Bossy Nights - Meghan Quinn - E-Book

Bossy Nights E-Book

Meghan Quinn

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Beschreibung

Ein sexy Boss, eine durchfeierte Nacht, eine anonyme E-Mail

Peyton ist schon seit Jahren heimlich in ihren Boss verliebt. Der strenge aber verdammt sexy CEO Rome Blackburn hat sie schon zu manchem Tagtraum verleitet. Doch nun will Peyton die Firma verlassen, um sich selbstständig zu machen. Als sie diesen Entschluss mit ihren Freundinnen feiert, verrät sie versehentlich, wie sehr sie sich wünscht, Rome offen sagen zu könnte, was sie für ihn fühlt. Ihre Freundinnen drängen sie dazu, noch am gleichen Abend eine anonyme E-Mail an ihren Boss zu schreiben, in der sie all ihre Fantasien offenbart. Peyton glaubt sich sicher, bis Rome ihr antwortet, denn er will unbedingt herausfinden, wer sich hinter dieser Mail verbirgt ...


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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

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9

10

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Epilog

Die Autorinnen

Leseprobe

Impressum

Sara Ney und Meghan Quinn

Bossy Nights

Roman

Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder

Zu diesem Buch

Ein sexy Boss, eine durchfeierte Nacht, eine anonyme E-Mail

Peyton Lévêque ist schon seit Jahren heimlich in ihren Boss verliebt. Der strenge aber verdammt sexy CEO Rome Blackburn hat sie schon zu manchem Tagtraum verleitet. Doch nun will Peyton die Firma verlassen, um sich selbstständig zu machen. Als sie diesen Entschluss mit ihren Freundinnen feiert, verrät sie versehentlich, wie sehr sie sich wünscht, Rome offen sagen zu können, was sie für ihn fühlt. Ihre Freundinnen drängen sie dazu, noch am gleichen Abend eine anonyme E-Mail an ihren Boss zu schreiben, in der sie all ihre Fantasien offenbart. Peyton glaubt sich sicher, bis Rome ihr antwortet, denn er will unbedingt herausfinden, wer sich hinter dieser Mail verbirgt …

Prolog

Peyton

Vivian: Gott, warum ist er nur so ein Arschloch?

Kimberly: Meinst du nicht, die bessere Frage wäre: »Armer George, warum ist er nur nie vorbereitet?«

Peyton: George verbringt mehr Zeit am Kaffeeautomaten als an seinem Computer. Darum. Und seht nur, wie fröhlich er aussieht. Wie ein niedlicher kleiner Weihnachtsmann …

Vivian: Seufz. Georges Frau macht den besten Apfelkuchen.

Kimberly: Oh, Mist, Vivian, pass auf! Er hat dich im Visier.

»Vivian, was ist bei Ihrer Teststudie herausgekommen?« Die Stimme eines Mannes unterbricht unseren Gruppenchat, und unsere Kollegin beginnt hektisch – und unvorbereitet – ihre Notizen auf ihrem iPad zu suchen.

Kimberly: Scheiße. Viv ist erledigt.

Peyton: Oh, verflixt. Sie wird rot.

Kimberly: Ja, Viv. Du wirst TOTAL rot.

Peyton: Viv, du solltest mal deine Ohren sehen …

Kimberly: Vielleicht würde sie ja nicht so sehr schwitzen, würde ihr nicht der Teufel persönlich im Nacken sitzen.

Peyton: Also ehrlich, Leute, wir sind mitten in einem Meeting. Sie sollte vorbereitet sein und nicht so tun, als ob sie sich Notizen macht, während sie online chattet.

Kimberly: Seht nur, wie wütend er ist. Seine Nasenlöcher sind ganz aufgebläht.

Peyton: Ja … seht euch sein Gesicht an. Er sieht aus wie ein Drache, der in größter Versuchung ist, den ganzen Raum in Brand zu setzen.

Ich drehe mich auf meinem Platz ein wenig zur Seite und mustere meinen Boss über den langen Konferenztisch hinweg, der sich wie ein gewaltiger Monolith zwischen ihm und mir erhebt. Er thront an dessen oberem Ende und lässt jeden im Raum seine Allmacht und Eloquenz wie ein scharfes Schwert spüren.

Niemand ist vor seiner Verachtung gefeit.

Ich verfolge, wie er meine Freundin aus der Marketingabteilung – ihr kleines Büro liegt nur zwei Räume von meinem entfernt – abkanzelt, wie er beide Handflächen auf den Tisch stemmt und sich zur ihr vorbeugt.

»Ich bekomme keine neuen Ideen, mit denen ich arbeiten kann. Wie soll ich verd-« Er hält mitten im Satz inne, um nicht zu fluchen, macht eine kurze Pause, um tief Luft zu holen, und fängt dann noch einmal von vorne an. Er fährt sich mit einer seiner großen Hände durch das dunkle Haar. »Was zum Teufel treiben Sie eigentlich den ganzen Tag in Ihrem Büro? Starren Sie aus den verdammten Fenstern und warten auf Inspiration? Herrgott noch mal, ich will Sie draußen sehen. Machen Sie sich auf die Socken und besteigen Sie einen gottverdammten Berg. Dies ist eine Firma für Abenteuer draußen in der Natur. Gehen Sie raus.«

Sein emotionsloser, harter Blick spießt einen muskelbepackten Kerl namens Branson geradezu auf. »Innovation ist einer Ihrer Jobs, Branson. Schnappen Sie sich ein Zelt, bauen Sie es irgendwo auf und lassen Sie sich etwas einfallen, was das Ganze zu einem unvergleichlichen Erlebnis macht.«

Er atmet heftig. Ist stinksauer.

»Hören Sie. Ich weiß, dass wir gerade erst die Feiertage hinter uns haben und alle erschöpft sind, aber wenn wir mit unseren Plänen, die Umsätze anzukurbeln, nicht bald Fortschritte machen, wird dieses Geschäftsjahr ein voller Reinfall.«

Er hört nicht auf zu reden. Seine tiefe Stimme hallt von den Wänden wider, während wir alle schweigend dasitzen und den Atem anhalten.

Vivian: Äh, hey, Leute? Meint ihr, er ist immer noch an meinen Notizen interessiert?

Kimberly: Scheiß auf deine Notizen, Viv. Du sagst am besten kein Wort mehr, es sei denn, deine »Notizen« sind tatsächliche Notizen.

Peyton: Ich bin mir ziemlich sicher, dass du deine Gelegenheit verpasst hast, spätestens seit er aufgestanden ist und angefangen hat, hin und her zu laufen wie ein Tiger im Zoo.

Vivian: Gott sei Dank. Ich hatte nämlich nichts Neues zu bieten.

Ich beobachte Vivian über den Tisch hinweg, als sie vor Erleichterung in sich zusammensinkt und ein durchtriebenes Lächeln ihre kaugummirosafarbenen Lippen umspielt. Ihre geschmeidigen Finger tippen eifrig auf dem iPad herum, der auf dem Tisch aufgestützt steht, und ich weiß, dass ihre nächste Nachricht nicht an uns gerichtet ist.

Kimberly: Hast du keine Notizen, weil du dich dermaßen darauf konzentriert hast, mit dem Kerl online zu flirten, der – wie hast du es noch ausgedrückt …

Peyton: Brustmuskeln wie Steaks hat?

Kimberly: Genau, der Kerl. »Steakmuskelkerl«.

Vivian: Ich darf für meine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden. Ich muss flirten.

Peyton: Du weißt doch noch nicht mal, ob er real ist.

Vivian: Wen interessiert, ob er real ist? Er ist die perfekte Ablenkung.

»Ich will, dass sich jetzt alle in ihre verdammten Büros verziehen und mir jeder bis Mittag eine verdammte Idee präsentieren kann. In diesem Sommer müssen wir es packen. Unsere Zielgruppen sind der Millennial und der Yuppy. Harry kann euch die Daten geben. Wenn Sie nicht wissen, was ein Yuppy ist, googeln Sie es. Wenn Sie keine Ahnung haben, wie man das macht, räumen Sie gefälligst Ihren Schreibtisch.«

Harry erbleicht bei der Erwähnung seines Namens; ein unattraktiver Kontrast zu der schlammgrünen Farbe seines kurzärmligen Karohemdes. Sein Hals färbt sich in ein trübes Weinrot, was nur dazu führt, die Stoppeln zu betonen, die sein Rasierer beim Einsatz am Morgen verpasst hat.

Kimberly: Habt ihr das gerade gesehen? Harry hat sich die Stirn abgewischt. Der schwitzt wie ein Schwein.

Peyton: Ja, hab ich gesehen – eklig. Er sieht aus, als müsste er gleich kotzen. Ihr habt doch gehört, was passiert ist, oder?

Vivian: Nein, was ist passiert?

Peyton: Wie man hört, waren in dem Manuskript für die Anzeige, die er für das Mountain Man Magazine Korrektur lesen sollte, drei Fehler.

Kimberly: DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN

Vivian: DREI? Ohhhh Scheiße …

Peyton: Ja, drei.

Unser Boss grillt Harry mit einem Blick aus einem Paar grauer Augen, deren Fokus so intensiv ist, dass ich mich auf meinem Sitz krümme, auch wenn sie nicht mich anvisieren.

Gott sei Dank.

Er hält drei Finger in die Höhe.

»Wie konnten Sie nur drei gottver-« Wieder verstummt er und fährt sich mit seiner großen Hand durch das dichte, zerzauste Haar. »Wie konnten Sie beim Korrekturlesen nur drei Fehler übersehen? Sie hatten einen Job, Harry. Einen einzigen. Zu verhindern, dass wir wie Analphabeten dastehen.«

Er hat nicht unrecht. Eine Anzeige hat nicht mal hundert Wörter.

»Tut mir so leid, Rome. Ich, äh, ich hatte an diesem Tag Kopfschmerzen.« Harry fummelt an dem Taschentuch in seiner Hand herum. Das hat ihm seine Frau geschenkt, es ist mit seinen Initialen und einem Herz bestickt, das übelkeiterregend niedlich aussieht. Nur schade, dass er es benutzt, um sich nervös den Schweiß abzuwischen, der ihm über die Schläfen rinnt.

Es steht nicht gut für Harry – oder irgendjemanden von uns.

»Sie bereiten mir Kopfschmerzen.« Der Boss lässt sich geschlagen auf seinen Stuhl sinken und stützt den Kopf auf.

»Tut mir leid, Rome, ich –«

»Nein, Harold, ich bin derjenige, dem es leidtut.« Es ist glasklar, was er damit meint: Es tut mir leid, dass ich Sie eingestellt habe. Ich bereue es. Ich habe vor, Sie zu feuern, sollten Sie noch einmal Mist bauen. »Eine zweite Chance gibt es nicht.«

Er richtet sich zu seiner vollen Größe auf und wendet sich an seine in diesem Raum versammelten Untergebenen.

»Um Himmels willen, bitte gebt mir bis Mittag irgendetwas.«

Meine Finger, die gerade eine weitere Nachricht an meine Freundinnen tippen wollten, stellen ihren Dienst ein.

Es ist zehn Uhr fünfzehn.

Er will bis Mittag Ideen haben.

Ich habe mit ihm einen Termin um elf.

Scheiße.

Als ich den Blick von dem kleinen Bildschirm hebe, den meine Hände halten, treffen sie auf einen stahlgrauen Blick. Dunkle Brauen, zu einem ausdruckslosen Strich zusammengezogen. Volle Lippen, leidenschaftslos.

Er sieht so gut aus.

Schön, sogar.

So eine Verschwendung bei einem Mann, der emotional so unnahbar ist.

Trotzdem.

Als sich unsere Blicke treffen – ein wenig zu lang, als dass man es noch Zufall nennen könnte –, steigt Hitze in mir auf, breitet sich über meine Brust und den Hals bis in meine Wangen aus. Sie überzieht mein ganzes Gesicht und verleitet mich dazu, eine Hand auf meine Wange zu legen.

Sie fühlt sich heiß an.

Mich überläuft ein Schaudern.

Ich habe um elf einen Termin mit ihm.

Und ihm wird nicht gefallen, was ich zu sagen habe.

1

Rome

Warum zur Hölle starrt sie mich so an?

Sie hat seit – ich schaue auf meine Uhr – drei Minuten kein gottverdammtes Wort gesagt.

Ich lasse zu, dass sich das Schweigen unangenehm lange ausdehnt, lasse Sekunde um Sekunde vergehen, trotz ihres Unbehagens oder möglicherweise genau deswegen. Unerfreuliche und herausfordernde Situationen sind, was mir am besten liegt. Sie zu bewältigen, gibt mit jedes Mal ein Hochgefühl.

Tick.

Tack.

Keine Sorge, übermittelt ihr mein sardonisches Lächeln. Ich habe jede Menge Zeit. Ganze zwanzig Minuten sind für sie vorgemerkt, auf ihre Bitte hin, um hier zu sitzen und meine kostbare Zeit zu vergeuden. Darauf zu warten, dass sie ihren hübschen Mund aufmacht und sagt, was sie denkt.

Stattdessen rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her. Es gelingt ihr nicht, ihren grauen Rock, der sich an ihre Hüften schmiegt, herunterzuziehen. Er ist eng und züchtig und wird von einer schlichten, weißen Button-down-Bluse komplettiert. Sie trägt eine schwarzgerahmte Brille, die dunklen Augenbrauen hat sie wie vor Überraschung hochgezogen.

Sie sieht ganz anders aus als alle anderen Marketing-Koordinatorinnen, die ich je kennengelernt habe, und ich hatte ganz sicher keine Ahnung, dass jemand, der wie sie aussieht, für mich arbeitet. Unter mir.

Vier Etagen tiefer.

Sie sieht wie eine gottverdammte Buchhalterin aus. Oder eine Sekretärin. Oder die Rektorin einer Privatschule an der Ostküste.

Ich wirble in meinem Lederstuhl herum, greife mir einen Stift vom Schreibtisch, drehe ihn zwischen meinen Fingern hin und her, während ich ihn aus halb geschlossenen Augen mustere.

Ich spiele den Gelangweilten.

Obwohl ich alles andere als gelangweilt bin.

Ich drücke ein Mal auf den Knopf am Stiftende. Zwei Mal. Beobachte, wie von der anderen Seite meines riesigen Schreibtischs aus die großen braunen Augen der Frau meine Bewegungen verfolgen. Sie zieht die Brauen zusammen – ihre Geduld geht langsam zu Ende.

Peyton.

Scheiße, als ich den Namen in meinem Terminkalender gesehen habe, bin ich davon ausgegangen, dass die Person, die gleich durch meine Tür hereinspazieren würde, männlich sein würde. Man stelle sich meine Überraschung vor, herauszufinden, dass die zierliche Hand, die leise an den Rahmen meiner Tür klopfte, zu der Frau gehörte, die heute Morgen an meinem Konferenztisch gesessen hatte.

Während der Besprechung hatte sie sich mit ihrem Smartphone beschäftigt. Darauf würde ich mein rechtes Ei verwetten.

Ich starre auf das Blatt Papier und auf jeden einzelnen Buchstaben ihres Namens. Ich hatte noch nie ein Gespräch oder eine Unterhaltung mit dieser Frau, seit sie in meiner Firma ist.

Fünf Jahre.

Trotz einer soliden Erfolgsbilanz, was Ergebnisse angeht – der Schnüffelei meiner Sekretärin zufolge –, ist sie noch nie in meinem Büro gewesen. Peyton irgendwas, deren Familiennamen ich verdammt noch mal nicht aussprechen kann. Und ich habe auch nicht vor, es zu versuchen.

Warum sich die Mühe machen? Sie steht bereits mit einem Fuß außerhalb der Firma, die ich aufgebaut habe.

Ich beschließe, uns beide aus unserem Elend zu erlösen. »Weiß Ihr Vorgesetzter, dass Sie hier sind?«

»Noch nicht«, beginnt sie. Sie richtet sich kerzengerade auf, ihre Brüste drücken sich gegen die gestärkte Bluse. »Ich wollte …« Sie hält inne und holt nervös Luft.

»Warum haben Sie sich nicht zuerst an die Personalabteilung gewandt? Wie es dem üblichen Ablauf entspricht.«

Ich bin gerne direkt. Mir ist unverblümte Offenheit lieber als zuckersüßer Schwachsinn, ganz egal, womit mich jemand füttern will.

»Ich wollte Ihnen meine Kündigung mit zweiwöchiger Kündigungsfrist persönlich übergeben. Ich dachte, das wäre freundlicher.«

Freundlicher.

Meint sie das ernst, verdammte Scheiße? Wer tut denn so was?

»Sie kündigen. Meinen Sie wirklich, es interessiert mich, ob Sie freundlich sind?« Oder höflich? Oder dass sie versucht, rücksichtsvoll zu sein?

Diese Eigenschaften haben in meinem Büro keinen Platz.

Es ist ein Büro, kein Kindergarten. Wir sind hier, um Geld zu verdienen, nicht, um auf verletzte Gefühle einzugehen.

Es folgt eine weitere Pause von Peyton, ehe sie mit zittriger Stimme sagt: »Ich dachte, weil es ja Ihre Firma ist, geziemt es sich für mich nicht, alle Brücken hinter mir abzubrechen.«

Geziemt.

Ist sie nicht einfach anbetungswürdig? Ich stelle sie mir plötzlich in einer Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo vor, wo Eltern ihren Kindern Manieren beibringen und an den Wochenenden noch wirklich Zeit miteinander verbringen. Familienfilmabende und dieser ganze Wohlfühlscheiß.

Ich stoße ein Schnauben aus und klicke mit meinem Kugelschreiber.

Peyton. Was ist das überhaupt für ein Name?

Ein Männername, da soll mir keiner was anderes erzählen.

»Sie wollten also nicht alle Brücken hinter sich abbrechen«, wiederhole ich sarkastisch und nehme das cremefarbene Blatt Papier in die Hand, das sie mir auf den Schreibtisch gelegt hatte, als sie hereinspaziert war. Ihr Kündigungsschreiben, gedruckt auf Lebenslaufpapier. »Ich breche Brücken nicht nur ab. Ich lege die Flüsse trocken und fülle sie mit Beton.«

Und campe dann an den Ufern der Flussüberbleibsel. Mir gehört eine Outdoor Adventure-Firma, also wäre es ein Leichtes, ein Zelt zu finden.

Peyton verzieht den Mund, überrascht oder schockiert oder von meiner Offenheit angewidert, ich kann’s nicht sagen.

Ich überfliege das Kündigungsschreiben. »Hier steht nicht, was Sie jetzt vorhaben. Brauchen Sie denn kein Empfehlungsschreiben? Denn ich muss schon sagen, Peyton« – ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, bis seine alten, verrosteten Gelenke quietschen – »eine Kündigung ist eine verdammt blöde Art, mir eines abzuringen.«

Ihr Kopf zuckt, und das dunkle Haar, das sie zu einem strengen Knoten zusammengefasst im Nacken trägt, rührt sich keinen Millimeter. Es fehlt nur noch ein Haarnetz.

Ich lasse meinen Blick von den Spitzen ihrer glänzenden hochhackigen Schuhe aus Leder bis zum Kragen ihrer gestärkten Bluse wandern, während sie still vor mir sitzt.

Ich kneife die Augen zusammen. »Ziehen Sie sich für die Arbeit immer so an?«

Sie blickt auf ihre Bluse, berührt den Perlmuttknopf unterhalb ihrer Kehle. »Wenn ich eine wichtige Besprechung habe, ja.«

»Dies ist eine gottverdammte Outdoor Adventures-Firma, und Sie tragen einen Dutt wie eine Bibliothekarin.«

Sie erstarrt. Ihr Blick fällt auf die blaue Seidenkrawatte, die ich um den Hals geknotet trage, die breiten Schultern meiner Anzugjacke. Zweifellos bezeichnet sie mich insgeheim als Heuchler. Tja, Pech gehabt, es ist meine Firma. Ich tue, was immer ich will, und ich habe heute Nachmittag noch ein wichtiges Treffen mit Werbekunden. Da werde ich wohl kaum in einem karierten Holzfällerhemd auftauchen, die Ärmel bis zu den Ellenbogen aufgerollt.

Peyton fummelt an einer goldenen Kreole herum. »Ich dachte, unser Treffen erfordere eine kleine Extraanstrengung heute Morgen.«

»Na, die Mühe hätten Sie sich sparen können. Wenn jemand Roam Inc. verlässt, habe ich keinerlei Bedarf mehr für deren Zeit.«

»Aber Rome, ich hatte gehofft …« Sie benutzt meinen Vornamen, nicht meinen Nachnamen, hebt einen Arm, streicht eine Haarsträhne hinters Ohr, die gar nicht da ist; eine nervöse Angewohnheit, bei der ich sie schon ein paarmal erwischt habe. Sie kann nicht mit den Fingern durch ihr Haar fahren, weil es zu diesem verdammten Altweiberdutt zusammengefasst ist. »Ich bin hergekommen, um vorzuschlagen, dass meine Dienste, obwohl ich nun eigene Wege gehe, sehr wohl noch von Nutzen für Sie sein können.«

»Ihre Dienste?« Unwillkürlich dringt ein Lachen über meine Lippen, die sich daraufhin zu einem höhnischen Grinsen verziehen.

Wenn ich an Dienste denke, wandern meine Gedanken sofort in die Gosse: Escortladys und Blowjobs und leichte Mädchen. Verklagt mich doch, weil ich sofort an Sex denke.

Sie muss mir meine Gedanken wohl an den Augen ablesen, denn ihre Lider beginnen zu zucken und ihren Hals überzieht eine heiße Röte.

»Meine Dienste als Designerin, ja. Ich bin endlich –«

»Ich bin sicher, wir werden auch ohne Sie prächtig zurechtkommen.« Ich unterbreche sie, durch das aufgeregte Glitzern in ihren Augen aufgebracht. Sie geht und hat die Eier, sich als freie Mitarbeiterin anzupreisen?

Das wird wohl nichts, Süße.

Ich beuge mich vor, die Hände auf meinem Schreibtisch gefaltet, die Ärmel meines Hemdes umgeschlagen und bis zu den Ellenbogen aufgekrempelt. »Ich bin nicht so erfolgreich, weil ich meine Zeit damit verbringe, jedem ein Sensibilitätstraining zu verpassen, der es nötig hat. Dies ist eine Unternehmen, kein Hobby. Und da Sie nun mal auf diesem kleinen Treffen bestanden haben, lassen Sie mich Ihnen etwas mitteilen; eine wertvolle Lektion, die Sie in Ihrem nächsten Job durchaus hilfreich finden könnten.«

»I-Ich höre.«

Ich nagle Peyton mit einem harten Starren fest. »Wenn Sie auch nur eine Sekunde lang daran gedacht haben, Sie könnten für einen Konkurrenten arbeiten, haben Sie sich aber gründlich geirrt.«

Ich schiebe die Papiere auf meinem Schreibtisch hin und her und deute mit dem Finger auf die Wettbewerbsklausel in ihrem Vertrag; den, den sie in der ersten Woche unterzeichnet hat, als sie zu Roam Inc. gestoßen ist.

Die ist unanfechtbar und unwiderrufbar für ein Jahr ab der Kündigung, und ich habe keine Angst davor, sie durchzusetzen.

Jepp. Sollte sie für die Konkurrenz arbeiten, verklage ich sie nach Strich und Faden.

Sie hebt ein wenig das Kinn. »Das würde ich niemals tun.«

Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Das sagen sie alle.«

Sie starrt einige Augenblicke auf meinen Mund, ehe sie den Kopf schüttelt. »Ich werde für niemanden mehr arbeiten. Ich werde endlich für mich selbst arbeiten. Und wenn Sie nicht in der Lage sind, das zu respektieren, dann habe ich Sie wohl überschätzt, denke ich.«

Ich beuge mich vor, die Hände auf meinem Schreibtisch ineinander geschlungen. »Mich überschätzt?«

»Ich habe Sie für progressiv gehalten. Als jemand, der seine eigene Firma von Grund auf aufgebaut hat, dachte ich, Sie würden mir vielleicht eine Chance geben.« Sie beugt sich vor und überreicht mir eine Aktenmappe. »Meine Arbeit als Grafikerin ist gut. Sogar fantastisch. Wenn Sie das nicht sehen, dann, na ja, sind Sie … sind Sie ein …«

Meine Brauen heben sich bis zum Haaransatz. »Bin ich ein was?«

»Ein Trottel.« Nachdem sie das letzte Wort losgeworden ist, steht sie mit einem verächtlichen Schnauben auf und verlässt mein Büro. Ein Trottel? Also bitte, ich hab wirklich schon Schlimmeres gehört.

Als sie weg ist, fummle ich mit der Maus meines Laptops herum, scrolle durch die Kontakte der Firma. Ich muss mehr wissen.

Peyton Lévêque.

Ich buchstabiere ihren verdammten Nachnamen drei Mal falsch, ehe ich ihn endlich richtig hinkriege.

Drücke auf Enter.

Peyton

Der Klang von Rome Blackburns Tür, die sich hinter mir schließt, schreckt mich aus meiner Benommenheit auf. Reißt mich aus dem Nebel der Selbsttäuschung, den ich irgendwie erschaffen und mit dem ich mich in den letzten Wochen umgeben habe, als ich dachte, er würde mich vielleicht – nur vielleicht – als freie Mitarbeiterin unter Vertrag nehmen, nachdem ich die Firma verlassen habe.

Ich wäre jede Wette eingegangen, dass er mir eine Chance gibt.

Was zur Hölle ist da drin gerade passiert?

Bin ich wirklich gerade in Mr Outdoor Adventures Büro marschiert, um mit einem Umschlag voller Designideen zu kündigen? Um ihm meine neue Firma anzupreisen? Um seine starke Kinnpartie anzustarren, während er mir eine Beleidigung nach der anderen um die Ohren haut?

Das bin ich.

Oh Gott, das bin ich.

Und ich habe ihn einen Trottel genannt – mitten ins Gesicht. Ehrlich, sein Gesichtsausdruck hat sich für alle Zeit in mein Gehirn eingebrannt. Und ich wage zu bezweifeln, dass ihn zu beleidigen mir irgendetwas Gutes einbringt. Von wegen, ich will keine Brücken abbrechen …

Aber er hat mich auch einfach nicht zu Wort kommen lassen.

Na ja, abgesehen von ein paar Stotterlauten hier und da.

Wirklich gut gemacht, Peyton. Eine tolle Art, die Zukunft von Fresh Minted Designs zu repräsentieren, indem dir dein Rückgrat gerade dann flöten geht, wenn du es am meisten brauchst. Wie soll dir das zu Erfolg verhelfen?

»Wie ist es gelaufen?«

Ich versuche, an Lauren, Romes Assistentin, vorbeizuflitzen, doch ihr deutlich vernehmbares Flüstern lässt mich innehalten. Sie beugt sich über den kalten Steintresen, blickt den Korridor auf und ab, dann wieder zu mir und winkt mich mit gekrümmtem Finger heran.

»Und? Wie ist es gelaufen? Du warst ja nicht sehr lange drin.«

Mit niedergeschlagener Miene werfe ich einen Blick in Richtung Rome Blackburns Büro. »Nicht so, wie ich gehofft hatte. Und jetzt weiß ich, woher er seinen Nachnamen hat.«

Seine Persönlichkeit ist so schwarz wie seine Seele.

Lauren zuckt zusammen und bedeutet mir mit einem Fingerzeig, noch näher zu kommen. Ich habe nichts Besseres zu tun, da ich ja gerade gekündigt habe, also leiste ich ihrem kleinen Befehl Folge und lehne mich mit einem lauten Seufzer gegen ihren Granittresen.

Sie verzieht das Gesicht. »So schlimm, hm?«

»Schlimmer.«

»Ich habe gar kein Geschrei gehört. Wie schlimm kann es da schon gewesen sein?«

Meine Brauen schießen in die Höhe. »Geschrei?«

»Na ja – du hast gekündigt. Du gehst. Rome Blackburn kann Leute nicht besonders gut leiden, die die Firma verlassen.«

Als ob man mir das noch extra sagen müsste. Schließlich habe ich das eben erst am eigenen Leib erfahren.

»Hast du denn die zwei Wochen Kündigungsfrist bekommen?«

»Nein. Das Gespräch brach vollkommen zusammen, als er anfing, über die Wettbewerbsklausel zu reden.«

Lauren lacht, während sie eifrig auf ihrer Tastatur tippt. »Ja, er lässt die Leute normalerweise auf der Stelle ihren Schreibtisch räumen, wenn sie vorhaben zu gehen. Sei nicht überrascht, wenn da eine gepackte Kiste steht, wenn du gleich in dein Büro kommst.«

»Ach, wirklich? Darauf wäre ich nie gekommen.« Die Worte tropfen aus meinem Mund, mit einem Sarkasmus umhüllt, den ich einfach nicht verbergen kann, aber mir wird ganz mulmig.

Ich hoffe, er lässt mich bleiben. Ich brauche diese letzten zwei Wochen.

»Er hat diese Firma aus Blut, Schweiß und Tränen von Grund auf aufgebaut –«

»Das weiß ich doch, Lauren.« Ich beuge mich vor, um ihr auf die Schulter zu klopfen. »Du musst ihn nicht verteidigen. Ich hab’s verstanden. Es ist nichts Persönliches. Es geht ums Geschäft. Ich wünschte mir nur, er hätte mir die Chance gegeben –«

Eine Tür ein Stück den Korridor hinunter öffnet sich.

Seine Tür.

Laurens Rücken ist mit einem Schlag unbeweglich; ihre Finger beginnen sofort, noch schneller über die Tasten zu fliegen.

Ich erstarre.

Meine Schultern verhärten sich, mein Rücken richtet sich auf, meine Sinne sind hellwach und ich bin plötzlich in höchster Alarmbereitschaft.

Sein Aftershave ist herb und maskulin – mit einem Hauch von Macht –, zu einem unverkennbaren und lächerlich berauschenden Duft vermischt, und was zur Hölle erzähle ich denn da eigentlich?

Rome Blackburn ist Wälder und Flüsse und Abenteuer.

Er ist Aufregung.

Er ist ein Arschloch.

Rome Blackburn ist ein verdammter Scheißkerl.

Die Energie der Luft verändert sich im Korridor. Gebieterische Schritte bewegen sich auf Lauren und mich zu und halten direkt hinter mir inne.

»Ms Lll-« Der Mistkerl versucht nicht einmal, meinen Nachnamen richtig auszusprechen. Zu schwer für ihn? »Was machen Sie denn immer noch hier? Müssen Sie nicht noch Ihrem Vorgesetzten eine Kündigung mit zweiwöchiger Kündigungsfrist abgeben?«

Er zwingt mich nicht, meinen Schreibtisch sofort zu räumen. Er zwingt mich nicht, meinen Schreibtisch zu räumen.

»Es heißt Lévêque.« Es wird Leweck ausgesprochen.

»Was?«

»Mein Nachname.«

Scharfe, intensive Silberaugen werden zusammengekniffen. Seine starke, gemeißelte Kinnpartie ist von einem nachmittäglichen Anflug von Bartstoppeln bedeckt. Rome kreuzt die Arme, sodass sein Bizeps den teuren Stoff seines blauen Button-down-Hemdes dehnt. Die Füße stehen schulterbreit auseinander. Seine Haltung bewirkt, dass sich der Raum kleiner, enger anfühlt, als beanspruche er alle Luft für sich.

»Leweck«, wiederholt er. Nur zögernd kommt es über seine Lippen. Seine herrlichen, vollen Lippen.

»Ja.«

»Und warum zum Teufel wird es dann nicht auch so buchstabiert?«

»Es ist ein französischer Name.«

Seine Augen werden noch schmaler – wenn das überhaupt möglich ist –, an seinem Kiefer beginnt es zu zucken, und seine Hand trommelt einen verärgerten Rhythmus, bevor er sie in die Tasche steckt.

»Lauren, zeigen Sie bitte Ms Schickimicki Leweck den Weg zum Aufzug. Sie hat in ihrer verbleibenden Zeit hier sicher noch einiges zu tun.«

»Ja, Mr Blackburn.« Seine Assistentin steht mit einem entschuldigenden Blick in meine Richtung auf und beeilt sich, seiner Bitte Folge zu leisten, indem sie mich hastig zu den wenige Metern entfernten Aufzügen geleitet. Die Hände auf meinen Schultern schiebt sie mich vorwärts.

»Tut mir so leid. Wir reden später«, flüstert sie, während ihr rubinroter Fingernagel auf den Nach-unten-Knopf drückt. Die Türen gleiten automatisch auseinander und geben die Sicht auf die teils schwarzen, teils verchromten Innenwände frei.

Ich betrete den Lift, drehe mich um und drücke auf den Erdgeschoss-Knopf, vier Etagen unter mir.

»Zuerst in die Personalabteilung, Ms Lévêque«, erinnert mich Rome lautstark mit einem Grinsen im Gesicht. »Da lang.«

Er zeigt in Richtung Decke.

Arschloch.

Er ist groß, hat breite Schultern und eine schmale Taille, doch das Beste an ihm ist sein düsteres Auftreten. Davon fühle ich mich angezogen wie die Biene vom Honig; es fasziniert mich einfach unendlich.

Als sich die Türen des Aufzugs zu schließen beginnen, tritt Rome direkt davor, schiebt die Hände in die Taschen seiner perfekt gebügelten Hosen und mustert mich. Er hat die wunderschönen dunklen Brauen hochgezogen, seine Miene ist finster.

Nur weil ich das Verlangen verspüre, freundlich zu sein, auch wenn er mich noch so unhöflich behandelt hat, forme ich mit den Lippen die Worte: »Danke, Mr Blackburn«, als sich die Türen vor mir schließen.

Ich lächle vor mich hin, in der Gewissheit, das letzte Wort gehabt zu haben.

Lächle, während die Türen mich einschließen.

Erst als sie sich vollständig geschlossen haben, lasse ich meine Schultern sinken, lehne mich an die stützende Wand und stoße einen zittrigen Atemzug aus.

Es ist schon schlimm genug, zu kündigen – aber einem derartigen Mann zu kündigen?

Schlimmer.

Das hätte besser laufen können.

Es ist vollkommen anders gelaufen, als ich es mir vorgestellt hatte, als ich das Szenario in meinem Kopf durchgegangen bin. Oder als ich die Rede, die ich halten wollte, vor meinem Badezimmerspiegel geübt habe.

»Mr Blackburn, vielen Dank, dass Sie mich heute empfangen. Ich weiß, Ihre Zeit ist kostbar.« Ich räusperte mich. »Oh, was ist? Ihnen gefällt mein Rock? (kicher) Vielen Dank, ich habe ihn extra für Sie ausgewählt.«

Aber mein Rock hat ihm nicht gefallen; er hat sich darüber lustig gemacht. Ich habe nur rumgestottert, habe meine Argumente nicht vorbringen können und bin letztendlich voll auf die Nase gefallen.

Ich hatte Visionen davon, wie viel besser das hätte laufen können. Genauer gesagt Träume.

Ich hätte Lob und Dankbarkeit ernten sollen. Vorfreude auf eine neue Partnerschaft. Auf Zuwachs. Vielleicht ein paar High fives, professionelles Handschütteln, oder die Ghettofaust, um den Handel zu besiegeln.

Ich ziehe meinen eng anliegenden Bleistiftrock aus Tweed zurecht, spüre den Stoff, der meine Beine fest umschließt – und öffne den Schlitz hinten, um ein wenig Bewegungsfreiheit zu haben. Dann öffne ich die oberen zwei Knöpfe meiner Bluse, die mich zu ersticken droht.

Tief beschämt nach dem Spießrutenlauf, der hinter mir liegt, lege ich den Weg zu meinem kleinen Büro zurück, das in Wahrheit nur eine Art Schrank ist, den ich mir schönrede, und komme dabei an zahlreichen gaffenden und unglaublich neugierigen Kollegen vorbei.

Ich lasse die Tür offen.

Ich setze mich und rolle meinen Stuhl auf quietschenden Rädern auf der Plastikmatte nach vorn, die den Teppich des Büros schützt. Ich beuge mich vor, reibe mir mit einer Hand die Stirn und gehe das Treffen in Gedanken immer wieder durch.

Rome Blackburns lässige und doch einschüchternde Haltung. Seine schlanken Finger, die mit diesem verdammten Stift gespielt haben. Seine schmale Taille in der erstklassig geschnittenen Hose, als er beobachtete, wie sich die Aufzugtür vor mir schloss. Das Durcheinander seines Haars, das in alle Richtungen abstand, als ob er eben noch mit den Händen durch die seidig braunen Strähnen gefahren wäre, während er eine Entscheidung für die Fortune-500-Firma traf, die er von Grund auf aufgebaut hat.

Und diese Augen.

Dunkle Brauen wachen über Teichen aus komplexem Silber – kein Blau, kein Grau … Silber –, denen ich nun endlich nahe genug gekommen bin, um ihre Farbe zu bestimmen.

Sie hatten eine dunklere Farbe angenommen, als er auf mich wütend geworden war.

Auf mich.

Oh Mann.

Rome Blackburn ist herzlos, unverschämt und berechnend. Doch in diesem kurzen Moment, in dem wir einander in die Augen gesehen haben, habe ich einen flüchtigen Blick auf die Verletzlichkeit hinter seinem knallharten Äußeren werfen können.

Einen Hauch von -

Klopf, klopf.

Noch ehe ich aufblicke, um zu sehen, wer an die Wand meines Schranks klopft, weiß ich, dass es meine beste Freundin Genevieve ist.

»Und? Wie ist es gelaufen?« Genevieve arbeitet in der IT-Abteilung, dem technischen Teil von Roam Inc., und hat mich und meine Idee, die Firma zu verlassen, um meine eigene Firma für Branding und Consulting zu gründen, unglaublich unterstützt.

Gen setzt sich auf einen kleinen Aktenschrank in meinem Büro und schlägt die langen Beine übereinander, bereit, mir zuzuhören.

Ich drehe mich langsam in meinem Stuhl in ihre Richtung. Schürze die Lippen. »Was glaubst du denn, wie es gelaufen ist?«

Sie verzieht das Gesicht. »Ich rate mal: nicht so gut?« Sie formuliert es als Frage. »Mr Blackburn scheint kein besonders verständnisvoller Kerl zu sein. Dafür ist er die ganze Zeit viel zu gereizt.«

Die Untertreibung des Jahres.

»Gott, Gen, ich war so ein Feigling. Es ist mir so peinlich – und ich hab’s nicht mal geschafft, ihm von meiner Idee oder meinen Plänen zu erzählen.« Ich schüttle den Kopf. »Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht? Rome Blackburn hat mich praktisch schon unterbrochen, ehe ich auch nur ein Wort über die Lippen gebracht hatte.« Ich lache ein bisschen. Mit jedem Atemzug, den ich tue, finde ich die Szene immer komischer.

»Zumindest sind es hübsche Lippen«, scherzt meine Freundin.

»Er kannte nicht mal meinen Namen, was heißt, er hatte keine Ahnung, wer ich bin. Klasse.«

Das entlockt Genevieve ein Kichern. »Dabei scheint er so kultiviert zu sein. Wie konnte er da deinen Nachnamen vermurksen?«

»Er konnte ihn nicht aussprechen, also hat er sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu sagen.« Ich zucke mit den Achseln. »Oder vielleicht war das seine Art, mir noch ein letztes Mal einen reinzuwürgen, ehe ich gehe.«

Meine Freundin reibt mir pflichtgemäß und unterstützend den Rücken.

»Das Einzige, was er damit erreicht hat, ist, dass er jetzt wie ein Dummkopf dasteht.« Ihr Fuß in dem hochhackigen Schuh hüpft auf und nieder. »Hey, hör mal. Vergiss ihn. Du gehst und du wirst da draußen supererfolgreich sein. Die Firmen werden sich um dich reißen, und du wirst dir einen Namen machen, und dann wird es ihm noch leidtun, dass er dich hat gehen lassen.«

Ich schüttle den Kopf, durchaus erheitert. »Wird es nicht. Du bist so dumm.«

Genevieve nimmt das als Kompliment. »Und ich sage dir, es wird ihm leidtun.«

Ich nehme eine Büroklammer, spiele mit dem Metall und biege sie auseinander – ein Tick von mir, wenn ich nervös bin. Als ich jünger war, habe ich mir das Metall in den Mund geschoben und so getan, als trüge ich eine Klammer. Doch inzwischen bin ich älter, daher lege ich das verbogene Stück Metall wieder auf meinen Schreibtisch. »Gibt’s irgendwelchen Tratsch, über den ich Bescheid wissen sollte?«

Genevieve weiß alles. Und sie hat meiner Meinung nach den besten Job in der Firma.

Sie überwacht die Instant-Messaging-Benutzerkonten, immer auf der Suche nach jeder Art von Fehlverhalten oder vergeudeter Arbeitszeit. Sie legt neue Konten für die Angestellten an, auch für E-Mails. Löscht alte. Macht zufällige Screenshots von den Desktops ihrer Kollegen.

Im Grunde genommen ist sie Augen und Ohren von Roam Inc.

Und das Beste an ihrem Job? Niemand weiß genau, was sie tut. Die Leute denken, sie richte Telefone ein und bringe hin und wieder ihre Computer in Ordnung, was bedeutet, dass sie in Ruhe den Dreck über sie ausgraben kann.

»Hmmm«, summt sie. Sie tippt sich mit dem Finger gegen das Kinn. »Calvin in der Finanzabteilung hat eine Freundin, die am Montag Implantate bekommt, und er bezahlt die ganze Sache.«

»Du lügst.«

Sie schüttelt den Kopf.

Ich lache leise, ein wenig eifersüchtig, bis meine Schultern beben. »Was ist mit Rose und Blaine?«

Sie nimmt ein Minzbonbon aus meiner Süßigkeitenschale und lässt es in ihrem Mund verschwinden. Das Papier rollt sie in den Fingern, ehe sie es in den Abfalleimer neben meinem Schreibtisch wirft.

»Immer noch unentschieden. Er gibt nicht zu, dass er auf sie steht, und sie gibt nicht zu, dass sie ihn geküsst hat, als sie sich beide auf der letzten Büro-Party betrunken hatten. Wie es aussieht, besiegt die gute alte Dickköpfigkeit die wahre Liebe.«

»Wie schade.« Ich werfe meine Büroklammer in den Müll und nehme mir eine neue. »Und Sally in der Lohnbuchhaltung? Redet sie mit Jessica immer noch schlecht über mich?«

Genevieve verdreht die leuchtend blauen Augen. »Immerzu. Sie hat gesagt, du wärst heute wie ein Flittchen angezogen und ins Büro vom Boss gegangen, um ihn zu verführen.« Sie stößt ein leises Schnauben aus. »Als ob irgendjemand auch nur in die Nähe von diesem Eiszapfen von einem Schwanz kommen wollte.«

Ich beiße mir auf die Lippe, die Augen niedergeschlagen. Irgendjemand will ihn vielleicht doch verführen.

Tatsächlich könnte ich auf der Stelle eine solche Person nennen.

Ich.

Ich, ich, ich.

Ich würde es sofort mit Rome Blackburn treiben.

Meine Freundin plaudert nichtsahnend weiter. Gott, wenn sie wüsste, welche Gedanken ich über unseren Boss hatte. Sie würde sterben.

»Hey!« Sie wird munter und setzt sich kerzengerade auf dem Aktenschränkchen auf. »Sind wir noch für morgen Abend verabredet? Den dreißigsten Geburtstag feiern?« Sie klatscht aufgeregt in die Hände.

Manche Leute mögen sich davor fürchten, dreißig zu werden, aber nicht ich.

Ich finde es spannend, die Zwanziger hinter mir zu lassen, und ich bin bereit, endlich ernster genommen zu werden. Ich bin bereit, meine eigene Firma zu haben. Ich bin bereit für dieses neue Kapitel in meinem Leben, auch wenn es eher negativ begonnen hat.

»Klar doch. Ich brauche einen richtigen Drink.«

Meine Freundin kichert. »Einen richtigen Drink und einen richtigen Schwanz.«

»Vertrau mir, das wird nicht passieren.«

»Warum nicht?«

Darum. Aus irgendeinem Grund will ich nur einen bestimmten Mann. Den Mann, der mich definitiv nicht will: Rome Blackburn.

2

Rome

»Kannst du deine Füße von meinem Schreibtisch nehmen?« Mein Freund Hunter verdreht die Augen; ihm ist scheißegal, dass seine schmutzigen Stiefel Dreck auf meinem Teppich und Schreibtisch hinterlassen.

Er ignoriert mich. »Wer hat dir denn in den Champagner gepinkelt? Du bist noch zickiger als sonst.«

Das ignoriere ich nun wiederum. »Die Besprechung heute Morgen war ein Witz. Ich hätte dich dort brauchen können.«

»Was hätte ich denn tun sollen?«

»Weiß ich nicht. Moralische Unterstützung leisten? Mich davon abhalten, total auszurasten?«

Hunter O’Rourke ist als CIO – Chief Innovations Officer – für Innovationen zuständig, und es ist seine Hauptaufgabe, die neuen Ideen zu testen, die unser Entwicklungsteam erarbeitet. Neuerungen. Oder in diesem Fall: die sie nicht schaffen, zu entwickeln. Sie kreieren ein neues Zelt? Er zieht damit in die Wildnis und schläft darin. Sie erfinden ein neues Hilfsmittel fürs Felsenklettern? O’Rourke ist der Kerl, der damit die Wand hinaufklettert.

Jemand soll mit einem neu entwickelten Seil von einer Brücke springen? O’Rourke.

Er ist mein bester Freund und die Stimme der Vernunft.

Durchgeknallt, aber zuverlässig; schließlich verdient er seine Brötchen damit, auf einem Floß einen reißenden Fluss hinabzufahren.

»Du bist in einer Besprechung ausgeflippt? Das sieht dir gar nicht ähnlich.« Er verdreht die Augen, dann beugt er sich vor und bedient sich an meinem Vorrat von Brach’s Candy, den ich in einem kleinen, verzinkten Eimer aufbewahre. Lautstark wickelt er das Bonbon aus und zerknittert – absichtlich – das Papier, nur um mir auf die Nerven zu gehen.

Ich kneife die Augen zusammen. »Na schön. Das mag eine leichte Übertreibung gewesen sein, aber ich schwöre bei Gott, ich weiß nicht, wer einige von diesen Leute eingestellt hat …«

Mit einem spöttischen Grinsen steckt er sich das Bonbon in den Mund und beginnt zu kauen. »Äh. Du?«

Ich ahme den Klang eines Buzzers nach. »Falsch. Die Personalabteilung. Das sollten die Besten der Besten sein, und keiner von denen hat auch nur eine einzige verfickte Idee.«

»Dann hatte ich ein Treffen mit Peyton Lévêque, das ein weiteres beschissenes Desaster an meinem ohnehin schon beschissenen Tag war.« Selbstverständlich achte ich darauf, dass ich ihren verdammten Nachnamen korrekt ausspreche, fließend, jede einzelne Silbe rollt über meine Zunge, wie sie über die ihre gerollt ist. Seidenweich. Exotisch.

»Du hast gerade vier Mal geflucht.«

Gott, der Kerl ist eine echte Nervensäge. »Wie wär’s, wenn du mir mal zuhörst?«

»Versuch ich ja, aber ich habe keine Ahnung, wer dieser Peyton ist.«

»Peyton ist eine Frau. Und sie hat heute Morgen gekündigt.«

Den Dienst quittiert. Gekündigt.

Ist dasselbe.

»Verdammt, Mann, das nervt. Hast du ihren Scheiß zusammengepackt und sie von der Security nach draußen begleiten lassen?«

»Nein. Sie soll ihre vollen zwei Wochen haben.«

Die dunklen Brauen meines Freundes heben sich. »Hast du Fieber? Soll ich deine Temperatur messen?« Er erhebt sich halb von seinem Stuhl, streckt die Hand über den Schreibtisch aus und zielt mit der Handfläche auf meine Stirn.

Ich schlage sie beiseite. »Lass das.«

O’Rourke lacht, wirft sich noch eins von meinen Bonbons ein, kaut und legt den Kopf auf die Seite, um mich zu mustern. »Das Mädel muss ich sehen.«

Nein, muss er nicht. »Warum?«

Er hebt erneut die Brauen angesichts meines Tons. »Offensichtlich übt sie irgendeinen Einfluss auf dich aus, sonst würdest du sie mit Fußtritten aus der Firma befördern, wie du es mit jedem anderen gemacht hast, der gegangen ist.«

Ich schnaube verächtlich und wende meine Aufmerksamkeit dem Computermonitor zu. »Wovon zum Teufel redest du?« Sie hat keinerlei Einfluss auf mich. Ich kenne sie ja nicht mal. »Das ist eine Firma und keine gottverdammte Singlebörse. Man scheißt nicht, wo man isst, und darum gibt es bei uns auch die Richtlinie ›Keine Beziehungen am Arbeitsplatz‹.« Ich sehe ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Hast du sie gelesen?«

Er fuchtelt mit der Hand in der Luft herum. »Diese Richtlinie ist Bockmist, und das weißt du auch.«

Jetzt werden meine Augen noch schmaler. »Wieso? Weil du dich nicht daran hältst?«

Er lacht wieder. »Vertrau mir, wenn es hier jemanden gäbe, den ich ficken wollte, würde mich keine dämliche Ficken-verboten-Richtlinie davon abhalten.«

Charmant.

Aber Hunter ist noch nicht fertig. Nicht damit, Probleme zu wälzen, und nicht mit den idiotischen Kommentaren. »Also, eine Mitarbeiterin hat dich hängen gelassen … du hattest keine Ahnung, wer sie war, vor eurem Treffen. Und du behältst sie warum hier? In zwei Wochen ist sie weg, warum ihr nicht gleich einen Arschtritt geben?«

Ich seufze, lehne mich in meinem Stuhl zurück und lockere die Krawatte, die ich nur getragen habe, um meine Investoren zu beeindrucken. Das intensive Blau hebt sich von meinem hellblauen Hemd ab, dessen Ärmel ich aufgerollt und bis zu den Ellenbogen hochgeschoben habe.

Ich schiebe meine Tastatur beiseite, beuge mich vor und stütze die Unterarme auf die hölzerne Unterfläche vor mir. Lege die Hände ineinander.

Werfe Hunter einen ungeduldigen Blick zu.

»Ich habe niemanden, der sie ersetzen kann. Hast du denn nicht zugehört? Die Besprechung heute Morgen war ein verdammter Totalreinfall. Wenn sie geht, bin ich am Arsch. Wir verhandeln mit Outdoor Ecosphere, und ich brauch sie fürs Marketing.«

»Aber du hast doch gesagt, die Marketing-Leute sind scheiße.«

»Sie gehört nicht zum Marketing-Team. Sie kümmert sich um sämtliche Social Media, und sie ist gut.« Letzteres gebe ich nur widerwillig zu; meine Lippen kräuseln sich tatsächlich.

Woher sollte ich das wissen? Ich habe unsere Online-Präsenz über eine halbe Stunde lang gestalkt wie ein Verrückter, mich durch unsere Website, Instagram und Twitter geklickt. Ihre Posts sind clever und komisch – und doch zugleich professionell; einwandfrei, auf unsere Marken bezogen und wirken trendig.

Genau wie ihre privaten Seiten.

Und ich sollte es wissen, weil ich die nämlich ebenfalls einer verdammt genauen Überprüfung unterzogen habe.

Scheiße.

Scheiße.

Scheiße.

»Dann lässt du sie also einfach bleiben.« Er kaut. Schluckt.

Kaut.

Das Schmatzen, mit dem weicher Karamell durchgekaut wird, erweckt in mir den Wunsch, über den Schreibtisch zu greifen und ihn zu erwürgen.

»Ja.« Ich jongliere einen Stift, damit meine Hände beschäftigt sind, bis er vom Schreibtisch rollt und auf den Boden fällt.

»Und du hast null Interesse daran, sie zu ficken.«

Ich erhebe den Blick und starre ihn an. »Warum bist du so?«

Hunter O’Rourke zuckt mit den Achseln, die unter dem karierten Flanell seines Hemdes stecken. »Warum bist du so zickig?«

Hunter und ich kennen uns seit Langem; nur er darf mich ungestraft zickig nennen, vor allem, weil ich mir bewusst bin, dass ich mich wie ein Arschloch aufführe. Ich bin tatsächlich zickig.

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein unerbittliches Arschloch bin. Ich mag fröhliche Leute nicht. Ich mag es nicht, fröhlich zu sein.

Oder Leute.

Ja, ich mag definitiv keine Leute.

Aber ich liebe O’Rourke wie einen Bruder, auch wenn er mich die meiste Zeit provoziert.

Wir kennen uns seit der Middle-School-Zeit, als seine Familie nebenan eingezogen ist. Vier Wochen vor Schulbeginn war ein großer Umzugswagen vor dem Haus vorgefahren, das ganze vier Monate leer gestanden hatte.

Er stieg zusammen mit den Umzugsleuten aus der Fahrerkabine, baute sich am Straßenrand auf, schirmte das Gesicht mit den Händen ab und starrte auf das Haus. Dann kletterte er zurück in die Kabine und kam mit einem Baseballhandschuh wieder raus.

Er schlug ein paarmal mit der Faust aufs Leder, ehe sich unsere Blicke trafen. Dann hielt er den Handschuh hoch und zuckte mit den Achseln.

Ich besaß einen Ball und lief sofort los, um ihn zu holen.

Warf ihn dem kleinen Mistkerl mit aller Kraft zu, die ich besaß.

Und als er ihn auffing?

Der Rest war Geschichte.

Wir spielten beide Baseball in der Highschool. Hatten jede Menge Ärger wegen allem möglichen Scheiß, haben die Scheiben am Haus unserer Eltern zerbrochen oder uns rausgeschlichen, haben uns betrunken und sind zu spät nach Hause gekommen.

In der Highschool machte Hunter für mich mit meinen Freundinnen Schluss; im College war es umgekehrt. Er wurde der Sensible, der, dem etwas an den Gefühlen der Leute lag. Aber ich?

Mir war das egal. Ist es immer noch.

Am College habe ich wie ein Verrückter gearbeitet, habe jede Menge Kurse belegt und Scheine gemacht und einen schlecht bezahlten Job nach dem anderen übernommen. Habe gespart. Investiert.

Ich war der Vernünftige.

Ich war der steife Kragen.

Ich war die Spaßbremse, während Hunter Partys feiert. Mit allem ins Bett stieg, was einen Puls hatte.

Geschäftstüchtig wie ich war, habe ich dann meinen Master gemacht, während er sich mit irgendwelchen beschissenen Nebenjobs herumärgerte. Ehrlich, ich glaube, er wartete nur darauf, dass ich einen Plan aushecke, mit dem wir beide Geld verdienen könnten.

Und das habe ich getan.

Roam Inc.

Eine Anspielung auf meinen Namen – O’Rourkes Idee (manchmal hat er gute Ideen). Ich verbrachte zwei Jahre damit, mich in meinem Graduiertenstudium totzuarbeiten, von meiner Unruhe aufgefressen. Ich wollte Abenteuer, aber ich musste verdammt noch mal arbeiten. Ich liebte die freie Natur. Grenzen auszutesten und die Suche nach dem Adrenalinkick.

Ich wollte die ganze Welt durchstreifen – roam around the world.

Rome.

Mein Name und meine Marke sind eins. Sie ist, wer ich bin. Die Firma bin ich, und ich bin die Firma. Deshalb war ich auch so sauer, dass Frau Saubermann einfach so ihre Kündigung ausgesprochen hat. Mir direkt ins Gesicht. Wer macht denn so was?

»Warum bin ich wie?« Hunter starrt mich an. Den Kopf auf die Seite geneigt, die Finger zusammengelegt und an den Mund gehoben, wartet er.

»Häh?«

»Du hast mich gefragt, warum zum Teufel ich so bin.« Bei den Worten »so« deutet er mit den Händen Anführungszeichen an. »Du musst mal deinen Arsch hochkriegen.« Der Mistkerl wirft lachend den Kopf in den Nacken. »Wer zum Teufel ist dieses Mädchen?«

Mädchen?

Wohl kaum.

Peyton ist ganz Frau. Eine schüchterne, aber irgendwie auch mutige Frau.

»Warum geht es bei dir eigentlich immer nur um Frauen und Sex?«

»Tut’s gar nicht. Ich weiß nur, dass du keinen hast. Vielleicht sollten wir dieses Wochenende mal ausgehen. Spaß haben. Mann, ich kann sehen, wie der Stress dir die Venen an den Schläfen ausbeult. Du musst unbedingt mal Dampf ablassen.«

Er hat recht. Das muss ich.

Aber im Gegensatz zu O’Rourke bin ich wählerisch. Ich brauche jemanden, der kultivierter ist als die billigen Frauen, die er an der Bar aufreißt. Jemanden mit Klasse, der nichts im Gegenzug fordert als eine schnell vergessene Nummer. Einen Einbahnstraßen-Orgasmus zur Haustür meines Stadthauses danach.

Jemand, der nicht nur hinterher augenblicklich mein Bett verlässt, sondern das tut, ohne mit mir zu reden.

Versuchen Sie mal, so jemanden in einer Stadt zu finden, in der jeder meinen Namen kennt.

Mein gottverdammtes Gesicht prangt zusammen mit dem Slogan der Firma auf der Seite eines Stadtbusses. Letztes Jahr wollte eines der Marketing-Genies Kapital aus meinem guten Aussehen schlagen: mein Gesicht mitsamt einem Globus und einem Herzen darum herum. Ich muss betrunken gewesen sein, als ich mich darauf eingelassen habe, weil – du liebe Güte. Die Frauen.

Sie waren gnadenlos.

Ich fahre mir mit der Hand über das Gesicht, wirble in meinem Stuhl herum, sehe meinen besten Freund an und schnaube. »Tu mir einen Gefallen und rede auf der Arbeit nicht über Sex. Das ist unprofessionell.«

»Das ist unprofessionell«, ahmt er mich nach, während er sich die Nase zuhält, sodass er klingt, als hätte er Helium eingeatmet. »Wo in den Verhaltensregeln steht das eigentlich?«

»Seite acht«, erwidere ich mit ernstem Gesicht.

»Stimmt, ja. Du hast das verdammte Ding geschrieben.« Ich habe noch nie einen erwachsenen Mann gesehen, der so oft die Augen verdreht wie er.

»Nein. Das hat die Rechtsabteilung.«

Hunters Schultern heben und senken sich einmal, während er seine Fingernägel inspiziert. »Ist doch dasselbe.«

»Ist es nicht«, bringe ich mühsam heraus. »Warum streitest du mit mir?«

Er ignoriert mich völlig und beginnt mit einem neuen Thema. »Wann willst du dieses Wochenende ausgehen? Lass uns ins Skeeters gehen. Ich habe gehört, dort spielt eine Band.«

Das Letzte, was ich will, ist irgendeiner verdammten Band zuzuhören, wenn mich kreischende Stimmen in meinem Kopf an Fristen und Termine erinnern. Ich will doch einfach nur ein bisschen Frieden und Ruhe, aber er ist fest entschlossen, mir das Leben zur Hölle zu machen.

»Ich werde darüber nachdenken.«

»Dann denk schneller.« Er machte eine Pause. »Oder besser noch, denk mit dem Schwanz.«

Ich schnaube.

Ich habe seit Jahren nicht zugelassen, dass dieses Anhängsel über mein Leben bestimmt. Seit dem College nicht, und nur während einer Phase, in der ich mir Pausen vom Lernen gönnte, um zu trinken, zu feiern und meinen sexuellen Appetit zu stillen.

Früher hat Hunter oft eine Freundin seiner neuesten Eroberung mit aufs Zimmer gebracht, sodass ich das Wohnheim nicht verlassen musste. Mädchen, die Lust auf ein wenig unverfänglichen Spaß hatten. Effizient. Emotionslos.

»Wie lange ist es her?«

Monate.

Wer weiß denn verdammt noch mal, wie lange das letzte Mal her ist?

»Darüber rede ich mit dir nicht«, sage ich verächtlich.

Hunter lacht noch einmal, und dieser Laut raubt mir den letzten Nerv. »Ich wette, Monate.«

Er ist unerbittlich.

Was ihn zum perfekten Geschäftspartner macht.

Was ihn zu einem nervtötenden Freund macht.

Ich lege die Hände hinter dem Kopf ineinander. »Oh, und du hast so viel Freizeit, dass du dich regelmäßig flachlegen lassen kannst?«

Sein freches Grinsen schwächelt. »Jedenfalls öfter als du.«

Wie wahr.

Meine Gedanken wandern zu Peyton Lévêque und dem letzten Foto, das sie von sich auf ihrem Instagram-Account gepostet hat. Das Haar zu einem unordentlichen Etwas auf ihrem Kopf zusammengefasst. Breites Lächeln. Auf einer Wanderung durch die Wälder mit einem Wanderstock, der die deutliche Aufschrift Roam Inc. trug.

Zufrieden über dieses kleine Detail nicke ich. Markenloyalität, das gefällt mir.

»Sind wir jetzt fertig?« Ich stehe kurz davor, mit den Zähnen zu knirschen.

»Nicht, ehe du versprichst, dieses Wochenende mit mir die Bars unsicher zu machen. Es ist schon eine Ewigkeit her.«

Das ist es.

»Ich werde darüber nachdenken.«

»Ich hol dich morgen um neun ab.«

»Neun?« Klinge ich entsetzt? Um neun bin ich im Bett.

»Oh Gott, Rome, hör auf, dich wie ein Siebzigjähriger zu benehmen.«

Manchmal fühle ich mich so, wenn das Gewicht der Verantwortung auf meinen Schultern drückt.

»Bro, gib es zu. Du könntest einen Drink vertragen.«

Ich hasse es, wenn er recht hat, darum widerspreche ich. »Ich habe Bier im Kühlschrank unter meinem Schreibtisch.«

»Einen richtigen Drink.«

Meine Mundwinkel verziehen sich. »Na schön.«

Hunter lacht und entfernt endlich seine verdammten Stiefel von meinem Walnuss-Schreibtisch. »Mann, das war ja leichter, als ich gedacht hatte.«

Arroganter Mistkerl.

»Und jetzt verzieh dich aus meinem Büro.«

Sein lautes Lachen folgt ihm nach draußen, und ich sehe, dass Lauren ihr Lächeln verbirgt, indem sie den Kopf hinter einem Aktenordner versteckt.

Scheiße.

3

Peyton

»Auf das Geburtstagsmädchen!«

Klirr.

»Auf das Singledasein und alle, die dem ein Ende setzen möchten!«

Klirr.

Wir heben unsere Shotgläser, die randvoll mit einem roten Gebräu gefüllt sind, das unter dem Namen Swedish Fish bekannt ist. Ich weiß nicht, was da drin ist, aber nach dem zweiten Glas interessiert das auch keinen mehr.

Ich hätte nichts dagegen, noch ein paar von den Dingern runterzukippen.

Ich signalisiere dem Barkeeper, er soll eine weitere Runde vorbereiten.

»Auf Peyton.«

Klirr, klirr, klirr … und ab durch die Kehle damit. Weich. Heiß. Es brennt gerade genug, um der Mühe wert zu sein.

Meine Wangen ziehen sich zusammen, meine Lippen treffen schmatzend aufeinander. Ich schließe ganz fest die Augen, die Flüssigkeit rinnt durch meine Kehle, meine Haut prickelt – sämtliche Hemmungen fallen von mir ab.

Das ist mein Abend, und nach der Woche, die hinter mir liegt, werde ich ihn genießen.

Die Schnapsgläser landen mit dem dumpfen Glas-auf-Holz-Plank auf dem Tisch. Mein kleiner Freundeskreis erwidert mein Grinsen, als ich den Blick über die am Tisch Versammelten schweifen lasse.

Ach, diese Mädels – ich liebe sie so sehr.

Und … okay. Dann bin ich heute Abend eben emotional.

Sogar sentimental?

Eindeutig betrunken.

Voll wie ein verdammter Troll.

Ich kichere, beobachte Gen, Vivian und Kimberly, drei Frauen, bei denen ich das Gefühl habe, mit ihnen zusammen bei Roam Inc. erwachsen geworden zu sein.

Nicht nur, was das Professionelle angeht, auch meine Persönlichkeit.

In den wenigen Jahren, die ich bei der Firma bin, sind wir enge Freundinnen geworden. Gute Freundinnen. Und noch engere Vertraute.

Gott, ich liebe diese Leute.

Mädels. Leute.

Puh!

Sie wissen schon, was ich meine …