Borderline (BPS) – Wenn die Seele Halt sucht - Simone Weber - E-Book

Borderline (BPS) – Wenn die Seele Halt sucht E-Book

Simone Weber

0,0

Beschreibung

Nach einer wahren Begebenheit! Christina ist eine junge Frau, die mit den Geistern ihrer Vergangenheit kämpft. In der Kindheit missbraucht, als junge Erwachsene von ihrem Ehemann gedemütigt. Im Borderlinesyndrom sucht sie nach Halt. Eines Tages ist ihr alles zu viel. Sie zieht einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Leben und versucht einen Neuanfang. Als sie eines Tages einen jungen Mann kennenlernt, hofft Christina auf eine Besserung in ihrem Leben. Ob er ihr helfen kann, sich aus den Fängen ihrer Seelenqualen zu befreien? Dieses Buch zeigt die wirren Gedankengänge einer Betroffenen auf.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 148

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Simone Weber

Borderline (BPS) -

Wenn die Seele Halt sucht

Impressum

© NIBE Verlag © Simone Weber

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Created by NIBE Media

NIBE Media

Broicher Straße 130

52146 Würselen

Telefon: +49 (0) 2405 4064447

www.nibe-media.de

E-Mail:[email protected]

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Anlaufstellen für Betroffene

Vorwort

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung, Abkürzung (BPS), ist eine psychische Erkrankung.

Typische Anzeichen sind zum Beispiel: Impulsivität, schnelle Stimmungswechsel und eine gestörte Selbstwahrnehmung, wiederholtes selbstverletzendes Verhalten.

In dem Moment des Verletzens des Körpers werden bei den Betroffenen Endorphine, auch als Glückshormone bekannt, ausgeschüttet, die, in Verbindung mit Adrenalin, den Schmerz des Verletzens verringern soll.

Meist gewöhnen sich die Betroffenen schnell an diese Linderung, sodass eine heftigere Selbstverletzung als nötig empfunden wird, um die gewünschte Befreiung zu erhalten.

Es handelt sich dabei in aller Regel nicht um ernstgemeinte Selbstmordversuche, sondern eher um ’stille’ Hilfeschreie!

Dieses Buch zeigt die wirren Gedankengänge einer Betroffenen auf.

Ich blicke auf meine Narben

Zeichen von vergangenen Tagen

Schnitte so tief und wahr

Geschichten von dem, der ich mal war.

Quelle: Böhse Onkelz - Narben

Kapitel 1

Es würde ein sonniger Tag werden, das spürte Christina einfach schon, als sie die Augen an diesem Morgen aufschlug. Sie war eindeutig zu früh aufgewacht.

Christina hatte die Angewohnheit immer einige Schlitze des Rollladens offen zu lassen und so verriet ihr ein kurzer Blick zum Fenster, dass es draußen noch stockdunkel war. Was aber hatte sie sonst geweckt, wenn es nicht die ersten Sonnenstrahlen waren? Plötzlich fing sie an zu kichern. In diesem Moment wusste Christina, warum sie schon jetzt wach war. Schmusebedürftig balancierte ihr Kater Paul über ihr zugedecktes Bein. Das andere lag frei und als Paul dort entlang geschlichen war, hatten Christina seine Schnurrhaare gekitzelt.

»Komm her du kleiner Streuner«, lachte sie und schnappte sich den Kater.

Paul liebte es, bei seinem Frauchen mit unter die Bettdecke schlüpfen zu dürfen. Kaum hatte er es sich auf ihrem Bauch bequem gemacht, schaute Christina auf ihren Wecker, der auf einem kleinen Nachttisch neben ihrem Bett stand. Es war erst 06.03 Uhr. Sie hatte noch zwölf Minuten, bis der Wecker sein Schrillen von sich gab und sie endgültig aufstehen musste. Zwölf Minuten, in denen sie sich geistig auf ihren ersten Arbeitstag in der neuen Firma vorbereiten konnte.

Christina hatte ein wenig Angst davor. Es war ihre erste richtige Arbeitsstelle. Wie das wohl sein würde endlich ganz auf eigenen Füßen zu stehen? Bisher hatte sie in dieser Hinsicht kaum bis gar keine Erfahrung gesammelt.

Sie war noch sehr jung gewesen, als sie ihre erste und bisher einzige Beziehung eingegangen war.

Gerade einmal 15 Jahre alt. Schon mit 18 Jahren hatte Christina diesen Mann geheiratet, doch bereits nach kurzer Zeit musste sie feststellen, dass das keine so gute Idee gewesen war.

Zur damaligen Zeit hatte sie einfach furchtbare Angst vor dem alleine sein gehabt. Doch beenden konnte sie die Beziehung auch nicht, denn das wäre ihr sicherer Untergang gewesen!

Obwohl Christina eine hübsche junge Frau war, dachte sie, sie würde keinen anderen Mann finden, der sie je richtig lieben könnte. Dieser Mann, so glaubte sie jedenfalls, liebte sie, doch liebte sie auch ihn? Waren ihre Gefühle zu ihm jemals so intensiv?

Heute wusste Christina, dass es nicht so war. Sie hatte ihn gerne gehabt, das stand außer Frage. Anfangs zumindest!

Anfangs gab er ihr das Gefühl von Geborgenheit und auch Vertrauen hatte sich aufgebaut in den drei Jahren, die sie zuvor schon gemeinsam verbracht hatten. Doch gingen Christinas Gefühle niemals wirklich so tief, um von Liebe sprechen zu können.

Sämtliche Warnungen ihrer Familie und Freunde stießen bei Christina auf taube Ohren. Alle sagten ihr, dass es ein Fehler sei, sich mit diesem Mann einzulassen und dass Christina die Beziehung beenden sollte, solange sie es noch konnte.

Damals war sie ein Teenager. Aber welcher Teenager hört schon auf solche Worte? Und trotz aller Warnungen und Ratschläge oder gerade deswegen und aus Starrköpfigkeit, hatte sie ihn geheiratet, als sie mitten in ihrem Abitur steckte.

Die Wochen flogen nur so an ihr vorbei, schon stand Christina vor den Examina, welche sie bravourös bestand.

Eine Ausbildung folgte und als sie auch diese erfolgreich abgeschlossen hatte, kam sie in ihr damaliges Heim und zeigte Marc, ihrem Mann, ihren ausgezeichneten Abschluss. Ausschließlich sehr gute Zensuren bevölkerten das Blatt. An diesem Abend gratulierte er ihr, lud sie sogar noch zur Feier des Tages zum Essen ein, doch da wusste Christina noch nicht, dass sich ab dem folgenden Tag alles ändern sollte.

Früh am Morgen stand sie auf, machte Frühstück und wartete darauf, dass ihr Mann aus der Dusche kam. Marc kam in die Küche und trocknete sich beim Laufen noch die Haare ab, als er plötzlich Christina bemerkte.

»Warum bist du denn schon wach?«, fragte Marc erstaunt.

»Ich habe eine wunderbare Neuigkeit«, antwortete Christina. »Ich wollte dir beim Frühstück davon erzählen.«

Sie schaute ihm lächelnd hinterher, als er von der Küchentür zum Tisch ging. Das nasse Handtuch legte er blindlings auf einen der Stühle, zog sich seinen eigenen heran und setzte sich.

»Was ist es denn? Du scheinst es ja richtig zu genießen, spanne mich nicht so auf die Folter«, hakte Marc nach.

Christina konnte ihre Vorfreude nicht mehr länger im Zaum halten. Die Worte sprangen ihr geradezu aus dem Mund: »Ich habe einen Job! Ist das nicht fantastisch? Jetzt haben wir beide ein Einkommen und …«

Weiter kam sie nicht. Marcs Gesicht wurde finster, er ballte seine Hände zu Fäusten und schrie Christina an: »Ein Job, ja? Den wirst du sofort wieder kündigen. Meine Frau hat es nicht nötig arbeiten zu gehen. Du bleibst zu Hause und damit basta!«

»Aber …!«, wollte Christina einlenken. Ihr standen Tränen in den Augen. So sehr hatte sie sich darauf gefreut jetzt auch arbeiten zu können und dann das?

Sie wollten sich doch zusammen ein Haus kaufen, irgendwo auf dem Land. Dafür brauchte man Geld und wenn sie beide arbeiten gingen, bekämen sie das Geld doch viel schneller zusammen. Etliche Male hatte Christina zu rechnen begonnen, wie lange es dauern würde, wenn sie keine Arbeit bekäme, wenn Marc für alles sorgen müsste. So stolz war sie gewesen, als ihr der Job zugesagt wurde. Zwar sollte dieser erst einmal auf Probe sein, doch wenn es gut liefe und sie Glück hatte, könnte sie dort sogar eine Ausbildungsstelle bekommen. Was wollte man mehr?

Und nun so etwas!

Was war nur los mit ihm? So hatte sie ihn niemals zuvor erlebt. Zumindest konnte Christina sich nicht daran erinnern.

»Kein aber!«, sagte Marc, noch immer mit lauter Stimme, »du bleibst zu Hause habe ich gesagt, sonst setzt es eine! Aus, Thema beendet und vorbei!«

Um seinen Worten nochmals Nachdruck zu geben, schlug Marc mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf. Er rauschte aus der Küche in den Flur, nahm seinen Koffer mit den Papieren, die er im Büro benötigte und stürmte aus dem Haus zur Arbeit. Sein Frühstück blieb unbeachtet und unberührt stehen.

Christina saß noch immer am Küchentisch. Sie konnte kaum glauben, was sie gerade gehört hatte. Er verbot ihr nicht nur zu arbeiten, er drohte ihr sogar noch Schläge an, wenn sie nicht auf ihn hörte!

Christina war nicht bloß enttäuscht, sondern auch fassungslos, erschüttert und betrübt - alles zur gleichen Zeit.

An diesem Morgen hatte man ihr ihren freien Willen genommen.

Die nächsten drei Jahre sollten so weitergehen.

Christina wurde gedemütigt, hin und wieder sogar tatsächlich geschlagen, doch der Mut oder gar den Gedanken an sich, ihren Mann zu verlassen, kam ihr nicht in den Sinn. Etwa nach der Hälfte des ersten Ehejahres begann Marc sogar sie nachts zu belästigen. Ob sie Lust auf ihn hatte oder nicht, war ihm dabei vollkommen egal. Wenn er sie wollte, hatte Christina für ihn da zu sein. Bald kam ihr die vermeintlich großartige Idee sich einfach schlafend zu stellen, wenn er sich dem Schlafzimmer näherte, doch selbst das war ihm egal. Die Übergriffe hörten dadurch nicht auf, sie wurden sogar noch brutaler.

Immer mehr durchdrang Christina der Wunsch, diesen schrecklichen Mann zu verlassen, aber ihre Angst war zu groß, dass er ihr, wie angedroht, wirklich noch schlimmeres antun würde.

Außerdem, wer würde schon eine Frau lieben können, die zu dem gemacht worden war, was Christina mittlerweile war?

Damals, vor drei Jahren, da war sie noch ein hübsches Mädchen gewesen. Groß, schlank, lange blonde Haare, grüne Augen mit einem wunderbaren Leuchten, doch heute? Heute waren ihre Augen stumpf und leer. Ihre Haare waren strohig geworden, ihre Haut blass und fleckig. Heute war sie magersüchtig und litt mehr denn je unter dem Zwang sich selbst zu verletzten. Natürlich immer darauf bedacht, dass Marc keinen Verdacht schöpfen konnte.

Stets spann sie sich eine passende und glaubwürdige Ausrede zurecht, bevor sie Hand anlegte und sich, zum Beispiel mit einem Küchenmesser, in einen Arm schnitt. Sobald Marc danach fragte, wie dieser Schnitt passiert war, erzählte Christina ihm, dass sie beim Gemüseschneiden abgerutscht sei. Selbstverständlich folgten auf ihre Aussage Beleidigungen, wie dämlich sie denn sei und ähnlicher Art. An manchen Tagen schlug Marc ihr zur Strafe sogar noch auf die Wunden und meinte, er mache das nur, um ihr zu helfen. Der extra Schmerz solle sie daran erinnern, vorsichtiger zu sein. Ihr dummes Gehirn musste ja wohl eines Tages endlich einmal etwas lernen.

Es sollte noch ein Jahr dauern, bis Christina sich endlich durchrang, den Mut zu fassen und die Scheidung einzureichen.

Der Rechtsanwalt, der ihr dabei half, war ein Freund ihres Vaters, sodass die Scheidung zu ihrem Glück recht schnell vollzogen werden konnte.

Frische blaue Flecken an den Beinen und ein erst einige Tage alter Schnitt am Arm wurden Marc zur Last gelegt. Das brach ihm vor Gericht förmlich den Hals.

Dass sie allerdings selbst verantwortlich für diesen Schnitt war, das blieb natürlich Christinas Geheimnis.

Nun war sie wieder frei, durfte endlich selbst über ihr Leben entscheiden. Von heute an sollte ihr niemals mehr wieder jemand sagen, was sie zu tun hatte, oder was sie bleiben lassen sollte. Es war ihr Leben und das wollte sie voll und ganz selbst gestalten und so, wie es ihr gefiel.

Kurzerhand und mit ein wenig Hilfe des Rechtsanwaltes, fand sie eine eigene Wohnung und gleich darauf sogar einen kleinen Job.

Mit ihrem ersten Verdienst war Christina direkt ins nächste Tierheim gelaufen. So ganz alleine in ihrer Wohnung fühlte sie sich schrecklich. Der Vorschlag, sich doch ein Haustier zuzulegen, kam von ihrem Vater und Christina war mehr als begeistert davon.

Eigentlich hatte sie geplant, einen kleinen Hund zu adoptieren. Doch als sie an dem Katzenzimmer vorbeikam und den traurigen Blick einer kleinen Katze durch die große Scheibe sah, warf sie den ursprünglichen Plan sofort über Bord.

Die Tierpflegerin wollte Christina zwar noch andere Tiere zeigen, doch sie war nicht mehr zu bewegen, auch nur irgendein anderes Tier sehen zu wollen.

»Das ist mein Paul«, sagte sie bestimmend.

Die Tierpflegerin öffnete schließlich die Tür zum Katzenzimmer, damit Christina eintreten konnte.

‚So wie die aussieht, laufen die Tiere eher vor ihr weg. Das geht doch sicher nicht gut‘, dachte die Tierpflegerin bei sich, als sie die Tür hinter sich schloss, damit sich keiner ihrer Schützlinge ungefragt davonmachen konnte.

Als Christina den Raum betrat, kam der kleine Kater allerdings direkt auf das mitleiderregende Mädchen zu und strich schnurrend um ihre Beine herum. Christina ging langsam in die Hocke, um ihren Paul streicheln zu können. Da spürte die Tierpflegerin, wie ernst es Christina war und dass sie sich gut um den kleinen Kater kümmern würde.

Gemeinsam gingen sie in das Büro des Tierheims.

Christina bekam die Papiere des Katers ausgehändigt. Schnell waren diese in ihrer Handtasche verstaut und sie eilte zu dem Tierfachhandel, der sich direkt neben dem Tierheim befand. Sie kaufte alles Nötige für die ersten Tage. Darunter Futter, Spielzeug, ein Katzenkorb und natürlich eine Transportbox, damit sie ihren kleinen Paul gefahrlos nach Hause bringen konnte. Kaum hatte sie alles bezahlt, hetzte Christina zurück zum Tierheim, um Paul abzuholen. Und tatsächlich bekam sie Paul mit. Zwar bekam Sie von dem Tierheim noch gesagt, dass nachkontrolliert wird, ob sie sich auch gut um die kleine Katze kümmerte, aber das war kein Problem für Christina. Sie konnte es noch immer nicht glauben.

‚Wahnsinn‘, dachte sie bei sich, ‚ich wollte etwas und habe es bekommen. Niemand hat mich angeschrien oder beschimpft.‘

Diese Erfahrung, für Christina etwas völlig Ungewohntes, hatte ihr Selbstbewusstsein um ein gutes Stück wachsen lassen.

Plötzlich schrak Christina aus ihren Gedanken auf.

»Ach Herr je, die Arbeit!«, rief sie aus.

Sie schaute erneut auf den Wecker. 06.12 Uhr. Noch drei Minuten, bis der Alarm losgehen würde.

Erleichtert schaltete sie das Gerät ab und schob Paul vorsichtig von ihrem Bauch hinunter.

Das war sein unmissverständliches Zeichen dafür, dass die Zeit zum Schmusen vorerst vorbei war.

Paul streckte sich und hüpfte dann vom Bett herunter.

Jetzt konnte auch Christina aufstehen.

Kapitel 2

Es war schon fast hell, als Christina endlich aus der Dusche heraustrat und nach einem Handtuch griff, dass sie sich um die nassen Haare wickelte.

Paul hatte sich auf dem Badezimmerteppich zusammengerollt, während er darauf wartete, dass sie aus der Dusche herauskam.

»Na kleiner Mann, jetzt musst du aber raus hier, sonst wird es zu eng.«

Christina ging in die Hocke, streichelte über seinen Kopf und gab ihm dann einen leichten Stoß, damit der Kater Aufstand und das Badezimmer verließ.

Beim Aufstehen streifte ihr Blick den großen Ganzkörperspiegel, der an der Wand befestigt war. Dieser zeigte ihr nacktes Spiegelbild. Ihr Blick glitt zurück zu einem zweiten Handtuch, welches noch am Waschbecken hing und das sie sich gerade umlegen wollte, schweift wieder zu ihrem Spiegelbild und bannte ihn dann vollends. Christina hasste Spiegel.

Das war nicht immer so gewesen, doch es war eine Zeit gekommen, die das geändert hatte. Spiegel versuchte Christina zu meiden, seit sie begonnen hatte sich selbst zu verletzen. Seitdem wollte sie sich einfach nicht mehr betrachten. Sie konnte den Anblick der vielen Narben nicht ertragen.

Nun aber starrte Christina ihr Spiegelbild schamlos entgegen. Sie hatte diesen einen, riesigen Spiegel mit Absicht im Badezimmer aufgehängt. Er sollte sie mahnen und er machte seine Arbeit mehr als gut.

‚Du wirst es bald wieder tun, du kannst nicht ablassen davon, du bist süchtig danach!‘, schien er jetzt zu sagen.

Christina schreckte zurück, sie wollte diese Gedanken nicht mehr. Seit Längerem versuchte sie sich mit aller Macht dagegen zu wehren und es gelang ihr in letzter Zeit sogar immer öfter. Diese Gedanken waren einfach nur schrecklich. Sie wusste, wenn sie einmal in ihrem Bann war, würde sie nicht wieder hinauskommen, ohne Blut zu lassen. Christina schob den Gedanken mühevoll beiseite und schüttelte den Kopf, als könne sie damit alles abwehren.

»Nicht jetzt, bitte nicht an diesem Tag, er bedeutet mir doch so viel!«, flehte sie ihr Spiegelbild an.

Das Gefühl der Benommenheit legte sich, als hätte er sie tatsächlich verstanden.

Christina griff nach ihren Zahnputz-Utensilien, die auf einem kleinen Regal neben dem Spiegel standen, und putzte sich die Zähne. Danach cremte sie sich von Kopf bis Fuß ein, trocknete sich die Haare ab und zog sich an. Als Nächstes ging sie vom Badezimmer durch den Flur in die Küche.

‚Jetzt ein gutes Frühstück und der Tag ist halb überstanden‘, dachte sie bei sich.

Sie war unendlich erleichtert darüber, dass sie den Kampf, gerade eben im Badezimmer, gegen sich selbst gewonnen hatte.

Der Kaffee, den sie vor dem Duschen schon aufgesetzt hatte, war fast durchgelaufen. Diese Automaten mit Zeitvorgabe waren eine tolle Erfindung. Ob sie die Maschine nun abends schon befüllte, damit der Kaffee morgens fertig war, wenn Sie Aufstand, oder die Zeit abschätzte, die sie im Badezimmer benötigte und die Maschine darauf programmierte. Egal wie sie es machte, immer hatte sie ihren Kaffee bereit, wenn sie ihn brauchte. Aber ausgerechnet heute musste sie darauf warten.

Sie ließ sich auf einen Stuhl am Küchentisch nieder und griff nach der Zigarettenpackung, die daneben auf der Eckbank lag.

Direkt nach ihrer Scheidung von Marc hatte sie angefangen zu rauchen. Warum? Das wusste sie selbst nicht genau. Vielleicht hatte sie einfach nur versucht etwas ihr Verbotenes zu tun, um herauszufinden, wie es ist dafür keinen Ärger und keine Strafen erleiden zu müssen. So schnell hatte sich ihr Körper an dieses Ritual gewöhnt. Wie oft hatte sie seitdem schon versucht, sich das Rauchen wieder abzugewöhnen? Viermal? Fünfmal? Öfter? Sie wusste es nicht, jeder Versuch war erfolglos gewesen.

Die ersten drei bis vier Stunden hatte Christina stets tapfer durchgehalten, dann wurde sie langsam nervös und wusste nicht mehr wohin mit ihren Händen, bis die Nervosität in Aggressivität umschlug. Spätestens an diesem Punkt hatte Christina den aktuellen Versuch über Bord geworfen, aufgegeben und wieder nach den Zigaretten gegriffen. Sie konnte es nicht und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, sie wollte es mittlerweile auch gar nicht mehr. Es war niemand mehr da, der es ihr verbieten konnte.

Bei diesem Gedanken zog sie erst recht genussvoll an der Zigarette, atmete den Rauch extra tief ein und verschluckte sich heftig dabei.

»Mist! Das war der Grund, warum ich damit aufhören wollte«, fluchte sie leise in sich hinein und musste kräftig husten.

Die halbe Zigarette hatte sie geraucht, als die Kaffeemaschine schließlich anfing zu röcheln.

»Endlich was zum richtig wach werden«, sagte Christina zu der Maschine.