Bös- und Gutmenschen - Jan Nadelbaum - E-Book

Bös- und Gutmenschen E-Book

Jan Nadelbaum

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Beschreibung

Karl ist Ortsbürgermeister von Quelmbach, einer kleinen (fiktiven) Mittelgebirgsgemeinde, und seit Jugendtagen mit Ernst und Jörg befreundet. Diese Freundschaft geht in die Brüche, als wiederholt Asylbewerber in dem beschaulichen Örtchen untergebracht werden sollen und seine Freunde Bürgerinitiativen ins Leben rufen: Der cholerische Ernst 'Quelmbach bleibt Quelmbach' und der verständnisvoll-naive Jörg 'Quelmbach ist bunt'. Karl findet sich zwischen den Stühlen wieder...

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Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Jan Nadelbaum

Bös- und Gutmenschen

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1.1

1.2

1.3

1.4

1.5

1.6

1.7

1.8

2.1

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2.3

2.4

2.5

2.6

2.7

2.8

3.1

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3.6

3.7

3.8

Impressum neobooks

1.1

Unsere Geschichte spielt im Herzen Europas, in einem Mittelgebirgsdorf namens Quelmbach, wo rund zweitausend Seelen eine Heimat gefunden haben. Viel gibt es hier nicht, einen Bäcker, eine Metzgerei, zwei Ärzte, eine Apotheke, einen kleinen Lebensmittelladen, den ein oder anderen Handwerksmeister und, ganz wichtig, die Dorfkneipe ‚Bejm Jupp‘ – ein altes Fachwerkhaus neben der Kirche. Hier saßen Ernst Bolz, Karl Schultheiß und Jörg Krume zu ihrem Donnerstagsbierchen an einem kleinen Ecktisch unweit der Theke, hinter der sich Petra, die nicht auf den Kopf gefallene Wirtin, langweilte. Damit das niemand merkte, wischte sie alle zehn Minuten mit einem nassen Lappen immer wieder über die gleiche Stelle, zapfte für irgendjemanden, der vielleicht noch auf ein Pils vorbeikam und spitzte ansonsten nach allen Richtungen die Ohren, genauer gesagt nach zwei Richtungen, nach rechts zu den drei Herren und nach links zur Doppelkopfrunde, die sich ebenfalls jeden Donnerstagabend hier traf.

Seit etlichen Wochen gab es im beschaulichen Quelmbach nur noch ein Thema: Die – wie Jörg sie nannte – Flüchtlinge oder – was Ernst bevorzugte – Einwanderer. Man hatte dem Ort in der Vergangenheit zweimal ein Kontingent zugeteilt. Spätestens beim zweiten kamen erste ernsthaftere Diskussionen auf und einige Quelmbacher hatten ihr Missfallen bekundet. Es verwundert daher wenig, dass es auch an jenem Donnerstagabend nicht lange dauerte, ehe die drei Jugendfreunde zu diesem Thema gelangten. Ernst, ein großer, kräftiger Mann in den Fünfzigern mit prächtigem Kaiser-Wilhelm-Bart (wohlgemerkt der Erste, nicht der Zweite!) polterte los: „Die Afghanen haben mir schon wieder den Müll in den Vorgarten geschmissen! Wenn ich die erwische, dann is wat los!“

„Du weißt doch gar nicht, ob es überhaupt die Afghanen waren“, erwiderte Jörg, das krasse Gegenteil, zierlich, rasiert, irgendwie elegant und daher – sofern man mit dem Landleben eher rustikale Typen verbindet – nicht recht in die Dorfgemeinschaft passend.

„Wer soll’s denn sonst sein? Seit die da sind, hat die Brigitte den Mist in ihren Beeten, und jetzt rate mal, wer ihn rausholen darf?! Richtig! Ich! Es können nur die Afghanen sein!“

„Du steckst voller Vorurteile! Nur weil es Afghanen sind, heißt das doch nicht, dass sie den Müll in deinen Vorgarten schmeißen!“

„Sowas Naives wie dich gibt es echt kein zweites Mal! Du wohnst ja auch weit genug weg, ich hab die vor der Haustür!“

Ernst wurde immer lauter. Dabei wippte sein Backenbart, als wolle er in jedem Augenblick zum Flug abheben. Karl kannte das Schauspiel inzwischen. Er schaute wie so oft auf die sich auflösende Schaumkrone seines Bieres. Der weiße Kranz verkleinerte sich zusehends, während von unten Kohlensäure aufstieg. Hatte was Beruhigendes, so ein Pils, wie gleichmäßig und gelassen die Bläschen nach oben drangen und dann im Schaum verschwanden. Geräuschlos. Unbeirrbar. Wie seine beiden Freunde. Bloß waren die nicht geräuschlos.

„Denk doch auch einmal an die armen Menschen! Was die alles hinter sich haben“, gab Jörg ihm zu bedenken.

„Was hat das jetzt mit dem Müll in meinem Vorgarten zu tun?! Du musst sowieso ganz still sein! Seit ich mich von dir hab‘ bequatschen lassen, auf dieses Flüchtlingscafé zu gehen und meine Familie mitgeschleppt habe, sitzt bei mir dieser Mayo im Haus, weil meine Tochter ihre Hormone nicht im Griff hat!“

„Der heißt Mojo“, korrigierte Jörg.

„Der kann von mir aus auch Ketchup heißen, das ist mir wurscht! Jedes Mal fehlt irgendetwas, wenn der im Haus war!“

„Bei dir sind wohl alle Flüchtlinge Kriminelle?! Dass du dich mal so entwickelst, hätte ich nie für möglich gehalten“, schimpfte Jörg.

„Ich entwickle mich wenigstens! Du bist ja irgendwo in der Pubertät stecken geblieben, zumindest, wenn ich mir dein Weltbild genauer anschaue! Naiv und dumm!“

„Das muss ich mir nicht sagen lassen, nicht von so einem wie dir!“

„Was soll das denn nun heißen?! So kannst du mit deinen Schülern reden, aber mir brauchst du so nicht zu kommen!“

„Dir fehlt es an Empathie!“

„Und dir an Verstand!“

Petra hatte sich zwischenzeitlich vollends den Dreien zugewandt. Die Doppelkopfrunde war nun gänzlich uninteressant. Sporadisch schaute jemand von den Vieren zu Ernst, Jörg und Karl herüber, aber da sich ihnen seit einigen Wochen jeden Donnerstag das gleiche Bild bot, war so etwas wie Gewöhnung eingetreten. Sie ließen sich nicht von ihrem Spiel ablenken.

„Ich hab studiert“, keifte Jörg.

„Ich auch. Es gibt genug studierte Affen!“

„Ja, sieht man!“

„Genau!“

Dies war der Moment, wo Karl für gewöhnlich einschritt, um die Wogen wieder ein wenig zu glätten.

„Das mit dem Café damals war schon eine gute Idee“, gestand er.

„Hä“, fuhr Ernst in zornesrot an.

„Ja, war es“, bekräftigte Karl. „So hatten wir die Möglichkeit, uns alle ein wenig kennenzulernen.“

„Auf die Bekanntschaft hätte ich verzichten können“, grummelte Ernst.

„Die Menschen sind da und wir müssen’s irgendwie hinkriegen. Sie bleiben ja nicht für ewig“, bemerkte Karl.

„Wer’s glaubt“, zischte Ernst.

„Dreiundsiebzig sind für ein Dorf wie das unsrige eigentlich ja ein Klacks“, behauptete Jörg.

Ernst schlug mit der Faust auf den Tisch und setzte gerade an, als Karl beruhigend die Hände hob und Ernst zuerst tief Luft holte, bevor er dann doch losdonnerte: „Klar, das sind sie alle! Da kommt ganz sicher niemand mehr!“

„Ernstsche, Schnäpsje“, rief Petra von der Theke rüber, nachdem Karls Beschwichtigungsversuch offenbar gescheitert war.

„Ja, Petrasche, breng mer’n Schnäpsje“, nahm er kopfschüttelnd das Angebot an.

„Bringste mir auch einen“, fragte ein Herr aus der Doppelkopfrunde.

„Nä, den han esch nur fä de Ernst, wenn de Ernst sich widder su offrecht“, lachte Petra und kam mit einem Kümmel.

„Danke, Petra, dau beßn Schatz“, zwinkerte Ernst ihr zu.

„Lass dat awer net et Brigitte wisse, gell“, ermahnte sie im Fortgehen.

„Nä, niemols, Petrasche, dat blejvt onner oß“, prustete Ernst, schnappte das Gläschen und kippte den Schnaps hinunter.

„Dä! Schon leer“, grinste er.

Jörg betrachtete ihn halb belustigt, halb entsetzt.

„Was ist? Das ist noch nichts für dich, Bubi“, wieherte Ernst los und der Bart wippte erneut, als höbe er gleich ab.

„Bevor ihr’s durch Gerüchte erfahrt,“, verhinderte Karl die sich anbahnende zweite Diskussionsrunde, „es werden in der Tat noch einige kommen…“

„Was? Wie viel“, löcherte ihn Ernst prompt.

Die Doppelkopfspieler legten ihre Karten nieder und blickten allesamt zum Bürgermeister.

„Ich muss morgen zum Verbandsbürgermeister. Er hat mich gestern angerufen und mir mitgeteilt, dass unserem Verband das nächste Kontingent zugeteilt werden wird. Weil drei Viertel bisher in der Stadt untergebracht sind, müsse der nächste Bus nach Quelmbach…“

„Und wieso nicht in die anderen Dörfer“, erkundigte sich Ernst.

„Die sind zu klein. Da gibt’s doch keinerlei Einkaufsmöglichkeiten. Hier kannst du wenigstens den Grundbedarf decken, also werden die meisten auf die Stadt verteilt und eben ein Viertel bis zu einem Drittel bei uns.“

„Wie viele sind’s denn“, griff Jörg Ernsts Frage auf.

„Etwa dreißig. Mehr weiß ich nicht. Wann sie kommen und alles andere erfahre ich erst morgen, da habe ich das Gespräch auf der Verwaltung“, antwortete Karl.

„Petra,“, brach es aus Ernst hervor, „breng mer noch äns!“

„Mir och“, meinte Bernd Häuslich von den Doppelkopflern.

„Komm, schmeiß mo’n‘ ganz‘ Runn, Petra, giet off mesch“, forderte Josef Braun, ohne dass Petra zu Worte kam.

Sie nickte und machte das Tablett parat.

„Das ist zu viel“, keifte Ernst.

„Dreißig sind doch nichts“, meinte Jörg.

„Für dich natürlich nicht! Du würdest ja auch zwei-, drei- oder vierhundert nicht viel finden“, unterstellte ihm Ernst.

Karl drehte unentwegt seine Pilstulpe. Der Schaum hatte sich längst aufgelöst, bloß zwei kleine Flöckchen trieben noch auf dem goldgelben Gerstensaft. Warum mutete Karl sich das eigentlich überhaupt zu? Seit Wochen blafften sich Ernst und Jörg nur an und trotzdem kamen sie jeden Donnerstagabend hier zusammen. Macht der Gewohnheit? Langeweile? – Womöglich war es einfach nur die jahrzehntelange Verbundenheit, die sich – wie der Bierschaum –langsam, ganz langsam auflöste, bis vielleicht nicht einmal Flocken übrigblieben…

„Ich trage diese Idee schon länger in mir, aber jetzt halte ich den Zeitpunkt für gekommen: Ich werde eine Bürgerinitiative gründen – ‚Quelmbach ist bunt‘“, verkündete Jörg. „Auf diese Weise können wir die bisherige Hilfe besser koordinieren und den Flüchtlingen das Einleben erleichtern“, wandte er sich an Karl.

„Das halte ich für sinnvoll. Bisher läuft das alles ein wenig durcheinander. Angesichts der Zahlen wäre ein wenig Koordination ganz gut. Das kann ich allerdings nicht bewerkstelligen. Ich hab privat, beruflich und mit meiner Bürgermeisterei genug an der Backe.“

„Das kann ich verstehen. Ich mache das. Auch in Quelmbach wollen wir Willkommenskultur leben“, erklärte Jörg.

„Dann bind aber die Adelheid mit ein,“, legte ihm Karl nahe, „die gibt denen mit zwei anderen Rentnerinnen ja von Beginn an bereits Deutschstunden.“

„Kein Problem, mit der stehe ich längst in Kontakt. Es werden sich sicher weitere finden…“

„Ich ganz bestimmt nicht“, platzte Ernst ihm in seine Ausführungen. „Ich hege ebenfalls seit einiger Zeit den Gedanken an die Gründung einer Bürgerinitiative – ‚Quelmbach bleibt Quelmbach‘! Es werden sich ganz sicher weitere finden!“

Bevor Jörg kontern konnte, hatte Karl sein Glas geleert, klopfte beiden auf die Schulter und verabschiedete sich: „Jungs, ich muss. Macht es gut, bis die Tage.“

Kaum hatte er es gesprochen, war er auf dem Weg ins Freie. Bei Petra an der Theke machte er vor den Schnäpschen kurz Halt.

„Dank dir, Josef“, prostete Karl und trank seinen Kümmel.

Josef nickte wohlwollend.

„Tschüss, Petra.“

„Tschüssi, Karl“, lächelte sie und begab sich mit ihrem Tablett zu der Herrenrunde.

1.2

Er ging ums Haus durch den Garten. Karl wusste, dass Elsa im Sommer immer lange auf der Terrasse saß, insbesondere donnerstags, wenn er in der Kneipe war. Als sie ihn kommen sah, klappte sie das Buch zu und ließ es sachte in den Schoß sinken. Sie musste grinsen. Karl ließ sich seufzend neben ihr auf der Bank nieder.

„Schlimm“, fragte sie.

„Wie immer“, bestätigte er.

Er versuchte zu erkennen, um welches Buch es sich handelte, aber seine Frau bedeckte mit ihren Händen den Schriftzug.

„Was liest du denn da“, interessierte es ihn.

„Brentano.“

„Oha! Was?“

„Gedichte.“

„Meine kleine Romantikerin…“

Sie strahlte.

„‚Am stillen Abend, Wenn die Rosen nicht mehr glühen Und die Töne stumm werden, Will ich bei dir sein In traulicher Liebe, Und dir sagen, Wie mir am Tage war.‘“

„Und, wie war dir am Tage“, lachte Karl.

„Erzähl mir lieber, wie’s bei deinen Streithälsen war. Schlimmer als sonst?“

Elsa streichelte seinen Handrücken, während er ihre dunklen Augen ergründete. Darauf wandte er sich ab, blickte auf die Wiesen, die er wegen der hereinbrechenden Dunkelheit lediglich schemenhaft erkennen konnte und begann zu erzählen: „Jörg will eine Bürgerinitiative gründen, ‚Quelmbach ist bunt‘, und Ernst hält natürlich dagegen, indem er ebenfalls eine ins Leben rufen will, ‚Quelmbach bleibt Quelmbach‘.“

Er schaute wieder zu Elsa und strich ihr sanft über die Wange.

„Eine Wimper“, verteidigte er sich.

„Darf man sich dann nicht was wünschen?“

Er guckte skeptisch.

„Du liest zu viele romantische Gedichte…“

„Gar nicht! Die sind wunderschön“, widersprach sie ihm und sich gleichzeitig und sah nun selbst auf die an ihr Grundstück grenzenden Wiesen.

„Wie stehst du dazu?“

Karl überlegte. Seine Blicke schweiften in die Dämmerung ab.

„Ich fürchte mich davor, dass uns die Sache über den Kopf wächst.“

„Dass es zu viel wird?“

„Ja. Wenn ein Ende in Sicht wäre – aber das ist es ja nicht... Und dann Ernst und Jörg – das was Jörg zu viel macht, macht Ernst zu wenig und beide werden immer extremer, habe ich den Eindruck…“

„Hat er sich wieder über Mojo aufgeregt?“

„Ja, hat er, wobei Mojo bei ihm Mayo heißt“, berichtete Karl.

„Meinst du, es liegt daran, dass er schwarz ist?“

„Nein, das glaube ich bei Ernst nicht. Die Farbe ist ihm ziemlich egal“, lachte er ob seiner Formulierung. „Er hätte – meine ich – lieber jemanden für seine Tochter gehabt, der aus dem hiesigen Kulturkreis kommt.“

„Würde dich das stören, wenn unsere Marie einen afrikanischen Freund mitbrächte“, lugte sie nach links zu ihm herüber.

„Nein, die Enkel wären sicher niedlich. Nur bei einem Indianer hätte ich Probleme. Als Marie die Masern hatte, sah sie grässlich aus. Stell dir mal vor, die Kinder hätten rote Punkte!“

„Hahaha! Du bist unmöglich“, schlug sie ihm auf die Brust.

Er beugte sich zu ihr und küsste sie.

„‚Mein Kuss ist jung, mein Kuss ist alt, Ich küss mit weisen Listen.‘“

„Da hat wohl jemand ebenfalls Brentano gelesen“, stellte sie fest und setzte noch einen drauf:

„‚Kaum hörst du auf, so fang ich an; Versäumnis muss ich büßen‘.“

Sie neigte sich zu ihm, doch er wich ihr aus.

„Ich geh schlafen. Bis später, Gute Nacht“, berührte Karl ein letztes Mal ihre Wangen, bevor er sich erhob.

„‚So lebe wohl, verzeihe dir! Die keusche Bahn zu wandlen‘.“

„‚Ich lebe wohl, verzeihe mir, Im Traum Dich zu misshandlen‘“, antwortete er.

Mit einem schelmischen Lächeln stieg Karl ins Haus.

„Hach,“, klagte Elsa, „dafür hat man einen Mann…“

Sie nahm den Brentano aus ihrem Schoß, blätterte ein wenig darin und fing an, zu lesen. Es dauerte nicht lange, ehe sie das Buch beiseitelegte. Gemächlich kroch die Kälte der Nacht aus ihrem Versteck hervor, in dem sie tagsüber gekauert hatte. Fledermäuse jagten nach Faltern. Elsa zog sich ins Haus zurück.

1.3

In Verbandsbürgermeister Wortreichs Amtszimmer roch es miefig. Sie saßen zu dritt am Besprechungstisch. Mit von der Partie war Michaela Plauda, die Integrationsbeauftragte. Vor ihnen die obligatorischen Tassen Kaffee und Trockengebäck. Nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel kam Wortreich recht zügig auf den eigentlichen Grund des Treffens: „Wie ich dir ja schon telefonisch mitgeteilt habe, steht uns wieder eine Lieferung ins Haus… Wir sind der Ansicht, dass diese in Quelmbach untergebracht werden müsste…“

Er guckte kurz zu Michaela, die mit zustimmender Miene den Gesprächsfaden aufnahm: „Die Stadt hat inzwischen zweihundertdrei. Weil ihr bisher dreiundsiebzig habt, wäre es ganz gut, wenn wir das nächste Kontingent bei euch quartieren könnten.“

Sie stierte Karl durch ihre dickrahmige Brille an und strich sich eine rote Haarsträhne von der Stirn.

„Was ist mit den anderen Ortschaften? Die mangelnde Infrastruktur ist für mich zunehmend kein Argument mehr“, wandte dieser ein.

„Auf die werden wir wahrscheinlich bald stärker zurückgreifen müssen. Aber so lange, wie es irgendwie geht, bevorzugen wir – natürlich im Interesse der Flüchtlinge – die Unterbringung in Ortschaften mit halbwegs vorhandener Infrastruktur, sprich: Lebensmittel, Ärzte und so weiter. Die haben ja kein Auto und im Winter kannst du die Strecken mit dem Fahrrad häufig nicht fahren. Zwei Familien leben übrigens bereits in kleineren Dörfern, ist jedoch wirklich eher die Ausnahme“, erläuterte Plauda.