Bosnische Blätter - Oskar Szabo - E-Book

Bosnische Blätter E-Book

Oskar Szabo

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Beschreibung

Der Schweizer Arzt Oskar Szabo zieht Bilanz über ein Projekt im Bereich der Betagtenbetreuung, das von der Schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Novi Travnik, Bosnien, ins Leben gerufen wurde und bis heute fortbesteht. Dabei gewährt er Einblicke in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land und erläutert, wie Entwicklungszusammenarbeit am besten gelingen kann. Er spannt den Bogen bis in die Gegenwart und nimmt auch Bezug auf die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke, die im Volksgedächtnis alte Wunden aufreißt. Auf eindrückliche Weise zeigt er auf, dass das Kriegsende nicht auch ein Ende der Not bedeutet und wie viel Zeit tatsächlich benötigt wird, um die durch die tätlichen Auseinandersetzungen aufgerissenen Gräben wieder zu schließen.

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Seitenzahl: 83

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Lohn der Insistenz 3

Bosnische Blätter I 9

Bosnische Blätter II 11

Bosnische Blätter III 19

Bosnische Blätter IV 27

Bosnische Blätter V 31

Bosnische Blätter VI 35

Bosnische Blätter VII 41

Bosnische Blätter VIII 46

Bosnische Blätter IX 51

Bosnische Blätter X 54

Bosnische Blätter XI 58

Bosnische Blätter XII 64

Nachwort 66

Dank 69

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2020 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99064-942-8

ISBN e-book: 978-3-99064-943-5

Lektorat: Bianca Brenner

Umschlagfotos: Sonerbakir, Jlcst,

Leigh Prather | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Oskar Szabo (2)

www.novumverlag.com

Lohn der Insistenz

Beinahe als triumphal könnte man den Empfang bezeichnen, den uns das alteingesessene Team der Geriatrie in Novi Travnik bescherte, als wir im April 2019 nach gut zwanzig Jahren seit der definitiven Übergabe der Institution einen Besuch abstatteten. Ja, fast alle Frauen, welche Anfang 1999 die große Verantwortung übernommen hatten, das Haus in eigener Regie zu führen, waren noch da. Seit damals waren sie stets auf ihrem Posten und arbeiteten unermüdlich in einer Institution, die sie sich nicht zuletzt aus eigener Kraft mit unermüdlichem Einsatz und beträchtlichem Durchhaltevermögen erkämpft hatten. Zu Recht waren sie stolz auf ihre erfolgreiche Tätigkeit und präsentierten ihre nunmehr vollständig ausgebaute Anlage mit einem zusätzlichen Gebäude und einem Park (inklusive Gemüsegarten) mit großer Freude und Genugtuung, denn sie sind die wahren Heldinnen, welche dem einstigen Projekt der Schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) allen Widrigkeiten zum Trotz zu jener Nachhaltigkeit verholfen haben, welche stets gefordert wurde, zunächst ohne zu wissen, wie ein solches Ansinnen letztlich umzusetzen sei. Es war tatsächlich ein Schuss ins Blaue, welchen die Behörden seinerzeit, sozusagen aufgrund einer gewissen Hilflosigkeit, abfeuerten, denn es fehlten bis dahin jedwede Erfahrungen wie auch Fachwissen, das sie erst einholen mussten, ehe die Arbeit beginnen konnte. Dabei ging es darum, im Jahr der Rückkehr (1998) nicht nur gesunde Bosnier in ihre nunmehr sichere Heimat zurückzuschicken, sondern auch alte und kranke Personen, welche nicht zuletzt selber dem Wunsch Ausdruck verliehen hatten, ihre letzten Tage in ihrer Heimat verbringen zu dürfen, um dereinst in vertrauter Erde ihre letzte Ruhestätte zu beziehen. Doch diesem Wunsch konnte nur dann mit gutem Gewissen entsprochen werden, wenn für diese Leute auch entsprechende Einrichtungen zur Verfügung standen, welche sich ihrer anzunehmen in der Lage waren. Solche gab es nach den Kriegsjahren kaum, und die wenigen Häuser, die vorhanden waren, waren veraltet, heruntergekommen und überdies hoffnungslos überfüllt. Es tat deshalb Not, selber spezifische Institutionen aufzubauen, um die genannten Pläne vollumfänglich umzusetzen zu können. So entstand unter beträchtlichem Aufwand ein Haus, in welchem Altenbetreuung nach modernen Prinzipien angeboten werden konnte, was die Unterbringung selbst pflegebedürftiger Betagter ermöglichte, alten Menschen mithin, welche zu Beginn des Bürgerkriegs vertrieben worden waren und kaum mehr den Elan und die Kraft hatten, in ihre teils zerstörten Dörfer mit ihren abgebrannten Häusern zurückzukehren.

In Novi Travnik, einer kleinen Stadt in Mittelbosnien, fand sich ein geeignetes Gebäude, in dessen (leider feuchten) Mauern eine entsprechende Einrichtung etabliert werden konnte. Es war ein altes Hotel, das während des Krieges an der Front gelegen hatte und daher ziemlich stark beschädigt war, ja monatelang buchstäblich im Regen gestanden und sich mit Wasser vollgesogen hatte. Das SKH (Schweizerisches Katastrophen-Hilfswerk) hat den Wiederaufbau in die Hand genommen, und dies aus nicht nur altruistischen Gründen: Es sollten Wohnungen für Rückkehrer geschaffen werden, welche dort leben konnten, bis sie wieder Fuß gefasst hatten und ein eigenständiges Leben zu führen in der Lage waren. Die Geriatrie, welche im Hochparterre eingerichtet wurde, war somit nur Teil eines größeren Vorhabens, dessen Ziel es war, die einst Vertriebenen in ihre Heimat zurückzuführen.

Die Entstehungsgeschichte dieser letztlich beispielhaften Institution zu beschreiben wäre an sich kaum mehr von Interesse, wäre nicht durch deren langjährige Beständigkeit der Nachweis erbracht, dass selbst solche Projekte dem Gebot der Nachhaltigkeit Folge zu leisten imstande sind. Doch dass dem so ist, ist nicht dem Verdienst der »Gründer« allein zuzusprechen, nein, die Mitarbeiterinnen vor Ort haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass dieses außerordentliche Ziel trotz diverser Unbilden, die es zu überwinden galt, letztendlich erreicht wurde. Ihnen gebührt die Siegespalme, denn sie haben den Kampf, von dem noch die Rede sein soll, für sich entschieden.

Ja, gerade sie haben, durch zahlreiche Widrigkeiten gestählt, schon längst begriffen, dass man ihnen das entsprechende »Knowhow« nur deshalb vermittelte, um sie in die Lage zu versetzen, einer neuen Herausforderung ihrer stark lädierten Nachkriegsgesellschaft die Stirn zu bieten. Und genau dies tun sie seither erfolgreich, was uns, den Mitbegründern der Einrichtung, insofern zugutekommt, als diese eben letztendlich dank ihrem Engagement und ihrer Beharrlichkeit nicht nur Bestand hatte, sondern auch bedürfnisgerecht ausgebaut wurde, um den lokalen Gegebenheiten zu genügen. Und wir können nur staunend feststellen, dass die Entschlossenheit des Teams vor Ort dafür sorgte, dass die Institution auch nach 20 Jahren noch besteht, da mit einiger Sicherheit davon auszugehen ist, dass ohne dessen aufopferndes Engagement in Novi Travnik längst kein »Haus der Pflege« (Ku´ca Njege Starimo Zajedno)mehr existieren würde.

Zuvor haben wir uns kurz entschlossen für diesen Besuch entschieden, nachdem wir unter bangen Vorahnungen – im Internet war von Liquidation der GmbH die Rede – mit einer Mitarbeiterin Kontakt aufgenommen und dabei erfahren hatten, dass das Haus sehr wohl nochbesteht, ja buchstäblich floriert und mit 60 Bewohnern und Bewohnerinnen ein »ausgewachsenes« Alters- und Pflegeheim geworden ist. Es sind mittlerweile 12 Personen angestellt, sodass immerhin 12 Familien ein Auskommen haben, was bescheiden klingen mag, indes 12 Familien glücklich macht und in dem von Arbeitslosigkeit geplagten Land zumindest als Achtungserfolg gewertet werden darf, selbst wenn einige monieren mögen, dass es sich hierbei nur um einen Tropfen auf einen heißen Stein handle. Es ist derweil in kleinem Maßstab ein Projekt, das die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt und vor Ort eben auch einige Arbeitsplätze schafft, sodass es selbst aktuellen Vorgaben der Entwicklungspolitik unserer Regierung entspricht, wenngleich das Ganze zu klein ist, um wirksam gegen die Auswanderung qualifizierter Leute anzukämpfen, welche bis dato in erheblichem Maße zugenommen hat. Nun ja, seit dem Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen haben aufgrund fortbestehender Perspektivlosigkeit rund doppelt so viele Menschen das Land verlassen wie während des Waffengangs selber, mithin ein schmerzlicher »Aderlass« (in der Fachsprache »Brain Drain«), der das Land, das nurmehr 3,7 Mio. Einwohner/innen zählt, zusätzlich schwächt. Dennoch, das Team unserer Geriatrie ist äußerst beständig, sind doch die Fluktuationen minim, was ihm in der Region auch den Ruf eines guten und zuverlässigen Arbeitgebers eingebracht hat. Verdientermaßen darf es daher ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiern, zu dessen Anlass wir eingeladen wurden.

Freilich hatte die Entwicklung bis hin zum heutigen Stand ihren »Preis«, denn fast alle Zimmer wurden inzwischen mit drei Betten bestückt, was zu einer gewissen Enge führte, doch, so die Erklärung, entspräche dies dem Wunsch der meisten Bewohner/innen, welche sozialen Kontakt nicht nur gewohnt sind, sondern auch im Alter aufrechtzuerhalten wünschen. Die Leute machen einen durchweg zufriedenen Eindruck, werden auch gut versorgt und durch ausgewogene Ernährung bei Gesundheit gehalten. Dafür sorgt eine eigens eingestellte Köchin, die auch uns mit landesüblicher Kost verwöhnte: Schmackhaft und reichhaltig, typisch bosnisch eben Sarma und Pita!

Es kam einem emotionalen Gewitter gleich, was wir alle, Besucher und Besuchte, erlebten, denn es war unumgänglich, sich aller Höhen und Tiefen zu entsinnen, welche sich auf dem Weg zu diesem Tag eingestellt hatten und erfolgreich gemeistert worden waren. Dass unterwegs einige Elemente, auf welche während der Einführungsphase erheblicher Wert gelegt worden war, verloren gegangen sind, ist nahezu nebensächlich, denn entscheidend ist letztlich die Tatsache, dass das Haus nicht nur weiterhin besteht, sondern in lokal angemessener Form betrieben wird und daselbst großes Ansehen genießt. Selbst die Aktivierung der »Schützlinge«, zwischenzeitlich leider etwas vernachlässigt, sollte nun durch die Anlage eines Gemüse- und Blumengartens wieder ins Programm aufgenommen werden, ein Vorhaben, das gerne zur Kenntnis genommen wird, wenngleich feststeht, dass nur wenige Bewohner und Bewohnerinnen davon direkt profitieren können, sprich überhaupt noch die nötige Kraft haben, um Gartenarbeiten auszuführen. Aber alle freuen sich, wenn selbst gezüchtetes Gemüse auf den Tisch kommt.

Die leidigen amtlichen Probleme, welche uns zuzeiten erhebliche Schwierigkeiten gemacht hatten, waren ebenfalls gelöst worden: KNSZ ist heute eine private humanitäre Organisation, welche als solche auch registriert worden ist. Damit wurde die Vision eines Ministers wahr, der diese Lösung bereits zu Beginn der Arbeiten vorgeschlagen und als einzig vernünftige Variante bezeichnet hat; seinerzeit wurde er nicht erhört, da man von der irrigen Annahme ausging, dass diese Aufgabe im Pflichtenheft der Öffentlichkeit figurieren sollte, was zwar bei uns der Fall ist, dort aber niemals in Betracht gezogen wurde, da für solche Aufgaben schlichtweg kein Geld zur Verfügung stand. Dass dem auch langfristig so sein würde, hätte man ahnen können, denn die traditionelle Altenbetreuung lag in den Händen der jüngeren Generation, der Familie also, welche jedoch während des Krieges vielerorts zerstört worden war, weswegen neue Wege beschritten werden mussten. Die öffentliche Hand dafür zur Verantwortung zu ziehen, war indes völlig illusorisch und musste daher scheitern; das wusste natürlich der vorausschauende Minister, dessen Vorschlag nicht aus der Luft gegriffen war.

Die Freude über ein gelungenes Entwicklungsprojekt ist hüben wie drüben groß, die Sympathien bestehen fort und präsentierten sich, als hätte es niemals einen Unterbruch der Kontakte gegeben. Für die Mitarbeiterinnen handelt es sich aber nicht nur um einen Arbeitsplatz, sondern auch um eine große Genugtuung, da es ihnen durch Hartnäckigkeit und Durchsetzungskraft gelungen ist, eine unabhängige Institution zu schaffen, welche fortbestehen wird und uns ein Entwicklungswerk beschert, das nachhaltig ist, so wie es ursprünglich gefordert wurde.