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Eine Nacht ist nicht genug ...
Als Dani Hart auf den Fußballstar des Colleges Jax Avery trifft, ist die Atmosphäre elektrisch aufgeladen. Zwischen ihnen knistert es, und für Dani ist da mehr als nur sexuelle Anziehungskraft. Doch Jax ist für seine One-Night-Stands bekannt, und so sollte es für die Studentin kein so großer Schock sein, dass er sie bei ihrer nächsten Begegnung nicht zu erkennen scheint. Dumm nur, dass er der Bruder ihrer neuen Zimmergenossin ist, sodass Dani Jax nicht aus dem Weg gehen kann ...
"Eine emotionale Achterbahnfahrt um eine junge Frau, die lernt, sich selbst zu vertrauen, und einen Sportstar, der erkennen muss, dass es Wichtigeres im Leben gibt als das, was man auf dem Konto hat. Zusammen sind die Dynamit!" MEGAN ERICKSON, Bestseller Autorin
Der zweite Band der BOSTON-CAMPUS-Serie von Bestseller-Autorin Lex Martin
Dieser Roman ist bereits in einer früheren Ausgabe bei LYX.digital unter dem Titel FINDING DANDELION erschienen.
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Seitenzahl: 468
Veröffentlichungsjahr: 2019
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Zitat
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Lex Martin bei LYX digital
Leseprobe
Impressum
LEX MARTIN
Boston Campus
Not Until You
Roman
Ins Deutsche übertragen von Hannah Brosch
Als Dani Hart auf den Fußballstar des Colleges Jax Avery trifft, ist die Atmosphäre elektrisch aufgeladen. Zwischen ihnen knistert es, und für Dani ist da mehr als nur sexuelle Anziehungskraft. Doch Jax ist für seine One-Night-Stands bekannt, und so sollte es für die Studentin kein so großer Schock sein, dass er sie bei ihrer nächsten Begegnung nicht zu erkennen scheint. Dumm nur, dass er der Bruder ihrer neuen Zimmergenossin ist, sodass Dani Jax nicht aus dem Weg gehen kann …
Für Matt und meine kleinen Bären
»Wenn du nicht für das kämpfst, was du liebst, dann weine nicht um das, was du verlierst.«
Anonym
Ich bekomme eine Gänsehaut, als Travis seine Finger mit meinen verflicht. Ich schließe die Augen und wappne mich.
»Bist du sicher, dass du das willst, Dani?« Er klingt nervös, dabei war er doch derjenige, der mir die Idee erst schmackhaft gemacht hat. »Es wird wehtun. Und zwar ziemlich.«
Brady lacht. »Mann, mach ihr doch keine Angst.«
Brady ist ein heißer Typ, der fast nur aus scharfen Kanten und harten Muskeln und bedrohlichen Tattoos besteht, und ich weiß, dass er gerade meinen nackten Rücken betrachtet. Er ist so was von außerhalb meiner Liga.
Natürlich ist das hier der einzige Weg, wie ich so einen Typen dazu bekomme, mich anzufassen.
Ich schlucke, dann nicke ich, wobei ich mein T-Shirt vor der Brust umklammert halte. »Wir tun es. Ich mache keinen Rückzieher.«
Ich habe mich vorbereitet, mich über die optimale Position, den Schmerz, die verschiedenen Methoden und alles andere informiert. Jetzt muss ich einfach den Sprung ins kalte Wasser wagen. Das wird ein Jahr, in dem ich vieles zum ersten Mal mache.
»Gutes Mädchen. Ich werde ganz sanft sein, versprochen.« Brady tritt ein Stück von mir zurück, und das Brummen setzt ein und bricht dann wieder ab.
Travis verstärkt den Griff um meine Hand, während er sich zu mir beugt und flüstert: »Wenn deine Mutter wüsste, was du hier tust, würde sie mich umbringen.«
Ich ziehe die Hand weg und gebe meinem besten Freund einen Klaps. »Was ist denn los mit dir? Jetzt ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um über meine Mutter zu reden.«
Eine Hand in einem schwarzen Handschuh streicht über meine Schulter, als Brady den Träger meines schwarzen Spitzen-BHs beiseiteschiebt.
Er senkt die Stimme. »Jetzt wird es kalt.«
Alle meine Muskeln spannen sich an, woraufhin er schmunzelt.
»Entspann dich, Süße. Das ist nicht mein erstes Mal.« Bradys Stimme ist tief und sexy und sorgt dafür, dass mich ein Schauer überläuft. Langsam reibt er meine Haut ein, und ein starker Alkoholgeruch steigt auf. »Ich kümmere mich gut um dich. Du stellst es dir schlimmer vor, als es tatsächlich ist. Vertrau mir. Anfangs tut es weh, aber du gewöhnst dich dran, und du wirst nur ein paar Tage lang wund sein.«
Scheiße. Ich ziehe das wirklich durch.
Ich werfe einen Blick über die Schulter und schaue ihm in die Augen. Brady lächelt, und sofort habe ich Schmetterlinge im Bauch. Er legt einen Finger auf meinen Trapezmuskel. »Hierhin?«
Ich nicke, schließe die Augen und stütze das Kinn auf die Stuhllehne.
»Das ist übrigens echt schön.« Er tippt auf das transparente Stück Papier.
»Es ist der Nordstern. Er soll mir helfen, meinen Weg zu finden«, sage ich mehr zu mir selbst.
Brady drückt das Blatt auf meine Haut und rubbelt. Dann ertönt das Brummen erneut, und die Nadel sticht zu.
(Drei Wochen später)
Mit den Fingerspitzen fahre ich die Linien auf meiner Schulter nach, dort, wo sich mein Tattoo befindet. Die Erinnerung meiner Muskeln führt mich zu der Stelle, an der sich Nord und Süd treffen und wo ich mein Gleichgewicht zu finden hoffe. Einen Fixpunkt. Etwas Stabilität.
Ich spüre es instinktiv. Hoffnung. Ein Lächeln kräuselt meine Lippen, als ich anfange, an meinen eigenen Motivationsspruch zu glauben.
Mein Lächeln wird breiter … bis meine neue Kollegin einen Aktenstapel vor mir ablädt.
Laura zeigt mir ein nichtssagendes Lächeln. »Ich habe dieses Wochenende schon was vor, deshalb lasse ich dir das da. Da du Marketing studierst, sollte das genau dein Ding sein.«
Unser drittes Jahr an der Uni hat noch nicht mal begonnen, und schon fängt sie an, mich hängen zu lassen. Ich beiße mir innen in die Wange, dann umfasse ich den Aktenstapel, um ihn zu sortieren.
Laura und ich sind Professor Zinzers neue HiWis. Wir koordinieren diesen Herbst alle anderen HiWis im Atelier und bereiten dabei Materialien für seine Kurse vor. Er nimmt immer einen Kunststudenten und einen BWL-Studenten als Assistenten. Weil mein bester Freund letztes Jahr einen Kurs bei Zinzer hatte, war ich im Vorteil und habe Dutzende andere BWL-Studenten, die sich beworben haben, übertrumpft.
Ich packe den Stapel Arbeit in meine Tasche und verzichte darauf, zu lächeln.
»Zin braucht es am Montag«, flötet Laura.
Das heißt, er braucht es am Montag nach dem Labor-Day-Wochenende. Mein Kiefer spannt sich an.
Laura wirkt nicht einmal ansatzweise schuldbewusst, weil sie das alles auf mich abgewälzt hat. Sie wirft sich das Haar über die Schulter und sagt: »Danke, Dani.« Die Art, wie sie mich fast unverhohlen abschätzt, ist mir unangenehm.
»Du bist so … nett.«
Wenn ich eine Cartoonfigur wäre, würde jetzt Dampf aus meinen Ohren aufsteigen. Mein Leben lang habe ich kein Wort so sehr gehasst wie dieses. Wenn mir noch einmal jemand sagt, dass ich nett bin, raste ich aus.
Meine »Nettigkeit« bewirkt, dass andere ihren Mist bei mir abladen. Mich herumschubsen. Mich nicht beachten.
Als Kind dachte ich, ich hätte einfach Manieren. Was zum Teufel sollte falsch daran sein, sich höflich zu verhalten? Aber inzwischen ist mir klar, dass diese Eigenschaft mir in Boston nichts bringt, weil hier ein raueres Klima herrscht. Der Mittlere Westen ist einfach eine freundlichere Gegend. Wenn man in Chicago jemanden anrempelt, entschuldigt man sich dafür. Hier fluchen die Leute oder schieben einen beiseite. Ich habe mich daran gewöhnt, dass das Leben hier ein höheres Tempo hat, aber das ändert nichts daran, dass ich ein verdammt leichtes Opfer bin.
Meine Mutter würde mir jetzt raten, dass ich aufs Nettsein scheißen soll. Ich grinse vor mich hin. Sie hat eine schlimmere Wortwahl als die Hälfte der Verbindungsjungs an dieser Uni.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie fast an einem Angiosarkom gestorben wäre.
Mein Lächeln verblasst, und ich muss blinzeln, um die überfallartige Gefühlsregung zu unterdrücken, die mich jedes Mal befällt, wenn ich an meine Mutter denke. Sie hat gekämpft wie eine Löwin, um zu überleben, sogar als sie ihr gesamtes Haar und beide Brüste verloren hatte. Und sie hat den Krebs besiegt. Sofern er nicht wiederkommt.
Als ich meinen Wohnheimflur erreiche, kämpfe ich noch immer mit dem, was ich Laura gerne an den Kopf geworfen hätte. Warum finde ich in der jeweiligen Situation nie die richtigen Worte? Während ich kurze Zeit später den Haufen Arbeit betrachte, der jetzt am Rande meines Schreibtischs liegt, krampft sich mir vor hilfloser Wut der Magen zusammen. Ich werde das ganze Wochenende hier drinnen sitzen und die Broschüren meines Professors vorbereiten, anstatt auszupacken.
Mein Blick wandert zu den Kisten, die sich in dem kleinen Raum an der Wand stapeln. Ich teile mir das Zimmer mit einem Mädchen, das ich letztes Semester kennengelernt habe. Jenna ist einfach zum Schießen. Wir saßen zusammen in einem Soziologie-Kurs, der so öde war, dass wir aus Spaß anfingen, einander versaute Briefchen zu schreiben. Sie übertraf mich jedes Mal. Und ja, der Prof hasste mich. Aber mal ehrlich – als Jenna mir schrieb: »Ich will an deinem dicken Männer-Slinky ersticken«, musste ich einfach losprusten.
Ihr Südstaatenakzent und ihr makelloses blondes Haar täuschen. Zuerst hält man sie für eine eingebildete Tussi, aber dann legt sie den Arm um einen und benimmt sich, als würde man sich schon ewig kennen. Allerdings verstehe ich nicht ganz, warum sie mit einer unserer beiden anderen Mitbewohnerinnen so gut befreundet ist. Ich habe Clem erst einmal getroffen, aber das Mädchen ist wie die Eiskönigin. Sie hat tatsächlich die Augen verdreht, als ich sie gefragt habe, ob sie Vampire Diaries gut findet.
Bevor ich einkaufen gehe, bleibe ich kurz vor einem Spiegel stehen, um mein langes Haar in Ordnung zu bringen. Mein Spiegelbild erinnert mich an meine Mutter.
Jeder findet, dass ich aussehe wie sie als junge Frau. Ich habe große, grüne Augen, blasse Haut und dunkelbraunes Haar. Allerdings habe ich mir letzten Monat pinkfarbene Strähnen färben lassen, und dank Victoria’s Secret verfüge ich zudem über einige gut platzierte Kurven.
Ich entscheide mich dafür, kein Make-up aufzulegen, schnappe mir meine Jacke und mache mich auf den Weg.
Die Zugfahrt dauert nicht lange, und als ich in die helle Nachmittagssonne hinaustrete, muss ich die Augen abschirmen. Während ich darauf warte, dass die Ampel grün wird, erwische ich mich dabei, wie ich einen Typen anstarre, der in ein paar Metern Entfernung versucht, ungefähr zehn Pizzakartons durch die Tür eines Restaurants hinauszubugsieren. Ich gehe hinüber und halte ihm die Tür auf. Aus den Augenwinkeln sehe ich eine blonde Mähne durchs Restaurant flitzen, und kurz darauf höre ich ein Mädchen kichern.
»Hoffentlich können du und deine Freunde so viel Pizza essen«, haucht sie. Ich weiß nicht, ob sie sexy klingen will oder ob sie außer Atem ist, weil sie gerade einen Sprint hingelegt hat.
Ich verdrehe die Augen, weil ich noch immer dort stehe und die Tür aufhalte. Die Schulter des Typen drückt sich gegen die Scheibe, und er lacht.
»Ich bin sicher, wir schaffen das. Danke, äh …«
»Tamara.«
»Danke, Tamara.«
Durch die Glastür sehe ich, wie sie ein Zettelchen schwenkt. »Hier. Ruf mich an, wenn du merken solltest, dass du für das ganze Essen einen zusätzlichen Mund brauchst.« Die Art, wie sie »Mund« ausspricht, verrät mir, dass sie nicht die Pizza meint. Igitt.
Ihre Gestalt verschwindet kurz hinter seiner. Seine Hände halten den Pizzaturm, und ich sehe ihn nicht nach dem Zettel greifen, doch dann krümmt er sich, als wäre er überrascht.
Als sie wieder einen Schritt zurücktritt, sind ihre Hände leer. Okay, ich glaube, sie hat dem Kerl gerade ihre Nummer in die Gesäßtasche gesteckt.
Mir soll’s recht sein.
Er räuspert sich. »Ja, danke, Süße«, sagt er zu der Blondine.
Als er auf den Gehsteig tritt, bekomme ich ihn zum ersten Mal richtig zu Gesicht. Er trägt eine Sonnenbrille, daher sehe ich seine Augen nicht, aber der Rest von ihm ist in vielerlei Hinsicht sexy. Er ist groß und schlank. Hat karamellfarbene Haut, als wäre er viel in der Sonne gewesen. Und honigblondes Haar, das lässig verwuschelt ist. Sein kräftiger Bizeps dehnt sein T-Shirt, und ich kann nicht anders, als ihn zu begaffen.
Hinter mir kommt ein SUV angefahren, und eine Männerstimme ruft: »Beeil dich verdammt noch mal, Jax. Ich fahr nicht noch mal um den Block.«
Jax lacht und dreht sich ein Stück zur Seite. Schließlich entdeckt er mich, woraufhin er den Kopf neigt. Er räuspert sich erneut. »Sorry. Ich bin ein ziemlicher Depp, dass ich hier so im Weg stehe.«
Ich blinzle.
Er lächelt zu mir hinunter, und mir ist, als würde sich der Himmel auftun, weil er so verdammt schön ist, dass es wehtut, ihn anzusehen. Noch ehe ich den Mut finde, etwas zu sagen, irgendetwas, hupt sein Kumpel. Jax schaut zu dem SUV und dann wieder zu mir, lächelt noch einmal und zieht Leine.
Argh! Das nächste Mal, wenn ein umwerfend gut aussehender Mann mit mir spricht, wäre es ganz toll, Worte zu verwenden.
Musik dröhnt aus der Stereoanlage hinter mir, aber ich bin vom Training heute Nachmittag zu müde, um mich hinüberzubeugen und sie leiser zu drehen. Ich schaue durchs Zimmer und lache verhalten. »Alter, deine Schwester ist betrunken.«
Sammy liegt halb im Sessel mit ihrem Magic-8-Ball in der Hand und starrt ihn an, als kenne er jede Antwort. Ihr Bruder Nick, mein Mitbewohner, verschwendet kaum einen Blick in ihre Richtung, ehe er sich wieder seinen Karten zuwendet. »Denk nicht mal an meine verdammte Schwester, Jax.«
Ich boxe ihn gegen den Arm. »Du Arsch. Du weißt genau, dass es zwei Sorten Mädels gibt, die ich nicht anrühre – kleine Schwestern und Mitbewohnerinnen.«
Nick zieht die Augenbrauen hoch. »Ich hab die Mitbewohnerinnen von deiner Schwester gesehen. Hattest du echt noch nie was mit einer?«
»Verarschst du mich? Sie würde meine Eier klein hacken und sie mir in den Rachen stopfen, wenn ich je einer von denen zu nahe käme. Sie hat einen ziemlich starken Beschützerinstinkt.« Meine Zwillingsschwester ist auf jeden Fall eine Kämpferin. Ihr katastrophales erstes Jahr an der Uni erwähne ich besser nicht.
Sammy lacht kreischend über irgendwas und schüttelt den Magic-8-Ball. »Gibt es da draußen einen Kerl, der mich für immer lieben wird?« Sie späht durch das kleine Dreieck unten an dem Ball. Ihre Miene hellt sich auf, als sie laut vorliest: »Ganz sicher.«
Ich verdrehe die Augen, nehme einen großen Schluck von meinem Bier und scrolle durch meine Handynachrichten. Kelly, Jamie, Emma. Die sind scharf. Katie. Lanie. Die sind sogar noch schärfer.
Meine Gedanken schweifen ab, zu dem Mädchen draußen vor der Pizzeria, das mir heute Nachmittag die Tür aufgehalten hat. Ich weiß nicht, warum ich jetzt an sie denke. Sie war schön, aber so ohne Make-up sah sie ziemlich jung aus. Irgendwie unschuldig und naiv.
Nicht mein Typ.
Ich denke über die großen Fragen des Lebens nach, wie zum Beispiel über Körbchengrößen, aber das Wasser, das in dem blöden Ball herumschwappt, lenkt mich von meiner Wochenendplanung ab. Mit dem Flaschenhals deute ich in Sammys Richtung.
»Sam, es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber das ist alles Bullshit. Ich hoffe, du weißt das, ich mag dich nämlich zu sehr, um dich glauben zu lassen, dass es da draußen einen perfekten Typen gibt.« Nicks jüngere Schwester ist im letzten Jahr der Highschool und ein hübsches kleines Ding, aber sie muss sich darüber klar werden, sonst bricht so ein Arsch wie ich ihr irgendwann das Herz. Nur dass es nicht ich sein werde.
Sie ignoriert meine Bemerkung und schüttelt den Ball. »Gibt es da draußen eine perfekte Frau für Jax Avery, die ihn davon abbringen wird, eine männliche Schlampe zu sein?« Sie kneift die Augen zusammen, während sie die Nachricht liest, die nach oben steigt: »Ganz sicher.«
Nick lässt ein bellendes Lachen hören. »Wie viel hast du getrunken? Dad versohlt mir den Hintern, wenn du morgen verkatert heimkommst.« Er widmet sich wieder seinem Blatt und murmelt: »Wenn du glaubst, dass Jax so was vorherbestimmt ist, kannst du nämlich nur betrunken sein.«
Sammy hickst und ächzt dann, als hätte sie sich wehgetan. Sie wendet sich an mich. »Fühlt es sich denn nicht irgendwie leer an? Wäre es dir nicht lieber, deine Affären würden dir etwas bedeuten?«
Das Mädel muss aufhören, so viele Chickflicks zu schauen. Ich nehme noch einen Schluck. »Sie bedeuten etwas. Nämlich dass ich Sex bekomme, ohne dass es Konsequenzen hat. Das ist was Schönes.«
Sie zieht ein Gesicht, als hätte ich gerade auf ihr Abendessen gekackt. Ich habe nicht genug Energie, um ihr zu erklären, warum Beziehungen eine schlechte Idee sind, aber wenn sie sich zwei Minuten lang meine Eltern anschauen würde, wäre sie auf meiner Seite.
Ich nehme mir noch ein Stück Pizza und ignoriere die Leere in meiner Brust. »Um wie viel Uhr ist morgen unsere Teambesprechung?«
Nick schielt in meine Richtung. »Um drei, aber du solltest schauen, dass du früher da bist. Coach Patterson ist anscheinend ganz schön kleinlich.«
»Damit komme ich klar.« Ich scrolle weiter durch meine Handynachrichten und überlege, wie ich die nächsten vierundzwanzig Stunden verbringen will, ehe der Fußball wieder mein Leben verschlingt. Wahrscheinlich treffe ich mich heute Abend mit Katie und vielleicht morgen Nachmittag mit Lanie.
Als ich gerade Katies Nummer aufrufen will, leuchtet mein Bildschirm auf. Natasha. Das ist sogar noch besser. Wir sind Fickfreunde. Nur dass wir keine Freunde sind.
»Was machst du heute Abend?«
Lächelnd schreibe ich zurück: »Ich bring dich dazu, dass du meinen Namen schreist, während ich dich um den Verstand vögele.«
Es dauert keine Minute, bis sie antwortet. »Perfekt. Bin in zwanzig Minuten da.«
Sammy schaut mich über den Tisch hinweg an und seufzt, als wüsste sie, was ich vorhabe. »Eines Tages wird dir eine Frau einen Arschtritt verpassen, Jax. Ich hoffe, dass ich dann hier bin und zusehen kann.«
Warum hält mir ein Teenager Vorträge über mein Sexleben? »Das wird nur in deinen Träumen passieren, Kleine. Ich häng mich nicht an Frauen.«
Das habe ich schon vor langer Zeit gelernt. Frauen sind wie Bier. Man schiebt sie zwischen die wirklich wichtigen Dinge.
Ich drücke den Einschaltknopf an meinem Handy, und der Bildschirm leuchtet auf. Das Training beginnt schon in einer Dreiviertelstunde. Scheiße. Nicks Warnung, dass ich lieber früher da sein sollte, nervt. Warum ist das Training mitten am Nachmittag? Ich trainiere so viel besser, wenn ich gleich morgens loslege.
Seit gestern Abend bin ich ziemlich angepisst. Natasha und ich sind irgendwie nicht wie sonst in Schwung gekommen. Ja, wir haben es beide ins Ziel geschafft, aber es hat sich wie Arbeit angefühlt.
Natasha ist ein russisches Model, eins achtzig groß, und normalerweise weiß sie, was mir gefällt. Wir führen unsere »Beziehung« seit letztem Jahr, und eigentlich funktioniert sie gut. Wir treffen uns, trinken was, lachen ein bisschen, haben Sex und gehen dann wieder getrennte Wege. Sie klammert nicht, und sie ist ebenfalls reich, daher weiß ich, dass sie nicht hinter meinem Treuhandfonds her ist. Es ist mir ein Rätsel, warum ich nicht total euphorisch bin.
Meine Stimmung verdüstert sich, als das schlürfende Geräusch lauter wird. Ich schaue hinunter und versuche, nicht sauer auszusehen. »Süße? Wir sollten langsam zum Ende kommen.« Ich bin nicht gut mit Namen. »Süße« ist einfacher, ein Kosename, der auf alle passt.
Tara oder Tammy oder Tamara schaut auf, während sie mich komplett im Mund hat, und versucht zu lächeln.
Mein Gott, ich bin so ein Arschloch.
Ich ziehe meinen Schwanz aus ihrem Mund, wobei ich sorgsam darauf achte, ihre glänzenden Zähne nicht zu streifen, und packe ihn wieder in meine Jeans.
»Tut mir leid, Jax.« Ihr Blick irrt umher. Ich umfasse ihre Schultern und helfe ihr hoch. Nicht alle Frauen können gut blasen, aber man sollte es in der Schule lernen. Es ist genauso wichtig wie Pfannkuchen backen.
»Alles gut. Mir war nur nicht klar, dass es schon so spät ist. Vielleicht können wir uns ein andermal wieder treffen.« Oder auch nicht.
Ihre Augen leuchten. Ich brauche meine ganze Kraft, um zu lächeln und sie zu umarmen, ehe ich meine Schlüssel vom Sofatisch nehme.
An der Tür sehe ich es in ihrem Blick. Sie will einen Kuss. Den gibt es aber nicht. Und nicht aus dem Grund, den man annehmen würde. Es hat nichts damit zu tun, dass sie meinen Schwanz im Mund hatte, sondern damit, wie sie meinen BMW M-5 Hurricane angeschmachtet hat. Ich habe fast die Dollarzeichen in ihren Augen gesehen. So einen Scheiß kann ich nicht gebrauchen. Ich bereite mich zwar gerade aufs Jurastudium vor, aber mein Hauptfach bestand bisher darin, Weiber zu meiden, die nur hinter meinem Geld her sind.
Ich beuge mich hinunter, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben, und danke dem Himmel dafür, dass wir in ihrer Wohnung sind und nicht in meiner, ehe ich die Flucht ergreife.
Sobald ich wieder sicher in meiner einsamen Oase bin, drehe ich die Musik auf und fahre mit quietschenden Reifen los. Der Motor schnurrt, und ich freue mich, dass ich dieses Auto gefunden habe. Für dreihunderttausend war es ein echtes Schnäppchen. Meine Mutter war anderer Meinung, aber wen interessiert das? Sie schuldet mir was, und es ist die Art von Schuld, die nie abbezahlt ist.
In Rekordzeit erreiche ich das Unigelände. Boston College ist nur drei Kilometer von meiner Wohnung entfernt, liegt allerdings mitten in der Vorstadthölle. Ruhige Straßen. Gepflegte Rasenflächen. Mütter, die ihre Kinder zum Sport fahren. Spaziergänger und ähnlicher Scheiß. Es ist mir schleierhaft, warum Boston College nicht neben Fenway errichtet wurde, so wie die Uni, auf die meine Schwester geht.
Als ich am Fußballplatz ankomme, wünsche ich mir, ich hätte noch schnell geduscht. Vom Parfüm dieses Mädels wird mir schlecht, vor allem bei dieser Hitze.
Coach Patterson steht vor der Tribüne, auf der der Rest meiner Mannschaft sitzt. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt, ganz so, als würden wir ihm gehören. Die nächsten paar Monate über stimmt das wohl auch. Unser alter Assistenztrainer hat uns auf die Saison vorbereitet, bis die Uni letzte Woche Pattersons Vertrag unterschrieben hat.
»Jax Avery, wie nett, dich bei uns zu sehen.«
Ich bin pünktlich, daher weiß ich nicht, was zum Teufel sein Problem ist.
Als könnte er meine Gedanken lesen, blafft er: »Wenn du nicht zehn Minuten vor dem Training da bist, bist du zu spät.«
Ich unterdrücke das Bedürfnis, die Augen zu verdrehen, und rutsche auf die Bank, neben Nick, der selbstzufrieden grinst.
»Alter, ich hab dir doch gesagt, du sollst früher da sein.«
»Ich musste noch einen Blowjob unterbringen. Davon bekomme ich meine Superkräfte.« Ich hebe den Arm, um ihm meinen Bizeps zu zeigen, als der Trainer in die Trillerpfeife bläst.
»Hört zu. Es ist kein Geheimnis, warum die Uni mich angestellt hat. Ihr wart letztes Jahr ganz knapp davor, die Meisterschaft zu gewinnen. Und was ist dann passiert? Die Hälfte von euch hat beschlossen, sich am Abend vor dem Spiel volllaufen zu lassen.«
Ich nicht. Ich hab nichts getrunken. Bin schließlich kein Idiot.
»Und die andere Hälfte von euch wurde um zwei Uhr nachts in einem Mädchenwohnheim erwischt. Die meisten der jungen Damen haben dafür eine Verwarnung bekommen.«
Okay, hier bekenne ich mich schuldig. Wer hätte gedacht, dass Mädchenwohnheime so strenge Regeln haben?
»Ich will, dass ihr aufhört, mit dem Teil zwischen euren Beinen zu denken, und euch auch mal mit den Leuten befasst, für die euer Handeln Konsequenzen hat. Die höheren Semester müssen sich zusammennehmen und sich wie Anführer verhalten. Wenn ihr nächstes Jahr im Mai euren Abschluss macht, hoffe ich, dass ihr als Männer auf die Bühne geht und nicht als kleine Jungs, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um klar zu sehen.«
Seufzend fährt er fort: »Sicher ist euch allen bewusst, dass die Endspiele alle nach Thanksgiving stattfinden, da diese Saison länger ist. Das bedeutet, dass ihr während dieser Ferien alle die Füße stillhalten solltet. Und zwar mucksmäuschenstill! Wenn ich nämlich höre, dass ihr Jungs in einem Hotelzimmer in irgendeinem Ferienort randaliert habt, dann fliegt ihr aus der Mannschaft, so einfach ist das.«
Keiner sagt etwas, aber ich weiß, dass die Jungs warten, bis der Trainer außer Hörweite ist, ehe sie sich Luft machen. In einer Minute werden sie sich darüber auslassen, was für ein verdammter Witz das Ganze ist.
Patterson geht ein paarmal auf und ab, bleibt dann vor mir stehen und wartet, bis ich seinen Blick erwidere. »Keine Scheiße mehr bauen. Zeit, sich ein Paar Eier wachsen zu lassen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn ihr glaubt, dass ich euch nicht rausschmeiße, weil ich neu bin, irrt ihr euch gewaltig. Entweder ihr bessert euch, oder ihr seid draußen.« Obwohl er lacht, ist mir klar, dass er das Ganze nicht lustig findet. »Ich werde nicht eure Händchen halten und mir eure Bäuerchen anhören und euren Scheiß hinnehmen. Das überlasse ich euren Müttern.«
Ha. Er kennt meine Mutter nicht.
Patterson schlägt sich mit dem Klemmbrett auf die Hand. »Ich weiß, dass die meisten von euch Profifußballer werden wollen. Und im Grunde sind wir auch richtig gut und sollten es dieses Jahr bis an die Spitze schaffen, wenn wir uns konsequent auf das konzentrieren, was zählt.«
Das ist genau die Frage, nicht wahr? Was zählt? Ich wünschte, ich wüsste es.
Sosehr ich auch versuche, mich abzulenken, indem ich mich heute Nachmittag mit Travis treffe – ich werde mir trotzdem bis Montag früh den Arsch aufreißen.
Ich würde Laura gern einen Tritt gegen das Schienbein verpassen. Natürlich tue ich das nicht, aber ich muss anfangen, Widerstand zu leisten, sonst nutzt sie mich das ganze Jahr lang aus. Rational gesehen ist mir das klar. Aber den Mut zu finden, nicht einzuknicken, das ist das Schwierige.
Und dass ich gestern nicht mit diesem tollen Typen reden konnte! Er lächelt mich tatsächlich an, und ich stehe da wie ein Sack Zement. Ich bin im dritten Jahr an einer Top-Uni und habe einen Notendurchschnitt von 1,5. Man sollte doch meinen, dass ich über gewisse sprachliche Fähigkeiten verfüge.
Travis sieht finster aus, seit wir das Tattoostudio verlassen haben.
Die ganze Situation bringt mich zum Lachen. Als ich mir vor ein paar Wochen mein Tattoo habe stechen lassen, hat Travis beschlossen, dass er auch eins will. Nur dass er heute kalte Füße bekommen hat, während ich stattdessen mit Piercings wieder rausgekommen bin. Ich stupse ihn mit der Hüfte an und dränge ihn vom Gehsteig.
»Du stehst auf Brady, nicht wahr?«
Er dreht sich zu mir, sein schwarzes Haar fällt ihm ins Gesicht. »Was hat mich verraten?«
»Ich hatte so eine Ahnung. Schade, dass Brady nicht von deinem Ufer ist.«
»Das sind die Guten nie. Dafür scheint er ziemlich auf dich zu stehen.« Travis zeigt mir das schiefe Grinsen, das für ihn so typisch ist, und ich schüttle den Kopf. Mein bester Freund denkt bei jedem Kerl, dass er auf mich steht.
»Brady ist … ein Mann. Der ist bestimmt schon fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig. Mindestens. Und ich bin gerade zwanzig geworden. Außerdem besteht er nur aus harten Muskeln und ist supersexy. Auf keinen Fall interessiert der sich für mich.«
Jetzt ist es an Travis, den Kopf zu schütteln und mich anzuschauen, als wäre ich verrückt.
Aber da ist noch etwas. Obwohl Brady gut aussieht, kann ich nicht aufhören, an den Kerl beim Restaurant zu denken. Jax. Verdammt. Sogar sein Name klingt verführerisch. Ein Lächeln von ihm, und mir wäre beinahe der Slip geschmolzen. Geschieht mir recht dafür, dass ich so schlecht von diesem Mädchen gedacht habe, das versucht hat, ihm seine Nummer zu geben.
Travis stößt mich mit dem Ellbogen an. »Also warst du total erregt, als Brady dich überall angefasst hat?«
»Ja, bis er mich mit einer Nadel gestochen hat. Und das gleich zweimal.« Ich ziehe meinen BH-Träger zurecht. »Denkst du, dass sie heute … okay aussehen?« Ich kann nicht über die Piercings sprechen, ohne knallrot zu werden.
Travis weicht einer alten Dame aus, die uns entgegenkommt, und sein Blick landet auf mir, wobei er kurz an meiner Brust hängen bleibt. »Sie sind heiß, und du bist umwerfend.«
»Findest du nicht, dass ich damit ein bisschen nuttig wirke?« Ehe ich die Worte hinunterschlucken konnte, habe ich sie schon ausgesprochen, aber es ist eine ernst gemeinte Frage.
»Scheiße, nein.« Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen, was mich freut. »Willst du noch mehr Body-Modification? Es sieht alles toll an dir aus.«
Ich muss grinsen. Travis gibt mir immer das Gefühl, dass ich schön bin. Im ersten Jahr an der Uni haben wir auf derselben Etage gewohnt und uns auf Anhieb verstanden. Die letzten zwei Jahre waren wir fast unzertrennlich. Er ist ein schöner Mann mit seinem dunklen Haar und Augen, die die Farbe von Bitterschokolade haben. Mein bester Freund ist groß und schlaksig und ein bisschen grüblerisch veranlagt. Die Jungs lieben ihn. Und ich tue das auch. Ich konnte mich bei ihm ausweinen, als Reid und ich uns letztes Frühjahr getrennt haben.
»Außerdem, wenn überhaupt, dann bin ich die Nutte in dieser Beziehung, schon vergessen?« Wieder stupst er mich an. »Du bist viel zu rein, um nuttig zu sein.«
Vielleicht ist das mein Problem. Die Kerle sehen mich als das liebe Mädchen. Die Nette.
Ich atme tief aus. »Glaubst du, Reid hat deshalb das Interesse an mir verloren?«
»Reid hat das Interesse an dir verloren, weil er ein absoluter Vollpfosten ist. Dass er quasi ein paar Stunden nach eurer Trennung mit deiner Mitbewohnerin Sex hatte, beweist das. Und du warst keine Jungfrau. Du schläfst bloß nicht mit jedem Kerl auf Erden.«
Ich weiß, dass ich nicht hässlich bin, und ich bin auch nicht der Typ, der auf Komplimente aus ist, aber dass ich wie das sprichwörtliche Mädchen von nebenan wirke, zieht nicht gerade die Kerle an, bei denen ich im Bett auf meine Kosten komme. Sex ist für mich eher ein kurzes Vergnügen. Und Reid war da keine Ausnahme. Deshalb war ich ja so schockiert, als er eine Stunde, nachdem die Pornogeräusche begonnen hatten, aus Ashleys Zimmer geschlendert kam. Okay, wir hatten uns ein paar Tage zuvor getrennt, aber trotzdem. Mir wird immer noch schlecht, wenn ich daran denke, wie sie die ganze Zeit »Fester! Oh ja, mein Gott, fester!« schrie.
Ich dachte, sie hätte einen anderen Kerl abgeschleppt, in den sie schon länger verknallt war. Blöd wie ich bin, habe ich ihr noch die Daumen gedrückt und mich für sie gefreut, dass sie jemanden gefunden hatte, der gut im Bett war. Nur dass mein Ex herausstolziert kam, als die Tür aufging, ohne Hemd und mit offener Hose, die immer noch tief auf seinen Hüften hing, während sein Penis mir durch den Stoff auf halbmast Hallo sagte. Er hatte nicht mal genug Anstand, um verlegen zu sein. Stattdessen betrachtete er mich auf eine Weise, die signalisierte, dass das Problem bei mir lag und nicht bei ihm. Bei mir!
Mein Gott, ich hoffe, sie hat nur vorgetäuscht.
In Filmen hat die verschmähte Frau immer irgendeinen schlauen Spruch parat, um den Mann zu verletzen und ihm zu zeigen, dass er ohne sie schlecht dasteht. Aber mir fiel nichts ein. Ich war sprachlos. Brachte kein Wort heraus. Ich könnte mich immer noch dafür ohrfeigen, dass ich stumm geblieben bin.
Die fünf, sechs Male, die ich dem glücklichen Paar seither begegnet bin, habe ich auch kaum etwas sagen können. Natürlich könnte das daran liegen, dass ich abgelenkt war, weil Reid versucht hat, mit der Zunge Ashley die Mandeln zu massieren. Ashley ist groß und sieht zugegebenermaßen umwerfend aus. Verglichen mit ihr bin ich ein Zwerg, deshalb finde ich es nicht komplett unverständlich, dass er auf sie steht. Aber müssen sie genau vor meiner Nase rummachen? Er und ich waren fast ein Jahr lang zusammen.
#VergeudeteZeit
Als ich ihnen letzte Woche mal wieder über den Weg gelaufen bin, dachte ich eigentlich, ich wäre darüber hinweg. Dann hat Ashley mich beschuldigt, ihre Halskette gestohlen zu haben, als ich letztes Semester ausgezogen bin. Ich habe nur zähneknirschend herumgestammelt und mir vorgestellt, dass ich ihr einen Schlag in die Nieren verpasse.
Travis und ich nähern uns einer Bäckerei und beschließen, dort haltzumachen und etwas zu essen. Der Duft von Sauerteigbrot lässt meinen Magen knurren und lenkt mich kurz von der Erinnerung an meinen arschigen Ex ab.
Nachdem wir eine Nische belegt und bei der Kellnerin unsere Bestellung aufgegeben haben, schlage ich mein Notizbuch auf. »Punkt 1 und 2: erledigt!« Ich hole einen pinkfarbenen Edding aus der Tasche und setze zwei Häkchen.
»Du hast eine Liste geschrieben?« Der Spott in Travis’ Stimme ist deutlich und wird durch seine hochgezogene Augenbraue noch verstärkt.
Ich grinse ihn an. »Sie soll mich daran erinnern, mich nicht von meinen Zielen abbringen zu lassen.«
»Darf ich die Liste mal sehen?«
»Du weißt, was draufsteht. Wenn du es geschrieben siehst, ziehst du mich bloß damit auf.«
Er greift trotzdem danach und zerrt an meinem Notizbuch wie eine Dogge, bis ich schließlich nachgebe. Ich beobachte seine Mimik, während sein Blick über die Seite wandert.
»Mich tätowieren lassen, mich piercen lassen, einen One-Night-Stand haben.« Travis schaut mich an. »Du hättest das Dritte zuerst machen sollen. Das macht mehr Spaß. Außerdem tut es nicht weh. Es sei denn, du willst es.«
Er zieht die Augenbraue noch etwas weiter hoch, und ich muss lachen.
»Kann schon sein, aber hier geht es darum, mich selbst zu finden, und ich gehe mit kleinen Schritten vorwärts. Zumindest war das der Plan.«
Travis wartet, bis die Kellnerin unsere Salate gebracht hat, und als sie sich wieder entfernt, beugt er sich zu mir. »Ich würde Punkt eins und zwei nicht als ‚kleine Schritte‘ bezeichnen«, sagt er leise, während er meinen Edding nimmt und damit etwas aufs Papier krakelt.
»Hey, das darfst du nicht.« Niemand, wirklich niemand außer mir darf in mein Notizbuch schreiben. Es ist teils ein Tagebuch, teils ein Skizzenbuch. Nicht, dass irgendetwas drin stünde, was Travis nicht schon weiß.
»Zu spät«, flötet er. Sein triumphierender Ton entspricht der selbstzufriedenen Miene.
Ich lese Punkt vier laut vor. »Auf dem Tresen tanzen.« Ich schüttle den Kopf. »Travis, das ist total nuttig.«
Er schnaubt. »Du willst doch einen One-Night-Stand haben.«
Verstohlen schaue ich mich im Lokal um und werfe ihm dann einen Crouton an den Kopf. »Würdest du bitte leiser sprechen? Du weißt, dass ich nicht unbedingt einen One-Night-Stand haben will. Ich will nur …«
Er greift über den Tisch und nimmt meine Hand. »Ich weiß. Das Verhalten von deinem Ex hat dein Selbstvertrauen erschüttert, und jetzt wünschst du dir einen Neuanfang. Ein geiler Hintern wird dir sicher dabei helfen.«
»Weißt du, ich habe ja kapiert, dass Reid ein Schwein ist, aber musste er unbedingt was mit Ashley anfangen?« Bei der Vorstellung, wie sie zusammen heißen Sex in ihrem Bett haben, will ich ihnen immer noch die Augen auskratzen.
»Das gehört zum Lernprozess, Maus. Sieh’s mal so: Du brauchst dir wegen der Schlampen keine Sorgen zu machen, weil du schon weißt, was du von denen zu erwarten hast. Bei freundlichen Mädels musst du wachsam sein.«
»Sehr tiefsinnig.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass du nicht ausgerastet bist.«
»Was hätte ich denn sagen sollen? ‚Ashley, du warst echt eine tolle Mitbewohnerin … bis du mit dem Typen geschlafen hast, mit dem ich die letzten zehn Monate zusammen war‘?« Ich zerknülle meine Serviette und schüttle wieder den Kopf. »Du weißt, dass ich nicht gut darin bin, anderen die Stirn zu bieten.«
Travis wölbt ein wenig die Brust. »Ich kann den feigen Sack gerne für dich vermöbeln. Du bist sowieso viel zu gut für ihn. Er hat diese hirnlose Blondine verdient.«
Eigentlich hatte ich mir von Reid Sicherheit erwartet. Er hat zuverlässig gewirkt, wie jemand, der einen Fünfjahresplan und eine private Altersvorsorge in petto hat. Okay, im Bett ging bei uns nicht gerade die Post ab, aber ich hatte gedacht, dass wir einander zumindest achteten und Freunde wären. Es war idiotisch von mir zu glauben, dass so was eine Rolle spielte.
»Schlampen, die einen auf nett machen, kotzen mich an.«
Zusätzlich zu der Sache mit Reid ist Ashley auch noch mit unseren anderen Mitbewohnerinnen auf und davon, sodass ich gezwungen war, für mein drittes Jahr an der Uni in letzter Minute eine neue Bleibe zu finden. Wenn Jenna mich nicht gefragt hätte, ob ich bei ihr und ihren Freundinnen einziehen wolle, hätte ich mir nicht zu helfen gewusst.
Dieses Erlebnis mit Ashley hat dazu geführt, dass ich gegenüber neuen Mitbewohnern extrem argwöhnisch bin.
Jenna mag lustig sein, doch abgesehen davon, dass wir im Seminar miteinander gelacht und ein paarmal zusammen gelernt haben, kennen wir uns kaum.
Und wenn ich ehrlich bin, macht Clem mir ein bisschen Angst. Harper scheint nett zu sein, wir haben allerdings noch nicht viel miteinander geredet. Außerdem sind die drei schon im vierten Jahr und seit Anfang des Studiums befreundet, und ich bin gerade erst dazugekommen.
Während ich meinen Salat kaue, frage ich: »Warum kann ich dieses Jahr nicht einfach bei dir wohnen? Warum muss ich mir die Wohnung mit Fremden teilen?«
Travis seufzt. »Weil wir in einer puritanischen Gesellschaft leben, die befürchtet, dass mein Penis dich verderben könnte, und Vaginas tun das anscheinend nicht.«
Obwohl ich mir die Hand vor den Mund halte, um meinen Lachanfall zu dämpfen, fliegen ein paar Salatstücke heraus.
Travis greift über den Tisch und nimmt meine andere Hand. »Du kannst immer zu mir kommen und ein paar Tage bei mir wohnen, falls es Probleme geben sollte. Ich weiß, der Westcampus ist nicht so cool wie die schönen Altbauten an der Bay State Road, aber wenn dir das ganze Östrogen zu viel wird, kannst du jederzeit in der Casa de Travis chillen.«
Er und ich haben beide Teilstipendien für Kost und Logis, allerdings nur, solange wir auf dem Campus wohnen. Ich glaube, wir hätten einen Mordsspaß, wenn wir zusammenwohnen würden, aber keiner von uns kann sich die Miete in dieser Gegend leisten.
»Danke. Du bist der Beste. Ich bin sicher, es wird alles gut gehen.« Zumindest hoffe ich das. Ich schnippe einen weiteren Crouton in seine Richtung. »Kannst du dir den Samstagabend für mich frei halten?«
»Klar. Was geht?«
»Jenna feiert eine Party, und weil ich keinen von ihren Freunden kenne, brauche ich Verstärkung. Sie wollen in die Lansdowne Street, und das ist ja sowieso dein bevorzugtes Revier.«
Cages, der Club, der Travis’ Onkel gehört, ist einer der angesagten Läden neben Fenway Park, der sich an der Ostseite des Campus erstreckt. Seit wir an der Uni sind, hängen wir am liebsten dort rum. Dass sein Onkel uns kostenlos reinlässt, ist natürlich ein Bonus.
»Ich bin dabei.« Travis hebt einen Bissen an den Mund, hält dann aber inne. »Vielleicht können wir einen weiteren Punkt auf deiner Liste abhaken.« Er zwinkert mir zu, und ich verdrehe die Augen.
Oh Gott. Ich hoffe, er meint Tanzen auf dem Tresen.
Die ganze Zeit, in der ich auf dem Spielfeld herumrenne, geistert mir die Frage durch den Kopf: Warum zum Teufel bin ich heute Nachmittag nicht gekommen? Dass mein Schwanz weibliche Aufmerksamkeit genießt, sollte vollständige Befriedigung bedeuten. Aber auch mit Natasha ist es gestern Nacht nicht so richtig gelaufen.
Ich versuche, die Befürchtung loszuwerden, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Natasha und ich uns andere Partner suchen. Ich rufe mir in Erinnerung, dass Sex nur Sex ist. Es ist einfach. Biologie. Es gibt keinen Grund, bei dem Thema philosophisch zu werden.
Der Schweiß läuft mir übers Gesicht und brennt mir in den Augen. Der Trainer nimmt uns ziemlich hart ran. Durch das Training während der Saisonvorbereitung sind die Jungs alle gut in Form geblieben, aber das heutige Training fühlt sich an wie ein Tritt in die Eier. Patterson will uns eindeutig klarmachen, wer der Boss ist.
Als ich schließlich daheim bin, will ich nur noch duschen, mir ein Bier schnappen und vor dem Fernseher versacken. Mein Handy leuchtet auf, weil ich eine Nachricht bekommen habe, doch ich kann mich kaum dazu aufraffen, auf den Bildschirm zu schauen. Ein paar Minuten später fängt mein Handy an zu klingeln und hört nicht wieder auf.
»Hast du den Hinweis nicht verstanden? Wenn ich nicht drangehe, heißt das, dass du mich verdammt noch mal in Ruhe lassen sollst«, nuschle ich.
»Sei nicht so ein Arsch, Avery.« Mein bester Kumpel Daren lacht mir ins Ohr. Wir sind befreundet, seit ich denken kann, deshalb ist er wie ein Bruder für mich. Früher waren wir direkte Nachbarn und haben als Kinder quasi im Haus des anderen gewohnt. Nur dass er seinen Eltern nicht scheißegal ist. Ich nehme an, dass er deshalb als aufrechter Bürger gilt und ich derjenige bin, der in der Post die Klatschspalten auf Seite sechs füllt.
Ja, in dieser Stadt ist Daren so was wie ein Heiliger. Es würde mich höllisch schlauchen, wenn er nicht gleichzeitig so sympathisch wäre.
Nur eines stand jemals zwischen uns – er hat meine Schwester betrogen –, und dafür hätte ich ihm fast den Kiefer gebrochen. Wahrscheinlich hätte ich es getan, wenn zwei andere Kerle mich nicht von ihm weggezerrt hätten. Das wäre beinahe das Ende unserer Freundschaft gewesen, aber wir sind beide am Boston College gelandet, er mit einem Vollstipendium für American Football, ich mit einem für Fußball, und irgendwie haben wir unseren Streit hinter uns gelassen. Größtenteils zumindest.
»Gehst du heute noch weg?«, fragt er.
»Ich bin zu müde. Eigentlich wollte ich daheim abhängen.«
»Ich will gleich Essen holen. Ich komme vorbei und wir können Call of Duty spielen.« In typischer Daren-Sloan-Manier fragt er nicht, ob das okay ist.
Eine Stunde später haben wir beide undurchdringliche Mienen aufgesetzt, während ich ihn mit meinem AK-12-Sturmgewehr durchlöchere.
»Scheiße!«, schreit er den Flachbildschirm an.
Zufrieden, weil ich gewonnen habe, lasse ich mich auf mein abgewetztes Ledersofa zurücksinken und grinse. Ich bin nicht blöd, ich weiß, dass die Zeiten, in denen ich gegen Daren anstinken konnte, längst vorbei sind. Daher gönne ich mir einen Moment, um auszukosten, dass ich ihn wenigstens virtuell fertigmachen kann. Früher waren wir beide gleich stark, aber seit wir an der Uni sind, musste er sich für den Football zusätzliche Muskelmasse antrainieren, während der Fußball dafür sorgt, dass ich sehniger bleibe.
»Opfer.« Ich kann nicht anders, als ein bisschen zu sticheln.
»Schau dich mal an.«
»Übrigens, wo ist heute eigentlich deine Wärterin?«
Daren atmet laut aus, doch anstatt seine Freundin zu verteidigen, zuckt er nur mit den Achseln. Er ist mit Veronica zusammen, seit er mit meiner Schwester Schluss gemacht hat, aber seine Beziehung zu ihr ist ein echter Kampf. Ich glaube immer noch, dass er irgendwann verdammt noch mal den Tatsachen ins Auge sehen und erkennen wird, dass Veronica ihn nur will, weil er Geld hat, ganz zu schweigen davon, dass er der Star-Quarterback von Boston College ist. Ihre letzte richtige Trennung ist allerdings zwei Jahre her, deshalb mache ich mir langsam Sorgen, dass er sie tatsächlich heiraten könnte. Ich wüsste allerdings nicht warum. Sie behandelt ihn wie Dreck. Wenn das wahre Liebe ist, halte ich mich wirklich lieber davon fern.
»Hast du an deinem Geburtstag schon was vor?«, fragt er, während er mit einer Hand das Spiel neu startet und sich mit der anderen sein Bier nimmt.
»Ich wollte auf eine Party in der Boston University und dann ins Cages auf der Lansdowne. Komm doch mit.«
Er sieht aus, als würde er kurz darüber nachdenken, ehe er mit den Schultern zuckt. »Ich kann nichts unternehmen, bis die Saison vorbei ist. Der Trainer schneidet mir die Eier ab, wenn ich einen draufmache.« Es hat seinen Grund, dass Daren ein Kandidat für die Heisman-Trophy ist. Der Kerl trainiert wie ein Wahnsinniger. Ich bin schon groggy, wenn ich nur darüber nachdenke. »Im Frühling fliegen wir allerdings nach Maui. Ich lade dich ein. Ein verspätetes Geburtstagsgeschenk zum einundzwanzigsten. Was meinst du?«
»Auf jeden Fall. Hol mich raus aus Boston. Wenn es dieses Jahr wieder so schneit wie letztes, dreh ich durch.«
Ich halte das Spiel an, um mir mehr Essen auf den Teller zu schaufeln, und in diesem Moment höre ich Geschrei.
»Scheiße. Sie sind mal wieder dabei«, stöhne ich. Grund 101, nie zu heiraten: Hannah und Greg.
Ich deute zur angrenzenden Wohnung. Sie waren in den letzten zwei Jahren meine Nachbarn – seit Nick und ich im zweiten Jahr unseres Studiums hier eingezogen sind. »Sie trennen sich.«
Als es einige Minuten später an meiner Tür klopft, zieht Daren die Augenbrauen hoch. »Alter, ich hoffe, du hast mit ihren Problemen nichts zu tun.«
»Scheiße, nein, Mann. Verheiratete Frauen rühre ich nicht an.« Das Gespräch, das ich gestern Abend mit meinem Mitbewohner geführt habe, fällt mir wieder ein. Okay, damit gibt es drei Sorten Frauen, die ich nicht anrühre. Ich mag ein Arschloch sein, aber auch ich kenne Grenzen.
Als ich die Tür öffne, steht Hannah mit ihrer vierjährigen Tochter Chloe da, deren Gesicht tränenüberströmt ist.
»Ist bei euch da drüben alles in Ordnung?« Ich erwähne nicht, dass ich das Geschrei hören kann, doch bestimmt ist ihr das klar.
Hannah nickt und wischt ihrer Tochter mit dem Ärmel das Gesicht ab. »Kann ich dich um einen Gefallen bitten, Jax? Würde es dir was ausmachen, noch mal auf Chloe aufzupassen? Etwa für eine Stunde?«
»Kein Problem.« Ich hebe Chloe hoch und lasse sie auf meinem Arm schaukeln. »Hey Chloe, weißt du was? Ich hab diese Sendung aufgenommen, die du magst. Die mit der Prinzessin, die mit Tieren sprechen kann.«
Das muntert sie sofort auf. »Sofia die Efste?« Sie hat Schwierigkeiten, das R richtig auszusprechen, was sie noch goldiger macht.
»Ja, die müsste es sein. Frag mal meinen Kumpel drüben im Wohnzimmer, der macht sie dir an.«
Ein kleines Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, als ich sie auf dem Boden absetze, und sie wuselt hinüber zum Sofa.
»Danke, Jax.« Hannah sieht erleichtert aus. Ich habe schon ein paarmal ihre Tochter gehütet, als sie einkaufen war. Sie senkt die Stimme. »Ich finde es schlimm, wenn sie uns streiten hört. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du auf sie aufpasst. Dafür backe ich dir noch mehr Kekse, versprochen.«
Ich lache. »Zu Essen sage ich nie Nein, aber das brauchst du nicht. Sie ist ein tolles Kind. Hol sie einfach wieder ab, wenn du so weit bist. Keinen Stress.«
Hannah schließt kurz die Augen. »Du hast was gut bei mir.« Dann dreht sie sich um und geht zurück in ihre Wohnung.
Als ich mich auf dem Sofa niederlasse, hat Daren schon die Sendung für Chloe geladen, aber sie hat sich am anderen Ende des Sofas zusammengerollt.
»Chloe, Mäuschen, hast du Hunger? Magst du was essen?«
Sie macht große Augen. »Ja, bitte.«
Ich schneide ein Stück von einem Sandwich ab, lege es auf einen Teller und schenke ihr dazu ein Glas Saft ein, das ich ihr hinstelle. Während sie nach ihrem Essen greift, schaut sie zu mir hoch und grinst. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich keine Schwäche für dieses Kind habe. Sie ist süß und lustig und ehrlich, wie wahrscheinlich die meisten Mädchen, bis sie erwachsen werden und sich in Seelenfresser verwandeln.
»Chloe, das ist mein Freund Daren.«
Sie beißt von ihrem Sandwich ab und winkt ihm, ehe sie sich wieder mir zuwendet. »Jax, können wir wieder eine Burg bauen? Wenn Sofia um ist?«
»Na klar. Wir können sogar Prinzessin und Ritter spielen. Du bist natürlich die Prinzessin und ich der Ritter. Du darfst sogar auf einem Pferdchen reiten.«
Ich muss lachen, als ich sehe, dass Daren klar wird, dass meine vierjährige Nachbarin ihn demnächst um den Finger wickeln wird.
Eine Stunde später höre ich, wie die Wohnungstür aufgeht.
»Was zum Teufel, Jax?« Nick klingt nicht begeistert.
Ich rufe: »Bitte achte auf deine Wortwahl. Chloe ist bei uns.«
Ich spähe an einem Kissen vorbei, als Chloe und Daren hinter dem Sofa hervorstürmen.
»Tod dem Drachen!«, schreit Daren mit Chloe auf dem Rücken. Sie quietscht, und nichts macht mir mehr Freude als ihr Lachen.
Chloe ergreift ihr Schwert aus Alufolie und pikst damit meinen Mitbewohner, der mir einen bösen Blick zuwirft.
»Das soll ein Notfall sein?«, schnaubt er.
»Was denn? Wir haben einen Drachen gebraucht. Ich bin der Ritter. Daren ist das Pferd. Es fehlt also eindeutig jemand.«
Nick beugt sich hinab und durchwuschelt Chloes blonde Locken. »Na, Kleine? Hast du Spaß mit Onkel Jax?«
Sie grinst zurück. »Ja. Wir haben schon die Burg zurückerobert.«
»Gut gemacht.« Er lächelt sie an und nimmt sich dann einen Augenblick Zeit, um den Schaden zu begutachten, den unser Wohnzimmer genommen hat. Zweifellos stutzt er innerlich, als er sieht, dass ich seine Decke und sein Kissen benutzt habe, um die Burg zu bauen.
»Sorry, Alter.« Ich zucke die Achseln. »Wie gesagt, es war ein Notfall.«
Ich kann die Flüche erraten, die ihm auf der Zunge liegen, aber dann greift Chloe nach seinem kleinen Finger und schenkt ihm ihr zahnlückiges Lächeln, und ich weiß, dass es um ihn geschehen ist.
Nick seufzt und beugt sich abermals zu ihr. »Gut, wo ist das Drachennest, Chloe?«
Sie zeigt zur Küche und beginnt in die Hände zu klatschen, weil sie sich freut, dass er bei ihrem Spiel mitmacht.
»Soll ich wieder die Topfhandschuhe anziehen? Letztes Mal waren das so schöne Drachenkrallen.«
»Ja! Zieh die Handschuhe an!«
Als Chloe davonprescht, um sich in ihrer Burg zu verstecken, nehme ich Nick beiseite. »Tut mir leid, Kumpel. Sie war echt schlecht drauf, weil Hannah und Greg rumgeschrien haben. Ich wollte sie aufheitern.«
Er nickt. »Verstehe.« Er bemerkt, dass ich einen Batman-Umhang anhabe und lacht. »Du gehst echt in die Vollen, was?«
»Ganz oder gar nicht«, gebe ich zurück.
»Das einzige Mädchen, das es geschafft hat, dein Herz zu erobern, ist eine Vierjährige.« Er gibt mir einen Klaps auf den Rücken.
»Na ja, man muss sie einfach liebhaben, oder? Abgesehen davon hat sie den Mist, der gerade in ihrem Leben abgeht, nicht verdient, und wenn ich sie zum Lächeln bringen kann, bin ich vielleicht nicht ganz nutzlos.«
Er hält inne und dreht sich zu mir, um mir in die Augen zu schauen. »Du bist ein guter Kerl, Jax.«
»Verpiss dich.«
Er lacht, als ich ihn gegen den Arm boxe, ehe ich wieder abziehe, um Chloe bei der Befestigung ihrer Burg zu helfen.
»Chloe«, rufe ich, »wenn irgendjemand diesen Drachen töten kann, dann du, Kleine. Bring dein Pferdchen dazu, dass es den Burggraben überquert, und ich helfe dir dabei, das Biest aus seiner Höhle zu jagen.«
Ich wünschte, alle Frauen wären so leicht zu verstehen. Aber ihre Motive sind sonst nie so durchschaubar.
Ich hätte nicht erwartet, an die Worte meiner Mutter denken zu müssen, als ich eine Woche später vor einem Ganzkörperspiegel in einer Boutique in der Newbury Street stehe. Bereue nichts. Ich bezweifle, dass sie dabei etwas Derartiges im Sinn hatte.
»Aber wenn ich mich im Kreis drehe, sieht man möglicherweise meine Muschi.« Mit verschwitzten Händen versuche ich, die Schichten aus rosa Tüll zu bändigen, die unter dem kurzen schwarzen Minirock wippen.
Travis geht hinter mir in die Hocke und schielt. »Ich seh die Muschi, von der du redest, nicht, aber vielleicht kann ich dir helfen.« Er bauscht meinen Rock, als wäre er beleidigt, dass der Stoff ihm die Sicht versperrt. »Schätzchen, versteh mich nicht falsch, aber dieser Hüftslip, den du da anhast, ist echt heiß.« Er gibt mir einen Klaps auf den Hintern, und ich zucke zusammen. »Vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn du ein bisschen was aufblitzen lässt.«
»Aber denkst du nicht, dass Britney es bereut hat, sich unten ohne zu zeigen?«
»Du bist ja unter dem Rock nicht nackt. Du zeigst noch nicht mal deine Schamlippen.«
Ich fahre herum und schlage ihm gegen die Schulter.
»Igitt!«
Er lacht und reibt sich den Arm. »Was? Du hast dir so viel Zeit genommen, um diese Körperregion im Salon behandeln zu lassen, da kannst du sie ruhig etwas entblößen.«
Stöhnend halte ich mir die Hand vors Gesicht. »Lass uns bitte nie wieder über Hollywood Waxing reden. Das hat so scheiße wehgetan.«
Er schlägt die Hand vor den Mund und seine Augen weiten sich. »Wow. Ich hab dich dazu gebracht, ‚scheiße‘ zu sagen. Punkt für Travis.«
»Du darfst mir keine Schönheitsbehandlungen mehr aufschwatzen.«
Er nimmt eine lange Locke meines dunklen Haars, zwirbelt sie mit einer pinkfarbenen Strähne zusammen, hält sie sich an die Nase und schnüffelt daran. Er macht ein Gesicht, als würde er den Geruch mögen. Spinner.
Dann zieht er eine Augenbraue hoch. »Ich finde, du solltest heute Nacht den dritten Punkt auf deiner Liste abhaken. Tanz mit mir, und wir gucken uns den perfekten heißen Typen aus. Wenn er schwul ist, darf ich natürlich zuschlagen.«
Die Vorstellung von einem One-Night-Stand macht mich nervös. Nicht weil mir ein heißer Kerl an die Wäsche gehen könnte, sondern weil ich fürchte, an einen sabbernden Gruseltypen zu geraten, der seine Eier in meine Schuhe stecken will. Einfach irgendeinen Kerl abzuschleppen kann so leicht schiefgehen. Bei meinem Glück lande ich bei einem schlechten Küsser, der Pelz-Fetischist ist.
Ich deute auf Travis. »Wie fürsorglich von dir, einzuspringen, wenn Not am Mann ist.«
»Wofür hat man einen schwulen besten Freund?«
Ich drehe mich um und schiebe die Unterlippe vor. »Warum kannst du nicht hetero sein? Wir wären so ein tolles Paar.«
Er zieht mich an seine Brust. »Ich weiß. Wir wären perfekt. Wir könnten sogar unsere Outfits aufeinander abstimmen, wenn wir zusammen ausgehen.«
»Oh, das würde Spaß machen!«
»Nicht wahr?« Er wirft sein Haar zurück. »Übrigens, frag heute Abend den Typen nicht nach seinem Namen, oder du wirst anhänglich, und das willst du nicht.« Bei ihm klingt es so einfach. Travis lässt mich los, um ein Top von einem Kleiderbügel zu ziehen. Er hält es hoch. »Hier, probier das mal an.«
Nachdem ich mein Oberteil ausgezogen habe, streife ich mir das kleine Spaghettiträger-Top über. Er greift danach und steckt den Saum in meinen Rockbund, ehe er mich auf den Scheitel küsst.
»Superscharf. In diesem rosa Push-up-BH sehen deine Brüste riesig aus.«
»Das ist nur eine optische Illusion. Ich bin klein, deshalb wirken sie verhältnismäßig groß.« Als ich noch geturnt habe, habe ich meine Brüste gehasst. Jetzt finde ich sie nicht mehr so übel.
Während ich die Kleider ausziehe und wieder in meine Jeans und mein T-Shirt schlüpfe, hält Travis sich selbst den Rock an, und ich fange an zu lachen.
»Denkst du darüber nach, in Frauenkleidern zu gehen?« Er würde ein umwerfendes Mädchen abgeben, weil er ein umwerfender Junge ist, aber ich weiß, dass das nicht seiner Neigung entspricht.
Er verdreht die Augen und reicht mir die Kleider.
Als ich schließlich auf das Preisschild schaue, wünsche ich mir, ich hätte es nicht getan. »Mist. Das ist echt teuer. Was mich daran erinnert, dass du mir den Job im Atelier verschafft hast. Danke! Professor Zinzer ist klasse, und dort zu arbeiten wird mich dazu zwingen, aus den Ideen in meinem Notizbuch irgendwas zu machen. Ich glaube, ich werde diese Arbeit lieben.« Wenn da nicht meine blöde Kollegin wäre, die mich jetzt schon für schwach hält. Aber ich freue mich darauf, dort herumzuhängen und die Kreativität der Kunstfakultät in mich aufzunehmen.
»War mir ein Vergnügen. Wenn ich dich schon nicht dazu bringen kann, dein Hauptfach zu wechseln, kann ich dich vielleicht subtiler beeinflussen. Es ist mir schleierhaft, warum du lieber den ganzen Tag mit Anzugträgern rumhängst.«
Niemand versteht, warum ich BWL studiere, nicht einmal mein bester Freund. Ich verstehe es ja manchmal selbst nicht. Auch wenn ich in den Kursen ganz okay bin, hauen sie mich bei Weitem nicht so vom Hocker wie Kunst. Aber was zum Teufel soll ich mit einem Abschluss in Kunst?
Ein BWL-Abschluss wird mir etwas bringen.
Ich habe miterlebt, wie meine Mutter zusammenbrach, nachdem mein Vater uns verlassen hatte. Nein, danke. Ich hab absolut nichts gegen Dates und Liebe und heißen Sex, aber ich muss auch etwas für mich tun, nämlich mir selbst etwas aufbauen.
Mehrere Stunden später, als das Wummern der Musik meine inneren Organe vibrieren lässt, frage ich mich, was zum Teufel ich mir dabei gedacht habe. Travis erzählt mir die ganze Zeit, dass niemand wirklich hinschauen würde, aber das tut er sicher nur, damit ich keinen Rückzieher mache und mich unter einem Tisch verstecke. Irgendwie steht statt »auf dem Tresen tanzen« jetzt »sich in einem Käfig räkeln« auf dem Plan, und seit zwanzig Minuten versuche ich, mich mental darauf einzustimmen.
»Du siehst fantastisch aus, Mädchen.« Travis’ Atem riecht nach O-Saft und Wodka. »Die Strumpfbänder sind der Hammer.« Er greift hinunter und zupft an dem Band, das meine Strümpfe oben hält, und ich gebe ihm einen Klaps auf die Hand.
»Ich sehe aus wie eine Nutte.« Als ich mich in der Wohnung meines Freundes in Ruhe fertig gemacht habe, kam mir das vor wie eine gute Idee – mich aufstylen, in einem verrückten Outfit ordentlich abtanzen und mal ein bisschen aus mir rausgehen –, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Abgesehen von den Trikots, die ich getragen habe, als ich damals geturnt habe, habe ich in der Öffentlichkeit noch nie so viel Haut gezeigt. Ich muss allerdings zugeben, dass mir die Manolos gefallen, die meinen eins sechzig ein paar zusätzliche Zentimeter verpassen.
»Das stimmt, und du siehst verdammt toll aus«, ruft Margo, die ich aus einem Kurs kenne, mir ins Ohr, dass mein Trommelfell fast platzt. »Wann kommen deine Mitbewohnerinnen?«
»Weiß nicht genau«, schreie ich. »Hab sie noch nicht entdeckt.«
