Bloody Marry Me 3: Böses Blut fließt selten allein - M. D. Hirt - E-Book

Bloody Marry Me 3: Böses Blut fließt selten allein E-Book

M. D. Hirt

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Beschreibung

**Vampire-Glamour hinter den Kulissen**  Einen Rockstar zu lieben ist schon eine Herausforderung. Doch einen Vampir zu lieben, der Nacht für Nacht Bühnen rund um die ganze Welt bespielt, ist noch mal etwas ganz anderes. Vor allem jetzt, da Holly und Ray sich in die uralte Vampirstadt Vistren begeben. Schließlich bedeutet es nicht nur, dass Holly als einziger Mensch in einer Stadt voll von übersinnlichen und blutdürstigen Wesen leben wird, sondern auch Tür an Tür mit Rays Familie. Doch nichts ist wie es scheint und die Verbindung zwischen ihr und Ray ist außergewöhnlicher, als sie für möglich gehalten hätte… »Grandios«, »wunderbar« und »einzigartig« sind nur einige Worte, die Leserinnen gefunden haben, um diese Fantasy-Reihe zu beschreiben. //Dies ist der dritte Band der außergewöhnlichen Vampirreihe. Alle Bände der Fantasy-Buchserie: -- Bloody Marry Me 1: Blut ist dicker als Whiskey -- Bloody Marry Me 2: Rache schmeckt süßer als Blut -- Bloody Marry Me 3: Böses Blut fließt selten allein -- Bloody Marry Me 4: Morgenstund hat Blut im Mund -- Bloody Marry Me 5: Abwarten und Blut trinken -- Bloody Marry Me 6: Ende gut, alles Blut -- Sammelband der Rockstar-Vampire-Romance »Bloody Marry Me«// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Seitenzahl: 430

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

M. D. Hirt

Bloody Marry Me 3: Böses Blut fließt selten allein

**Vampire-Glamour hinter den Kulissen** Einen Rockstar zu lieben ist schon eine Herausforderung. Doch einen Vampir zu lieben, der Nacht für Nacht Bühnen rund um die ganze Welt bespielt, ist noch mal etwas ganz anderes. Vor allem jetzt, da Holly und Ray sich in die uralte Vampirstadt Vistren begeben. Schließlich bedeutet es nicht nur, dass Holly als einziger Mensch in einer Stadt voll von übersinnlichen und blutdürstigen Wesen leben wird, sondern auch Tür an Tür mit Rays Familie. Doch nichts ist wie es scheint und die Verbindung zwischen ihr und Ray ist außergewöhnlicher, als sie für möglich gehalten hätte …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

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© Shattered Light Photography

M. D. Hirt wurde in Barcelona geboren und bereiste mit ihren Eltern die ganze Welt. Heute lebt und studiert sie in Berlin und liebt es, mittlerweile selbst Pläne zu schmieden, um ferne Länder zu erkunden. Ihre Freizeit verbringt sie entweder in ihrer Werkstatt, in der sie an allem herumtüftelt, was ihr in die Finger kommt, oder an ihrem Schreibtisch. Dort ist auch ihr vampirisch-schöner Debütroman entstanden.

Prolog

Vampire, Rockstars und andere Kleinigkeiten

Ich saß auf dem Sofa und las, während mein Lover tot in seinem Sarg lag. Er war ein waschechter Vampir, ich ein Mensch. Außerdem war er nicht nur irgendein Blutsauger, sondern der Leadsänger einer Rockband und der Prinz einer Vampirstadt. Ich dagegen war eine einfache, normale Kunststudentin.

Wir waren, zugegebenermaßen, seit über einem Monat ein recht ungleiches Paar. Durch ungewöhnliche Umstände und magische Mojo-Verkettungen hingen wir aber nun mal jetzt zusammen wie Pech und Schwefel. Noch schien das Ganze reibungslos zu funktionieren, auch wenn wir den luxuriösen Lifestyle von diversen Hotelzimmern hinter uns gelassen hatten.

Temporär wohnten wir in dem winzigen Apartment, welches ich meine Studentenbude nannte. Denn ich hatte darauf bestanden, ein Stück des alten Lebens, was ich nie mehr haben würde, zurückzuerobern, und ich liebte mein kleines Reich. Außerdem gab es noch den ganz pragmatischen Grund, dass die Paparazzi es bisher nicht geschafft hatten, uns hier zu finden.

Ich ließ den Blick durch die Wohnung wandern, dafür brauchte ich nur einmal den Kopf von links nach rechts zu drehen, und hatte alles, bis auf Schlaf- und Badezimmer, gesehen. Die meiste Zeit des Tages verbrachte ich in der Universität und Ray hatte mich in den letzten Nächten jeden Abend zum Essen ausgeführt, dadurch war mein Apartment picobello. Das wenige, was rumlag, waren einige verstreute Bücher und Kleidungsstücke.

Ein blutroter BH hing an der Kante des neuen Flachbildfernsehers, den Ray gekauft hatte. Er hatte entsetzt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er meinen geradezu antiken alten Apparat entdeckte, der vorher an der Stelle stand.

»Hast du mal an die Brandgefahr gedacht?«, hatte er besorgt ausgerufen und sofort im nächsten Elektroladen das riesigste verfügbare Exemplar bestellt.

Jetzt stellte der Flachbildfernseher die neueste Errungenschaft in dem wenige Quadratmeter großen Raum dar. Wobei er zwischen meiner abgewetzten Ledercouch, den Secondhand-Küchenmöbeln und dem knatschenden Doppelbett irgendwie fehl am Platz wirkte.

Aber wenn man es genau nahm, gab es da noch ein anderes neues Möbelstück: einen nachtschwarzen Pinienholzsarg.

Der Sarg hatte, im Gegensatz zum Fernseher, für einige Diskussionen gesorgt.

Auf einem Sarg sitzend konnte ich immerhin nicht meine liebsten Soaps gucken und für Halloween-Deko war es kurz vor Weihnachten dann doch irgendwie zu spät, gerade so als seltsam anmutender Couchtisch taugte das Teil.

»Holly, deine Wohnung ist viel zu hell tagsüber! Selbst wenn wir alle Vorhänge schließen. In diesem Apartment ist nichts vampirsicher und wir werden erst in ein paar Monaten in den Neubau ziehen, damit ich morgens nicht Gefahr laufe, in Flammen aufzugehen. Oder willst du mehrere Wochen auf einer Baustelle wohnen? Brennende Leidenschaft hatte ich mir anders vorgestellt, als dass du versehentlich eine Gardine offen lässt«, hörte ich noch Rays Stimme in meinen Ohren.

Tja, normale Menschen sorgten für kindersichere Wohnungen und klebten Steckdosen ab, während wir in ein Apartment mit vampirsicheren Lichtschleusen und phototropen Fenstern zogen. Er hatte ja recht. Die Wohnung lag im Dachgeschoss, dadurch war sie nicht nur im Sommer brütend heiß, sondern auch permanent lichtdurchflutet.

Ich hatte seufzend eingewilligt und dem Sarg ein Duldungsrecht eingeräumt, bis der Umzug anstand.

Wenn mir jemand vor einem halben Jahr gesagt hätte, dass ich für einen Vampir umzog, hätte ich ihn für verrückt erklärt, denn damals hatte ich noch panische Angst vor den Blutsaugern gehabt.

Begonnen hatte alles mit einer irrwitzigen Reise um die Welt, die ich freiwillig mit Rays Vampirband angetreten hatte. Es hatte mich große Überwindung gekostet, überhaupt in einen Bus mit einem Haufen Vampiren zu steigen, geschweige denn neben einem zu nächtigen. Aber zur Erfüllung meines Lebenstraumes hatte ich das in Kauf genommen.

Langsam waren sie mir immer mehr ans Herz gewachsen, auch wenn ihre nicht schlugen. Aus nebeneinander schlafen wurde miteinander schlafen und als wir dann einen Stopp in Las Vegas eingelegt hatten, führten unvorstellbare Mengen Alkohol, unter anderem Absinth, dazu, dass ich Ray besoffen vor Elvis das Ja-Wort gab.

Obwohl meine Mutter mir jahrelang gepredigt hatte, es wäre nie zu früh für die Ehe, hatte sie sich das Ganze dann doch irgendwie anders gedacht. Ein Rockstar war wahrlich nicht das, was sie sich unter einem idealen Schwiegersohn vorgestellt hatte, dass Ray allerdings noch eines dieser »widerlichen Nachtgeschöpfe« war, machte die Sache nicht besser.

Ich hatte mich durch die spontane Ehe in Lichtgeschwindigkeit zum schwarzen Schaf der Familie katapultiert. Wobei ich zugegebenermaßen schon vorher einen gewissen Vorsprung gehabt hatte. Ich konnte nur hoffen, dass das Sprichwort »Die Letzten werden die Ersten sein« auch irgendwie auf mich zutraf.

Meine Eltern waren sehr konservativ und lebten auf einem kleinen Bauernhof auf dem Land. Sie fanden es furchtbar, dass ich in die Stadt gezogen war, um zu studieren, anstatt den Hof von ihnen zu übernehmen, aber die wilde Liebschaft und inkludierte Weltreise hatten den Vogel abgeschossen. Ich war der Ferrari der Enttäuschungen. Weihnachten stand vor der Tür und meine Familie hatte mich samt frischgebackenen Ehemann zum verfrühten Festtagsessen eingeladen, vermutlich nur aus einem Akt der Höflichkeit. Wobei schon alleine die Einladung beinahe ins Wasser gefallen wäre, denn in dem Moment, in dem mein Telefon geklingelt hatte, bekam ich gerade einen von Rays unglaublichen Küssen.

»Ja … Wir kommen gerne. Jetzt ist da grad nicht die Zeit für … Ray!«, hatte ich etwas bedröppelt rausgebracht, bevor Ray dazu übergegangen war, meinen Hals entlangzuküssen.

»Wieso? Sex verlängert das Leben, ich versuche nur dich auf meine Art unsterblich zu machen«, hatte er grinsend erwidert und während ich noch gebetet hatte, dass meine Mutter ihn vielleicht nicht gehört hatte, ließ mich die bleischwere Stille am anderen Ende der Leitung wissen, diese Hoffnung war vergebens. Peinlich berührt hatte sie sich von mir verabschiedet, jedoch nicht ohne mehrmals zu betonen, dass es auch absolut nicht schlimm wäre, falls wir es nicht schaffen sollten.

Dennoch hatten Ray und ich beschlossen guten Willen zu zeigen und uns über Braten und Klößen von Blicken filetieren zu lassen. Oder eher gesagt, ich hatte ihn dazu überredet.

Aber Rays Familie hatte ebenfalls nicht gerade optimal reagiert. Entgegen seiner Annahme nahmen sie die Hochzeit vor Elvis ernster als gedacht und luden uns nach Vistren ein. Vistren war die düstere Hauptstadt der vampirischen Bevölkerung und Einladung war eher ein Euphemismus. Es war ein Befehl. Immerhin hatten Ray und ich durch unsere Eheschließung sämtliche Pläne der arrangierten Ehe, die für ihn vorgesehen war, nachhaltig zunichtegemacht. Wir waren wie Romeo und Julia, wobei einer von uns schon tot war.

Seine Exverlobte, Morgana del Fuego, war eine Schauspielerin, die ich ebenfalls auf unserer Reise kennengelernt hatte, und ich glaubte sie würde mindestens noch ein paar Jahrhunderte nicht gut auf mich zu sprechen sein.

Es gab außerdem einen weiteren Haken: Die Band sollte einen Auftritt in Vistren haben. Das klang erstmal nach nichts Besonderem, aber dies würde nicht irgendein Auftritt sein, sondern ihr erstes Konzert in der Vampirstadt, zu Ehren von Rays Schwester Hekate.

Andere heirateten einen Prinzen und all ihre Probleme schienen sich in Luft aufzulösen, bei mir fingen sie dadurch erst an.

Um mich auf die bevorstehende Reise vorzubereiten, wälzte ich einen alten Schmöker nach dem anderen. Von mir wurde erwartet, dass ich zumindest die wichtigsten Vampire der Hohen Häuser kannte, aber ähnlich wie beim Vokabellernen stellte ich mich auch hier nicht besonders gut an. Ich versuchte die langen Ahnenreihen, Stadtpläne und Biographien, die Ray mir gegeben hatte, so gut wie möglich auswendig zu lernen, damit ich beim Kaffeekränzchen mit seiner Familie nicht wie der größte Bauerntrottel dastand. Wobei vermutlich ohnehin weniger Kaffee, sondern das Blut von sechsundachtzig Jungfrauen serviert werden würde.

»Warum zur Hölle nehmen sie die Hochzeit in Las Vegas so furchtbar ernst? Ich dachte, sie tun das als menschliches Geplänkel ab«, hatte er geflucht, kurz nachdem wir den mit rotem Siegelwachs verschlossenen, auf schwerem Pergament geschriebenen Brief erhalten hatten.

Es würden vermutlich die beiden schrecklichsten Familienfeste werden, denen ich je beigewohnt hatte, noch vor dem Osterfest, an dem Tante Annie in die Bowle gekotzt hatte.

Na gut, dann wollen wir mal, dachte ich und schlug das nächste Stammbuch der Familie Sorin auf. Ich schluckte nervös bei der Vorstellung daran, was mir bevorstand, doch schob den Gedanken beiseite, nur um zum fünften Mal den Abschnitt über Arnold den Großen zu lesen. Während ich mit dem Finger an den vergilbten Zeilen entlangfuhr, schweifte ich automatisch wieder mit den Gedanken ab.

Ich und ein Haufen mehr oder minder feindlich gesonnener Vampire, in einer Stadt voller weiterer Blutsauger, einem neuen verlorenen Semester und einem Ehemann, der eigentlich einer anderen versprochen gewesen war – was konnte da noch schiefgehen? Wer bestand sein Studium schon in Regelstudienzeit? Und wer konnte von sich behaupten, dass einen seine angeheirateten Verwandten zum Fressen gern hatten?

Ich seufzte und konzentrierte mich wieder auf die unangenehme Lektüre. Sobald ich jedoch den Blick erneut auf das Abbild von Arnold dem Großen senkte, wusste ich eines: Egal wie oft ich den Abschnitt lesen würde, nichts davon würde in meinem Kopf hängen bleiben. Ich seufzte abermals und blätterte um.

Diese Nachtschattengewächs-Telefonbücher, wie ich sie scherzhaft nannte, enthielten nie besonders viel Informationen über das Wesen des jeweiligen Vampirs, sondern eher eine geschichtliche Abhandlung, was das Unterfangen nur noch langweiliger gestaltete. Im Geschichtsunterricht in der Schule war ich schon schwerlich für etwas anderes als berühmte Maler zu begeistern gewesen und hatte mir gerade bloß wichtige Eckdaten gemerkt.

Dafür erkannte ich zumindest jetzt einen Großteil der Vampire aus dem Hohen Haus der Künste, das war doch schon mal was. Wer hätte gedacht, dass Vincent van Gogh ein Vampir gewesen war? Leider hatte er durch ein paar seltsame Experimente offensichtlich den Verstand verloren, sich das Ohr abgeschnitten und war dann zum Wohle des Rests der Vampirgesellschaft gepfählt worden. Das war jedoch lange Zeit vor dem Outing der Vampire geschehen. Ob er heute wohl in ein Vampir-Rehabilitationszentrum eingewiesen worden wäre? Mist, jetzt hatte ich mich schon wieder ablenken lassen.

Ich sah betreten auf die Uhr und beschloss mein Vorhaben für heute aufzugeben, da Alice, meine beste Freundin, die alle aus irgendeinem Grund für meine Mitbewohnerin hielten, demnächst vor der Tür stehen würde. Zumindest war sie in der letzten Zeit öfter in meiner Wohnung gewesen als ich und mittlerweile türmten sich nicht meine Kleiderberge auf dem Stuhl im Schlafzimmer, sondern ihre. Mit ihren Plänen für heute Nacht hatte ich jedoch nicht gerechnet, sonst hätte ich mich vermutlich vorher noch mal umgezogen.

Kapitel 1

Scherben bringen Glück

Es klingelte an der Tür. Ich hatte meine beste Freundin Alice zu einer Krisensitzung gebeten, bevor Ray und ich aufbrachen. Außerdem sollte sie in unserer Abwesenheit die Wohnung hüten. Als sie eintrat, pfiff sie anerkennend zwischen den Zähnen und klopfte vorsichtig auf den Sarg.

»Ist er wieder da drin?«, fragte sie neugierig, während ich eilig eine Tischdecke über das ungewöhnliche Möbelstück warf und mein Kunstwerk kritisch musterte.

»Ich denke schon, kurz bevor ich das Haus verlassen habe, ist er dort reingestiegen«, mutmaßte ich.

Alice brach in schallendes Gegacker aus.

»Ist ihm klar, dass du ihn tagsüber als Ablage benutzt?«, kicherte sie, während ich zwei Tassen auf dem glatten Deckel platzierte und uns Kaffee eingoss.

»Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Ich räume das Geschirr ja weg, bevor er wieder aufwacht«, erwiderte ich entschuldigend. »Immerhin habe ich jetzt den Couchtisch, den ich immer wollte«, fügte ich seufzend hinzu und Alice kicherte.

»Dabei hatte ich ihn nie als häuslichen Typen eingeschätzt. Wer hätte das gedacht! Er hört uns nicht, wenn wir über ihn reden, oder?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein, selbe Regel wie immer, tagsüber ist er wirklich mausetot. Er kann dann auch keine Gedanken lesen.«

»Meine Güte, das würde mir vielleicht auf den Keks gehen, das ist, als wärst du mit der Stasi verheiratet. Ich verstehe nicht, wie du das aushältst«, seufzte Alice mitfühlend.

Ja, es war ätzend, sogar sehr.

»Wenigstens schnarcht er nicht«, sagte ich schulterzuckend.

Wenn ein Vampir das Blut eines Menschen trank, konnte er die Gedanken und Gefühle dieses Menschen so lange hören, bis die Wirkung, die von der Menge des Blutes abhing, abgeklungen war. Außerdem konnte der Vampir, wenn der Mensch sein Blut getrunken hatte, die Gedanken und Gefühle des Menschen manipulieren.

Durch eine Entführung, die mit einer unangenehmen Nahtoderfahrung meinerseits endete, hatte Ray sehr viel von mir getrunken und ich hatte mehrere Transfusionen von seinem Blut bekommen. Um es kurz zu machen: Was meine Gedanken anging, war ich ziemlich gelackmeiert. Kein privates Kopfkino, keine heimlichen Schwärmereien und keine Privatsphäre, zumindest nicht für das ganze nächste Jahr. So lange dauerte es ungefähr, bis sich das Blut in meinem Körper komplett regeneriert und erneuert hatte. Nichts war vor ihm sicher.

Wobei ich gestehen musste, dass wir den Blutlink seitdem dennoch ein paar Mal aufgefrischt hatten, jedoch war das weniger dem Gedankenlesen als hitzigen Aktivitäten unter meiner geblümten Bettdecke geschuldet.

Ray hatte zwar versucht mir einige Techniken beizubringen, wie man seine Gedanken besser kontrollierte, aber bei mir schien Hopfen und Malz verloren zu sein. Immer wenn ich ein Geheimnis verbergen sollte, fiel es mir unendlich schwer, nicht daran zu denken. Die einzige Möglichkeit, die sich mir bot, waren die schrecklichsten Popsongs der letzten Jahrzehnte auf meinem inneren Radio zu schmettern – dann ergriff Ray nämlich meistens die mentale Flucht.

»Erde an Holly!« Alice unterbrach meinen Gedankenstrom. »Also, hast du genug Klamotten eingepackt? Ihr fahrt von deinen Eltern aus gleich nach Vistren oder?«, fragte sie.

Ich nickte. »Richtig, ich habe zwei große Koffer. Das Konzert für Rays Schwester ist zwar erst später, aber vorher muss noch eine Menge Promo-Kram erledigt werden.«

»Gut. Hast du schon das Anmeldeformular für die Uni ausgefüllt?«, fragte sie weiter.

Ich zog eine Grimasse. Ray hatte zusammen mit Miroslav, einem anderen Vampir, den Plan ausgeheckt, in Vistren eine Universität zu gründen. Obwohl Ray dabei eher an eine Scheinuniversität gedacht hatte, setzte Miroslav Himmel und Hölle in Bewegung, um einen richtigen Bildungstempel zu zaubern, und hatte sich der Sache mit Herz und Seele verschrieben. Ich würde dort ein Auslandssemester verbringen.

Zunächst war ich noch sehr skeptisch gewesen, doch meine Hochschule war mehr als nur begeistert.

»Unsere Universität fühlt sich wirklich geschmeichelt. Wir hätten es uns niemals erträumt, als menschliche Partnerschule der neu gegründeten vistreschen Akademie in Erwägung gezogen zu werden. Das wird die Mensch-Vampir-Beziehung nachhaltig stärken«, hatte der Dekan meiner Fakultät mehrmals betont.

Diese einmalige Gelegenheit war anscheinend so verlockend, dass man viele Gründe, die eigentlich dagegensprachen, außer Acht ließ. Also wirklich vieles. Die Universität hatte bis vor ein paar Tagen noch nicht mal auf dem Papier existiert, geschweige denn von bürokratischen Strukturen oder einem Lehrkörper gehört. Ich würde die erste, experimentelle, vistresche Austauschstudentin sein.

Ein Seufzen entfuhr mir. »Ja, ich habe die Anmeldung ausgefüllt, muss sie aber noch abgeben. Obwohl ich von der schnell aufgezogenen Schnapsidee immer noch nicht viel halte.«

Alice klatschte freudestrahlend in die Hände. »Prima, dann ist ja alles erledigt. Ich nehm sie einfach am Montag in die Uni mit.«

»Nein, nichts ist erledigt. Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten Wochen überstehen soll. Meine Eltern werden ihn hassen und ich weiß vermutlich noch nicht mal annähernd so viel über seine, wie ich sollte. Außerdem hab ich absolut null Bock, Miroslav in der«, ich hob die Finger und malte ein paar Anführungszeichen in die Luft, »Universität zu begegnen. Der Kerl wollte immerhin mein Blut schlürfen! Was meinst du, wie unangenehm ein Gespräch mit ihm wird?«

»Mach’s doch einfach wie Ray, leg dir eine gesunde Leck-mich-am-Arsch-Haltung zu, was deine und seine Eltern angeht, und kauf dir einen Pflock, falls Miroslav wieder unangenehm werden sollte«, gab sich Alice Mühe, die Wogen zu glätten.

Natürlich würden sich meine Probleme nicht einfach durch einen Schweizer-Taschenpflock oder einen plötzlichen Meinungswechsel meinerseits lösen lassen.

»Ich wünschte ja gerade, dass Ray diese Rutsch-mir-den-Buckel-runter-Haltung nicht hätte!«, maulte ich, spielte am Saum meiner ausgefransten Strickjacke herum und biss mir auf die Lippe.

»Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm. Sag ihm einfach, selbst wenn er sich anstrengen würde, es sei unmöglich, deine Eltern in seinen Bann zu schlagen. Bei meinen Exfreunden hat das bisher immer funktioniert und sie haben sich dann besonders ins Zeug gelegt«, grübelte Alice und ein diabolisches Lächeln war auf ihrem Gesicht erschienen.

Wenn es nur so einfach wäre.

»Erinnerst du dich noch, als du meine Eltern kennengelernt hast?«, fragte ich sie und sah, wie sie erbleichte. Offensichtlich erinnerte sie sich hervorragend an ihr erstes Zusammentreffen mit meinen Erzeugern. Eine Antwort blieb sie mir allerdings schuldig.

Der Wecker meines Handys klingelte und ich beeilte mich die Tassen samt Tischdecke vom Sarg zu räumen. Kurz darauf schlug der Deckel des temporären Couchtischs auf dem Dielenboden auf und ein halbnackter Ray entstieg der flachen Holzkiste. Sein Honiggeruch war am Morgen – Pardon, Abend – immer besonders intensiv und ich atmete diesen vertrauten Duft tief ein, ehe ich ein Scheppern vernahm. Ich war leider zu langsam gewesen und musste die Überreste einer der Tassen zusammenklauben, die unter dem Deckel begraben worden war. Verdammt, jetzt stand definitiv ein neuer Flohmarktbesuch an, ich hatte nur noch drei Tassen übrig.

»Guten Abend, Mädels«, nuschelte Ray und fuhr sich durch das rabenschwarze Haar. Er blickte mich fragend an, während ich die Scherben einsammelte, und empfand es als äußerst unfair, dass er gerade erst aufgestanden und trotzdem absolut makellos aussah.

So verwunderlich war das jedoch nicht, immerhin hatte er nicht einfach nur ein Nickerchen gehalten, sondern war für ein paar Stunden komplett leblos gewesen.

Mein Herz schlug immer noch schneller, sobald ich in seine eisblauen Augen sah. Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln und auch Alice konnte sich das Starren nicht verkneifen, während ich die kaputte Tasse in den Müll verfrachtete.

»Ich kauf dir ein paar neue«, merkte er mit einem Blick auf meine Gedanken an, woraufhin ich seufzend den Kopf gegen die Küchentheke schlug und die schrecklichsten Ballermannhits in meinem Hirn anstimmte. Er verzog keine Miene. Vielleicht hatte er sich mittlerweile an Mickie Krause gewöhnt.

»Schön dich zu sehen, Ray«, sagte Alice und wandte peinlich berührt den Blick ab, als sie mich sah. Eigentlich konnte ich es ihr nicht mal übel nehmen. Ray Sorin war absolut perfekt, und das bereits seit über eintausend Jahren.

»Was macht ihr noch hier?«, fragte Ray verwundert und ich schenkte ihm einen entgeisterten Blick.

Die Stille, die daraufhin folgte, war nur von einer undeutlichen, leisen Kakofonie unterbrochen, die aus dem Flur mehrere Stockwerke unter uns zu kommen schien. Seltsam, dabei waren sämtliche meiner Nachbarn Rentner und pochten üblicherweise auf ihre abendlichen Ruhezeiten.

Ich runzelte die Stirn. »Wo sollten wir denn sonst sein?«

»Jetzt hast du die Überraschung verdorben!«, kreischte Alice und funkelte ihn düster an.

»Moment, was ist hier los? Was sind das für Geräusche im Flur? Hat einer von euch etwas damit zu tun?«, fragte ich und blickte von Alice’ säuerlichen Miene zu Rays belustigtem Grinsen. Die Lautstärke aus dem Treppenhaus schien stetig zuzunehmen.

Er machte eine Geste, als ob er seinen Mund abschloss und den Schlüssel hinter sich warf, schenkte mir einen vielsagenden Blick und ich hörte Rays vertraute, tiefe Stimme in meinen Gedanken: »Das wirst du gleich sehen.«

Alice sah zwischen uns beiden hin und her, bevor sie mit den Armen wedelte und ihre funkelnden Augen auf Ray richtete, während sie ihm mit dem Finger in die Brust bohrte.

»Oh! Ich weiß, was hier passiert. Du hast gerade wieder das Gedankentelefon angeschmissen! Ich warne dich, mein Lieber! Wehe, du verrätst noch mehr, sonst …!«, drohte sie ihm, doch Ray lachte nur und hob abwehrend die Hände.

»Sonst was?«, fragte er prustend. »Sonst darf ich etwa nicht mitspielen?« Er fuhr sich durchs wuschelige Haar.

»Sonst gibt es gleich keinen Anschluss mehr unter dieser Nummer …«

Bevor Alice ihm noch eine weitere patzige Antwort entgegenschleudern konnte, klingelte es an der Tür und sie beeilte sich, um das kreischende Ungetüm, welches sich anscheinend im Flur aufgebaut hatte, hineinzulassen. Wider Erwarten streckte kein vierköpfiges Monster seine neugierigen und schreienden Mäuler durch den Türrahmen, sondern zwei meiner Kommilitonen fielen mir aufgeregt um den Hals.

Ich kniff die Augen zusammen, als sie mir direkt ins Ohr schrien und mir eine Schärpe um die Brust legten. Zehn Sekunden später hatte ich zusätzlich noch eine Plastikkrone auf dem Haupt und einen Schnaps als Zepter in der Hand.

Mit einem mulmigen Gefühl blickte ich an mir herunter und erspähte den Schriftzug, der sich nun über meinen Busen spannte. Ich war nicht zur neuen Königin von Mallorca gekürt worden, sondern zur Angehenden Braut, wobei das Angehende durchgestrichen und mit Textilmarker zu Bereits verheiratete geändert worden war. Amy und Lara, die beide identische T-Shirts mit der Aufschrift Team Braut trugen, lächelten begeistert.

»Es gab keine, die zu einem nachträglichen Junggesellinnen-Abschied gepasst hätte«, fügten sie entschuldigend hinzu und klopften mir aufmunternd auf die Schulter.

Mit entsetztem Blick kippte ich den Schnaps in einem Zug hinunter und verzog das Gesicht, denn der starke Alkohol brannte in meiner Kehle.

Sie ließen mir jedoch keine Pause und schenkten Prosecco ein, den sie von irgendwoher zutage befördert hatten.

Alice lächelte süffisant und ich konnte nicht anders, als ebenfalls ein wenig zu lächeln. Das Getränk kitzelte an meinem Gaumen und nach ein paar Schlucken war der initiale Schreck verflogen.

»Du dachtest wohl, nur weil du in Las Vegas geheiratet hast, kannst du dem vollen Programm entgehen und mich um meinen Junggesellinnen-Abschied betrügen! Aber ich habe mit Ray gesprochen und wir haben beschlossen: Bevor du in den nächsten Tagen gar nichts mehr zu lachen hast, darfst du wenigstens noch einen Tag so richtig die Sau rauslassen. Ein bisschen Normalität«, erklärte Alice triumphierend.

»Schön, dass ich immer so viel Mitspracherecht habe, einen Junggesellinnen-Abschied hätte ich auch nicht gerade als normal gewertet. Außerdem würde ich sagen, Las Vegas zählt als Hochzeit und Junggesellinnen-Abschied in einem«, murmelte ich resigniert, begann aber ebenfalls zu grinsen.

»Pst! Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas«, ermahnte mich Alice und legte mir kichernd einen Finger auf die Lippen. Ihre Begeisterung war ansteckend.

»Adam müsste schon längst unten warten«, mischte sich Ray ein, der nachdenklich auf die Uhr blickte. Ich sah, wie ein Hauch Beunruhigung über sein Gesicht schlich, und wusste genau, woher der kam. Seit Taylor, Rays engster Freund, Bandmitglied und Cousin, mich während der Reise immer wieder von Auftragsmördern hatte attackieren lassen, wobei ich letztendlich entführt und fast getötet worden war, war Ray übermäßig um meine Sicherheit besorgt. Allerdings musste ich fairerweise zugeben, dass es sich mittlerweile wieder halbwegs in Grenzen hielt, anfangs hatte er mich nicht einmal alleine zur Uni gehen lassen wollen, aber ich hatte ihn mit meinem lautstarken Gezeter umgestimmt.

Dennoch machte das den Abend und Rays Finger in diesem Spiel umso seltsamer. Dieser 180-Grad-Wandel, was Rays Paranoia anging, schien mir dennoch relativ unglaubwürdig.

»Was hast du damit zu tun?«, fragte ich ihn misstrauisch, doch Amy antwortete für ihn. »Er zahlt! Also zumindest haben wir seine Kreditkarte!«, kreischte sie begeistert und hüpfte aufgeregt auf und ab.

»Das ist jetzt nicht dein Ernst?« Meine Augenbrauen konnten sich nicht entscheiden, ob sie sich fragend nach oben oder doch eher wütend zusammenziehen sollten.

Er zuckte nur mit den Schultern und formte mit dem Mund lautlos ein »Entschuldigung«, sah aber keineswegs so aus, als würde er es auch nur annähernd so meinen.

Wir hörten ein Hupen und Lara stürzte zum Fenster.

»Die Limousine ist da!«, kreischte sie begeistert und hüpfte nun ebenfalls wie Amy auf und ab.

»Tut nichts, was ich nicht auch tun würde«, rief Ray noch über die Kakofonie.

»Gut, dann gibt es wohl keine Einschränkungen, außer Holly mehr als einmal unsere Liebe zu gestehen«, klatschte Alice begeistert in die Hände, während Ray ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zur Schau stellte. Es stimmte, Ray tat sich immer noch schwer damit, seine Gefühle in Worte zu fassen, er ließ lieber Taten sprechen.

Er zog mich in die Arme und seine weichen Lippen legten sich auf meine, zuerst ganz sanft, dann jedoch immer stürmischer, bevor Amy mich peinlich berührt und etwas genervt wegzog. Völlig bedröppelt stieß ich gegen die Garderobe neben der Wohnungstür und hatte Mühe, auf meinen wackeligen Beinen zu stehen.

»Viel Spaß«, hauchte Ray mir noch verführerisch hinterher und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er deutlich mehr wusste als ich und alles nach einem seiner diabolischen Pläne verlief.

Etwas benommen trottete ich Amy hinterher und musste mich am Geländer festhalten, um nicht die Treppe hinunterzufallen – Rays Küsse hatten eine ziemlich durchschlagende Wirkung auf mich, die eine ganze Weile anhielt.

Ehe ich es mir versah, saßen wir in einer schneeweißen Stretch-Limo und der Fahrer, Adam, drehte sich freudestrahlend zu uns nach hinten.

»Entschuldigt die Verspätung, die Gegend hier ist nicht wirklich für Limousinen gedacht«, lachte er entschuldigend und ich entspannte mich etwas.

Ich mochte Adam, er war der einzige Mensch, der, abgesehen von mir, die Band über sämtliche Kontinente hinweg begleitet hatte. Er war ein Freund mit einer treuen Seele und einer unbeschwerten Art. Seine Anwesenheit beruhigte mich ein wenig. Wenn er dabei war und darauf achten würde, konnte die Situation zumindest nicht vollkommen eskalieren. Vermutlich war er auch einer der Gründe, warum Ray dieser Aktion überhaupt zugestimmt hatte.

»Na, dann wollen wir Holly mal eine Party bescheren, die sie so schnell nicht vergisst!«, fügte er hinzu und wandte sich schmunzelnd der Straße zu, als er den Motor startete. Er summte laut zu den Hits irgendeiner Girl-Group, die aus den massiven Lautsprechern gegenüber der lederbezogenen Sitzbank drangen. Eine Discokugel schwankte bedrohlich mit jeder Bewegung des Wagens über unseren Köpfen hin und her und bunte Lichter wurden aus diversen Ecken auf das stoffbezogene Dach geworfen. Es roch nach nigelnagelneuen Bezügen und einer Spur Alkohol.

»Was soll eigentlich die Krone?«, fragte ich über die Musik hinweg.

»Na, du bist doch jetzt eine Prinzessin!«, erwiderte Lara und ich zuckte innerlich zusammen. Auch ich hatte mir, wie so manches Mädchen, gewünscht, ein Prinz in schillernder Rüstung würde kommen, um mich zu ehelichen. Aber bei einem düsteren Prinzen aus der Vampirhauptstadt hätte ich mir das Ganze vielleicht dann doch noch mal überlegt.

»Nicht dass das so eskaliert wie die Hochzeit!«, flehte ich über den Lärm hinweg Alice an, die grinste, den Kopf und ihre Champagnerflöte heftig hin und her schüttelte, wodurch sich der flüssige Inhalt in der Limousine verteilte.

»Sieh es mal positiv, du kannst heute zumindest nicht noch mal besoffen heiraten!«, gackerte sie.

»Entspann dich! Nimm ’nen Schluck!«, wies Amy mich an und flößte mir einen Shot ein, der nicht nur übel roch, sondern auch noch fürchterlich in meiner Kehle brannte. Es war ein vertrauter Geschmack nach rauchigem Whiskey, jedoch nicht die teure Sorte, die Ray vornehmlich trank, sondern irgendein billiger Fusel, von dem ich husten musste. Ich prustete und Lara klopfte mir mit solchem Schwung auf den Rücken, dass ich von der langen, gepolsterten Sitzbank fiel, es gab nämlich keine Anschnallgurte. War das überhaupt auf deutschen Straßen zugelassen?

»Wo fahren wir eigentlich hin?«, keuchte ich, als ich wieder zu Atem kam.

»Na, in den Stripclub natürlich! Keine Sorge, der liegt außerhalb der Reichweite des Gedankenlesers, glauben wir zumindest«, entgegnete Lara, die mittlerweile stark angetrunken war und grölend einigen Autofahrern ihre Brüste aus dem offenen Fenster entgegenstreckte.

Beherzt griff ich nach ihrem halbvollen Glas Whiskey und stürzte es in einem Zug hinunter. Ich verzog das Gesicht, als sich die Flüssigkeit ihren Weg durch meinen Rachen bahnte, doch es war mir egal. Nüchtern würde ich diese Nacht mit Sicherheit nicht überstehen.

»Ich mach aber keine so bescheuerten Spiele.«

»Deine einzige Aufgabe für heute Abend lautet, dich einfach mal gehen zu lassen und alles zu genießen«, erklärte Lara ernst.

»Als ob Holly das könnte«, johlte Amy.

»Ach ja? Das wollen wir doch mal sehen«, entgegnete ich und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Der Alkohol stieg mir langsam zu Kopf und sorgte für ein Gefühl wohlig warmer Trägheit. Die Sache begann mir Spaß zu machen.

»Hoffentlich ist Ray am Ende nicht böse mit dir, wenn du übertreibst«, gab Lara mit einem halbherzigen Kichern zu bedenken.

»Sag mal, wenn so ein Vampir wütend wird, ist das dann nicht saugefährlich?«, fragte Amy und sah mich neugierig an.

Da war sie wieder, die Vampirfragestunde. Seit ich von der unerwarteten Reise mit der Vampir-Band wiedergekommen war, bekam ich allerhand Fragen gestellt, die vor allem auf den Alltag mit Vampiren abzielten. Alle schienen mich jetzt für eine Expertin auf diesem Gebiet zu halten, dabei hatte ich das Gefühl, dass ich gerade mal an der Oberfläche eines Eisberges von Informationen gekratzt hatte.

»Schon, es ist ziemlich gefährlich«, antwortete ich zögerlich.

Ich dachte zurück an die Anfänge von Rays und meiner Beziehung, bei der es mehr als eine Gelegenheit gegeben hatte, bei der wir uns am liebsten an die Gurgel gegangen wären. Ehrlich gesagt gab es solche Momente immer noch regelmäßig, auch wenn sie mittlerweile oft in leidenschaftlichen Küssen endeten. »Aber Ray würde mir nie etwas antun«, beteuerte ich und nickte energisch.

Amy fiel in mein enthusiastisches Nicken ein.

Meine Freundinnen liebten Ray, manche vielleicht ein kleines bisschen zu sehr. Aber so war das wohl, wenn der eigene Freund ein gefeierter Rockstar war.

»Und wie ist er so im Bett? Hattet ihr schon mal wütenden Sex?«, fragte sie und ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.

Mit solchen Fragen ging ich immer noch nicht wirklich leichtfertig um. Allein die Erinnerung an die üblichen Ausgänge der meisten unserer Streitereien ließ mich peinlich berührt auf meinem Sitz herumrutschen. Ich stammelte einige unzusammenhängende Worte vor mich hin, die im Getöse der Lautsprecher untergingen, die Alice soeben lauter aufgedreht hatte.

»Na hör mal, so was fragst du noch, nachdem du gesehen hast, wie er sie eben geküsst hat?«, brüllte Lara vor Lachen.

Glücklicherweise blieben mir weitere Antworten und peinliche Fragen erspart, denn Adam fuhr nun auf den Parkplatz eines abgelegenen Gebäudes, an dem ein großes Neon-Schild prangte. Satyrs stand dort in rotbeleuchteten Buchstaben und die Mädels kreischten wieder unisono.

»Ähm … Ray weiß, wo wir sind? Also in einem Strip-Club? Er war damit einverstanden?«, fragte ich Alice’ Rücken, die gerade aus der Autotür kletterte.

»Du hast es selbst gesagt, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß«, erwiderte sie.

»Hätten wir nicht einfach töpfern gehen können oder so etwas?«, stöhnte ich und krabbelte leicht torkelnd aus der Limousine, den anderen hinterher.

»Es ist ein Junggesellinnen-Abschied! Da geht man nicht einfach töpfern!«, entrüstete sich Alice. »Das kannst du in deinen Gestaltungskursen an der Uni machen. Ich glaube, du hast ein bisschen zu viel Ghost – Nachricht von Sam geguckt, meine Liebe.« Sie packte mich an beiden Schultern und schob mich erbarmungslos vor sich her.

Kapitel 2

Der Wolf im Schafspelz

Vor dem unscheinbar wirkenden Eingang stand ein bulliger Riese in einem schwarzen, ordentlich gebügelten Anzug. Mit breiten Schultern vermittelte er ein Gefühl von Autorität und sein Gesicht, welches im Neonschein schwach aufleuchtete, gab ihm einen bedrohlichen Ausdruck. Als er uns erblickte, schnellten seine Augenbrauen in die Höhe und er sprach uns mit einem leichten Lächeln an.

»Ist das unser besonderer Gast?«, fragte er Alice, die vor mir stand, mit einer tiefen Stimme, die durch Mark und Bein ging.

»Ja!«, quiekte sie aufgeregt.

»Dann benötigen die Damen noch das hier«, erwiderte der Riese im Anzug und gab jedem von uns eine zarte Metallmaske. Sogleich begann Alice mir das Gebilde vors Gesicht zu pappen.

»Was soll das?«, fragte ich verwirrt, aber ließ sie gewähren.

»Nun, da du ja, wie dein Göttergatte, eine kleine Berühmtheit ist, haben wir uns einen Club mit Maskenpflicht ausgesucht«, erwiderte sie und bugsierte mich durch die Tür hinter dem Türsteher, während sie sich selbst noch die Maske auf der Nase zurechtrückte. Ich nahm einen letzten tiefen Atemzug von der frischen Nachtluft und wappnete mich für das Bevorstehende.

»Ich habe telefonisch das Spezial-Programm für dich vereinbart. Damit du dich auch wirklich entspannen kannst.«

Auch das noch. Ich hatte keine Ahnung, was das beinhaltete, aber ich war mich sicher, dass Bingo spielen nicht dabei war und Entspannung bei meiner Verklemmtheit sich schwieriger gestalten könnte als vielleicht vorgesehen.

Nervös spielte ich mit dem Saum meiner Strickjacke herum, weswegen sie schon völlig ausgeleiert war, und rückte die Maske noch mal zurecht. Sie drückte fürchterlich auf meiner Nasenwurzel und passte absolut nicht zu meinem restlichen Outfit, ich hatte ja keine Zeit gehabt, mich umzuziehen. Ich musste komplett deplatziert wirken, nie zuvor hatte ich einen Strip-Club betreten und keinen Plan, was mich erwarten würde.

Okay, ich hatte auch null Ahnung, was genau in Vegas geschehen war, aber da war ich nicht zurechnungsfähig gewesen – außerdem, was in Vegas passiert, bleibt in Vegas. Ich wiederholte es wie ein Mantra. Doch die Neugier ließ meinen Puls in die Höhe schnellen und der Alkohol entlockte mir unwillkürlich ein Giggeln.

Im Club spielte leise Lounge-Musik. Die Kronleuchter strahlten gedämpftes Licht aus, welches von den zahlreichen Kristallen gebrochen und auf die goldene Ornamenttapete geworfen wurde. An den Seiten befanden sich mehrere von Paravents abgetrennte Sitzecken. Die Sofas und Sessel waren mit blutrotem Samt bezogen, der im Halbdunkel verführerisch schimmerte und mich an nasse Ölfarbe erinnerte. Es roch nach etwas Schwerem, Drückendem, gemischt mit noch mehr Alkohol.

Um eine große, halbrunde Bühne hatten sich zahlreiche aufgeregt tuschelnde maskierte Frauen gescharrt und sie alle waren mit dicken Geldschein-Bündeln ausgestattet. Sie schienen erwartungsvoll und aufgeregt auf etwas zu warten, zumindest hüpften einige auf und ab, drängelten und tuschelten miteinander. In dem rotstichigen Dämmerlicht erkannte ich noch mindestens zwei weitere Junggesellinnen-Abschied-Meuten an ihren bescheuerten Kostümen.

Scheinwerfer und Musik wurden plötzlich gedämpft und erloschen schließlich gänzlich. Ich spürte, wie Alice mich bei der Hand nahm und nach vorne drängte. Ein Stapel Papier wurde mir zwischen die verkrampften Finger geschoben und als das Licht wieder anging, sah ich den riesigen Haufen Scheine.

»Bist du verrückt?«, flüsterte ich in die erwartungsvolle Stille, die nun über dem Saal hing. Es waren zwar keine echten Scheine, zumindest wäre es mir neu gewesen, wenn es plötzlich Ein-Euro-Scheine mit nackten Männeroberkörpern drauf gegeben hätte, aber mir war sehr wohl bewusst, dass sie für ein paar echte Banknoten standen.

»Dein Mann zahlt!«, kicherte sie und grinste von einem Ohr zum anderen.

»Ray zahlt das hier, damit wir Geldscheine in die Tangas fremder Männer stecken?«, fragte ich sie skeptisch, doch dann setzte die Musik ein und übertönte Teile von Alice’ Antwort, die aber irgendetwas von wegen »Er merkt’s ja erst auf der Abrechnung« enthielt.

Ein ruhiger Song mit gleichmäßigem Takt schallte durch den Club und sechs mit Masken und Anzügen bekleidete Gestalten waren auf der Bühne erschienen.

Sie formierten sich, sodass sie das Halbrund der Bühne ausfüllten. Dann begannen sie komplett synchron ihre seidengrauen Krawatten zu lösen. Ich starrte den Tänzer, der direkt vor mir und Alice stand, wie gebannt an. Er lächelte hinter seiner roten venezianischen Maske, ließ die Krawatte über jeden einzelnen Finger gleiten, nur um sie mit einer verführerischen Geste zu Boden schweben zu lassen. Meine Handflächen schwitzten und ich knüllte die Geldscheine aufgeregt in der Faust zusammen.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle den Blick abwenden, bevor noch mehr Kleidungsstücke fielen. Jedoch ertappte ich mich dabei, wie zur Salzsäule erstarrt zu sein. Ich konnte kaum schlucken, da mein Mund der Sahara Konkurrenz machte und mein Herz mir unterstützend bis in den Hals schlug.

Es war mir schier unmöglich, nicht geradezu an den eleganten Bewegungen des Strippers vor mir zu hängen, die durch das harte Licht der Scheinwerfer teilweise im Schatten lagen. Der Tänzer begann, ungerührt von meinem inneren Kampf, sein Jackett auszuziehen und es sich über die Schulter zu werfen, während er noch immer unisono mit den anderen Strippern komplizierte Tanzschritte vollführte.

Wenn er sich nicht als Nächstes seiner Schuhe entledigen würde, wäre gleich nackte Haut zu sehen. Engel und Teufel in meinem Kopf stritten sich noch über eine angemessene Reaktion, bevor ihnen, so wie mir, der Mund offen stehen blieb. Das Hemd des Unbekannten schwebte mit einer einzigen fließenden Bewegung zu Boden und enthüllte, was sich darunter befand.

Er war heiß. Seine Bauchmuskeln glänzten im Scheinwerferlicht und ließen seine Haut strahlen. Die sanfte Sonnenbräune komplementierte den wirklich beeindruckenden Körperbau. Es war ein deutlicher Kontrast zu Rays marmorweißem Sixpack, welches ich so gut wie jeden Tag sah. Das gekonnte Hüftrollen, was er zur Schau stellte, zerstreute auch die letzten Zweifel, ob das hier eine gute Idee war.

»Mach den Mund zu, sonst sabberst du«, kicherte Alice in mein Ohr und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.

Als ich mir mit den Händen Luft zufächeln wollte, bemerkte ich, dass ich ja immer noch das Bündel Geldscheine darin hielt.

Der Stripper interpretierte die Geste falsch und kam zum Rand der Bühne getänzelt. Alice klatschte begeistert glucksend in die Hände. Da ich nur vehement den Kopf schüttelte und versuchte meinen rasenden Herzschlag in den Griff zu bekommen, schnappte sie sich meine Faust mit den Geldscheinen und führte sie in Richtung des Tänzers.

Mit zitternden Fingern schob ich ein ganzes Bündel Scheine in den Bund seiner Hose und zog die Hand zurück, als ob ich mich verbrannt hätte.

Mir entfuhr ein kleines Kreischen und Alice und ich hüpften auf und ab, bis wir uns wieder beruhigten. Mir wurde unnatürlich warm an den Ohren. Auch wenn man meinen könnte, wenn der eigene Freund, Pardon, Ehemann, mit jeder griechischen Heldenstatue konkurrieren konnte, man eigentlich abgehärtet hätte sein müssen – dem war nicht so.

»O mein Gott, Holly!«, kiekste Alice und deutete direkt vor mir auf die Bühne.

Der Tänzer stand immer noch unmittelbar vor mir, streckte seine langen, schlanken Finger nach mir aus und versuchte mich damit näher zu sich heranzulocken.

»Ich habe gehört, deine Freiheit ist vorbei?«, säuselte er während einer kurzen Musikpause, sprang von der Bühne und ergriff meine Hand. Er zog mich mitsamt Tross aus Begleiterinnen zu einem der Tische, die am Rand standen. Dann drückte er mich ohne viel Federlesen auf einen Stuhl nieder und schenkte Alice und Lara noch schnell ein Glas Champagner ein, während die letzten Töne des Liedes verklangen.

»Rührt euch nicht von der Stelle und passt mir ja auf die Braut auf«, erklärte der Tänzer Alice eindringlich und ich runzelte die Stirn. »Wie heißt die Glückliche denn?«

»Holly«, erwiderte sie.

»Ah, ist ja witzig, noch eine Holly«, murmelte der Stripper und ich konnte im Dämmerlicht seine blitzenden Zähne ausmachen. »Dann wollen wir der zukünftigen Ehefrau mal einheizen, bevor es im Ehebett nur noch lauwarm zugeht«, witzelte er, ehe er sich umdrehte und davoneilte. Wenn der wüsste.

Meine Intuition sagte mir jedoch eines: Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ich konnte zwar nicht sagen was, aber etwas wirkte auf mich vertraut – dabei war ich zweifellos noch nie in diesem oder einem ähnlichen Strip-Club gewesen. Glaubte ich zumindest, wie gesagt, ich hatte keine Ahnung, was in Vegas geschehen war. Trotzdem begannen meine inneren Alarmglocken langsam im Alkohol zu ertrinken.

Amy war zwischenzeitlich zur Bar geschlendert und kam nun mit einem Tablett voller Shots zurück.

»Nachtanken!«, erklärte sie und stellte zwei Gläser vor mir hin.

Die Shots schossen mir mittlerweile überraschend schnell in den Kopf und ich mühte mich meine fünf Sinne zu behalten und nicht wie eine Idiotin über das ganze Gesicht zu grinsen. Druckbetanken statt Nachtanken. Vermutlich hatte ich es geschafft, einen beachtlichen Pegel zu halten.

Wir waren in einem Strip-Club! Das war wirklich der letzte Ort, an dem ich mich noch vor einem Jahr vermutet hätte. Ich schüttelte kichernd den Kopf, als sich der Raum ein bisschen zu drehen begann. Meine Beine fühlten sich so schwer an und ich verspürte das dringende Verlangen, mich ebenfalls einiger Kleidungsstücke zu entledigen. Wenn die Stripper das konnten, dann konnte ich das schon lange. Warum war es auch nur so unfassbar heiß hier?

Gerade als ich aufstehen und Alice sagen wollte, dass ich ein bisschen frische Luft schnappen gehen würde, kehrte der Tänzer zurück. Er war wieder halbwegs bekleidet und trug nun eine Lederhose, die jeder Beschreibung von eng Lügen strafte, dazu eine nietenbewehrte Weste, die mich stark an Rays Bühnenkleidung erinnerte. Sonst nichts.

»Bereit für den Lapdance?«, fragte er und ich riss erschrocken die Augen auf.

»Was?!«, entgegnete ich entsetzt, doch die Musik setzte unaufhaltbar wieder ein und die ersten Töne eines rockigen Songs erfüllten den Raum.

Der Tänzer hatte immer noch die rote Maske auf und obwohl das Licht gedimmt war, wurde nicht viel der Fantasie überlassen, als er seine Bauchmuskeln unter der Weste spielen ließ. Die Maske betonte die hervorstehenden Wangenknochen und ich starrte auf die vollen Lippen und den Bartschatten, der nicht von dem glänzenden Metall verborgen war. Er kam näher und stellte ein Bein neben mich auf die Stuhlfläche, wodurch die Wölbung seiner Lederhose direkt unheilvoll vor meinem Gesicht zu schweben schien.

Auch wenn mir dieses unheimliche Déjà-vu von vorhin im Hinterkopf blieb, war ich nur mittlerweile zu sternhagelvoll, um noch irgendein Schamgefühl zu empfinden. Begeistert klatschte ich in die Hände und spürte, wie mir abermals eine Hitze in die Wangen stieg, diesmal jedoch vor Aufregung.

Der Stripper nahm meine Finger und ließ sie über den Saum seiner Weste gleiten, während er mir bedeutete sie ihm auszuziehen. Ich leistete eifrig Folge und ließ sogar zu, dass der unbekannte Mann sich auf meinem Schoß niederließ und ein paar sehr eindeutige Bewegungen vollführte. Enthusiastisch kniff ich ihm in die Pobacken und bewunderte die feinen Schweißperlen, die auf seinem straffen Waschbrettbauch glitzerten.

Ein animalischer Geruch ging von ihm aus, der in meinen verbliebenen Sinnen kaum wahrnehmbar den Wunsch nach Flucht auslöste. Aber da diese bereits, zusammen mit meiner Würde und meinem Schamgefühl, auf der Titanic in meinem Meer aus Alkohol schwammen, drang die Nachricht leider nicht ganz so gut zu mir durch und ich steuerte schon auf den Eisberg zu.

Dann setzte der Refrain ein und ein Scheinwerfer wurde direkt auf das Gesicht des Tänzers gerichtet, sodass ich zum ersten Mal trotz Maske diese wunderschönen gelbgrünen Augen erblickte.

Moment mal.

Ich ließ meinen Blick zu seinen Haaren wandern, die leicht gelockt und in einem sommerlichen Hellbraun schimmerten.

Ich glaube, er erkannte mich im selben Augenblick wie ich ihn.

»Holly?!«

»Sam?!«, entfuhr es uns gleichzeitig und erschrocken schubste ich ihn vehement von meinem Schoß, woraufhin er auf dem Boden landete. Da ich mit der Hand die Nieten seiner Weste erwischte, durchzuckte mich ein scharfer Schmerz und ich rieb mir die prickelnden Finger.

Sam war wirklich der letzte Mann, von dem ich einen Lapdance wollte. Das lag nicht an seinen Tanzkünsten, seinem Sexappeal oder so etwas, sondern daran, dass er ein Freund, Werwolf, Rays Bodyguard und gleichzeitig auch noch ein Kommilitone von mir war. Uns beiden war die Situation sichtlich unangenehm und die angeheiterte Stimmung war augenblicklich verschwunden.

»Was zur Hölle machst du hier?«, keuchte ich entsetzt und war auf einen Schlag wieder nüchtern.

»Ich arbeite hier.«

»Du bist Bodyguard!«

»Wenn man sowieso durchtrainiert ist, kann man sich davon auch ein zweites Standbein aufbauen. Von irgendetwas muss ich leben in der Zeit, in der Ray mich gerade nicht braucht, Holly«, entgegnete Sam und rieb sich den Hintern.

Lara, Amy und Alice standen der Mund offen und sie rangen um Fassung.

»Wer hat das arrangiert? Wer hat dir gesagt, dass wir hier sein würden?«, mischte sich Alice, die ihre Sprache wiedergefunden hatte und genauso entsetzt wirkte wie ich, ein.

»Ich hatte keine Ahnung! Glaubst du wirklich, ich hätte sonst einen Privattanz für Holly gemacht? Der Frau meines übereifersüchtigen Arbeitgebers?«, fauchte Sam und schnappte sich die Weste, um sie sich hastig wieder überzustreifen. Nicht dass sie viel verdecken konnte. »Was zur Hölle treibt ihr hier überhaupt?«, fragte er ungehalten zurück und ich deutete auf meine Schärpe.

Einige Köpfe hatten sich bereits neugierig zu uns umgewandt, da Sam relativ laut gesprochen hatte. Ich versuchte mich etwas in die Schatten zurückzuziehen, damit ich nicht trotz Maske erkannt wurde, Sam hatte es immerhin ja auch geschafft. Ich war zwar lange nicht so bekannt wie Ray, jedoch hatte auch ich mittlerweile einige Fans und Neiderinnen angesammelt. Tweets von mir in einem Strip-Club wollte ich mir wirklich sparen.

»Wir feiern Junggesellinnen-Abschied«, sagte ich mit gedämpfter Stimme.

»Aber du bist doch schon verheiratet.«

»Das war ja auch Alice’ Idee, nicht meine!«, entgegnete ich und Tränen der Scham schwangen in meinen Worten mit, was Sams Blick sofort weicher werden ließ.