharrt so für einen Moment. Wir haben uns so gehasst. Davon ist nichts mehr übrig. Sie versteht mich. »Es war nicht leicht, Flores. Pausenlos hat er deinen Namen gesprochen. Nur deshalb bin ich nicht zu spät gekommen. Deinetwegen. Und dafür werde ich dir auf ewig dankbar sein. Mein Sohn wartet im Kaminzimmer auf dich.«

In Lichtgeschwindigkeit fällt die Wolldecke zu Boden und ich stürme barfuß drauflos, um doch noch einmal zu stoppen, mich zu ihr zu drehen. »Trotz später Stunde möchte ich etwas verkünden, Cat. Kannst du alle in zwanzig Minuten in den Pavillon bitten? Auch Gloria?«

»Bist du dir sicher, Honey?«

»Zu eintausend Prozent!« Mit diesen gewichtigen Worten streife ich mein ewiges Fluchtverhalten ab, stelle mich den unvermeidbaren Tatsachen.

Nur mit einer zerschlissenen Jogginghose bekleidet und in ein ausgeleiertes T-Shirt gehüllt, mache ich mich auf den Weg. Spitzes Geröll bohrt sich in meine Fußsohlen, das Fieber zerrt an mir, der Wind pustet mich ordentlich durch. Meter für Meter arbeite ich mich den Weg entlang, bis ich kurz vor dem Ziel das Tempo herausnehme. Jedes Härchen richtet sich auf, weil ich ihre Schatten erkenne. Drei der Moratas stehen Spalier.

»Bitte verkauft das Strandhaus nicht.« Ich spreche ohne Barriere, frei heraus. Verflogen ist jeglicher Zweifel an dem, was ich brauche. »Der Pitch ist mein Fixpunkt, der zweite Stern rechts. Vielleicht finde ich irgendwann nach Hause zurück.« Sie könnten mich aufhalten. Sie könnten verhindern, dass ich uns offenbare. Sie könnten so vieles. Angel, Sage und Rocco lassen mich gewähren. Weil ich ihre Königin bin.

Von einer unendlichen Ruhe erfasst trete ich durch die Glastür, bleibe vor dem Durchgang zum Kaminzimmer stehen. Überrascht lausche ich einer Melodie, die ich nicht erwartet habe. Spielt er? Kaum traue ich mich, weiterzugehen, ihn bei diesem zerbrechlichen Moment zu stören. Fest bausche ich den Stoff des Shirts in meiner Hand, als wäre ich so in der Lage, mein Herz zusammenhalten. Ebenso, wie es bei dem melancholischen Klang seiner Stimme bricht, heilt es.

Stück für Stück arbeite ich mich vor. Im Kamin züngelt das Feuer, was den Raum rotgolden tüncht. Gemächlich knackt es. Mal lauter, mal leiser. Vereinzelte Funken sprühen und frisch aufgeschichtete Holzscheite sorgen für eine intensive Wärme, die meine eigene Hitze weiter verstärkt. Er hat es nicht getan, ist nicht dorthin fortgegangen, wo ihm keiner von uns folgen kann. Schluchzer für Schluchzer verselbstständigen sich und ich bin außerstande, etwas dagegen zu tun. Ich liebe diesen Kerl so verdammt sehr.

»Wir beide oder keiner«, flüstere ich seine Worte von vor Wochen nur für mich bestimmt. Dennoch hört er sie, schenkt mir einen kurzen, unendlich verlorenen Augenaufschlag.

»Komm näher, Baby.«

Kratzig, weich, rau, dreckig und so sinnlich. Phoenix ruft mich und ich folge. Leicht nach vorn gebeugt sitzt er auf einem der Stühle, hält die E-Gitarre wie einen Anker, der ihn das hier durchstehen lässt. Irgendwie.

»Du bist zurückgekommen. Trotz allem.«

»Und du bist krank, schaffst es kaum, dich auf den Beinen zu halten. Bitte setz dich, Flores. Ich will nicht, dass du gleich umkippst.«

»Das passiert schon nicht. Mittlerweile bin ich hart im Nehmen.«

Haare werden sich aus dem Gesicht gestrichen, diesmal länger Blickkontakt aufgenommen. »Das bist du. Verdammt, das bist du.« Eindeutig, zweideutig, mehrdeutig. Er und ich. Wir sind Feuer, Wasser, Wind und Erde in einem.

Vorsichtig rutsche ich so dicht heran, dass ich wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum erwartungsvoll die funkelnden Lichter bestaune. Zaghaft lege ich meine glühende Stirn auf sein Knie. »Versprichst du mir, dass du nie wieder verschwindest, Phinx?«

Mir bleibt nicht verborgen, dass er mich berühren möchte, es sich jedoch verbietet. So verharren wir für eine Weile, bis er sich mir öffnet. »Mum hat mich heute gefunden, Flores. Und mir von Jackson erzählt. Wie er war, was sie an ihm geliebt hat und verzweifeln ließ. Ich bin wie er. Es ist in mir drin. Der Exzess, die Sucht, immerwährende Maßlosigkeit und der Drang, Menschen, denen mein Herz gehört, zu enttäuschen. Dir etwas zu versprechen, was ich am Ende nicht halten kann, ist nicht das, was ich will.«

»Und was willst du, Phoenix?«

Geschmeidig wird die Gitarre zur Seite gestellt, sich zu mir heruntergebeugt und der Kragen meines Shirts gepackt. Heißer Atem streift mich, eisblau fixiert mich, Lippen necken mich. »Rocco hat mir geschrieben, dass ein Geschenk auf mich warten würde, wenn ich heute nicht das Zeitliche segne. Sozusagen den Jackpot einheimse für eine weitere Runde im Irrenhaus des Lebens.«

»Das beantwortet meine Frage nicht. Was. Willst. DU?«

Augen schweifen hinab zu meinen Fingern, bevor er mein Handgelenk greift und mit ernstem Blick den Ring betrachtet, seine Konturen nachfährt. »Dich, Baby. Phoenix will Flores.« Rittlings lande ich auf seinem Schoß, er packt mich im Nacken und wir vergessen völlig, wo wir sind, was heute alles passiert ist, dass zwanzig Minuten zu kurz sind. Wenn ich Phoenix Morata jemals geküsst habe, dann niemals so. Wir sind nicht hektisch. Wir sind nicht flammend. Wir sind uns sicher. Er hat sich selbst überlebt. Für uns.

Minutenlang halten wir uns fest, bis sich laut und deutlich die Familienkonferenz ankündigt. Widerstrebend bringe ich Abstand zwischen uns. »Jetzt hast du nicht für mich gespielt.«

»Oh Baby ...«, unter halb geschlossenen Lidern werde ich mit Blicken an allen Orten gestreichelt, »das werde ich. Verlass dich drauf.«

Diesmal in den Tunnel aus Entschlossenheit gleitend, stelle ich mich hinter das Rednerpult, halte mich verkrampft an den Seiten fest. Kein Blatt liegt vor mir, das mir zeigt, was ich zu sagen habe. In keinem Tagebucheintrag sortierte ich meine Gedanken vorab. Keinen Aufschub gewähre ich mir, trotz meiner äußerst bescheidenen Verfassung. Wieder einmal hat eine Extremsituation den Grundstein gelegt, eine letzte Hürde zu nehmen. Ich kann das.

Wuselig werden Stühle gerückt, in Position gebracht, dann die Frau im Mittelpunkt schweigend betrachtet. Auf die Minute genau, sind alle da und ich konzentriere mich ab jetzt nur auf mich. It´s my fucking Stage ... Die Bühne wird zum Beichtstuhl. Flores bekommt doch ihre Pressekonferenz im kleinen Rahmen.

»Kannst du mir erklären, was das hier soll?« Zischend tritt Mum neben mich, schiebt ihr Gesicht vor mein leicht nach unten Geneigtes. Ihre Augen wirken müde, abgespannt, unendlich kritisch.

»Lass sie, Gloria. Und setz dich. In dieser Familie darf jeder das Wort ergreifen, sich Gehör verschaffen. Vor allem nach dem heutigen Tag, von dem du kaum etwas mitbekommen hast.« Dreimal klopft Charles auf das Pult und führt seine Frau zurück in die Reihe. Zugleich hechelt jemand neben mir aufgeregt, wedelt mit dem buschigen Schwänzchen und fackelt nicht lange. Dreist legt sich Ronny halb auf meine Füße, bannt mich an Ort und Stelle. Spätestens jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Unendlich langsam hebe ich meinen Kopf, nehme alles nur noch in Zeitlupe wahr. Tick. Tack. Tick. Tack. Tick. Tack. Die antike Wanduhr produziert das Geräusch wie ein Donnerschlag. Jede verstrichene Sekunde steht für sich, hallt wider, kündigt die nächste an. Ganz Nimmerland ist hier versammelt: Verlorene Jungs. Freunde. Piraten. Statisten. Wendy und Peter. Hook! Er starrt mich an und ich ihn. Ist es Hass? Ist es Liebe? Ist es Zorn? Der Mittag steckt ihm sichtlich in den Knochen. Noah ängstigt mich, hat er doch nichts mehr zu verlieren.

Meine kleine Faust klopft auf das Holz des Pults. Nicht wütend, sondern mich selbst antreibend. Die Zeit ist gekommen, das Schweigen zu brechen. Tief atme ich durch und erzähle einen ersten Teil meiner Geschichte:

»Wisst ihr, wie es sich anfühlt, wenn das Glück die Seiten gewechselt hat? Und wie hart es ist, wenn das Leben in Scherben liegt, einen Weg hindurchzufinden? Ohne langsam zu verbluten? Wenn die Sonne scheint, doch die Strahlen nicht mehr ausreichen? Charles, ich kann nicht deine Adoptivtochter werden. So sehr ich mir einen Dad wünsche. So wenig ist das der richtige Weg für mich. Mum, in deinen Armen bin ich gestorben. Einsam an Kummer erstickt, der mich keinen Ausweg hat sehen lassen. Und obwohl du mich zurückgeholt hast, war ich weiterhin fort. An einem Ort gefangen, der bis heute nach mir ruft. Der mir Bilder zeigt, die mich so sehr verunsichern und mich an meinem Verstand zweifeln lassen. War in der Laundry jemand bei mir? Manchmal wünschte ich, es wäre so. Dann hätte ich die Gewissheit, nicht verrückt zu sein. Deine Flores hat Angst. Immerzu.«

Noch nicht einmal jetzt bin ich mir ihrer Unterstützung sicher. Gloria hält krampfhaft den Kopf gesenkt, umklammert das Babyphone fest in ihrer Hand, würdigt mich keines Blickes. Luftholend suche ich Mias Zuspruch. Ihr ist klar, was ich vorhabe, was auf meinen Lippen liegt. Trau dich, Flores. Es ist richtig. Exakt das lese ich in ihrer gesamten Gestik und Mimik. Ich schaffe das. Ich schaffe das. Ich schaffe das. Hier geht es um mich.

Langsam gleite ich über die anwesenden Köpfe hinweg, festige meinen Stand, benetze mir die ausgetrockneten Lippen. »Der Sommer hat mir gezeigt, wie sich Lebendigkeit nach einer unendlichen Taubheit anfühlt. Der Winter war trotz seiner Kälte, der heißeste, den ich je erleben durfte. Ich bekam ein Stück von mir selbst zurück und im neuen Jahr segelte ich für einen ewigen Moment durch das pure Glück. Vier Brüder waren meine Rettung in letzter Instanz. Meine Zuflucht vor dem schleichenden Tod auf Rezept, düsteren Gedanken und Entschlüssen, die andere glücklich gemacht hätten, aber nicht mich.«

Wie verdammt wütend es mich macht, von ihr ignoriert zu werden. »Mum ..., sieh mich doch bitte an. Vielleicht verstehst du mich dann.« Tick. Tack. »Nun sieh mich endlich an!«, fordere ich schallend. »Ich rede mit dir.« Die Blooms nehmen Kontakt auf und ich klaube all meinen Mut zusammen, um das Mosaik zu erneuern. Daisy ist doch erwachsengeworden. »Mit dreizehn Jahren wurde ich vergewaltigt. Mehrfach. Brutal. Auf abscheulichste Weise. Und ich habe eine Entscheidung getroffen. Denn ich bin das Mädchen, das überlebte.«

Schlagartig schiebt sich der Surfer in mein Sichtfeld, nutzt den Schockmoment für sich. »Nein, Flores ..., du hast deine Seele vierfach verkauft. Dich von deinen Stiefbrüdern auf perverseste Art durchficken lassen. Viel zu lange habe ich geschwiegen, mir etwas vorgemacht, dass du zur Vernunft kommst, dir sogar einen Antrag gemacht. Herrgott, noch im Dezember wolltest du ein Baby von mir.« Wild zerrt er sein Handy hervor, scrollt durch die Nachrichten. »Hier, schwarz auf weiß. Ich lese es euch vor:«

...

»Noah ..., ich meine das völlig ernst. Ich liebe dich. Bitte hilf mir, wieder auf den Pfad der Tugend zu gelangen. Du hast doch selbst gesagt, dass die dunklen Flecken Zeit brauchen, bis sie gänzlich verblassen. Waren das nur leere Worte?«

...

»Und es wird noch eindeutiger:«

...

»Möchtest du ein Baby mit mir machen? Als Zeichen, wie ernst es mir ist? Aus Liebe.«

...

Ein Raunen wabert durch die Reihen. Fassungslose Gesichter, soweit das Auge reicht, betrachten mich und ihn. Gleich kippe ich um, halte mich verkrampft am letzten seidenen Faden aufrecht.

»Flores ..., du warst doch schon ein Opfer. Warum wurdest du es bereitwillig wieder? Ist das deine Art, zu verarbeiten? Gefällt es dir, wenn Sie dich erniedrigen, auseinandernehmen, womöglich die Vergewaltigung an dir nachstellen? Bist du so zerstört, dass es dir gleich vier Schwänze besorgen müssen, bevor du deinen Wert erkennst?«

Hook stürmt auf mich zu, wird in letzter Sekunde von Charles gestoppt, der seinen Söhnen in Windeseile zuvorkommt. Gnadenlos fixiert er Noah im Klammergriff, schränkt seine Bewegungen auf ein Minimum ein.

»Lass mich los, du inkompetentes Arschloch. Hier ist Manipulation am Werk. Siehst du das nicht? Bei ihr. Bei mir. Wir werden permanent von deinen Söhnen gezwungen, nicht mehr wir selbst zu sein. Sie missbrauchen uns.«

Die Tür springt auf, knallt ungebremst gegen die Wand, dass das überfällige Erdbeben einsetzt. »Verzeiht, dass ich zu spät komme, aber die Konferenz ließ keine frühere Anreise zu.«

Lässig gesellt sich ein hochgewachsener Mann in Mums Alter zu uns. Weißblonde Haare, die nach hinten zu einem strengen Zopf gebunden sind, stehen in völligem Kontrast zur schlicht in Schwarz gehaltenen Kleidung. Dieser Mann ist mächtig und einflussreich. Nur allein durch eine flüchtige Handbewegung setzt sich der Rauschgoldengel in Bewegung. Völlig eingeschüchtert, mit gesenktem Kopf, wie ein kleines Kind, das gleich gemaßregelt wird. Amber und Aaron. Die beiden sehen sich unheimlich ähnlich. Anmaßend zeigt er mit dem Finger auf mich. »Ist sie das? Die Konkurrenz?« Mit hochgezogener Augenbraue werde ich gemustert, nicht eine Gefühlsregung gezeigt. Je näher er mir kommt, desto intensiver knurrt Ronny. »Keine Sorge, zu deinem Frauchen will ich nicht.«

Wer redet, schweigt, wie gebannt auf seinem Stuhl hockt, entgleitet mir. Nur noch Angel, Sage, Rocco und Phoenix existieren in meinem Kosmos, die sich gemeinsam auf den Weg machen und die geschlossene Phalanx bilden. Meine kugelsichere Weste. Phinx ist es, der vortritt, sich die Gitarre locker über die Schulter legt und Ambers Dad fixiert. »Spar dir die lächerliche Show, Aaron. Verkünde das Ergebnis und verzieh dich zurück in deinen verfickten Elfenbeinturm.«

Ich verkrampfe immer mehr. Vor Angst. Schrecken. Der Wahrheit. Dem ziehenden, zerrenden, pochendem Schmerz in mir. Wir alle halten die Luft an.

»Dad ..., bitte.« Amber schützt ihren Bauch, streichelt ihn ununterbrochen. »Lass uns einfach gehen.«

Aus der Innentasche seines Jacketts befördert Aaron ein akkurat gefaltetes Schriftstück hervor. Er lässt sich Zeit, genießt seinen dramatischen Auftritt. Minutenlang starrt er auf das Dokument, dass ich es fast nicht mehr aushalte. Und dann holt er tief Luft. »Phoenix Morata ..., du bist mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 % ... nicht der leibliche Daddy von Kingston Lancaster. Dafür er.« Eine Drehung um einhundertachtzig Grad schwenkt den Fokus auf jemanden, der mich an meinem Verstand zweifeln lässt. Good Boy gone bad. »Seine DNA, entnommen während der Ermittlungen an der LUN, stimmt mit Kingstons überein. Du verfluchtes Stück Scheiße hast mein unschuldiges Mädchen vergewaltigt.«

Messer, Gabel, Schere, Licht, sind nur für kleine Kinder nicht. Aaron ist nicht ausschließlich wegen der Verkündung hergekommen. Er ist hier, um SEINE Trici zu rächen. Und NICHT, um sich an IHR zu rächen. Jemand geht zu Boden, niemand nimmt mehr Notiz von mir, obwohl es doch meine Bühne sein sollte. Erneut hat er sie mir gestohlen, sich in den Vordergrund gedrängt, ein doppeltes Spiel gespielt. Dieser Mann ist wahrhaftig Captain Hook und nicht Robin Hood. Er ist böse.

Hektisch schleicht Ronny um mich herum, stupst jaulend mit seiner feuchten Nase gegen meinen Oberschenkel, noch bevor ich merke, was mit mir passiert. Vornübergebeugt verschwinde ich hinter dem Rednerpult, krümme mich vor Schmerzen und dem Gefühl, dass mir jemand ein Messer in den Bauch rammt, es mehrmals herumdreht. »Schon okay«, wispere ich kurzatmig. »Schon okay. Das geht vorbei. Flores braucht nur einen Moment. Alles ist cool.«

Der Irish Setter lässt nicht locker. Wieder und wieder berührt er mich, schleckt über mein verschwitztes Gesicht, damit ich ihn ansehe. Schlapp hebe ich meine Hand, will ihn streicheln und so klarmachen, dass er mir nicht so dicht auf die Pelle rücken soll. Braun wird zu Rot. Mein Blut befleckt sein Fell. Warum blute ich? Warum rinnt es mir die Beine hinab?

Mit den Händen versuche ich mich abzustützen, meiner eigenen Pfütze zu entfliehen. Zu viel. Es ist zu viel. Nur noch vage dringt dumpfes Gebell zu mir durch. Wie ein sich stetig verlangsamender Herzschlag, der alles daransetzt, nicht aufzugeben. Jemand hebt mich hoch, wirbelt mich herum. Angel ...? Seine Lippen bewegen sich pausenlos, doch ich verstehe nicht, was er sagt.

Und dann werde ich davongetragen, rausche durch die Hitze, hinaus in die Kälte, hinein in die sternenklare Nacht. Schicksal passiert. Einfach so. Muss ich jetzt gehen? Fühlt es sich so an? Ist der Tod endlich zu mir gekommen, weil ich den Mut aufgebracht habe, einen Teil von mir zu offenbaren?

Augen zu ...

Stimmen überschlagen sich. Schritte verstärken sich. Geräusche verändern sich. Leise wird zu laut, zu wummernd und dröhnend, zum Schweben in der Schwerelosigkeit.

Augen auf ...

Grelle Lichter flackern über mir. Maskierte Gesichter reden mit mir. Angst brennt in mir. Hektik. Sauerstoff. Spritzen. Wir sind bei dir.

Augen zu ...

Vitalfunktionen beruhigen sich. Schmerzen verflüchtigen sich. Ein traumloser Schlaf empfängt mich. Hände streicheln mich. Alles wird gut.

Frieden.

Frieden.

Frieden.

Augen auf ...

Chaos.

Augen zu ...

Frieden.

Augen auf ...

Anarchie.

Augen zu ...

Frieden.

Augen auf ...

Angst.

Augen zu ...

Frieden.

Augen auf ...

Phoenix ... Rocco ... Sage ... Angel

Augen zu ...

Frieden.

Sehnsucht.

Träume.

Stimmen.

Augen auf ...

Leise Atemgeräusche klingen neben mir. Der Duft von Regen weht zu mir. Seichtes Frühlicht schimmert über mir. Gekipptes Fenster. Weiße Decken. Weiße Wände. Weißes Kleidchen. Der Überwachungsmonitor piept. Die Kanüle steckt in meinem Arm. Trigger. Ich muss hier weg. Hektisch schnelle ich hoch.

»Baby, ganz ruhig ...« Behutsam werde gehalten, zurück in das Kissen gedrückt und in Wärme und Geborgenheit gehüllt. »Wir sind hier. Du hast es überstanden.«

»Was überstanden?« So fiepend wie ein kleines Mäuschen verlassen die Worte meinen spröden Hals. Doch anstatt eine Antwort zu erhalten, bleibt es still. Ängstlich drehe ich meinen Kopf zuerst nach rechts, dann nach links. Er und er. Und Flores in der Mitte. »Seid ehrlich zu mir.«

»Bitte mach noch ein bisschen die Augen zu, Fleur. Wir reden später, wenn Angel, Sage und Dr. Sterling dabei sind.« Die pure Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Furchtbar hilflos verschränken wir drei unsere Finger miteinander. Sie wissen, dass sie keine Wahl haben. Weil etwas passiert ist.

Ich schlucke, atme und schlucke. Und lasse mich von dem Gefühl davontragen, nicht allein zu sein. Jeremys Monster ... Egal, was kommt. Zwei sind bei mir. »Sei du für uns alle mutig, Phinx. Weil du sein Phönix warst. Und meiner bist.«

Eisblaue Augen flirren wie ein wolkenloser Morgen im Frühling, der das Licht nach dunklen Tagen zurückbringt. Anstatt mich brutal gegen die Wand zu drücken, küsst er mich sanft auf die Stirn und flüstert etwas, das ich nicht verstehe. Wenn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem Moment passieren. Ich habe Angst.

 Prolog

Es war einmal ein Mädchen, dass ...

June so gern kennengelernt hätte. Ihm ein Gänseblümchen schenkte, weil es nur geliebt werden wollte. Es mit ihnen gewollt hätte, hätte sie es gekonnt. Und Angst verspürte, weil Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem Moment passierten.

Vier Enden. Vier Varianten. Vier Stiefbrüder.

Heute bin ich eine Frau, die ...

weiß, wie wunderbar June duftet. Wenigstens für einen flüchtigen Moment zu seiner Daisy wurde. Nun vor einem Wunder steht und sich der Angst stellen wird. Egal, was kommt. Egal, von wo. Egal, von wem.

Schicksal und Liebe. Wir sind. Wer wir sind.

1. Kapitel

Meine Bottom ist ...

Rückblick, Anfang Juli 2023 ...

Tropfnass und mit erigiertem Schwanz steige ich aus der Dusche. Senkrecht ragt er empor und sucht eindeutig meine Aufmerksamkeit. Er wippt, winkt, will von mir gewichst werden. Hart. Vor dem bodentiefen Spiegel in meinem Zimmer, während ich auf das Foto eines noch minderjährigen Mädchens starre. Ob Glorias Tochter bereit ist, vor mir zu knien und zu schlucken, was das Zeug hält?

Mit gestrecktem Rücken betrachte mich von oben bis unten. Angel Morata ist seit Tagen dauergeil. Und das ist verdammt schlecht für etwas Reines, Unschuldiges, das hierher auf dem Weg ist. Ein Stück trete ich vor, positioniere meine Hände rechts und links des Schnappschusses. Sommersprossen, ein breites Lächeln, leicht rebellische Gesichtszüge ... Wenn ich mit ihr fertig bin, wird sie die Dunkelheit nicht nur gestreift haben. Sie wird in ihr geschwommen und im Rausch ertrunken sein.

»Darf ich reinkommen, Angel?«

Genervt drehe ich meinen Kopf zur Seite. »Bist du lebensmüde? Verschwinde, Amber. Na los.«

Phoenix Fick-Bitch steht im Türrahmen. Nackt. Mit aufgerichteten Nippeln, leicht geöffneten Lippen und einer Gier in den Augen, die es mir schwer macht, nicht an Deep Throat zu denken.

»Er hat mich zu dir geschickt.«

Mein Lachen könnte nicht abfälliger klingen. »Ist der Junkie wieder zu stoned, um dich vorne und hinten durchzuziehen?«

Anstatt eine Antwort zu erhalten, reduziert Amber die Distanz. Wie ein billiges Püppchen rutscht sie vor mich, klimpert mit ihren unechten Wimpern. »Phoenix braucht nur einen kleinen Anreiz. Benutz mich und lass ihn dabei zusehen. Du weißt doch, wie sehr ihm das gefällt, wenn du mit mir anstellen kannst, was du willst.«

Kurz blicke ich hinüber zum Bett und zu meinem Messer, dann wieder auf das angepinnte Foto. Schon jetzt weiß ich, dass es mir die Kleine deutlich schwerer machen wird. Petit aus New Salem. Der Spitzname passt. Ich werde an sie denken, wenn ich Druck ablasse, um sie länger genießen zu können.

»Lutsch ihn und dann verschwinde aus dem Strandhaus. Wir bekommen Besuch und du hast hier nichts mehr verloren.«

Ambers Schmollmund gibt mir den Rest. Ehe sie sich versieht, stopfe ich ihr das Maul, bis die ersten Tränen fließen und die zügig einsetzenden Geräusche wie Musik in meinen Ohren klingen. Sie dämpfen die mahnende Stimme, es mit Glorias Tochter langsamer anzugehen, den Reiz auszukosten, bis sie den Namen des Thronfolgers bettelt und freiwillig von ihm an die Hand genommen werden will. Hinein in den Pitch. Hinein in das Morata-Universe. Vollgas in unsere Mitte.

»Du solltest verschwinden. Was war daran falsch zu verstehen?« Mit halbgeöffneter Hose, einer locker in der Hand baumelnden Bierflasche und tiefen Augenrändern, die nur halb hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckt werden, betritt der Hexer das Parkett. Die Sekunden verstreichen, Phoenix sagt kein weiteres Wort, der Blowjob scheint ihm am zugekoksten Arsch vorbeizugehen. Stattdessen trinkt er, zeigt sich weiterhin völlig unbeeindruckt, bis er das Foto entdeckt. Etwas durchzuckt ihn. Wie ein Blitzschlag, der das Leben zurück in seinen Körper bringt.

»Das ist keine Wichsvorlage.«

Er und ich. Wir taxieren uns, während sich grüne Augen in jede meiner Vorwärtsbewegungen fressen und ihn nicht minder an den Eiern packen. Süffisant grinse ich. »Richtig. Es ist ganz und gar eine neue Herausforderung.«

Auf das, was jetzt kommt, bin ich nicht vorbereitet. Nur zwei große Schritte sind notwendig, dann ist er bei mir und gießt mir langsam den Inhalt der Flasche über den Kopf. Stinkendes Bier rinnt meinen sauberen Körper hinab, besudelt ebenso Amber, die sich kreischend von meinem Schwanz löst, Phoenix einen bitterbösen Blick zuwirft.

»Diesmal nicht, Angel«, erklärt er trocken und belässt es bei diesen drei Worten.

»Du musst schon deutlicher werden. Noch wurde kein Junkie-Übersetzer erfunden.«

Ruckartig nimmt er das Foto an sich, steckt es sich in die Hosentasche. »Finde einen anderen Zeitvertreib für deine perversen Messerspiele, sonst mache ich dich kalt.«

»Und wer versorgt dich dann mit bestem Stoff?«

»Drauf geschissen. Du bist nicht meine einzige Quelle.«

Überheblich lege ich meinen Kopf in den Nacken, strecke die Arme zu beiden Seiten aus. »Halleluja, der Abhängige hat gesprochen. Neuerdings tauscht er Blond gegen Rot. Hast du gehört, Amber? Du bekommst Konkurrenz.«

Obwohl der Kleinste ihre Frisur versaut hat, schmiegt sie sich an ihn, reibt sich wie eine rollige Katze an seiner düsteren Erscheinung. »Wovon spricht er?«

»Raus hier!«

»Phoenix ...«

»Gottverdammt, bist du taub? V e r s c h w i n d e!«

»Das kostet dich was, Morata.«

Wutentbrannt rauscht Amber davon, dass ihre Titten hin und her wackeln und die kleinen Arschbacken keck bei jedem Schritt wippen. Die Bitch ist nett anzusehen, verrenkt sich perfekt, macht alles mit und kennt keine Grenzen, wenn es um den Mann vor mir geht. Locker klopfe ich ihm auf die Schulter.

»Du hättest abwarten sollen, Phinx. Jetzt bin ich unverändert interessiert.« Das letzte Wort intoniere ich besonders schwungvoll, damit mein Bruder sofort versteht, was ich meine. »Bruchlandung. Auf ganzer Linie.«

Gleich wird er mir eine verpassen. Die Faust ist bereits geballt, der Pegel ausreichend hoch, das Strandhaus ist zu klein für den Dealer und seinen Junkie. Flüchtig streckt Sage seinen Kopf zur Tür herein, wird vom Licht der untergehenden Sonne geblendet. Mit der Hand verdeckt er seine Augen und bemerkt deshalb nicht, wie viel Gunpowder durch die Luft schwirrt. Ein Funken und wir gehen hoch, noch bevor das Spiel überhaupt begonnen hat.

»Glorias Schrottkarre hat kurz vor Detroit den Geist aufgegeben. Jetzt nächtigen die beiden im Bates Motel. Ich fahre sofort los, weil Charles wie immer unpässlich ist.«

Auch Rocco gesellt sich zu uns, schleckt an seinem Eis wie ein Zehnjähriger herum. Dass er nicht fragt, ob wir ebenfalls kosten wollen, ist alles. Mehrmals taucht er seine gepiercte Zunge in die Schokolade, bevor er herzhaft in die Kugel beißt und in die Runde blickt. »Okay ..., krasser Schwanzalarm beim Crown Prince. Was habe ich verpasst?«

Fest umpacke ich meinen Schaft und grinse wie Mr. Diabolo höchstpersönlich, der bald seinen Stich mittig der flammenden Wunde setzt. »Ich fahre!«

»Bullshit. Der Puncher wird das übernehmen.«

»Wird er nicht, kleiner Scheißer. Hiermit mache ich vom Vorrecht des Thronfolgers Gebrauch und hole Petit an den Hof. Bereitet euch vor. Sie kommt.«

Mit blutverkrusteten Händen streiche ich über den blauen Einband, erwache langsam aus meiner Reise in die Vergangenheit. Wie oft wurde das Tagebuch mittlerweile gestohlen, zurückgelassen, unfreiwillig verloren und hat es dennoch wieder in Petits Besitz geschafft. Diesmal sorgt fucked Angel Morata dafür. Der Mann, der seit Tagen weder geschlafen noch gegessen oder sich gewaschen hat. Stattdessen hänge ich in Flashbacks fest, weil der Schrecken der Wahrheit auf mir klebt, durch die verdorbenen Hirnwindungen ätzt und ich der Meister darin bin, mich selbst zu geißeln.

Marthas Vineyard ... Der Ort, an dem es passierte. Niemand ist mehr hier, nur die Schreie sind übrig. Hundegebell. Hilferufe. Verzweiflung. Ohnmacht. Wut. Hass. Trauer. Angst. Motorengeräusche. Der Kampf gegen die Zeit. Petits Blut. Das ich mir abwaschen könnte und es dennoch nichts bringen würde. Meine Bottom ist schwanger. Von mir. Von ihm. Oder von ihm. Möglicherweise auch von ihm. Scheißdreck. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Wir alle haben es mit ihr getan und hungrig zugeschaut, wenn es lief und sich die Schwerkraft bemerkbar machte.

Erschöpft sacke ich auf das ungemachte Bett in ihrem Zimmer und hasse mich selbst für das, was ich denke. Petit konnte nicht ... Verflucht, durchtrennt ist durchtrennt. Unbewusst greife ich in meine Hosentasche, suche nach einem scharfen Gegenstand und finde nichts außer das Smartphone, auf dem nicht ein Anruf eingegangen ist. Die Welt um mich herum schweigt, dafür bebt der Thronsaal. Putz rieselt von der Decke und Risse bilden sich im Fundament. Die Tiefe wartet auf mich. Ganz sicher. Ich bin kein Daddy. Ich bin ... Ich ... Ich bin nur ein Mann, der erneut in den Spiegel blickt, ein mutiges Mädchen betrachtet und zum ersten Mal den Stift anstatt des Messers führt:

Für meine Bottom | Von deinem Top

Badboy, Dealer, Loverboy, Kink Angel Morata, Crown Prince, Prince of Pain ... So viele Namen für das, was ich bin. So viele Frauen. So viele Sessions. So viele Momente, in denen ich meine Dunkelheit von der Leine ließ und nichts bekam, außer unbedeutende Orgien im Pitch, ein leeres Penthouse und schmutzige Laken, die ich nach den Ficks sofort in den Müll geworfen habe. Nur deines nicht. Das, was du mir gegeben hast, ist für immer geblieben. Ich habe dich aufgesogen, deinen Duft inhaliert, deine Nässe gefeiert und dein Blut mehrmals gekostet. Du warst das fremde Mädchen in der Nacht, dass uns lässig zu Boden geworfen hat, unsere flüchtigen Herzen bannte und einte. Und nicht nur wir waren deine Rettung in letzter Instanz, die Zuflucht vor dem schleichenden Tod auf Rezept. Petit ..., du bist meine abstrakte Kunst des Schmerzes. Eine Klaviatur, die einmalig unter Unzähligen ist. Nur deinetwegen habe ich Isabellas Messer niedergelegt. Die gemalten Bilder passten nicht mehr zu mir und vor allem nicht mehr zu dir. Vielleicht bin ich aus diesen Schuhen herausgewachsen. Vielleicht waren es niemals meine. Vielleicht werde ich dir irgendwann von ihr erzählen. Wenn wir das hier überstanden haben und ich endgültig herausgefunden habe, wer der Kerl ist, der das Kreuz bevorzugt. Oder bist du imstande, es mir zu sagen? Wer bin ich, wenn wir für immer aufhören zu spielen? Wer bin ich dann, Petit? Wenn ich dir nicht mehr hinterherjage und dich wie ein Löwe in die Enge treibe, dich reiße und ficke? Wer bin ich, wenn ich mir am liebsten selbst die Kehle aufschlitzen würde, weil ich jetzt nicht bei dir bin, obwohl die Chance besteht, dass etwas von mir in dir ist? Flores ..., ein Baby ... Verdammt, ich bin kein gesunder Mann. Wie könnte ich dich jemals wieder anfassen, wenn ich mich davor fürchte, es zu weit zu treiben?

Für einen Moment halte ich inne und massiere mir die Schläfen. Was, wenn sie es verliert? Was, wenn sie es behält? Getriggert von den obligatorischen zwei Seiten der Medaille stehe ich auf, stelle mich vor das geöffnete Fenster und lasse das Panorama auf mich wirken. Es hat nicht den gewünschten Effekt. Der Thronfolger ist machtlos dem Schicksal ausgeliefert und verschissenen lila Blumen, die sich wie ein Teppich in den Beeten ausgebreitet haben. Genauso hatte ich es prophezeit, wenn Sonne und Regen weiter Katz und Maus miteinander spielen. Sie taten es. So wie wir. Herausgekommen ist das Leben.

Mit dem Smartphone schieße ich ein einziges Foto und stelle es in den Chat.

Sie blühen für dich, Petit. Vinca minor. Dein Winter ist endgültig vorbei. Pass auf dich auf. Und auf ... das Baby.

...

Zügigen Schrittes verlasse ich das Zimmer, drücke das Tagebuch fest gegen meine Brust. Wohin jetzt? Keine Ahnung. Ziellos streife ich durch das Anwesen, erlebe die letzten Tage im Zeitraffer und eine Challenge, in der Atomic Blond einen geheimen Wunsch für mich formulierte. Nachdem sie mich beim Papierfliegerbasteln geschlagen hatte.

»Such dir gefälligst ein Hobby, welches du mindestens ebenso liebst wie die Initialen des Angel Morata auf der Haut meiner besten Freundin. Ansonsten melde ich dich zu einem Kochkurs an, wo du filetieren kannst, was das Zeug hält. Du brauchst dringend einen Ausgleich. Gönn ihn dir, Angel.«

Selbst jetzt packt mich die Belustigung, weil der Zwerg unbewusst ausgesprochen hatte, was ich ohnehin seit Jahren mit mir herumschleppe: A reunion with American Kenpo Karate und einer Sporttasche, die nach wie vor existiert und auf ihren Einsatz wartet.

Im Durchgang zum Kaminzimmer bleibe ich stehen. Diverse Stühle liegen weiterhin kreuz und quer verteilt im Raum, die Luft stinkt nach den Resten verbrannter Asche und kaltem Rauch, der Holzboden legt eingetrocknet Zeugnis ab. Von ihr und dem Surfer. Fuck!

Mehrmals blinzele ich und weiche dem Echo aus. Weil ich mich selbst sehe, wie ich mit Glorias Tochter an mir vorbeistürme, pausenlos auf sie einrede. Wach zu bleiben, nicht zu verbluten, es sich bloß nicht zu wagen, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. In den Pitch. An. Den. Verfickten. Hof.

»Ich wusste, dass du hier sein würdest.«

Viel zu schreckhaft zucke ich zusammen, spanne automatisch jeden Muskel an, obwohl es sich um eine Frauenstimme handelt und nicht um einen Kerl, der mir mehrmals seinen Schwanz in den Arsch gerammt hat.

»Die Anwältin ...«, erwidere ich trocken. »Bist du mir etwa gefolgt?«

»Nicht unbedingt. Eher habe ich gelernt, euch so wenig wie möglich aus den Augen zu lassen und eurem Heißsporn ausreichend Beachtung zu schenken. Obwohl ihr für mich nicht mehr ganz so unberechenbar in euren Handlungen seid. Ihr zerstört euch gern selbst. Was mich zügig auf deine Fährte gelockt hat.«

»Hast ein feines Näschen, Berenice. Wenn Charles irgendwann pleitegehen sollte, kannst du immer noch als Trüffelschwein anheuern oder andere alte Säcke von deinen Künsten überzeugen. Wie war es, den CEO in der Machtzentrale zu vögeln? Ausdauernd? So krank wie seine Söhne sind? Gänzlich anders?«

Ungeachtet der Tatsache, der Mann von vor Tagen zu sein und dementsprechend zu riechen, rückt sie mir auf die Pelle, geht fast mit mir auf Augenhöhe. »Leider muss ich dich enttäuschen. Age-Gap ist nicht meins und der Dick deines Dads nicht aus seiner Hose gesprungen, während wir über die Verfehlungen seiner echten und unechten Lenden-Saat diskutierten. Vielmehr bevorzuge ich Männer in meinem Alter, vielleicht etwas jünger. Dreckige, raue, hochintelligente und messerscharfe Typen, die mir im Bett den Schneid abkaufen. Bist du so einer?«

»Willst du gefickt werden, Berenice? Oder um welchen heißen Brei quatschst du hier?«

Die Anwältin bleibt völlig ernst. »Ich will mit dir Morata-Intelligence leiten. Währenddessen darfst du es mir besorgen, wann, wie und wo es dem dann frischgekürten Monarchen beliebt, der das Zepter übernommen hat. Da bin ich völlig schmerzfrei.«

Prompt packe ich ihren Hals. Nicht vorsichtig, sorgsam oder eines sinnlichen Vorspiels würdig. Wir springen direkt hinein in das Machtgefüge meiner Welt und ich drücke zu. »Dünnes Eis, Berenice. Du hast absolut keine Ahnung, wen du hier herausforderst.«

»Doch, Angel. Mir ist sehr wohl bewusst, wer hier vor mir steht.« Je intensiver ich die Beherrschung verliere, desto leiser klingt ihre Stimme. »Charles ist müde. Das Unternehmen benötigt frischen Wind. Die letzten Ereignisse haben es gezeigt. Lange wird er nicht mehr durchhalten und du ebenfalls nicht. Sonst wärst du nicht hier, sondern bei ihr.«

Nur das Tagebuch verhindert ein beidhändiges Handanlegen, um eine weitere Wahrheit zu zerquetschen, weil die Anwältin meinen wunden Punkt getroffen hat. Dass parallel eine Nachricht eingeht und das Display einen Namen zeigt, rettet sie, rettet mich, rettet nichts. Abrupt drehe ich mich weg. »Wir sind hier fertig.«

»Denk über meine Worte nach. Zurück auf Kurs, beende dein Studium, übernimm Verantwortung. Es wurde dir in die Wiege gelegt und ist das Beste, was du in dieser Situation tun kannst. Denn jetzt ist es nicht mehr nur der Schusswechsel an Neujahr, der die Familie in den öffentlichen Fokus rückt, oder sind es Phoenix Eskapaden. Vielmehr ist es eine achtzehnjährige Stiefschwester, bei der die Unbefleckte Empfängnis mal so gar nicht stattgefunden hat. Immer schön fleißig aus allen Kanonenrohren rein in ein geschändetes Mädchen. Stell dir vor, wie das auf die Menschen dort draußen wirken wird.« Tief blickt mir Berenice in die Augen. »Es kann nur einen Daddy geben. Alles andere ist der finale Todesstoß.«

Der Kuss auf meine stoppelige Wange besiegelt das, was ich ohnehin schon weiß. Mit wehenden Fahnen rauscht sie davon und ich betrachte unverzüglich die Antwort meiner Stiefschwester auf ein Meer aus lila Blumen.

Minutenlang starre ich auf die Retourkutsche und warte auf eine Erklärung oder eine Bitte, zu ihr zurückzukommen. Nichts dergleichen passiert. Der Chat bleibt still, meine Gedanken rotieren, die unterschwellige Botschaft kreist wie ein Aasgeier über mir. Anstatt Petit zu fragen, woher die schwarze Rose stammt, belasse ich es dabei. Für den Moment will ich es nicht wissen, nicht wahrhaben wollen, meine Augen davor verschließen.

An Ort und Stelle sacke ich zusammen, weil auch ein Thronfolger irgendwann nicht mehr kann und sich Schwäche eingestehen muss. Wie damals überkommt es mich schubweise, lässt mich ununterbrochen zittern und am ganzen Körper verkrampfen. Weil es endgültig ist, wir auf der Zielgeraden sind und ich zum Teufel noch immer nicht herausgefunden habe, wer ich bin. Dealer, Hurensohn, Perverser ... Bin ich das weiterhin?

Wieder vibriert mein Handy. Petits Blut zieht schlieren in meinem Gesicht, während ich mir den Makel aus den Augen wische.

...

Du fehlst hier, Angel.

...

Lautlos ächzt ein geschundenes Herz, das zu viele Schnitte erlebt hat. Meine Bottom ruft MICH an den Hof. Fucked Angel Morata, der Wolf im Schafspelz. Ich liebe sie.

2. Kapitel

In guten wie in schlechten Zeiten

Du fehlst MIR, Angel ... Das hätte ich schreiben sollen. Und doch bekomme ich die Worte nicht getippt. Mein Herz ist leer, obwohl es bis zum Rand mit den unterschiedlichsten Emotionen gefüllt ist. Flores findet keinen Zugang. Flores wartet auf die nächste Untersuchung. Alles oder nichts. Leben oder Sterben. Schlag oder Stille. Flores blockt den Besuch seit Tagen ab. Flores fühlt sich zurück nach Heath House versetzt. Wo ich permanent im Mittelpunkt stand und doch auf verlorenem Posten mein Dasein fristete. Wo sich das Personal regelmäßig die Klinke in die Hand gegeben hat und mir dennoch nicht zu helfen gewesen ist. Zuhören, nicken, antworten, schlafen, etwas essen, von vorn. Roboter-Vibes. Flores hat Angst. So. Verdammt. Sehr.

Von jeder Seite betrachte ich die blühende Rose, die von der Größe her mit den letzten Exemplaren nicht mithalten kann. Alles andere passt. So wunderschön und anmutig. So lieblich duftend, wie ich es mag. So gefährlich giftig. Poison black rose. Ein klares Symbol für Tod, Trauer und Abschied. Lass Blumen sprechen ... Anstatt die Botschaft mittig zu entzweien, stelle ich sie zurück in die kleine Vase neben den bunten Blumensträußen, die das Zimmer fast in ein Floristengeschäft verwandeln. Ist sie von ihm? Dem Totgesagten? Oder doch von Heather, weil meine falsche Freundin hinter all den subtilen Gemeinheiten steckt und nun einen weiteren Grund gefunden hat, mich für das, was ich bin, zu verabscheuen? Fragen über Fragen, die in zwei alles Entscheidende münden: Wie viel Macht über mich darf ich egal wem, jetzt noch erlauben? Und was bin ich bereit, final in Kauf zu nehmen?

Nachdenklich schwenkt mein Blick zu einem weiteren Gegenstand, der mir schwer zusetzt. Mit den Fingerspitzen berühre ich flüchtig den Rand des schlichten, cremefarbenen Briefumschlags, der als Allererstes seinen Weg in das Krankenzimmer gefunden hat. Mum dachte, ich würde schlafen und nicht bemerken, wie sie ihn mir heimlich zusteckte. Pustekuchen. Kinder sind wandelnde Antennen, sensibel und feinfühlig. Gloria ist von Schuldgefühlen zerfressen und ich ertappe mich dabei, wie ich ihr exakt das wünsche. Ein Leben in meinem Kopf.

Die geschwungene Schrift mit dem fröhlichen Aufkleber erinnert mich daran, wie ich früher zu Geburtstagspartys eingeladen wurde. Die mit einer bunten Geschenktüte endeten und nicht mit einer geladenen Waffe.

Anstatt ihn an mich zu nehmen und zu öffnen, drehe ich den Umschlag so, dass mich der erste Spitzname in meinem Leben kreuzweise kann. Vorerst möchte ich nichts über den Inhalt wissen. Aus Furcht, wie mein Körper darauf reagieren würde und was es erneut auslösen könnte.

Ein Stück schiebe ich die Bettdecke nach unten und betrachte Phoenix Shirt. An Ironie ist es definitiv nicht zu überbieten und beschert mir teils kritische, teils belustigte Blicke des Personals. Zu einhundert Prozent wird das abgebildete Einhorn auf LSD sein. Bunte Regenbogen schießen aus seinen Hufen, mit der Aufschrift: Pew. Pew. Madafakas. Ausgeleiert bedeckt es meinen Oberkörper, bis mittig der Oberschenkel. Ist das hier echt? Noch eine wiederkehrende Frage, die regelmäßig Pfötchen gibt. Je mehr Zeit seit dem Vorfall verstreicht, desto quälender ist die Vorstellung, mir selbst etwas vorzumachen. Auch wenn der Ring funkelt und das Armband mein Handgelenk ziert. Psychosen verzerren die Realität.

Zitternde Finger schweben über meinem Bauch, können einfach nicht tiefer wandern. Der Widerstand ist zu groß, die Cojones sind zu klein. Nur mit Mühe erliege ich nicht dem Drang, schreiend davonzulaufen. Wenn das hier schiefgeht, gebe ich auf! Viel zu jung. Verdammt, ich bin dafür viel zu jung. Und zu kaputt.

Ohne anzuklopfen, wird die Tür geöffnet und Dr. Sterling erscheint im Zimmer. Zügig zerre ich mir die Decke bis zum Hals, weil ich mich in Grund und Boden schäme. Unwiderruflich befleckt. Vierfach geliebt. Mehrfach gefickt. Positiv.

»Wie geht es dir heute, Flores?«

»Gut, danke.«

»Hast du noch Schmierblutungen?«

Ich schlucke, weil das alles widerlich klingt. »Nein, seit gestern Morgen nicht mehr.«

»Perfekt, dann würde ich die Untersuchung gern vorziehen.«

»Was, jetzt?«

Laura nickt. »Leider muss ich zügig wieder zurück in die Praxis und müsste dich ansonsten an meinen Kollegen verweisen. Der im Übrigen einen ausgezeichneten Ruf besitzt. Falls du das möchtest. Wir richten uns nach dir.«

»Was, wenn ...? Wenn es ...?« Die Panik in meiner Stimme ist nicht zu überhören. »Ich bin achtzehn.«

Voller Mitgefühl wird meine Hand genommen und sanft gedrückt. »Du bist eine junge Frau, die viel durchgemacht hat. Möchtest du mir erzählen, wie es passierte?«

»Wir hatten Sex«, erkläre ich nüchtern, zucke mit den Schultern und stelle mich bewusst dumm.

»Flores ..., das ist mir doch klar. Der wird sicher sehr ausreichend und intensiv gewesen sein, wenn schon die eingeleiteten Maßnahmen vor ein paar Wochen ihre Wirkung verfehlten. Ihr habt ordentlich nachgelegt. Nicht wahr?«

Verlegen senke ich die Lider, um kurz darauf mutig Blickkontakt aufzunehmen. »Das stimmt. Und doch war es mein Himmel, manchmal die verfluchte Hölle. Nach ewigen Zweifeln akzeptiere ich beide Varianten, die zu mir gehören. Keine einzige Sekunde bereue ich von den Dingen, die wir miteinander taten.«

»Deine Offenheit erleichtert mich ungemein. Weil du nicht versuchst, dich in Erklärungen zu flüchten, um dir selbst etwas vorzumachen. Ein Ausrutscher kann passieren, vielleicht ein zweiter im Rausch der Sinne. Alles danach ist eine bewusste Entscheidung für eine mögliche Konsequenz.«

»Nicht in meinem Fall, Laura.«

Zwischen uns setzt ein unangenehmes Schweigen ein, bis die Ärztin einmal tief durchatmet und das, was mir angetan wurde, beim Namen nennt.

»Der Pearl-Index einer Schwangerschaft nach optimal durchgeführter Tubenligatur liegt bei 0,2 bis 0,5. Damit ist die Sicherheit der Sterilisation vergleichbar mit der Anti-Baby-Pille. Bei dir wurde die Verbindung zwischen Eileiter und Gebärmutter auf der rechten Seite jedoch nicht vollständig gekappt. Entweder jemand hatte keine Ahnung, was er da tut, oder sich bewusst dazu entschieden, dir eine Restchance zu lassen.«

Gebrochener Akzent. Blutig verschmierter Kittel. Ein Kerl, der mich angrinst und mir gut zuredet. In Windeseile schnappt sich Laura eine Pappschale vom Beistelltisch und hält sie mir unter die Nase. Mehrmals würge ich, doch es kommt nichts. Nur Schweißausbrüche sind das Resultat, die mich erschöpft zurück in das Kissen fallen lassen. »Weiß Mum davon?«

»Sie weiß, dass ein geplatztes Hämatom für deine Sturzblutung gesorgt hat und wir wegen der Größe nur eingeschränkt in der Lage gewesen sind, dich zu untersuchen. Zusätzlich das Fieber durch die hohen Entzündungswerte ... Da wollten wir kein weiteres Risiko eingehen und haben uns dazu entschlossen, die Situation anhand des Hormonspiegels in deinem Blut zu überwachen. Seit der Einlieferung ist er stabil, du hast dich geschont, eine bessere Ausgangsposition gibt es nicht.«

»Phoenix war schon vor Tagen ehrlich zu mir, Laura. Weil ich es wissen wollte. Fünfzig-fünfzig bei Personen mit meiner Vorgeschichte.« Sie schweigt und ich atme seinen Duft, höre seine samtige Stimme, fühle die Wärme seines Körpers. Von beiden. Wie sie mich in ihrer Mitte halten und bei mir sind. Bis ich mich lösen musste, um in der Stille mir selbst zuzuhören. Das, was vor uns liegt, verändert alles. In die eine oder andere Richtung.

Aus der Schublade des mobilen Schränkchens neben mir fische ich den Findelstein hervor, präsentiere ihn wie ein kostbares Schmuckstück in meiner Handfläche. »Den hat mir ein kleines Mädchen geschenkt. Einfach so, aus heiterem Himmel. Weil sich zufällig unsere Wege kreuzten und sie der Meinung gewesen ist, ich könnte ihn besser gebrauchen. Hope hat nicht darüber nachgedacht, es schlicht getan. Ohne Berührungsängste, wie ich wohl reagieren würde. Angst lähmt. Sie führt in Sackgassen. Zum Stillstand. Mündet immer in Flucht. Ich habe sie. Tag und Nacht.«

»Dann schaffen wir jetzt Tatsachen, Flores. Wie das kleine Mädchen. Voller Zuversicht und der Gewissheit, dass am Ende alles so kommt, wie es soll.«

Die Sekunden und Minuten verstreichen, Laura wartet geduldig auf meine Antwort. »Muss ich auf den Stuhl?«

»Wenn wir es richtig machen wollen, dann ja. Zur Erklärung, warum: Nur allein von der Bauchsicht sind wir in den ersten Wochen einer Schwangerschaft nicht imstande, eine zu einhundert Prozent gesicherte Diagnose zu stellen. Ein vaginaler Ultraschall ist das Mittel der Wahl.«

»Habe ich Zeit, mich vorher frisch zu machen?«

»Natürlich, ich schicke sofort eine Krankenschwester zu dir.«

»Auf keinen Fall. Jemand anderes soll kommen.«

»Und wer, Flores?«

Die Frage ist berechtigt, weil ich gar nicht weiß, wer vor der Tür weiterhin auf meine Absolution wartet. Der Kopf rattert. »Dann eben die Schwester.«

»Sicher?«

»Habe ich eine Wahl?«

»Diverse. Deine Anhänger geben sich da draußen die Klinke in die Hand und verlassen ihre Posten nur, um sich hygienischen Bedürfnissen zu widmen. Es liegt also bei dir.«

Mein Mund sperrt auf und wieder zu. Egal, welcher Name über meine Lippen kommt, es ist unfair. Dennoch hatte ich es ihm versprochen und werde es diesmal halten. »Rocco«, flüstere ich heiser. »Ihn hätte ich gern bei der Untersuchung dabei, sofern das in Ordnung geht.«

Laura wackelt vielsagend mit den Augenbrauen. »Du meinst das Schnittchen mit den vielen Tattoos?«

Ein Anflug von hochgezogenen Mundwinkeln stiehlt sich auf meine untere Gesichtshälfte. Ich sehe ihn vor mir, wie er die halbe Privatstation schlicht mit seiner Anwesenheit in Aufruhr versetzt.

»Okay, das Leuchten in deinen Augen reicht. Kommt er womöglich als ...«

»Stopp, Laura«, erwidere ich barsch. »Das steht auf einem anderen Blatt Papier.«

Intensiv werde ich gemustert, die Hände zum Gebet gefaltet, das Kopfkino aktiviert. »Wechselende Geschlechtspartner. Erinnerst du dich an unser Gespräch? Wie viele kommen neben ihm infrage?«

»Vermutlich vier.« Wie aus der Pistole geschossen offenbare ich die Tatsache wahrheitsgemäß. »Angel, Sage, Rocco und Phoenix. Meine Stiefbrüder.«

»Freiwillig? Bitte verzeih, wenn ich das so provokativ übertreibe, aber die Jungs sind eine Bank. Lady-Killer. Nicht nur optisch. Sie sind die Sorte Mann, die kam, sah, manipulierte, siegte und ein emotionales Schlachtfeld hinterlässt. Schon zu oft habe ich das in meiner Laufbahn gesehen. Sitzengelassene Mädchen, die auf den Prinzen hofften und nicht einmal mehr den Frosch bekamen.«

Der Hieb sitzt, weil sie ins gleiche Horn wie Noah bläst. Noah ..., Aaron ging auf ihn los, danach verpufft alles im Nebel. Ich antworte, indem ich ihr den Ring an meinem Finger präsentiere, dann das Armband und mir gedanklich all die Sachen aufsage, die mich keine Sekunde daran zweifeln lassen, ihre Königin zu sein.

»Ja, seit unserer ersten Begegnung.«

Nickend erhebt sich Laura Sterling vom Bettrand und läuft in Richtung Tür. »Da draußen sitzen drei von vier und du bittest nur einen zu dir. Flores, dreh mal gedanklich den Spieß um. Wie würdest du dich fühlen, wenn die Wahl in dieser besonderen Situation nicht auf dich fallen würde?«

Prompt denke ich an Cordelia und Blair. Die beiden haben Ähnliches durchgemacht, wurden sitzengelassen und nicht einmal mehr auf die Ersatzbank zitiert.

»Warte ...«, rufe ich in schrillem Ton, bevor es zu spät ist. »Kannst du die hier mitnehmen und entsorgen?« Als wäre die Vase kontaminiert, strecke ich sie ihr zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. »Die Blume passt nicht zu den anderen Sträußen und versprüht einen unangenehmen Duft.«

»Ach, hat es dich ebenfalls erwischt?« Kopfschüttelnd nimmt mir Laura die Rose ab. »Diesmal hat sich der Gourmet Caterer für die High-Society-Patientinnen selbst übertroffen. Trauerblumen bei der Essensausgabe verteilen zu lassen und sei es im Rahmen einer ästhetisch gemeinten Aufmerksamkeit für die oberen Zehntausend, gehört für mich nicht zur feinen englischen Art. Da lobe ich mir den wabbeligen Vanillepudding für die Normalsterblichen. Hinterlässt noch nicht einmal einen faden Beigeschmack, weil er keinen Geschmack hat.«

Jetzt ist die Verwirrung endgültig perfekt. Dass es die Rose tatsächlich mit dem Tablett in meinen Besitz geschafft hat, unterstreicht ihre Geschichte. Wir essen von echten Porzellantellern, nutzen auf Hochglanz poliertes Silberbesteck und zahlen für jede Mahlzeit mehr als Mum damals im Job einer Bankangestellten verdiente. Verschissener Wahn, der mich blind für Dinge außerhalb meines Kosmos macht. Ich hätte Angel das Bild nicht schicken dürfen.

Mehrmals schlucke ich, weil es mir absolut schwerfällt, die folgende Frage laut auszusprechen. »Kennst du jemanden, mit dem ich mal ... reden kann? Zwanglos, ohne mich gleich in der Geschlossenen wiederzufinden?«

»Mein Mann ist Psychotherapeut, Flores. Wenn du magst, stelle ich gern zügig einen Kontakt her.«

Kurz überlege ich, ob mir das nicht zu viel Nähe zu der Frau ist, die gleich in mich hineinschauen wird. »In Ordnung«, stimme ich vorsichtig zu. »Aber bitte nicht verraten. Ich möchte das vorerst für mich behalten. Mum darf es auf keinen Fall erfahren.«

»Jedes Gespräch und jede Untersuchung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Das sagte ich dir bereits. Heute Abend werde ich mit Miles sprechen. Entweder kommt er dich hier besuchen, oder du wirst in seiner Praxis vorstellig. Lass uns das von den Untersuchungsergebnissen abhängig machen.« Lauras Hand umfasst die Klinke. »Letzte Chance, Flores. Einer oder doch alle?«

Mein Herz macht einen Satz und der Mund spricht es aus, noch bevor der Kopf befragt wird. »Alle!«

Wie gelähmt starre ich auf die Zimmertür, die sich leise schließt und sich eine kleine Ewigkeit nicht mehr öffnet. Bis dunkle Stimmen zu mir vordringen und ich endgültig aufhöre zu denken. Das Licht flackert, der Boden vibriert, die Luft flirrt und alle Härchen richten sich auf. Zumindest für mich. Die Moratas markierten ihr Girl und jeder wird es bald sehen. Wenn ..., wenn ..., wenn ich diesmal stark genug bin.

Keiner von ihnen sagt ein Wort, weshalb ich erneut die Decke zurückschlage und bis zum Rand des Bettes rutsche. Seit meiner Einlieferung wird es das erste Mal sein, mich außerhalb der regelmäßigen Toilettengänge allein auf die Füße zu stellen. Resigniert betrachte ich mich. Meine nackten Beine sind blass, schmal, wackelig. Mehr nicht. Nichts tropft, rinnt, fließt in Sturzbächen an mir hinab. Haselnussbraun, Pechschwarz, Eisblau. Drei Farben betrachten mich und Jadegrün erwidert. Tiefblau fehlt. »Ich brauche eure Hilfe.«

»Wobei, Fleur?« Groß und breit steht Rocco im Raum, verschränkt die Arme vor der Brust. Sein Kinn ist leicht nach oben gestreckt, ein dezenter Bartschatten ziert sein Gesicht. Er ahnt es, dennoch muss er es von mir hören.

»Dr. Sterling wird mich gleich untersuchen und ich möchte dafür sauber sein.« Wie derbe das klingt. Der Schmutz zwischen uns ist permanent und überall. Die Hitze. Das Verlangen. Und das Wissen um die dunkle Magie, die wir miteinander freisetzen. Stück für Stück rolle ich das Shirt nach oben, bis mein Höschen frei liegt und ein kleiner Streifen flacher Haut darüber zum Vorschein kommt. »Falls ihr nicht wollt, rufe ich eine der diensthabenden Schwestern. Kein Problem.«

Ehe ich mich versehe, löst sich Phoenix aus der Dreierformation. Beidhändig umfasst er mein Gesicht, zögert nicht eine Sekunde. Angst und Schrecken lese ich in seinem Antlitz, die Sorgen und Strapazen der letzten Tage. Hungrig küsst er mich, lässt mir keine Zeit zum Luftholen. Besitzergreifend erobert seine Zunge meinen Mund, wie es sich nicht für ein Krankenzimmer gehört. Ich bin sein fucking Dope. Wie er es sagte. Und ich habe ihn zum Entzug gezwungen.

Haltlos stöhnt er in meinen Mund, beißt in meine Lippe, das Minzkaugummi wechselt den Besitzer. »Hast du getrunken, du riechst nach Hochprozentigem?«

Zögerlich wird auf meine Frage geantwortet, zeitgleich wandern Hände über meinen Po, drücken mich übervorsichtig gegen seinen Körper. »Nur ein klitzekleines Bisschen, Baby. Phinx hat sich im Griff. Versprochen.«

Hinter uns wird auf italienisch geflucht, weil diese Tatsache wohl bisher unbemerkt geblieben ist. Sage wagt sich vor, hat seinen Kopf unter einer dunklen Hoodie-Kapuze versteckt. Aufmunternd zwinkert er mir zu und ich runzele die Stirn. Etwas an ihm irritiert mich, wirkt fremd. »Wo steckt der Flachmann, Kleiner?«

»Das geht dich einen feuchten D r e c k an.« In einem langgezogenen Singsangton wird Desinteresse signalisiert, sich weiter an mich geklammert und die Nase in meinen verstrubbelten, ungewaschenen Haaren vergraben. »Sei bitte nicht sauer auf mich, Flores. Die tagelange Wartezeit da draußen hat mich fertiggemacht. Außerdem waren es nur ein paar Schlucke. Echt nicht der Rede wert. Bitte vertrau mir.«

Zielsicher mache ich mich an seiner tiefsitzenden Gesäßtasche zu schaffen. Mit hinabsackenden Schultern lässt er zu, dass ich die Promille hervorhole, den Inhalt hin und her schwenke. »Da ist ja kaum noch was drin, Phoenix.« Besorgt streiche ich ihm die Haare aus der Stirn, weil die Situation für ihn schlimm sein wird. Er muss reden. Das ist bei ihm das A und O. Dennoch traue ich mich nicht, ihn auf Noah anzusprechen. »Wann hast du das letzte Mal geschlafen?«

»Sobald ich die Augen schließe, packen mich furchtbare Albträume. Von dir und ... Fuck, lieber bleibe ich wach und trinke in Etappen bis zu einem gewissen Pegel. Um die andere Sucht ausreichend zu dämpfen.« Phoenix Ehrlichkeit schmerzt höllisch. Intensiv kralle ich mich in den Stoff seines Longsleeves und versuche, ihn festzuhalten. Unentwegt schüttelt er den Kopf, als wolle er sich selbst stoppen, etwas auszusprechen. »Ich dachte, ich kann das, Flores. Dein Freund ist so ein verfluchter Feigling.«

»Freund?«, wiederhole ich flüsternd. »Offiziell? Du und ich?«

Schnellatmend wird sich von mir losgemacht, rückwärts gegen Roccos Brust getaumelt und zugelassen, der kleine Bruder zu sein. Der für das hier nicht die Kraft besitzt. Es ist okay. Er war so stark. Er darf jetzt schwach sein und sich stützen lassen. Blood Brothers. Brothers in Arms. Bruderliebe. Flüchtig flammt sie auf, durchströmt mich mit einem Gefühl von Wärme. Ich wollte nie der Keil zwischen ihnen sein.

Sage berührt mich am Arm und versperrt mir die weitere Sicht auf geflüsterte Worte, die zu einhundert Prozent mir gelten. »Ich kümmere mich um den Hosenscheißer. Mach dir keinen Kopf und achte auf dich. Das hat Priorität.«

Mehrmals blinzele ich, weil das Bild meiner geformten Wahrnehmung nicht mit dem aus der Realität zusammenpasst. Mechanisch schiebe ich ihm die Kapuze vom Kopf und erschrecke. »Deine Haare ... Was ist passiert?«

»Veränderung ist eine Konstante, Bellezza. Genauso wie bei dir. Du hast mir das Bandana abgenommen, ein neues kommt vorerst nicht infrage. Daher bis auf weiteres Buzzcut.«