Wagon Meister Amos Rudkin - G.F. Barner - E-Book

Wagon Meister Amos Rudkin E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Amos Rudkin lag reglos. Nur das Schnauben der Pferde durchbrach die Stille. Dann war wieder das leise Säuseln des Nachtwindes in den Mesquitebüschen der Senke. Plötzlich knirschte der grobkörnige Sand. Rudkins Linke kroch vorsichtig neben die Decke. Er hatte sie hinter dem Bock auf dem Kastenboden seines schweren Merrivale-Wagens ausgebreitet. Amos schlief hier, seit er am Morgen zuvor die Klapperschlange neben Luke Ballards Brust entdeckt hatte. Ballard lag Rudkin gegenüber, zusammengeringelt wie ein Hund, der sich in seiner Hütte verkrochen hatte. Ballard war an der Kastenwand herabgesunken, der Hut bedeckte das Gesicht, und die alten, knochigen Hände waren etwa eine Armlänge von seinem Gewehr entfernt. Ballard war während der Wache eingenickt. In der nächsten Sekunde hatte Rudkin seinen schweren Armeerevolver gepackt. Schon schnellte er auf die Beine. Dann sah er das Gesicht. Es tauchte über dem Endbrett des Wagens auf. Schwarze, strähnige Haare hingen dem Mann in die Stirn. Um den Hals des Burschen lag eine dünne Schnur, die den breitrandigen Sombrero auf dem Rücken des Mannes hielt. Amos Rudkin sah, wie sich die Augen des Mannes jäh weiteten. Seine rechte Hand schoß in die Höhe. Rudkin sah das Messer im Mondlicht funkeln. Sein Revolver ging wie von selbst los.

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2020

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G.F. Barner – 167 –Wagon Meister Amos Rudkin

… und die größte Frachtlinie des Südens

G.F. Barner

Amos Rudkin lag reglos. Nur das Schnauben der Pferde durchbrach die Stille. Dann war wieder das leise Säuseln des Nachtwindes in den Mesquitebüschen der Senke. Plötzlich knirschte der grobkörnige Sand. Rudkins Linke kroch vorsichtig neben die Decke. Er hatte sie hinter dem Bock auf dem Kastenboden seines schweren Merrivale-Wagens ausgebreitet.

Amos schlief hier, seit er am Morgen zuvor die Klapperschlange neben Luke Ballards Brust entdeckt hatte. Ballard lag Rudkin gegenüber, zusammengeringelt wie ein Hund, der sich in seiner Hütte verkrochen hatte. Ballard war an der Kastenwand herabgesunken, der Hut bedeckte das Gesicht, und die alten, knochigen Hände waren etwa eine Armlänge von seinem Gewehr entfernt. Ballard war während der Wache eingenickt.

In der nächsten Sekunde hatte Rudkin seinen schweren Armeerevolver gepackt. Schon schnellte er auf die Beine. Dann sah er das Gesicht. Es tauchte über dem Endbrett des Wagens auf. Schwarze, strähnige Haare hingen dem Mann in die Stirn. Um den Hals des Burschen lag eine dünne Schnur, die den breitrandigen Sombrero auf dem Rücken des Mannes hielt.

Amos Rudkin sah, wie sich die Augen des Mannes jäh weiteten. Seine rechte Hand schoß in die Höhe.

Rudkin sah das Messer im Mondlicht funkeln. Sein Revolver ging wie von selbst los. Er schoß ohne nachzudenken. Dabei warf er sich mit einer kurzen Drehung zur Seite. Durch die Feuerlanze, die aus dem Lauf des Army-Colts stach, sah Rudkin das Messer heranwirbeln.

Das Brüllen des Schusses vermischte sich mit dem kurzen, heulenden Schrei des Mannes.

»Luke!« schrie Rudkin.

In seinen Ohren war plötzlich das Wiehern der Wagenpferde. Es war genau hinter dem Wagen, wohin die Kugel den Langmähnigen geschleudert haben mußte. Rudkin sprang blitzschnell auf, während das Messer mit einem dumpfen Plock in eine Holzkiste bohrte.

In derselben Sekunde, als sich Rudkin nach vorn warf, um über das hintere Kastenbrett zu blicken, bellten zwei, drei Schüsse auf. Eine Kugel schlug in die Kante des Endbrettes, riß einen langen Holzsplitter heraus und wirbelte ihn gegen Rudkins Brust. Die nächste Kugel jagte über die Warenkisten und sirrte wirkungslos über den Bock.

Die dritte traf Rudkin.

Rudkin spürte einen harten Schlag gegen die linke Schulter, der Aufprall der Kugel warf ihn zurück.

Den Schüssen folgte nun ein halbes Dutzend weiterer Mündungsblitze. Während Rudkin nach rechts stürzte, und seine Hand plötzlich kraftlos war, glitt der Army-Colt aus seinen Fingern.

Er warf sich flach hin. Über ihn zerfetzten Kugeln die Wagenplane.

Amos Rudkin erwischte mit der rechten Hand den Colt. Dann stieß er sich trotz der wilden Schmerzen ab, die nun durch seine Schulter tobten. Er erreichte das schwere, dicke Kastenbrett. Seine Rechte fuhr hoch. Und während er den Colt flach über den Kasten hielt, begann er nur nach dem Gehör zu feuern.

Das Trommeln der Hufe der Wagenpferde klang auf. Das Hufgetrappel entfernte sich rasch nach Süden, aber noch waren die Pferde keine zwanzig Yards vom Wagen entfernt.

Rudkin feuerte, bis das Krachen von Old Luke Ballards Schrotflinte alle anderen Geräusche übertönte. Die Waffe mit den abgesägten Läufen brüllte zweimal auf. Danach krachte es rechts am Hang, und zwei Gewehrkugeln schlugen in die Kastenwand.

Old Luke fluchte bissig.

Das Feuer kam nun von der Kuppe des Hügels. Das grelle Wiehern eines Pferdes war dazwischen. Der dumpfe Fall danach sagte Amos, daß er eins seiner Pferde erschossen haben mußte. Hufschlag raste auf den Hügel zu. Das Gewehr schwieg, als Old Luke noch zweimal schoß, und der Donner der Schrotflinte durch die Senke tobte.

Plötzlich war es totenstill.

Amos wälzte sich langsam herum. Es war seine sechste Verletzung. Und er kannte sich mit Schußwunden zu gut aus, um sich Sorgen zu machen. Seine einzige Sorge galt den beiden schweren Walliser Zugpferden, und als er sich aufrichtete, sah er, daß beide standen. Sie schnaubten nur unruhig.

Er hatte wegen der manchmal bis in diese Gegend streifenden Apachen die Pferde angeschirrt gelassen. Und das war sein Glück gewesen. Wer immer die Kerle gewesen waren – Mexikaner waren es in jedem Fall – sie hatten wenigstens die beiden Zugpferde nicht erwischt.

»Du verdammter Katzendreck!« fluchte Old Luke. Er hatte vierunddreißig Jahre auf dem Bock der Wagen zugebracht. Seine Ausdrucksweise war danach. Frachtwagenfahrer begannen selten einen Satz ohne Fluch. Und sie beendeten ihn auch damit. »Da sind sie hin, und ich will verdammt sein, wenn es nicht meine Schuld ist. Amos, ich habe geschlafen. Was wird jetzt?«

Amos Rudkin schwieg. Er richtete sich auf und starrte über die Endbrettkante mit der hellen Narbe des Querschlägers. Er blickte auf den Mexikaner hinunter, der rücklings zu Boden gefallen war. Er lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Die gebrochenen Augen erinnerten Rudkin an die eines Comanchen, weil sie ebenso dunkel und auch glanzlos waren.

»Es ist meine Schuld – Teufel noch mal, es ist meine Schuld«, jammerte Old Luke. »Die Pferde, Amos. Was fangen wir ohne Pferde an?«

»Nichts.«

Die lakonische Antwort Rudkins ließ in Old Luke Schuldgefühle aufkommen. Er kam zwischen den Kisten hindurch nach hinten.

»Hör mal, Krieger«, muffelte er zerknirscht. »Ich will meinen Hut fressen, wenn ich weiß, warum ich eingeschlafen bin. Reiß mir den Hals ab, tu was du willst, aber mach wenigstens das Maul auf. Wenn du gar nichts sagst, ist es wirklich schlimm. Alle guten Geister, da liegt ja einer.«

Er stieß mit der neugierigen Hast eines alten Mannes gegen die verletzte Schulter von Rudkin.

Amo zuckte zusammen. Old Luke merkte davon nichts. Er sah sich noch einmal um, ehe er auf die Erde sprang.

»Wieder ‘n lausiger Mexikaner, so’n Zitronengesicht«, brummte er. »Du, da ist kein anderer Menschenfresser mehr. Du kannst runterkommen.«

»Nimm ihm die Waffen ab und durchsuche seine Taschen«, erklärte Rudkin. »Dann nach vorn mit dir auf den Bock. Fahr auf den Hügel, aber schnell. Wir brauchen ein Feuer.«

Ballard zuckte zusammen, drehte sich um und erstarrte.

»Blut«, rief er erbleichend. »Du blutest ja an der Schulter, Sohn.«

»Halt den Mund, du alter Narr, und mache, was ich dir gesagt habe« knirschte Rudkin. Er konnte die Schmerzen kaum noch ertragen. »Ich hätte dich nicht die erste Wache übernehmen lassen dürfen. Es war mein Fehler. Los, mach schon, voran!«

Old Luke starrte ihn immer noch konsterniert an.

»Hölle und Pest, beeil dich! Luke, du mußt mir die Kugel rausholen. Sie sitzt genau am Knochen.«

»Kugel rausholen, ich?«

»Wer sonst?«

»Aber ich...«

»Du kannst doch sonst alles, was? Sogar schlafen, wenn du die Glotzaugen aufhalten sollst!« fuhr ihn Rudkin an.

Luke senkte den Kopf. Der Vorwurf traf ihn verdammt hart. Er hatte mehr als die Hälfe seines Lebens für Rudkins gearbeitet. Er dachte an den alten Rudkin, der ihm diesen Fehler nie verziehen hätte. Auch Jeff, Amos Rudkins Bruder, würde ein ganz anderes Geschrei gemacht haben.

»Es tut mir leid, Junge.«

»Schon gut, Luke, mach schnell.«

»Yeah, Junge, danke dir. Bin zu alt, fürchte ich, kann’s nicht mehr so wie früher.«

»Du warst nur müde von der verdammten Hitze heute«, gab Rudkin zu. »In drei Wochen habe ich das vergessen, und jetzt... Was hat er da?«

»Eine feine silberne Uhr«, schnaufte Old Luke. »Wetten, daß er die nicht gekauft hat? Amos, das ist ein mächtiger Verlust für dich. Ich arbeite ihn wieder ab.«

Während er sprach, nahm er dem toten Mexikaner die Waffe ab und räumte ihm die Taschen aus. Dann kletterte er vorn auf den Wagen und fuhr sanft an. Vom Hügel aus hatten sie dann bedeutend bessere Sicht, aber von den Mexikanern war nichts mehr zu sehen.

»Dein Reitpferd ist auch weg«, jammerte Old Luke. »Amos, was fängst du ohne deinen Gaul an?«

»Vorläufig gar nichts – oder glaubst du, ich kann in den nächsten acht Tagen reiten?« brummte Rudkin. »Wäre ich in Ordnung, würde ich mir die Halunken kaufen – und wenn ich sie auf einem Zugpferd verfolgen müßte. Viel habe ich nicht gesehen, nur diesen Burschen dort unten.«

»Aber ich die anderen«, brummelte Old Luke. »Waren sieben Mann. Mit dem Hundesohn oben auf dem Hügel acht. Da war so’n dicker, fetter Frosch, der gab die Befehle. So’n dickwanstigen, kurzbeinigen Hundesohn habe ich noch nie gesehen. Trug ‘nen Bart von einem Ohr zum anderen. Ich nehme Holz und du nimm wenigstens Whisky.«

»Vielleicht besser, als wenn du mir eine Vollnarkose mit dem Coltlauf verpaßt, was?« knurrte Amos.

Luke Ballard half Rudkin vom Wagen und gab ihm aus dem Fäßchen einen Becher Whisky. Dann hastete er zurück und holte Feuerholz. Während er das Feuer entfachte, sah er verstohlen zu Amos Rudkin hinüber.

Rudkin war fast sieben Fuß groß, ein Mann, der stets für seine Freunde da war. Vielleicht kam Rudkin darin mehr nach seiner Mutter. Sie war die schönste Frau in Dallas gewesen, und ihr Tod bei dem Brand, der dem alten Rudkin fast den gesamten Besitz gekostet hatte, hatte eine nicht zu schließende Lücke hinterlassen.

Amos Rudkin besaß das dunkle, gewellte Haar seiner Mutter, aber die hellen Augen seines Vaters und auch dessen harte, energische Züge. Obwohl sein Bruder jünger war und gewöhnlich der ältestes Sohn in die Fußstapfen des Vaters trat, hatte Amos kurz nach dem Brand Dallas verlassen. Zehn Jahre Armee folgten. Mit der spärlichen Abfindung nach der Dienstzeit hatte Amos den Wagen, die Pferde und eine ganze Ladung Waren gekauft, die er im Westen für den doppelten Preis losschlagen wollte.

Rudkin hockte am Boden und goß einen zweiten Whisky in den Becher, den er langsam leerte. Er mußte Schmerzen haben, doch er schwieg.

Es ist meine Schuld, dachte der alte Mann bitter. Der Junge hat eine Menge mitgemacht, und ich bringe ihn um die Pferde. Verdammt noch mal, was soll nun werden? Jetzt liegt er mindestens acht Tage flach.

*

Cargo, der Mischling, mit dem Gowan von El Paso nach Westen aufgebrochen war, stieß ein leises Zischen aus. Sie hielten hinter der Wegbiegung, unweit der wenigen Häuser von Hermanas. Sie starrten sekundenlang auf die neun Wagen mit den hellen, sonnengebleichten Planen. Die Schrift auf den schweren Transportwagen war gut zu entziffern, selbst auf diese Entfernung.

»Magoffin-Wagen«, las das Halbblut laut. »Ich wette, sie nehmen die Südroute über die Berge, um den Apache-Paß zu umgehen. Diese Hundesöhne soll der Teufel holen – oder die Apachen!«

Gowan war ein junger Mann im dunklen, steifen Anzug des Büroschemelwetzers. Cargo hatte ihn in El Paso abgeholt, um ihn heil über die Berge zu lotsen, unbemerkt von den Apachen.

»Was hast du gegen Magoffin?« fragte Gowan verwundert. »Er soll ein fürchterliches Rauhbein sein, aber seine Leute schwören auf ihn, hörte ich.«

»Was ich gegen ihn haben?« schnaufte Cargo bissig. »Sieh dir mal meine Nase an.«

Gowan betrachtete Cargos Sattelnase. Sie hatte in der Mitte einen Knick und stand leicht schief.

»War er das?«

»Magoffin?« knurrte Cargo. »No, seine wilden Burschen. Das ist schon ein paar Jahre her, damals fuhren wir noch in New Mexico, bis der alte Hundesohn seine Linie auch nach Albuquerque ausdehnte. Der Boß war gerade neu im Geschäft, und es gab Krach, als er auf derselben Strecke seine Linie eröffnete. Magoffin hetzte seine Männer auf uns. Doch noch schlimmer als er war Bloody Mary, das Rabenaas.«

Gowan hatte von Magoffin gehört, doch niemals von einer blutigen Mary.

»Wer ist das?«

»Hähä, das weißt du nicht?« keuchte Cargo und stülpte seine wulstigen Lippen auf, während seine tiefliegenden, dunklen Augen bösartig zu glitzern begannen. »Das ist seine Schwester, das alte, feuerspeiende Ungeheuer. Früher wurde sie Red Mary genannt, weil sie als Girl feuerrote Haare besaß.

Nun wird sie grau, aber der alte Drachen kann Feuer spucken, ich schwör’s dir. Wenn diese Großmutter des Teufels loslegt, dann rennen Magoffins rauhe Burschen tausend Meilen weit.

Hat nie ‘nen Mann gehabt, oder keinen gewollt, waren ihr alle nicht gut genug. Ist keiner mit ihr zurechtgekommen, dabei soll sie Feuer gehabt haben wie ein dreijähriger Hengst, sag ich dir. Sie schießt wie ein Mann und flucht noch besser.

Hättest sie damals sehen sollen. Hier, siehst du mein eingerissenes Ohr. Das hat sie mir beinahe mit der Bullpeitsche abgeschlagen. Wer von uns aus dem Saloon in Socorro wollte, dem hat sie mit der verfluchten Peitsche eins übergezogen, daß er wieder brüllend in den Saloon zurücklief. Und dort verpaßten uns Magoffins Hundesöhne die dicken Beulen am Kopf, bis wir alle halbtot waren.«

»Alle Teufel«, ächzte Gowan erschrocken. »Und das ist wirklich eine Frau, Cargo?«

»Ist sie, aber ein ganz gemeines Rabenaas dazu«, gurgelte Cargo. »Die hat nicht nur Haare auf der Oberlippe, sie hat sie auch auf den Zähnen, sag ich dir. Wenn du sie sehen würdest, kämst du nicht auf den Gedanken, daß sie ein feuerspeiender Drachen sein kann, aber – oaaah, verdammt!«

Das sagte er, ehe er so entsetzt zurückzuckte, als hätte er den Satan aus der Erde fahren sehen. Dabei war es nur eine Frau, die gerade aus der Magoffin Station an der linken Straßenseite trat und hinüber zum Drugstore ging, der auch dem alten Bill Magoffin gehört.

Die Frau war groß. Sie stampfte in klobigen Stiefeln wie ein Mann über die Fahrbahn. Sie trug einen langen Rock, eine Fuhrmannsjacke und einen Männerhut – und natürlich auch ein Männerhemd, schön bunt kariert.

Gowan wollte etwas fragen, kam aber nicht dazu. Die Frau blieb mitten auf der Straße stehen und sah zum einzigen Saloon Hermanas hinüber. Dann stemmte sie wie ein Mann die Fäuste in die Hüften und brüllte so laut, daß Gowan dachte, sie stehe neben ihm:

»Braddy, Tolbart!«

Es dauerte keine drei Sekunden, dann flog die Schwingtür des Saloons auf und zwei Männer stürzten auf den Vorbau.

»Ich habe gesagt, ihr sollt abrechnen und dann kommen«, rief die Frau dröhnend. »Ihr verdammten Taugenichtse, vielleicht holt ihr euch bald euren Fraß aus der Futterkrippe, verstanden? Wir fahren in genau dreißig Minuten, keine Minute später, hol’s der Teufel!«

Die beiden Männer, groß und kräftig, rannten, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken, zur Station hinüber. Die Frau sagte noch irgend etwas, dann stampfte sie weiter und verschwand im Drugstore.

»Weißt du jetzt ungefähr, was das für ein Teufelsweib ist, Mann?« fragte Cargo höhnisch. »Sie führt die Kolonne, wette ich. Das alte Rabenaas hat weder Angst vor Apachen noch vor dem Teufel. Teufel, der werde ich endlich die Peitschenhiebe heimzahlen. Warte mal, Mensch.«

Er zog sein Pferd herum und ritt ein Stück zurück. Sie waren an einem Kaktus vorbeigekommen, der umgestürzt am Boden lag. Getrocknete Kakteenhaut hat die Eigenschaft, zäh und hart wie Leder zu werden. Gowan sah verstört zu, wie Cargo mit seinem Messer ein Stück Haut samt Stacheln lostrennte, um es dann vorsichtig in die Satteltasche zu schieben.

»He, was hast du vor?« fragte Gowan verwirrt.

»Ich werde diesem alten Drachen endlich einen Denkzettel verpassen«, knurrte Cargo giftig. »Komm mit, Magoffins haarige Affen stecken alle am Futtertrog. Wir werden uns mal einen der Wagen vornehmen.«

»Mann, Cargo, mach keinen Ärger«, schnaufte Gowan erschrocken. »Könnte sein, daß es dem Boß nicht gefällt.«

»Hast du ‘ne Ahnung, Mister. Gore Handley macht einen Luftsprung vor Freude, wenn sich die Alte oder Big Bill Magoffin den Hals brechen!«

*

»Braddy, du dreimal gebrannter Hundesohn«, schrie Red Mary draußen wütend. »Ich habe gesagt, in dreißig Minuten, wie?«

»Sie trug keine Damenuhr, sondern einen Taschenwecker, der einmal ihrem Vater gehört hatte und mit einem Schlüssel aufgezogen werden mußte.

Das Ungetüm zog sie nun heraus und hielt es dem aus dem Bau stürzenden Braddy entgegen.

»Sind ja schon da«, ächzte Braddy. »Im Moment, Miß Mary.«

»Im Moment – im Moment«, knurrte Mary Magoffin finster. »Deine Momente kenne ich, Mister. Ich fahre jetzt, und ihr kommt nach. Und ihr sollt verdammt sein, wenn ihr trödelt!«

»Yes, Miß Mary.«

Sie grunzte besänftigt, steckte die Großvaterzwiebel wieder ein und drehte sich um.

»Hat die wieder mal ‘ne Laune«, japste der kleine Mathews verstört. »Ich wette, sie hat sich die ganze Zeit über die Uhrenkisten auf ihrem Wagen geärgert. Sie kann mit den Kisten nicht so rasen wie sonst. Wetten, daß sie erst wieder gute Laune hat, wenn wir in Agua Prieta sind?«

»Mal nicht den Teufel an die Wand«, jammerte Tilbart. »Bis dahin – das wäre fürchterlich. Los, macht schnell, sonst tobt sie wieder.«

Sie hasteten aus dem Tor und bestiegen die Wagen, als Red Mary die Leinen ihrer beiden Pferde hob.

»Männer«, brummte Mary kopfschüttelnd. »Faul, verfressen und dickfellig.«

Das linke Wagenpferd bäumte sich jäh auf und sprang schrill wiehernd an. Der Wagen wurde so heftig bewegt, daß sich die Vorderräder anhoben.

Im gleichen Augenblick packte irgend etwas unter Marys gut gepolstertes Sitzteil. Es war ungefähr so, als hätte ein Riese seinen Riesenstiefel unter die Sitzbank getreten. Und das mit voller Wucht.

Mary Magoffin wurde über die Rücklehne des Sitzbrettes geschleudert. Dabei ließ sie die Leinen los, und das linke Gespannpferd raste nun vorwärts. Es riß den Wagen herum, die Leinen sausten über die Kastenkante, und schleiften dann über die Erde.

Schrill wiehernd brauste das Pferd über die Anhöhe aus Hermanas heraus. Kakteen säumten den Weg an beiden Seiten. Bis zur Wegbiegung waren es etwa fünfzig Yards – und genau die brauchte Mary, ehe sie begriff, was geschehen war.

In dieser Zeitspanne schleuderte der Wagen jämmerlich. Einmal knallte Mary die linke und danach die rechte Uhrenkiste in die Hüfte. Sie war eingeklemmt und konnte nicht aufstehen. Es gelang ihr nicht einmal, nach der Kastenkante zu greifen.

Dann war die Biegung da. Der steinige Hang stieg links an. Rechter Hand war nun der Hermanas Creek. Der Bachlauf war knochentrocken wie üblich um diese Jahreszeit und drei Yards tiefer als der Weg.

Das war es, was Mary Magoffin sah, als sich bei einer Schleuderbewegung der Wagen beinahe querstellte und sie plötzlich am Sitzbrett landete. Sie griff zu, zog sich keuchend hoch und wurde kreidebleich vor Schreck. Es gab hier eine etwa hundert Yard lange Gerade, ehe die nächste Biegung begann. Der Hang an jener Stelle war ausgefahren und steil.