Blutgeld - G.F. Barner - E-Book

Blutgeld E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. »Joel«, sagt Jim Cerro flüsternd. »Joel, er steht vor der Tür, was?« Joel Reeves dreht sich leicht um und nickt kurz. »Ja, er steht draußen. Er hat gesagt, fünf Minuten, nicht mehr. Jim, was ist los?« Jim Cerros Gesicht sieht bleich und abgezehrt aus. Hektische rote Flecken stehen auf der Gesichtshaut, und die Augen sind fiebrig und weit. Reeves schon bei mehreren Männern gesehen hat. Und diese Männer starben alle. Sie waren zwei lange Jahre zusammen. Diese Jahre zählen dreifach, wenn man in einem Jail sitzen muß. Jim Cerro starrt auf die Tür und winkt mit der Hand. Es ist eine so matte und zittrige Bewegung, daß Joel erschreckt den Atem anhält. Jim ist sterbenskrank. Er hat nicht mehr lange zu leben. Keine zwei Stunden mehr, vielleicht auch noch weniger. Und er war ein guter Partner, ein Mann, der alles teilte, der nichts für sich behielt. »Joel, komm näher.

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G.F. Barner – 319 –

Blutgeld

G.F. Barner

»Joel«, sagt Jim Cerro flüsternd. »Joel, er steht vor der Tür, was?«

Joel Reeves dreht sich leicht um und nickt kurz.

»Ja, er steht draußen. Er hat gesagt, fünf Minuten, nicht mehr. Jim, was ist los?«

Jim Cerros Gesicht sieht bleich und abgezehrt aus. Hektische rote Flecken stehen auf der Gesichtshaut, und die Augen sind fiebrig und weit. Sie haben einen seltsamen Glanz, den

Reeves schon bei mehreren Männern gesehen hat.

Und diese Männer starben alle.

Sie waren zwei lange Jahre zusammen. Diese Jahre zählen dreifach, wenn man in einem Jail sitzen muß. Jim Cerro starrt auf die Tür und winkt mit der Hand. Es ist eine so matte und zittrige Bewegung, daß Joel erschreckt den Atem anhält. Jim ist sterbenskrank. Er hat nicht mehr lange zu leben. Keine zwei Stunden mehr, vielleicht auch noch weniger. Und er war ein guter Partner, ein Mann, der alles teilte, der nichts für sich behielt.

»Joel, komm näher. Setz dich dort auf die Kante und rück ganz nahe heran. Hat er wirklich nur fünf Minuten gesagt?«

»Ja«, erwidert Joel gedämpft. »Der Doc ist zum Essen, und der Pfleger paßt draußen auf. Nicht länger als fünf Minuten. Hast du ihn bestochen?«

Der Todkranke nickt schwach.

»Dreißig Zigarillos, ist auch egal, ich brauch’ sie nicht mehr.«

Er sieht Joel mit seinen dunkelbraunen Augen forschend an, als wenn er ihm bis auf den Grund der Seele sehen will. Dann lächelt er verzerrt.

»Du bist in Ordnung, Joel.«

»Also, was ist, Alter? Soll ich jemand was bestellen?«

»Ja, Joel. Du kommst in drei Tagen raus, du hast es besser. Versprichst du mir bei allem, was dir heilig ist, daß du den Mund hältst? Sie werden dich fragen, sie werden vielleicht auf dich Jagd machen. Hast du davor Angst?«

»Mich haben sie schon oft gejagt. Angst kenne ich nicht, das weißt du. Also los, ich verspreche dir, daß ich alles, was ich vergessen soll, vergessen werde. Ich werde zu niemand reden, wenn du es nicht willst.«

»Gut, gut«, sagt Cerro leise. »Joel, ich hab’ dir von der Erbschaft erzählt. Mit dem Geld wollten wir beide uns eine Ranch aufbauen. Ich verstehe ja nichts von Rindern, nicht genug, Joel…«

»Ja?«

»Es gibt keine Erbschaft, weißt du?«

»Ich weiß, ich habe es mir gedacht. War mir egal, ob es eine Erbschaft ist, oder…«

»Oder?«

»Eine Beute aus einem Überfall«, sagt Joel Reeves ruhig und sieht auf Jim hinab. »Es machte mir nichts aus, Jim. Wer einmal alles verloren hat, der fängt auch wieder an. Und es wird ihm ziemlich gleich sein, wie er es anfängt.«

Joel Reeves denkt einen Augenblick an die Tat, die Jim ausführte und die Jim in dieses Jail brachte. Jim hat einen Viehhändler ausgeraubt und erschossen, als der Mann aus dem Ärmel einen Derringer schnellen ließ. Er war um den Bruchteil einer Sekunde schneller, aber Überfall bleibt Überfall. Und Mord bleibt Mord. Daß er nicht gehängt wurde, verdankte er nur seinem Alter. Jim Cerro war zu dieser Zeit ganze siebzehn Jahre alt.

Und er sagte oft, noch einmal würde er es nicht tun. Das war, als er neunundzwanzig war. Und nun ist er zweiunddreißig. Sie fingen ihn, als er nach Mexiko flüchten wollte. Er verwundete einen Mann des Aufgebotes, das der Sheriff aus El Paso losgeschickt hatte. Und darum lochten sie ihn in Texas ein und nicht in New Mexico.

»Joel, hörst du zu?«

»Ja, ich höre, Jim. Ich dachte gerade an den Mann, den du vor dem Revolver hattest.«

»Das war ein Lump«, sagt Jim, und die Flecken auf seinem Gesicht werden dunkelrot. »Ich sage dir, er war ein Lump, ein verdammter, dreckiger Schuft. Er hatte uns betrogen, er betrog meinen Vater, meine Brüder. Und ich dachte, ich würde ihm schon zeigen, wer sich sein Geld von einem Betrüger abnehmen läßt. Da habe ich ihm eben aufgelauert. Und Marty war da.«

»Marty?« fragt Joel überrascht. »Was sagst du? Du warst es nicht allein?«

»Sssst«, sagt der Fiebernde. »Schrei doch nicht so. Da bist du fertig, was?«

»Du hast doch gesagt, du warst es ganz allein, Jim. Marty war dabei? Welcher Marty?«

»Das haut dich um, was? Na gut, ich war nicht allein. Marty war dabei, Marty Dickson. Das war ein Bekannter von mir. Drei Jahre älter als ich und mit dem Colt verdammt schnell zur Hand. Der kam nur mit, weil ihn das Geld lockte. Und ich Narr dachte, er wäre ein feiner Kerl. Dachte ich wirklich. Sie haben sich gewundert, warum ich erst so spät hier unten aufkreuzte, das weißt du, was? Es lag an Marty.«

»Es lag also an Marty. Und du hast die ganzen Jahre geschwiegen?«

»Was denn sonst, ich hatte doch noch die Hoffnung, daß sie mich nach zwanzig Jahren begnadigen würden.

Also, Marty war dabei. Wir hatten das Geld und türmten beide. Ich war dämlich, das sage ich dir. Zwei Tage ging alles gut. Wir waren schon in der Gegend von Socorro und hatten dem Aufgebot eine Nase gedreht. Das Geld war in den Satteltaschen meines Gauls. Dann kam die dritte Nacht nach der Flucht. Na, ich wache auf und sehe mich um. Mein Pferd steht da, der andere Gaul ist weg. Ich hoch und sehe mich nach Marty um. Er ist weg. Und meine Satteltaschen auch.«

»Was? Du hattest geschossen, und er nimmt dir das Geld weg? Was hast du gemacht?«

»Hinterher, was sonst? Es war mondhell, so eine richtig helle Nacht in New Mexico. Wir wollten nach Westen, das hatten wir ausgemacht. Ich dachte gleich, daß der Halunke nach Süden gegangen war. Zuerst fand ich die Spuren. In den Lava-Gebieten bei der Jornada del Muerto, da verlor ich sie wieder. Aber die Richtung stimmte. Der Kerl merkte, daß ich ihm nachkam. Er wollte mich abhängen, aber mein Gaul war besser und ich vielleicht sogar widerstandsfähiger. Drei Tage hatten wir kaum geschlafen, ich wußte, einmal würde er ausruhen müssen.«

»Hast du ihn erwischt?«

»Ja, es war drei Tage später. Er hatte die Richtung wieder nach Westen geändert. Weißt du, wo die Mimbres Mountains sind?«

»Ja, ich weiß. Der Sierra Blanca Creek entspringt dort. Hast du ihn dort erwischt?«

»Es war in der Nacht, da fand ich ihn. Er wollte noch schießen, aber er hatte keine Kraft mehr dazu. Ich hatte selber auch kaum noch Kraft, aber ich schlug ihn um. Dann nahm ich das Geld wieder an mich und machte, daß ich weiterkam. Ich mußte in die Berge, damit es keine Spuren gab. Das habe ich auch gemacht, genau das. Und dort habe ich das Geld vergraben.«

Joel Reeves starrt Jim an. Das war es also. Das ist Jim Cerros Erbschaft. Jim hat das Geld vergraben.

»Soll ich es holen?«

»Ja«, sagt Jim mit mühsamem Lächeln. »Du holst es und bringst es zu meinen Brüdern. Hörst du, Joel, du bringst es zu ihnen, versprichst du das? Ein Viertel für dich, klar?«

»Well, ich verspreche es. Ein Viertel will ich nicht. Wieviel Dollar sind es?«

»Zwanzigtausend, zwanzig schöne Päckchen zu je tausend Dollar und noch etwas an Hartgeld.«

»Viertausend, mehr will ich nicht. Das reicht für mich aus, Junge. Gut, ich bringe es hin. Wo finde ich es?«

»Hör gut zu und präge es dir ein, du darfst es nicht vergessen. Du kommst nach Hueco, das ist ein Nest, drei, vier Hütten. Von dort aus siehst zu zwei Berge, fast gleich hoch, der eine aber hat eine nach Süden geneigte Spitze. Sieht aus wie eine krumme Messerspitze. Ich war unterhalb dieses Berges in einer Schlucht. Merke dir nun die Schlucht. Sie läuft von Süden genau nach Norden. Bevor du in die Schlucht kommst, siehst du einen mächtigen Felsblock rechts liegen. Im Mondlicht sah er wie ein Schafskopf aus. Du siehst ihn genau von vorn am Eingang zur Schlucht.«

»Klar, das behalte ich. Wie nun weiter, Jim?«

»Ganz einfach, Bruder. Von diesem Felsen aus ritt ich genauso weit, wie ich langsam bis fünfzig zählen konnte. Langsam zählen.«

»In Ordnung, ich weiß Bescheid. Was dann?«

»Rechts kommt dann eine glatte Wand mit einem Felsspalt. Die Wand hängt hier über, der Felsspalt läuft nur halb die Wand hoch. Unter ihm liegen drei, vier fast runde Felsblöcke. Ich bin zwischen ihnen durch, an den Spalt heran. Im Spalt, von vorn gerechnet, ging ich zehn Schritte. In der Wand links war ein Loch, das räumte ich von Felsschutt aus und packte meine beiden Satteltaschen hinein. Ich wickelte sie in meine Ölhaut, die ich bei schlechtem Wetter trug. Dann legte ich Steine vor. Und da liegt es. Zwanzigtausend, Joel. Bring es zu meinem Bruder Ben. Und laß dir von ihm viertausend geben. Er gibt sie dir sicher.«

»Schon gut, ich werde mich an Ben halten. Jim, ist das alles?«

»Nein«, sagt Jim flüsternd. »Sage meiner Mutter, daß ich ein guter Sohn sein wollte, und daß ich zu jung war. Sag ihr, daß ich es bedauert habe, all die Jahre. Ich wollte den dicken Viehhändler nicht umbringen. Sag ihr, daß ich den Kopf verlor, als ich den Derringer sah. Ich wußte nicht einmal, daß ich abdrückte.«

Der Todkranke lächelt gequält.

»Meine Sachen, meine Uhr, das ist ein Geschenk von meiner Mutter, nimm sie mit, Joel. Und das Medaillon sollen sie dir aushändigen. Ich schreib das alles noch auf. Bring ihr meine Sachen.«

Er sieht Joel flehend an, und Joel nickt bitter.

»Ich brauche dir nichts vorzumachen, Jimmy, was? Es geht zu Ende. Nimm es leicht, Junge, da oben wird es besser sein. Hörst du, da oben ist es leichter als auf dieser Erde. Hast genug bezahlt.«

»Bezahlt«, sagt Jimmy Cerro mit einem wehmütigen Lächeln. »So dumm und so jung war ich. Und soviel muß man bezahlen.«

»Auf Wiedersehen, Jimmy.«

Und dann geht er. Er sieht sich nicht mehr um und hält den Kopf gesenkt. Nur nicht umdrehen, nur nicht zurücksehen müssen.

Der da liegt und auf den Sensenmann wartet, der war einmal ein lustiger Junge. Nun sieht er aus wie der Tod, der ihm bald begegnen wird.

»Adios«, flüstert es hinter ihm. »Adios, Bruder.«

*

Joel Reeves sieht aus schmalen Augen auf den Felsblock rechts. Er treibt sein Pferd etwas nach rechts und hält an.

Und dann muß er an Jimmy denken und daran, wie bitter Jimmys Sterben war.

Der Gedanke kommt automatisch, als er die Konturen des Felsblockes betrachtet.

Er sieht wirklich wie ein Schafskopf aus.

Er sieht hoch. Da hinten ist die Bergspitze, genau über diesem Felsen. Und die Schlucht liegt vor ihm. Er läßt den Falben langsam angehen. Und er beginnt zu zählen. Bei fünfzig bleibt er stehen.

Joel Reeves hält minutenlang und blickt sich dann um. Nichts. Die Schlucht ist leer.

Und dann geht der Falbe an. Der Spalt in hinter den Felsblöcken. Er kann nicht mal über die Blöcke hinwegsehen, so mächtig sind sie.

Joel steigt ab und legt die Zügel des Falben um einen Zacken eines Felsens.

Zehn Schritte weiter ist die Wand. Und in ihr der Spalt. Er betrachtet die Wand, ehe er weitergeht. Dann steht er auf Schutt und Geröll. Staub dazwischen. Keine Spuren. Im Spalt ist es düster.

Joel steht still und sieht auf die Brocken, als wenn er nicht herangehen sollte. Es gehört ihm nicht, es gehört immer noch Jimmy. Dafür hat Jimmy bezahlt. Mit dem Leben. So ist das.

Und dann steht er auf einmal doch vor dem Loch und hat sein Messer in der Hand.

Joel Reeves steckt die Klinge in das Loch hinein, genau zwischen zwei der Spalten.

Die Klinge fährt durch. Er dreht den Griff um, er biegt, es knirscht. Der eine Brocken löst sich und fällt polternd herab, fast auf seinen rechten Fuß.

Grau, überpudert vom Staub, liegt die Ölhaut im Loch.

Und Reeves greift durch und steckt das Messer weg. Er langt nach innen und zieht die Brocken heraus. Die Steine poltern zu Boden, die Ölhaut, kaum noch als solche zu erkennen, kommt zum Vorschein.

Und als er sie anrührt, da merkt er, daß diese Haut die fünfzehn Jahre überstanden hat. Langsam zieht er.

Er nimmt die Taschen heraus, sie sind schwer. Er hält sie in den Händen.

Aus der Tasche beginnt es zu kollern.

»Steine«, sagt Joel Reeves entsetzt bis ins Mark. »Großer Gott, lauter Steine. Kein Geld.« Er dreht die Tasche um und sieht hinein. Nichts, die Tasche ist wirklich leer. Nur Steine, nichts als Steine barg sie.

Hastig macht er sich über die andere Tasche her. Und auch sie ist leer.

Joel Reeves spürt einen Augenblick Enttäuschung und dann Wut.

Er geht noch einmal zu dem Loch, sieht nach, aber es ist leer.

So ist das nun. Marty hat das Geld geholt. Und weil er Jim haßte, da packte er Steine in die Taschen und versteckte sie wieder prächtig.

Jimmy ist gestorben in der Gewißheit, daß es seinen Leuten bessergehen würde.

*

Es ist ein Abend, der das Abendrot aus der Tiefe der Mesa El Morro steigen läßt.

Purpurn der Himmel, strahlende Lichtgarben, die in der Farbe von violett bis dunkelblau und schwarz wechselten. Die Zinnen der einzelnen Felsdome in diesem Land stehen wie Blut über den Hügeln. Das Gras riecht nach Sauerampfer, der hier und da wächst. Es riecht nach Wacholder, die Vögel schwirren am Pecos und am Alamosa.

Sie hängen, Trauben gleich, in den kahlen Zweigen des abgestorbenen Baumwollbaumes am Ufer des Alamosa Creeks und schlafen.

Groß und rund, ein bleiches Licht von einer rötlichen Strahlung abgebend, steht der Mond über dem Fluß, der träge fließt und nicht viel Wasser führt.

Rechts von Joel Reeves bellt langgezogen ein Hund. Er bellt wohl diesen rotweißen Mond an, der ihn nicht schlafen läßt. Und Joel verspürt den Wunsch, sich unter einen der Wacholderbäume zu legen und zu schlafen.

Dann kommt er einen Hügel hoch und durch den Hohlweg. Und da sieht er das Licht.

Es ist ein einsames Licht, das matt scheint. Vor ihm, leicht rechts. Also ist dort auch der Hund. Und der Mann, der mit seinem Mauleselgespann unterwegs auf der Straße war, der hat gesagt, es ist das einzige Haus am Alamosa hinter dem Hohlweg. Dann ist es dieses Haus und kein anderes.

Joel Reeves sieht bald darauf das Haus, ein niedriges Gebäude mit flachem Dach, aber ziemlich groß. Rechts erhebt sich ein Anbau, der hat zwei Geschosse. Und links ist ein Corral, rechts zwei Schuppen. Einer ist offen, unter dem Dach blinkt Mondlicht auf Wagenreifen.

Ein Stall ist da, mit einem Dach aus Stangen, deren Enden weit in den Hof ragen. Und eine Pumpe ist vorhanden.

Sie steht mitten auf dem Hof. Der Hund bellt nun angriffslustig.

Das Fenster zum Hof ist erleuchtet. Ein Schatten zeigt sich an ihm, der breit und gedrungen wirkt. Joel sieht jetzt erst, daß das Fenster offen ist.

»Mistköter, was bellst du wie irr, he? Bist du still. Warte, ich komm dir gleich das Fell verdreschen. Ruhig, Köter!«

Und dann sieht der Mann den leicht ansteigenden Hügel empor und schweigt. Er muß den Reiter ausmachen können, dem der Mond im Rücken steht.

Dann sagt er tief und heiser, mit einer grollenden Stimme, wie sie zu einem schweren Mann gehört:

»Esther, laß deine Arbeit liegen. Ich glaube, Burt kommt nach Hause.«

Im schmalen Nebenfenster wird es hell, dann geht die Tür auf. Und Joel Reeves ist auf dem Hof, begrüßt von einem wütend an der Kette zerrenden und knurrenden Hund.

Aus der Tür kommt eine Frau, macht drei, vier Schritte und lehnt sich dann an den Sägebock, der nahe der Tür steht.

»Kommst du endlich, Herumtreiber«, sagt sie mit einer rauchigen Stimme. »Wen hast du diesmal betrogen? Hast du mir wenigstens was mitgebracht? He, warum kommst du denn nicht weiter, Mann?«

Sie verwechselt ihn gleich nicht mehr. Sie macht hastig zwei Schritte und sagt dann:

»Nick, ich möchte wissen, wo du deine Augen hattest? Der Mann ist viel größer als Burt, und sein Pferd ist ein Falbe. Hallo, Mister, haben Sie sich verirrt?«

»Miss Cerro?« fragt Joel leise und doch schwingend.

»Hast du gehört, Nick, er hat mich Miss genannt. No, Stranger, mein Name ist Esther Cerro, ich bin die Frau von Burt Cerro.«

»Das ist meine Schwägerin Esther. Ich bin Nick Cerro. Was wollen Sie und wer sind Sie?«

Joel Reeves kann das Gesicht des Mannes sehen. Es ist ein fast viereckiges Gesicht. Ein stiernackiger Mann mit kurzen, stämmigen Beinen. Keine Ähnlichkeit mit Jim.

»Mein Name ist Reeves«, sagt er langsam. »Joel Reeves. Ich komme aus El Paso, Mr. Cerro.«

Und danach bleibt es still.

Eine ganze Weile ist Ruhe. Dann sagt die Frau seltsam kehlig: »Er kommt aus El Paso.«

Und es ist, als wenn sie unter einem Bann steht, als sie spricht. El Paso, das scheint das Zauberwort zu sein. El Paso, welche Bedeutung mag dieses Wort auf die Cerros haben? Birgt es Hoffnung? Oder was ist es?

Nick Cerro bewegt sich und kommt langsam näher.

Dicht vor dem Pferd bleibt er stehen. Dann sieht er hoch.

»Mr. Reeves, woher aus El Paso kommen Sie?«

»Eine vernünftige Frage«, sagt Joel lässig. »Ist Ben hier?«

»Ben ist in die Stadt geritten, er will Burt holen. Was ist, ich fragte etwas?«

»Manchmal beantworte ich Fragen nicht, Mr. Cerro«, sagt Reeves glatt. »Diese Frage kann ich beantworten. Ich habe einen Entlassungsschein des Jails von El Paso in der Tasche. Meine Nummer dort war 2498, und ich war Jims Freund, soweit man das im Jail sagen kann.«

»Sie waren Jims Freund? Das kann jeder sagen. Zweimal waren Burschen hier, die seine Freunde sein wollten. Zweimal versuchten sie etwas zu erfahren, was keiner von uns weiß. Sie wissen es, wie?«

»Ich weiß es, mein Freund. Kann ich vielleicht an diesem Abend noch einmal absteigen?«

»Vielleicht ist er wieder ein Spitzel«, sagt da Esther Cerro geradeheraus. »Nick, und wenn er wieder ein Spitzel ist?«

»Was soll er erfahren können, außer nichts? Steigen Sie ab, Mr.

Reeves mit der Nummer 2498. Und dann kommen Sie herein. Und was dann kommt, das wird bei Ihnen liegen. Kommen Sie.«

»Ich bin für Jimmy hergeritten, für mich nicht.«

»Schon gut«, sagt Cerro murrend. »Beweisen Sie es. Ungastlich hat uns noch niemand nennen können. Was macht Jim?«

»Später, alles der Reihe nach, mein Freund«, antwortet Joel kühl. »Ist Ihre Mutter vielleicht noch wach?«

»Sie ist wach. Sie ist immer wach. Was wollen Sie von meiner Mutter, Mister?«

»Sie werden es sehen, mein Freund. Kann ich mein Pferd hier angebunden lassen?«

»Vielleicht brauchen Sie es sehr schnell, was?« fragt Esther. »Immer vorsichtig, Sie scheinen der Mann danach zu sein.«

»Ich habe es mit den Cerros zu tun, schätze ich, Mrs.«, sagt Joel scharf. »Halten Sie Ihren Mund, solange Sie nicht gefragt sind. Was ich habe, das geht nur die Cerros an und nicht Sie. Verstehen wir uns?«