Brain Workout - Arthur Winter - E-Book

Brain Workout E-Book

Arthur Winter

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Beschreibung

Unser Gehirn ist wirklich ein Wunderwerk der Natur. Zu lesen, was die Gehirnforschung über die Arbeitsweise des Gehirns herausgefunden hat, bedeutet aber nicht nur, sich auf eine ungeheuer interessante Entdeckungsreise zu begeben. Es bedeutet auch, den Schlüssel zur Steigerung der eigenen Gehirnleistung in die Hand gelegt zu bekommen. Denn Wahrnehmung, Intelligenz, Kreativität, Ideenreichtum und logisches Denken lassen sich enorm steigern, wenn man weiß, wie! Sowohl von der medizinischen als auch von der mentalen Seite nähert sich dieses Buch dem Thema Leistungssteigerung und zeigt, wie schnell und einfach man auch bis ins hohe Alter klüger, schneller und ideenreicher werden kann - wenn man sich an die Spielregeln hält!

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Seitenzahl: 378

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Arthur WinterRuth Winter

Brain Workout

Für Robin, Craig, Grant, Jonathan, Samantha, Hunter und Katelynd

Arthur WinterRuth Winter

Brain Workout

Gedächtnis verbessern, Sinneswahrnehmung schärfen, Intelligenz steigern

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bringfried Schröder und Marita Kluxen-Schröder

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Nachdruck 2013

© 2001 für die deutschsprachige Ausgabe by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© 1997 by Arthur Winter, M. D., FICS and Ruth Winter, M. S.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Brain Workout“.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Aus dem Amerikanischen: Dr. Bringfried Schröder und Marita Kluxen-Schröder

Umschlaggestaltung: Vierthaler & Braun, München

Satz: Fotosatz H. Buck, Kumhausen

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86882-417-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-436-2ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-872-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

eBook by ePubMATIC.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Gehirnleistung kann man steigern

Das Alter spielt keine Rolle

Funktionen des Gehirns

Wie man sein Gehirn trainiert

2. Sinn und Sensibilität: Wie man die Sinneswahrnehmung verbessern kann

Die Bedeutung Ihrer Sinnesreize

3. Verbesserung der Koordination und der Motorik

Zusammenarbeit zwischen Gehirn und Muskeln

Bedeutung des Kleinhirns

Verbesserung der Koordination

4. Aerobic fürs Gehirn: Übungen, mit denen Sie Ihren Kopf trainieren können

Wechselwirkung zwischen Gehirn und Bewegung

Fitness und intellektuelle Beweglichkeit

5. Feinabstimmung des Gehirns durch Musik

Wie Musik das Gehirn beeinflusst

Verarbeitung von Musik im Gehirn

Psychologische Wirkungen der Musik

6. Wie man die Gedächtnisleistung steigern kann

Gedächtnis und Erinnerungen

Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis

Übungen für Gedächtnistraining

Was Sie noch tun können

7. Verbessern Sie Ihre Lernfähigkeit

Einfluss des Alters auf die Intelligenz

Lerntypen

Übungen zur Verbesserung der Lernfähigkeit

8. Setzen Sie Ihre Kreativität frei

Der kreative Prozess

Linke und rechte Hirnhälfte

Wie Sie Ihre Kreativität steigern können

9. Ernährung und andere Dinge, die das Gehirn auf Trab bringen

Die Wirkung des Zuckers auf das Gehirn

Cholin – Nahrung für das Gedächtnis

Die Bedeutung der Aminosäuren

Vitamine und Gehirnfunktionen

B-Vitamine sind Gehirnvitamine

Die antioxidanten Vitamine und das Gehirn

Multivitamine und das Gehirn

Minerale für die Stimmung und den Geist

Schmerzlinderung durch Ernährung

Koffein

Das Appetitzentrum

10. Schützen Sie Ihr Gehirn vor schädlichen Substanzen

Alkohol und das Gehirn

Lebensmittelzusätze und das Gehirn

Schutz vor toxischen, exzitatorischen Aminosäuren

Lebensmittelallergien

Neurotoxine in der Umwelt

Rezeptpflichtige und nicht rezeptpflichtige Medikamente

11. Substanzen, die den Geist beleben: Auf der Suche nach Mitteln, die das Gedächtnis verbessern

Azetylcholin – Der Botenstoff des Gedächtnisses

Medikamente, die eigentlich für andere Zwecke benutzt werden, aber auch Ihrem Gehirn helfen können

Die Suche nach neuen Medikamenten findet in Ihrem Kopf statt

Rezeptfreie anregende Mittel für das Gehirn

12. Passen Sie auf, dass der Stress keinen Kurzschluss in Ihrem Gehirn verursacht

Die Verbindung zwischen dem Gehirn und dem restlichen Körper

Schmerzstress und das Gehirn

Stress und der Dialog zwischen Herz und Hirn

Gehirn, Herz und Persönlichkeit

Neue Bewusstheit

Methoden der Entspannung und Kontrolle

13. Brauchen Sie professionelle Hilfe?

Was Sie von einer neurologischen Untersuchung erwarten können

14. Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor

Anmerkungen

Glossar

Vorwort

Ich bin Neurochirurg, also eine Art „Gehirnmechaniker“, und repariere seit Jahren beschädigte Gehirne. Viele meiner Patienten waren während ihrer Operation bei Bewusstsein, denn das Gehirn empfindet keinen Schmerz. So waren einige von ihnen tatsächlich in der Lage, sich mit mir zu unterhalten und sich an alles Mögliche zu erinnern, während ich ein Blutgefäß reparierte oder einen Tumor entfernte.

Das menschliche Gehirn hat mich seit jeher fasziniert. Einige Patienten mit schweren Hirnschäden, die gelähmt waren und nicht mehr sprechen konnten, haben erstaunliche Heilerfolge erzielt, weil sie den unerschütterlichen Willen hatten, wieder gesund zu werden. Manche, deren Krankheitsbild bedeutend weniger ernst war, verharrten in einer Art Lethargie und nahmen weder an der Rehabilitation teil noch versuchten sie, ihre intellektuellen Fähigkeiten zu verbessern. Das beweist, dass das Gehirn sich nicht allein auf anatomische Aspekte reduzieren lässt. Motivation und Begeisterungsfähigkeit können scheinbar unüberwindbare Barrieren aus dem Weg räumen.

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Nachlassen der Gedächtnisleistungen und der Intelligenzfunktionen, für die man bisher den Alterungsprozess verantwortlich gemacht hat, größtenteils etwas mit Vernachlässigung zu tun hat. Wenn man sein Gehirn nicht gebraucht, „macht es schlapp“, genau wie ein Muskel.

Mitte der achtziger Jahre haben wir Build Your Brain Power geschrieben. Damals war es noch ein ziemlich neuer Gedanke, dass man das Nachlassen der Intelligenzfunktionen selbst in sehr hohem Alter verhindern oder zumindest verlangsamen kann, indem man bestimmte mentale und körperliche Übungen macht. Wichtig ist dabei, dass man begreift, wie sich unser Verhalten auf unser wichtigstes Organ auswirkt. Seitdem hat man zahlreiche wissenschaftliche Belege gefunden, die diese Theorie stützen.

Eines der fruchtbarsten Forschungsgebiete der jüngsten Zeit bezieht sich auf die Möglichkeiten des Gehirns, und das ist auch die Grundlage dieses Buches. Inzwischen ist klar geworden, dass man sein Gehirn bis zu einem gewissen Grad entwickeln und in jedem Alter fit halten kann. Das Ganze hängt allerdings wesentlich von der Motivation ab – einem Phänomen, das bis jetzt noch niemand so richtig, verstanden hat.

Es gibt jedoch etwas, über das sich die Hirnforscher einig sind – der Mensch benützt nur einen Bruchteil seines wahren Gehirnpotenzials.

Wir wollen in diesem Buch die neuesten Forschungsergebnisse und Techniken beschreiben, mit deren Hilfe Sie Ihr Gedächtnis, Ihre Sinneswahrnehmungen und Ihre Intelligenz verbessern können. Wir hoffen, dass wir Ihnen damit Anregungen geben und Ihnen helfen können, Ihr Gehirn bis zu seiner maximalen Kapazität zu entwickeln, und es auf diesem Niveau zu halten.

Wir können Ihnen allerdings nur mit den Fakten, den Theorien und Techniken dienen – an Ihnen liegt es, was Sie daraus machen!

Arthur Winter, M. D. und Ruth Winter, M. S.

New Jersey Neurological Institute Livingston, New Jersey

1 Gehirnleistung kann man steigern

„Bildung besteht aus einer Modifikation im zentralen Nervensystem. Die einzelnen Zellelemente sind dafür besonders geeignet. Sie sind formbar, insoweit ihre Verbindungen nicht starr fixiert sind, und sie können sich erinnern (...) Und weil die Zellen diese Fähigkeit besitzen, können sie sich an jeweils neue Gegebenheiten anpassen.“1

Dieser Text wurde im Jahre 1895 geschrieben und stammt von Henry Donaldson, Professor für Neurologie an der Universität von Chicago. Was er damals angenommen hat, lässt sich heute immer wieder mithilfe von hoch entwickelten diagnostischen Instrumenten nachweisen:

Man kann tatsächlich seine Gehirnleistung steigern.

Steven E. Peterson, Neurologe an der medizinischen Fakultät der Washington-Universität in St. Louis, und Randy L. Buckner, ein Doktorand, untersuchen das menschliche Gehirn mit einem Positronenemissionstomographen. Dieser PET-Scan ist eine der ersten Methoden, die es den Wissenschaftlern möglich macht, das Gehirn eines lebenden Menschen zu verschiedenen Zeiten und unter unterschiedlichen Bedingungen zu untersuchen. Im Gegensatz zur Computertomographie (CT), mit deren Hilfe man die Form und die Anatomie des Gehirns erkennen kann, zeigt der PET-Scan die biochemischen Vorgänge, die ablaufen, während das Gehirn sich mit der umgebenden Welt auseinander setzt.

Die Wissenschaftler der Washington-Universität erklären dazu: „So wie unsere Muskeln mehr Blut brauchen, wenn sie arbeiten, geht es auch unserem Gehirn. Wenn wir wissen wollen, welche Muskeln beim Heben eines Gewichts gebraucht werden, müssen wir nur jemanden dabei beobachten. Wenn wir wissen wollen, welche Hirnregionen für die Sprache zuständig sind, lassen wir unsere Versuchspersonen einen Sprachtest machen und können beobachten, welche Hirnregionen dabei stärker durchblutet werden.“2

Der PET-Scanner an der Washington-Universität kann aktive Hirnregionen von einer Größe von drei Millimetern erkennen, das entspricht der Größe des Punkts auf einem Würfel. Der Scanner kann sogar Unterschiede zwischen dem Denken der Frauen und dem der Männer erkennen.3

PET-Scan

Positronenemissionstomographie (PET)

Die bildliche Darstellung liefert quantitative Informationen über biochemische und physiologische Prozesse wie Denken, Sehen, Hören, Erinnern, Musik und Sprache.

Marcus E. Raichle, Professor für Neurologie und Radiologie, und seine Mitarbeiter, ebenfalls an der Washington-Universität, haben mithilfe von PET-Scans herausgefunden, auf welche Weise zum Beispiel ein Klavierstück oder ein bestimmter Schlag beim Tennis „automatisiert“ werden. Sie stellten fest, dass ein Mensch, der etwas Neues lernt, dafür einen „neuen“ Schaltkreis benützt, der speziell für neue Aufgaben bestimmt ist. Nach einer gewissen Übungszeit wird das Ganze jedoch auf einen zweiten Schaltkreis geschoben, der sich an einer anderen Stelle befindet und für bereits gelernte Aufgaben zuständig ist. Wenn eine Aufgabe wiederholt wird, wird der Vorgang automatisiert, das heißt, er erfordert nicht mehr so viel Aufmerksamkeit und weniger Aktivität in der Hirnregion, die vorher damit beschäftigt war. In der automatischen Phase werden andere Hirnregionen aktiviert. Bei den untersuchten Personen fand dieser Schaltvorgang bereits nach fünfzehn Minuten statt.

Nach Ansicht der Wissenschaftler zeigt ihre Untersuchung, auf welche Weise sich das Gehirn von Routineaufgaben befreit – so wie man beim Autofahren automatisch im richtigen Augenblick umschaltet. Dadurch werden die Energien für andere Aufgaben frei. Möglicherweise sorgt das Gehirn auf diese Weise dafür, dass der Mensch aufmerksam bleibt – das ist eine kostbare Ressource.

Das Alter spielt keine Rolle

Kann man im PET-Scan einen Unterschied zwischen der Denkweise eines jungen und der eines alten Gehirns feststellen?

Ranjan Duara hat mit seinen ehemaligen Kollegen am National Institute of Health mithilfe eines PET-Scans die unterschiedlichen Stoffwechselvorgänge jüngerer und älterer Gehirne untersucht. Es geht dabei darum, wie viel Energie, in der Regel in Form von Zucker, das Gehirn bei der Arbeit verbraucht. Bei den Untersuchungen wurden den freiwilligen Versuchspersonen zwischen zwanzig und achtzig Jahren zwei radioaktive Substanzen injiziert. Man gab ihnen Ohrstöpsel und verband ihnen die Augen. Sie sollten jedoch nicht einschlafen, sondern sich nur entspannen. Nach fünfundvierzig Minuten mussten sie ihre Köpfe in bestimmte Halterungen legen, die in einen Metallzylinder passten.

Die Versuchspersonen sollten dann eine Reihe von geometrischen Mustern kopieren, und zwar ohne Zeitdruck und ohne in irgendeiner Weise miteinander in Wettbewerb zu stehen. Ihre Aktionen wurden von dem PET aufgezeichnet und die Ärzte konnten beobachten, an welcher Stelle des Gehirns die mit der radioaktiven Substanz markierte Glukose verbraucht wurde. Auf diese Weise ließ sich genau feststellen, welche Hirnregion beim Denken an solche Aufgaben und bei ihrer Erledigung benutzt wurden.4

„Im Ruhezustand ließen sich zwischen den gesunden älteren und den gesunden jüngeren Gehirnen im Hinblick auf den Stoffwechsel keine signifikanten Unterschiede feststellen“, erklärte Duara. „Ein paar Abweichungen wurden eher bei älteren Versuchspersonen beobachtet, aber das war nicht durchgehend der Fall. Einige Männer in den achtziger Jahren hatten genau denselben Stoffwechsel wie die jüngeren, während manche jungen Männer dieselben Veränderungen zeigten, die man in der Regel bei älteren Gehirnen beobachtet.“5

Die Ansichten der Wissenschaftler über das Gehirn haben sich revolutionär verändert. Eine große Anzahl von Experten, darunter Neurophysiologen, die in der Lage waren, eine einzelne Gehirnzelle „sprechen“ zu hören, haben neue Informationen zusammengetragen. Sie haben festgestellt, dass zwischen den Gehirnen gesunder junger und gesunder älterer Menschen im Hinblick auf die funktionale Kapazität nur geringe Unterschiede bestehen.

Das Alter eines Gehirns sagt nichts über seine Intelligenz aus.

Genau wie die Haut im Alter faltig wird, treten natürlich auch im Gehirn typische Veränderungen auf. Der MRI Scan (Kernspin) zeigt, dass es zu einer gewissen Rückbildung kommt. Das Gehirn von Leuten, die über siebzig sind, ist leichter als das eines durchschnittlichen Zwanzigjährigen. Aber auch die Gelenke und Muskeln eines Fünfundvierzigjährigen sind in der Regel nicht mehr so elastisch wie die eines Fünfundzwanzigjährigen. Doch genauso wie der Portugiese Carlos Lopez im Alter von siebenunddreißig Jahren Männer Anfang zwanzig beim Marathon schlagen konnte, können auch ältere Leute, die über die gleiche Grundintelligenz verfügen wie Zwanzigjährige, diese im Wettbewerb übertreffen. Schließlich haben die Senioren ihr Gehirn das ganze Leben lang trainiert und mehr Erfahrungen sammeln können.

Genauso wie wir Falten bekommen und sich andere körperliche Veränderungen zeigen, die mit dem Altern einhergehen, wird jeder von uns von solchen Alterserscheinungen des Gehirns heimgesucht. Der Zeitpunkt und das Ausmaß variieren jedoch von einem zum anderen.

Dieses Phänomen wurde im Jahre 1979 geklärt, als der amerikanische Kongress das Gesundheitsministerium und den Verkehrsminister bat, die Altersregel für Berufspiloten zu überprüfen, nach der sie spätestens mit sechzig in den Ruhestand gehen mussten. Nach zehn Monaten kam dieses Komitee zu dem Schluss, dass „die Variabilität [der Alterungseffekte] innerhalb ein und derselben Altersgruppe häufig genauso groß ist wie die Variabilität zwischen den Altersgruppen und dass man in der Regel in keinem bestimmten Alter einen krassen Rückgang beobachten kann ... Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse liefern Hinweise darauf, dass zumindest einige der zum höchsten Sicherheitsniveau notwendigen Fähigkeiten mit dem Alter abnehmen. Es besteht jedoch innerhalb einer jeden Altersgruppe eine große Varianz zwischen den Einzelpersonen.“6

Die lange gültige Auffassung, dass wir alle mit zunehmendem Alter eine große Zahl unserer Gehirnzellen einbüßen, basierte auf fehlerhaften Untersuchungsergebnissen. Marian Diamond, Professorin für Anatomie an der Universität von Kalifornien erklärte, warum: „Man hat das Gehirn eines gesunden achtjährigen Kindes mit dem Gehirn eines kranken Achtzigjährigen verglichen und dabei eine Verkleinerung der Oberfläche festgestellt. Daraus leitete man dann ab, dass jeder Mensch ab dreißig etwa hunderttausend Hirnzellen verliert. Und die Leute haben das akzeptiert. Aber die untersuchten Gehirne waren inaktiv und degeneriert gewesen, natürlich lässt sich dabei ein Verlust von Zellen beobachten. Wenn man gesunde [ältere] Gehirne untersucht, findet man keinen solchen Abbau.“7

Funktionen des Gehirns

Allein im Hinblick auf sein Gewicht repräsentiert das Gehirn neunzig Prozent des zentralen Nervensystems. Es gibt darüber hinaus noch eine Verlängerung des Gehirns, die im Inneren der Wirbelsäule verläuft, das Rückenmark. Sowohl vom Gehirn als auch vom Rückenmark laufen Nerven zu den Sinnesorganen, also zu Augen, Ohren und Nase. Nerven führen außerdem zu den Muskeln, der Haut und allen anderen Körperorganen.

Eine der Hauptfunktionen des zentralen Nervensystems ist die Kommunikation zwischen seinen einzelnen Teilen und der Außenwelt. Die Signale, die vom Gehirn ausgehen, sind elektrischer und chemischer Natur. In den einzelnen Zellen oder Neuronen laufen die Prozesse vor allem elektrisch ab. Die Signale, die von einem Nerv zum anderen gehen, sind dagegen im Wesentlichen chemischer Natur.

In vielen Disziplinen wurden neue Entdeckungen gemacht, die sich auf das Gehirn beziehen. Alte Überzeugungen und Schlussfolgerungen haben sich als falsch erwiesen. Noch bis vor kurzem hat man beispielsweise geglaubt, die Kommunikation zwischen den Nerven fände ausschließlich an speziellen Verbindungen zwischen den Zellen, den so genannten Synapsen, statt. Inzwischen hat man entdeckt, dass die Nerven nicht nur bestimmte chemische Substanzen produzieren, die an den Nervenverbindungen wirksam werden, sondern dass sie Substanzen absondern können, die durch den ganzen Körper reisen und andere, weit entfernte Nerven beeinflussen. Man hat darüber hinaus auch geglaubt, dass nur eine bestimmte chemische Substanz an einer Synapse wirksam werde. Jetzt hat sich herausgestellt, dass mehrere Substanzen ausgeschüttet und an einer Stelle empfangen werden können. Außerdem war man der Meinung, dass das Axon – jener lange „Draht“, über den das Nervensignal läuft – eine Art Einbahnstraße wäre. Inzwischen weiß man, dass der Signalfluss wie bei einem Telefongespräch in beide Richtungen läuft.8 Früher hat man auch geglaubt, dass die Dendriten, jene Enden, die wie Spinnenbeine von der Wurzel des Nervs ausgehen, nur Signale empfangen können. Inzwischen sieht es so aus, als ob sie auch Substanzen in die entgegengesetzte Richtung ausscheiden können.9

Die revolutionäre Entwicklung der Neurobiologie hat gerade erst begonnen. Die neuen Informationen, die die Menschen über ihr Gehirn bekommen, wachsen so schnell an, dass sie beinahe unsere Vorstellungskraft übersteigen. Eines der wichtigsten und faszinierendsten Ergebnisse ist jedoch, dass ein Schaden am zentralen Nervensystem nicht unbedingt irreparabel sein muss. Die entscheidenden geistigen und motorischen Funktionen können dadurch wiederhergestellt werden, dass die Nerven entweder neue Verbindungen schaffen oder Signale um die geschädigten Zellverbände herum leiten. Außerdem wissen wir heute, dass die Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit kein unvermeidbarer Teil des Alterns ist.

Dr. Diamond, ihre Kollegen und andere Wissenschaftler haben außerdem gezeigt, dass die Neurogliazellen des Gehirns auch im Alter im Hinblick auf ihre Anzahl gleich bleiben und sogar vermehrt werden können, wenn man in einer abwechslungsreichen Umgebung lebt.10

Bei Laborexperimenten mit Mäusen stellte man fest, dass eine derartige Umgebung sogar bei alten Tieren das Gehirngewicht vergrößern kann.11

Untersuchungen über einen langen Zeitraum hinweg haben gezeigt, dass Leute, die sich immer intellektuell beschäftigt haben, ihre Werte in Intelligenztests selbst im Alter von über sechzig Jahren noch verbessern konnten.12

Wie man sein Gehirn trainiert

Wenn man sein Gehirn in Topform halten möchte, muss man es immer wieder vor Herausforderungen stellen. Das ist nicht nur für das gesamte Zentralnervensystem, sondern auch für den Körper von entscheidender Bedeutung. Das Gehirn ist der wichtigste Teil des Zentralnervensystems – sozusagen der Chef des Ganzen. Der Körper kann nur überleben, wenn das gesamte Nervensystem gut versorgt wird. Zu diesem Zweck bringen alle anderen Organe Opfer, damit das Gehirn auch unter großem Stress funktionstüchtig bleibt.

Wir benützen nur einen Bruchteil unserer Gehirnkapazität. Wenn Sie das nicht glauben wollen, sollten Sie sich einmal vor Augen führen, dass man Epileptikern die Hälfte des Gehirns entfernen kann, ohne dass ihre Funktionsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wird. Bei einer Untersuchung von neunundachtzig Patienten, deren Stirnlappen entfernt worden war, waren neunzig Prozent danach anfallsfrei oder hatten bedeutend weniger Anfälle. Fünf Jahre nach der Operation gingen viele der Patienten wieder einer ganztägigen Beschäftigung nach.13 Und nur weil andere Hirnregionen die Aufgaben der geschädigten Areale übernehmen, können sich manche Leute von einem Schlaganfall oder einer schweren Hirnverletzung wieder völlig erholen.

Unser Gehirn ist so perfekt konstruiert, dass es trotz einer Schädigung oder Vernachlässigung über so viel Reservekapazität verfügt, dass wir häufig intellektuelle Ausfälle kompensieren können.

Die gerade entstehende Wissenschaft der kognitiven Rehabilitation kann Menschen helfen, deren Gehirn einen schweren Schaden erlitten hat. Die Wissenschaftler, die daran arbeiten, haben zeigen können, über welche erstaunlichen Fähigkeiten das Gehirn verfügt, um solche Defizite wieder auszugleichen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein gezieltes Training.

Welche Macht ein Gehirn selbst dann noch haben kann, wenn der Körper versagt, hat Kerri Strug, eine schmächtige Turnerin, bei den Olympischen Spielen 1996 bewiesen. Sie machte ihren letzten Sprung trotz einer extrem schmerzhaften Knöchelverletzung. Nach dem Wettkampf konnte sie nicht mehr gehen.

Bei einem schweren und oft tödlichen Schlaganfall, der sich Locked-In-Syndrome nennt, sind alle vier Gliedmaßen und das Sprachzentrum im Gehirn gelähmt. Einige dieser Patienten können genügend Hirnfunktionen wiedererlangen, so dass sie nach der Entlassung ein fast normales Leben führen können.14

Ein amerikanischer Panzerkommandant wurde in Vietnam angegriffen. Er erwiderte das Feuer mit seinem Maschinengewehr. Plötzlich explodierte etwas direkt neben ihm. Erst als er seine gesamte Munition verschossen hatte und einen neuen Gurt suchte, stellte er fest, dass er seine linke Hand nicht mehr gebrauchen konnte. Er hatte durch die Explosion ein Viertel seines Gehirns verloren.15

Ein vierundvierzigjähriger Psychologieprofessor hatte einen Herzstillstand, bei dem die Sauerstoffzufuhr so lange unterbrochen war, dass die rechte Seite seines Gehirns geschädigt wurde. Er wachte im Krankenhaus auf und konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie viele Kinder er hatte. Er dachte, er sei zehn Jahre jünger und konnte den Weg nach Hause nicht mehr finden. Er musste wieder lernen, wie man eine Stereoanlage bedient, einen Wecker stellt, eine Rechenmaschine benutzt und eine neue Rasierklinge in den Rasierapparat legt. Über sieben Jahre arbeitete er hart an sich, dann hatte er seine Defizite überwunden. Heute leitet er an seiner alten Universität die klinische Ausbildung der Psychologiestudenten.16

Eine Genesung von einem schweren Hirnschaden ist also möglich. Intelligenz spielt dabei offenbar eine große Rolle. Am Walter Reed Army Medical Center hat man die Intelligenz von Hirnverletzten aus dem Vietnamkrieg mit den Werten verglichen, die die Männer vor ihrer schweren Verletzung erreicht hatten.17 Die Ärzte, die diese Untersuchungen durchgeführt hatten, kamen zu dem Schluss, dass das Niveau der „Intelligenz und der Erfahrungen“ vor der Kopfverletzung bei der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Je höher der IQ eines Patienten vor der Verletzung ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er bei einem nach der Verletzung durchgeführten Test „einen Verlust an IQ Punkten“ aufweist. Sie stellten fest, dass der Faktor Intelligenz sogar noch wichtiger ist als die Ausdehnung oder Lokalisation der Hirnverletzung.

Ähnliches wird von älteren Menschen berichtet. Je geringer die Bildung, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten der Alzheimer-Krankheit, das jedenfalls berichtet Claudia Kawas, Neurologin an den John Hopkins Medical Institutions.

„Wenn man als junger Mensch die Schule besucht, entwickelt man eine größere Zahl von synaptischen Verbindungen. Es ist durchaus möglich, dass die Symptome der Alzheimer-Krankheit, die später auftreten können, wegen dieser synaptischen Reserve weniger schwerwiegend ausfallen. Es kann jedoch auch ein Zusammenhang mit etwas bestehen, das mit dem Bildungsprozess korreliert, zum Beispiel die bessere Ernährung. Wenn man eine bessere Schulbildung genossen hat, wurde man möglicherweise als Kind auch besser ernährt. Auch das könnte derartige Risiken beeinflussen.“

„Menschen, die in den Genuss einer guten Ausbildung gekommen sind, verfügen darüber hinaus über effizientere Strategien, um die Symptome der Alzheimer-Krankheit zu kompensieren“, berichtet Dr. Kawas.18

Wir stimmen heute mit zahlreichen Forschern überein, dass der Bildungsprozess nicht in der Jugend endet und dass unser Gehirn von Denkübungen profitieren kann. Es verfügt über ein riesiges Potenzial, das wir nicht voll ausschöpfen. Es gibt jedoch dabei ein Phänomen, das weder Neurophysiologen noch Psychologen bisher messen konnten: die persönliche Motivation. Dieser geheimnisvolle Faktor entscheidet oft darüber, ob ein Patient mit einem schweren Hirnschaden Fortschritte macht oder nicht.

Damit Sie alle Ihre Möglichkeiten und alles, was in diesem Buch steht, voll nutzen können, müssen Sie sich selbst motivieren.

Die Motivation ist entscheidend.

Menschen, die in den letzten Jahren einen Hirnschaden erlitten haben, so wie der eben erwähnte Psychologieprofessor, können von denen lernen, die auf dem relativ neuen Gebiet der kognitiven Rehabilitation bereits Erfahrungen gesammelt haben. Die kognitive Psychologie hat sich dabei an den Methoden orientiert, die von Experten entwickelt worden sind, die mit Kindern mit Lernstörungen gearbeitet haben. Auch wir orientieren uns an diesen Methoden, um gesunden Leuten dabei zu helfen, ihr Gehirn „aufzubauen“. Dazu bedarf es einer starken Motivation; man muss immer wieder üben, um die Denkvorgänge zu verbessern.

Der Begriff „Kognition“ wird als Prozess des Aufnehmens und Wissens definiert. Dazu gehören:

Konzentration, auch über einen längeren Zeitraum

Entscheiden, was relevant ist und was nicht

Kodieren und Speichern von Informationen – Gedächtnis

Organisieren und Integrieren

Probleme lösen

Übertragen und Kommunizieren

Kreativität – Entwicklung neuer Möglichkeiten der Nutzung und Verarbeitung von Daten

Man kann seine Erbanlagen oder sein Alter genauso wenig verändern, wie man seinen Knochenbau verändern kann. Aber man kann das Gehirn, das einem mitgegeben wurde, besser ausnützen, denn es bildet sich genau wie ein Muskel zurück, wenn man es nicht ständig trainiert. Wir haben bereits festgestellt, dass unser Gehirn und das periphere Nervensystem gewissermaßen Telefondrähte sind, über die Gespräche hin und her laufen. Eine besondere Reizung führt dazu, dass über diese „Drähte“ ständig Informationen fließen, die die inneren und äußeren Signale auslösen, die für unsere Gedanken und Aktionen verantwortlich sind.

Es ist nie zu spät, ein solches Gehirntraining zu beginnen. Ihr Gehirn und Ihre Nerven können auch im Erwachsenenalter noch repariert und weiterentwickelt werden. In der Treatise on Neuroplasticity and Repair in the Central Nervous System der Weltgesundheitsorganisation steht:

„Die Neuroplastizität betrifft nicht nur die Heilung einer bestimmten Funktion, wenn man diese als eine „Rückkehr zu einem normalen oder fast normalen Leistungsniveau“ nach den ursprünglich destruktiven Wirkungen einer Verletzung des Nervensystems definiert. Sie bezieht sich nicht nur auf die strukturellen und funktionalen Veränderungen der neuronalen Organisation nach einer Verletzung, sondern schließt auch die Fähigkeit des Zentralnervensystems ein, sich an neue physiologische Bedingungen anzupassen, die entweder während seiner Entwicklung und Reifung oder bei der Auseinandersetzung mit der Umwelt entstehen. Die Neuroplastizität besteht daher aus der Fähigkeit des Nervensystems, seine strukturelle Organisation (sowohl im anatomischen als auch im funktionalen Sinn) an neue Situationen anzupassen, die sowohl auf Entwicklung oder Umwelt als auch auf Verletzungen zurückzuführen sind.“19

Ihr Gehirn ist besser konstruiert als jede Maschine auf dieser Welt und ist den Gehirnen anderer Lebewesen weit überlegen. Es kann eine unendliche Menge an Informationen von außen oder innen aufnehmen, speichern und sie sofort bearbeiten. Dabei bedient es sich nicht etwa immer der alten Methoden, sondern probiert auch Neues aus. Es versucht ständig, sich selbst zu verstehen. Ihr Gehirn ist so angelegt, dass es noch eine Menge Platz hat. Man schätzt, dass Sie in einem gegebenen Moment nur zehn Prozent Ihres Gehirns nutzen. Und wie viele andere Menschen behandeln Sie es wahrscheinlich auch schlecht, indem sie es in giftigen Chemikalien baden, ihm die lebensnotwendigen Nährstoffe vorenthalten und ihm erlauben, „schlapp“ zu machen.

In diesem Buch finden Sie Übungen, mit denen Sie verschiedene kognitive Funktionen trainieren können. Außerdem führen wir die dazugehörigen Theorien aus. Sie können Ihr Gehirn dazu benutzen, es zu trainieren und bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit „auszudehnen“.

2 Sinn und Sensibilität: Wie man die Sinneswahrnehmung verbessern kann

Was passiert, wenn man zweiundzwanzig Studenten einzeln in einen dunklen Raum sperrt, wo sie weder etwas hören noch sehen oder riechen können, wo sie nicht einmal ein anderes menschliches Wesen berühren können? Innerhalb einer Woche beginnen alle zu halluzinieren und erleben sonderbare Sinnestäuschungen: Sie riechen etwas Unangenehmes oder hören seltsame Geräusche.

Dr. Donald Hebb von der McGill-Universität in Montreal hat Mitte der vierziger Jahre dieses Experiment durchgeführt.

Später wurden seine Arbeiten durch Dr. John Lilly vom National Institute of Mental Health in Bethesda weitergeführt. Er untersuchte die Auswirkungen der sensorischen Deprivation, indem er seine Versuchspersonen in einen Tank mit lauwarmem Wasser steckte. Sie waren mit Ausnahme einer Gesichtsmaske, durch die sie atmen konnten, vom Wasser bedeckt. Die Symptome, die bei Dr. Hebb nach einigen Tagen auftraten, zeigten sich bei Dr. Lilly bereits nach wenigen Stunden – es war eine Art psychotischer Zustand, von dem sich die Versuchspersonen jedoch sofort wieder erholten, sobald sie den Tank verlassen hatten und ihre Sinne wieder gebrauchen konnten.1

Später wurden auch Augenärzte und Herzspezialisten mit diesem Phänomen konfrontiert. Vor der Entwicklung der modernen Methoden mussten Patienten nach einer Kataraktoperation, bei der die trüben Linsen entfernt wurden, mit verbundenen Augen im Bett bleiben und durften den Kopf nicht bewegen. Viele dieser Patienten – denen jegliche visuelle Stimulation fehlte – erlebten gefährliche halluzinatorische Zustände. Sie waren völlig desorientiert, rissen ihre Verbände ab und versuchten mitunter sogar, sich umzubringen. Heute bleibt das nicht operierte Auge nach einer Augenoperation offen, sodass die Patienten normal leben können.2

Vor gar nicht so langer Zeit stellte man auch Herzpatienten noch völlig ruhig: Sie durften weder Radio hören noch fernsehen oder gar Besuch empfangen. In vielen Fällen endete das mit einer so genannten „Herzpsychose“. Die Patienten verhielten sich völlig irrational und liefen desorientiert auf der Station herum. Viele Ärzte hielten das damals für eine Auswirkung der schlechten Blutzirkulation und/oder des Sauerstoffmangels im Gehirn. Schließlich fand man jedoch heraus, dass diese Herzpatienten – vor allem die älteren – unter so genannter sensorischer Deprivation litten. Als man ihnen erlaubte, Musik zu hören, fernzusehen und Besuche zu empfangen, verschwand die „Psychose“ und sie erholten sich bedeutend schneller.3

Säuglinge und ältere Menschen, die nicht berührt werden, leiden so sehr darunter, dass sie daran sogar sterben können. Wir brauchen den Reiz der Berührung anderer Menschen.

Wenn man beobachtet, wie junge Säugetiere sich an die Mutter, die Geschwister oder an irgendein anderes Lebewesen anschmiegen, erkennt man, welch große Bedeutung diese Stimulation der Haut für die körperliche und seelische Entwicklung dieser Tiere hat.4 Fast jedes Tier lässt sich gern streicheln. Wenn Sie einen Hund besitzen, wissen Sie, dass er davon gar nicht genug bekommen kann.

Auch wir Menschen haben das Bedürfnis, dass man unsere Haut streichelt und unsere anderen Sinne anspricht. Vom Säugling in der Wiege bis zum alten Menschen in den Altenheimen sind alle davon abhängig, dass die Sinne gereizt werden. Jeder braucht das Wissen, das ihm seine Sinne vermitteln – nur so kann das Gehirn gut funktionieren.

Die Bedeutung Ihrer Sinnesreize

Ihr Gehirn und Ihre Nerven haben eine elementare Funktion: Sie helfen Ihnen, Veränderungen innerhalb und außerhalb des Körpers wahrzunehmen. Ihr Nervensystem wertet die Informationen aus, die es von Ihren Sinnesorganen bekommt.

Nehmen Sie zum Beispiel einmal einen Apfel in die Hand.

Woher wissen Sie, dass das, was Sie da in der Hand halten, ein Apfel ist?

Als Sie ihn in die Hand genommen haben, wurden zunächst einmal zahlreiche winzige Sinnesorgane gereizt, die sich in und unter Ihrer Haut befinden. Einige reagieren besonders empfindlich auf Berührung, andere auf Druck und wieder andere auf die Temperatur.

Diese kleinen Sinnesorgane übermitteln dem Rückenmark die Botschaft, dass Sie etwas Kaltes, Rundes und Glattes berührt haben, und das wird dann an das Gehirn weitergeleitet.

Gleichzeitig reizt das Licht, das von der Oberfläche des Apfels reflektiert wird, die Nervenzellen Ihrer Augen, die dann dem Gehirn sofort die Botschaft übermitteln, dass Sie einen roten, glänzenden, runden Gegenstand in der Hand halten.

Ebenfalls gleichzeitig erregen Duftmoleküle, die von dem Apfel abgegeben werden, die winzigen Nervenzellen in Ihrer Nase und sagen Ihrem Gehirn, wie der Gegenstand in Ihrer Hand riecht.

Ihr Gehirn verrechnet dann alle diese Informationen, die Sie ihm blitzschnell übermittelt haben. Und da es schon vor langer Zeit gespeichert hat, dass ein kalter, glatter, glänzender, runder, roter, duftender Gegenstand ein Apfel ist, wissen Sie, dass Sie einen Apfel in der Hand halten.

Das führt uns zu der Überlegung, auf welche Weise wir Informationen sammeln, die von unserem Gehirn verarbeitet werden, und wie man diese Fähigkeit erhalten und sogar noch verbessern kann.

Jede physische Veränderung, die die Sinne beeinflusst – Tastsinn, Hören, Sehen, Riechen oder Schmecken – hat auch Auswirkungen auf das Bewusstsein.

Da gibt es die inneren Wahrnehmungen – Hunger, Durst, Müdigkeit, Puls, Atmung und Schmerz. Eine weitere Wahrnehmung – das Gleichgewichtsgefühl – meldet uns, in welcher Position wir uns im Raum befinden, mit der richtigen Seite oben oder auf dem Kopf stehend. Wieder eine andere informiert uns darüber, was wir gerade tun. Dazu benutzt sie winzige Rezeptoren im Inneren der Muskeln und Gelenke. Die wenigsten von uns nehmen diesen Muskelsinn wahr, aber wir benutzen ihn trotzdem immer dann, wenn wir feststellen wollen, ob wir etwas berühren, das sich im Raum befindet, und wie dieses Etwas beschaffen ist. Hier ein einfacher Versuch, der diesen erstaunlichen, zumeist stiefmütterlich behandelten Sinn gut veranschaulicht.

Testen Sie die Wahrnehmung Ihrer körpereigenen Reize

Übung 2.1: Stellen Sie verschieden große Konservenbüchsen auf die Küchentheke. Schließen Sie jetzt die Augen, heben Sie jede einzelne hoch und ordnen Sie sie nur nach Gefühl von schwer nach leicht. Öffnen Sie jetzt die Augen und überprüfen Sie das Ergebnis. Woher wussten Sie, welche schwerer und welche leichter waren? Sie haben nur die Wahrnehmung Ihrer körpereigenen Rezeptoren eingesetzt.

Nervenenden, die empfindlich auf Bewegung oder Druck reagieren, liegen an strategisch günstigen Stellen tief im Inneren unseres Körpers. Über das Rückenmark versorgen sie das Gehirn mit den entscheidenden Informationen für die Muskelfunktionen, die automatisch den gesamten Körper an die jeweilige Situation anpassen. Sie sind außerdem für die Steuerung unserer inneren Organe zuständig. Sowohl in der Skelett- als auch in der Atemmuskulatur befinden sich solche Propriozeptoren. Sie werden gereizt, wenn der Muskel sich dehnt oder zusammenzieht. Im Inneren dieser Rezeptoren befinden sich spezielle Fasern, die feine motorische Nerven enthalten. Man vermutet, dass sie vom Kleinhirn gesteuert werden. Die Muskeln der Finger und Füße, die komplexe, feine Bewegungen ausführen müssen, haben pro Gramm mehr Muskelspindeln als diejenigen, die für gröbere Bewegungen zuständig sind, wie zum Beispiel die Wadenmuskeln.

Mit zunehmendem Alter verlieren wir möglicherweise einige unserer Propriozeptoren, so zum Beispiel in den Gelenken, die auf eine ganz besondere Weise auf Veränderungen des Winkels zwischen zwei Knochen reagieren. Wenn man Ihnen zum Beispiel eine künstliche Hüfte eingesetzt hat, können Sie immer noch gehen, obwohl die Prothese nicht über die Nervenendigungen verfügt, die vor der Operation für Ihre Körperwahrnehmung wichtig waren. Körper und Gehirn arbeiten zusammen, um einen solchen Verlust wieder auszugleichen, indem sie andere Sinne, wie zum Beispiel den Gesichtssinn, einsetzen. Wenn man sich dann wieder normal bewegen will, muss man üben – der Geist muss stärker sein als die Materie.

Raum und Entfernungen

Wir besitzen außerdem einen geheimnisvollen Sinn für Entfernungen und räumliche Dimensionen. Schon seit langem haben sich Wissenschaftler den Kopf darüber zerbrochen, wie es die Tiere schaffen, sich im Raum zu orientieren. Wie ist es möglich, dass ein Tier neue Wege zu einem bestimmten Ziel findet? Immer mehr setzt sich heute die Auffassung durch, dass das Tier über eine Art „Landkarte im Gehirn“ verfügt, die sich auf das ihm vertraute Gebiet bezieht. Diese Karte kann sich in einem Zentrum befindet, das sich Hippocampus nennt. Dieses „Seepferdchen“ ist für jüngere Gedächtnisinhalte und neu erworbene Verhaltensweisen zuständig. Man hat herausgefunden, dass jede einzelne Nervenzelle des Hippocampus „aufleuchtet“ wie die Glühbirnen auf einer Lichtreklame.5 Jede Zelle hat ihren eigenen Aktionsradius. Wenn diese Zellen in einem bestimmten Muster „eingeschaltet“ werden, bilden sie einen bestimmten Ort auf der Landkarte, so wie die Reklame den Namen eines Stars aufleuchten lässt. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass der Hippocampus zu dem Nervengeflecht gehört, das uns darüber informiert, wo wir uns in einem gegebenen Augenblick befinden.

Da wir uns in vielen verschiedenen Gegenden auskennen, haben Wissenschaftler inzwischen die Theorie aufgestellt, dass die Zellen des Hippocampus zwischen Formen wie Rechtecken oder Zylindern unterscheiden können. Sie reagieren also auf das Panoramabild, können jedoch auch durch eine besondere Form innerhalb des Gesamtbildes „angeschaltet“ werden.

Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, dass sich in unserem Gehirn Landkarten des uns umgebenden Raumes befinden, die uns sagen, wo genau wir uns gerade befinden.6

Fingerspitzengefühl

Übung 2.2: Schließen Sie die Augen und legen Sie die Hände an den Körper. Heben Sie ganz langsam die Arme und führen Sie beide Zeigefinger vor dem Gesicht zusammen. Wiederholen Sie das Ganze vier Mal. Woher wussten Sie, wie Sie die beiden Fingerspitzen zusammenbringen sollten?

Normalerweise trainieren wir unser Raumgefühl nicht, weil wir uns auf unsere Augen verlassen, trotzdem besitzen wir ein solches Gefühl. Wenn wir zum Beispiel durch einen dunklen Flur gehen, ist uns, ohne dass wir etwas berühren müssen, klar, wann der Flur zu Ende ist. Das kann auf reflektierte akustische Reize zurückzuführen sein, auf eine Veränderung des Luftdrucks, oder wir nehmen einen bestimmten Geruch wahr, den die Wand abgibt. Das Raumgefühl ist vor allem bei Blinden sehr gut ausgebildet.

Orientieren Sie sich mit geschlossenen Augen

Übung 2.3: Stellen Sie sich im Abstand von etwa anderthalb Metern vor eine nackte Wand oder eine geschlossene Tür. Schließen Sie die Augen und bewegen Sie sich ganz langsam darauf zu, bis Sie das Gefühl haben, nur noch etwa zwei Zentimeter davon entfernt zu sein. Öffnen Sie die Augen. Wie genau war Ihre Schätzung? Sie können Ihre räumliche Wahrnehmung verbessern, indem Sie hin und wieder die Augen schließen und sich, ohne Wände oder Möbel zu berühren, auf vertrauten Wegen zurechtfinden, zum Beispiel vom Schlafzimmer zum Bad. Räumen Sie zuerst alle Hindernisse beiseite. Dann bewegen Sie sich langsam, achten Sie auf Genauigkeit und stellen Sie sich dabei vor, dass sich blinde Menschen ihr Leben lang so bewegen müssen. Wenn Sie unter Gleichgewichtsstörungen leiden, sollten Sie auf diese Übung verzichten.

Zeitgefühl

Ein weiterer Sinn, den wir zwar oft benützen, der uns jedoch kaum bewusst ist, ist unser Zeitgefühl.

Eine kurze Zeitspanne richtig einzuschätzen ist schwierig, es sei denn, man zählt seinen Puls oder beobachtet bestimmte Veränderungen in der Umwelt. Längere Zeitabstände lassen sich durch Beobachtung der veränderten Lichtverhältnisse, Hungerfühle und andere Körperfunktionen wie zum Beispiel Stuhldrang abschätzen. Trotzdem ist Ihr Zeitgefühl ziemlich genau. Machen Sie einmal folgenden Test: Schauen Sie auf die Uhr. Schließen Sie dann die Augen. Zählen Sie nicht. Sitzen Sie einfach nur still. Wenn Sie glauben, dass drei Minuten vergangen sind, schauen Sie wieder auf die Uhr und kontrollieren Sie, wie genau Ihre Schätzung war. Tun Sie das jedes Mal, wenn Sie irgendwo anstehen oder auf einen Termin warten müssen. Es ist nicht nur ein interessanter Zeitvertreib, sondern trägt auch dazu bei, dass sich Ihr Zeitgefühl verbessert.

Niemand hat alle Sinne voll entwickelt.

Untersuchungen des Nervensystems und des menschlichen Verhaltens weisen inzwischen darauf hin, dass der sensorische Input für eine normale Entwicklung unabdingbar ist. Trotzdem entwickelt keiner von uns seine Sinne voll, so wie wir auch die Möglichkeiten unseres Gehirns nur dann voll zum Einsatz bringen, wenn die Umstände es erfordern.

So konnte zum Beispiel Helen Keller, die blind und taub war, früher als alle anderen ein Gewitter voraussagen. Sie konnte es riechen.

Auch wenn sich die wenigsten Menschen wie Helen Keller auf einen einzigen Sinn konzentrieren müssen, bevorzugen wir in der Regel einen bestimmten Sinn.

Ein Weinkenner kann zum Beispiel oft Lage und Jahrgang des Weins benennen, den er gerade trinkt, so intensiv hat er seinen Geschmack entwickelt. Ein Parfümeur kann, wenn er Ihr Haus betritt, allein durch das Schnüffeln der Luft alle Reinigungsmittel identifizieren und Ihnen sagen, was Sie gestern und vorgestern zum Mittag gegessen haben.

So kann andererseits ein Kunstkritiker ein Bild betrachten, auf dem nur ein paar Farbflecke zu sehen sind, und es sofort als museumsreifes Kunstwerk erkennen. Ein Scharfschütze trifft mithilfe eines Zielfernrohrs selbst auf große Entfernung ein kleines, bewegliches Ziel. Beide konzentrieren sich auf ihren optischen Sinn.

Mögen Sie Musik? Dann bevorzugen Sie wahrscheinlich die beiden Sinnesorgane an der Seite ihres Kopfes, also Ihre Ohren.

Berühren Sie gern Samt? Sind Sie ein „Berührer“?

Eines der faszinierenden Merkmale der Wahrnehmung und der Sinnesfreude ist, dass beide sehr kurz sind. Bei gleicher Reizintensität nimmt die Stärke der Reaktion nach und nach ab. Der Reiz muss variiert werden und dazwischen müssen Ruheperioden liegen, damit die Wirkung nicht nachlässt. Ein beliebter Schlager, den Sie zu Anfang gar nicht oft genug hören konnten, wird auf die Dauer langweilig.

Ermüden Sie Ihre Sinne

Übung 2.4: Drücken Sie den Arm so fest wie möglich gegen die Wand und zählen Sie dabei bis dreißig. Gehen Sie dann weg. Ihr Arm fühlt sich leichter an als gewöhnlich. Sie haben die Nervenzellen ermüdet und ihr Gehirn reagiert jetzt anders.

Kopieren Sie diese Spirale, machen Sie ein Loch in die Mitte, und drehen Sie sie um einen Beistift oder auf einem Plattenspieler und blicken sie dabei starr auf das Bild. Dann schauen Sie auf eine nackte Wand. Was sehen Sie? Die Spirale dreht sich in die entgegengesetzte Richtung. Dieser Effekt hängt vermutlich damit zusammen, dass die Nervenzellen von der Drehbewegung in die ursprüngliche Richtung erschöpft sind und dass dann der „overflow“ des Feuerns der Nervenzellen glaubt, eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung zu entdecken.

Jeder Sinneseindruck wird vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen bewertet. Ein Kind bevorzugt vermutlich die intensivsten neuen Sinneseindrücke, wenn sie dann aber nicht mehr neu sind, empfindet es das Ganze als langweilig. Die Suche nach einer starken Empfindung ist einer der Hauptgründe, warum Leute Drogen nehmen oder ungewöhnliche sexuelle Erlebnisse suchen. Aber diese Suche endet in der Regel nie, denn je intensiver das Erleben ist, umso schneller ist es auch wieder vorbei.

Wenn wir jedoch lernen, unsere Sinne zu modulieren und sie selbst im hohen Alter noch weiterzuentwickeln, steigern wir unsere Lebensfreude und erhalten die normale Funktionsfähigkeit der Zellen.

Eine Abnahme der sensorischen Reizaufnahme aufgrund von Veränderungen in den Sinnesorganen oder sozialer Isolation führt zu einem reduzierten Stoffwechsel und vermindert den Blutfluss im Gehirn.8 Die auf den folgenden Seiten dargelegten Informationen beziehen sich auf Forschungsarbeiten, die zurzeit noch nicht abgeschlossen sind und die sich mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen unserem Gehirn und den Sinnesorganen beschäftigen.

Augentraining

Die Sinnesorgane, die für das Sehen, Hören, den Tastsinn, den Geschmack und Geruch zuständig sind, sind dem Kortex, diesem großen Lappen, der die Oberfläche unseres Gehirns bedeckt, untergeordnet, und ihre Signale werden dort empfangen. Er besteht aus ungefähr zehn Milliarden Nervenzellen – den Neuronen – und der Lappen ist gefaltet, damit er in den Schädel passt. Man hat feststellen können, dass ein Licht, das man über den Kopf hält, die Nervenzellen an einer anderen Stelle aktiviert, als wenn man das Licht unterhalb des Kopfes hält. Genauso aktiviert das Licht direkt vor dem Kopf des Betroffenen andere Teile des Kortex, als wenn man es seitlich platziert. Die Nervenzellen der Sehrinde, also des Teils des Gehirns, der für die Augen zuständig ist, sind hoch spezialisierte Maschinen, deren Aufgabe die Verarbeitung von Informationen ist. Und auch hier werden wir wieder an die Glühbirnen einer Lichtreklame erinnert. So wie die Zellen des Hippocampus als Reaktion auf bestimmte Außenreize „aufleuchten“, reagieren die Zellen der Sehrinde (des visuellen Kortex) in ganz spezieller Weise auf das, was gesehen wird. Und ganz bestimmte Reize können einzelne Zellen „anschalten“.

Die Nobelpreisträger David Hubel und Torsten Wiesel konnten als Erste nachweisen, dass die Nervenzellen im kortikalen Bereich des Gehirns nur durch ganz besondere Merkmale dessen, was das Auge sieht, aktiviert werden können.9 Oft werden diese Zellen durch ankommende Reize aus einem bestimmten Auge stärker erregt als durch die des anderen. Hubel und Wiesel konnten nachweisen, dass sich die Nervenzellen, die das eine Auge vorziehen, im Kortex in einem Cluster befinden, getrennt von den anderen Zellen, die das andere Auge bevorzugen. Außerdem reagieren die visuellen Nervenzellen des Gehirns, die Hubel und Wiesel als Erste entdeckt hatten, am besten auf eine bestimmte Orientierung: Die einen ziehen senkrechte Striche vor, andere waagerechte Konturen, wieder andere scheinen eine Schwäche für die Diagonale zu haben. Aber auch hier liegen die Nervenzellen, die die Dinge in der gleichen Weise „sehen“, im Gehirn auf einem Haufen.

Übungen mit der Taschenlampe

Zweck der folgenden Übung ist es, die verschiedenen Regionen des Gehirns anzuregen, die bei der Wahrnehmung von Licht eine Rolle spielen.

Übung 2.5: Nehmen Sie eine möglichst kleine Taschenlampe, halten Sie sie über dem Kopf und schauen dabei genau nach vorn. Blicken Sie dann nach oben auf das Licht, ohne den Kopf zu bewegen. Senken Sie die Lampe bis unter Ihr Kinn und schauen Sie nach unten auf das Licht, wiederum ohne dabei den Kopf zu bewegen. Zählen Sie bis fünf und schauen Sie dann wieder geradeaus. Bewegen Sie die Taschenlampe zur rechten Seite Ihres Kopfes und halten Sie sie etwa zwölf Zentimeter von Ihrem Ohr entfernt. Schauen Sie jetzt, wieder ohne den Kopf zu bewegen, auf das Licht, zählen Sie bis fünf und blicken Sie dann wieder geradeaus. Wiederholen Sie das Ganze mit der anderen Hand und bewegen Sie die Lampe zum Schluss an die rechte Kopfseite.

Halten Sie die Taschenlampe und verfolgen Sie das Licht, ohne den Kopf zu bewegen. Heben Sie den Arm ganz langsam bis über den Kopf und dann wieder nach unten, bis unter das Kinn. Dann wieder von unten in einem Bogen nach oben. Machen Sie das fünf Mal und nehmen Sie dann die Lampe in die andere Hand und wiederholen das Ganze wiederum fünf Mal. Strecken Sie jetzt den Arm mit der Taschenlampe in Schulterhöhe zur Seite. Bewegen Sie die Lampe ganz langsam in Nasenhöhe vor ihrem Gesicht und strecken Sie den Arm so weit wie möglich über die Schulter hinweg in die entgegengesetzte Richtung. Bringen Sie das Licht langsam wieder zurück, bis Ihr Arm wieder in der Ausgangsposition angelangt ist. Folgen Sie dem Licht nur mit den Augen. Wiederholen Sie die Übung fünf Mal. Nehmen Sie das Licht in die andere Hand und wiederholen das Ganze wieder fünf Mal.

Wiederholen Sie alle Übungen und schließen Sie dabei abwechselnd jeweils ein Auge. Machen Sie das Ganze dreimal pro Woche.

Übung mit Ball und Kordel

Da bestimmte Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Wahrnehmung bewegter Objekte am stärksten vom Alter des Probanden abhängt, ist die Anregung des Gesichtssinns vor allem bei Leuten, die in ihrem Beruf mit bewegten Teilen zu tun haben, die fahren oder fliegen, von großer Bedeutung. Die folgende Übung10 zielt auf dieses Problem.

Übung 2.6: Hängen Sie einen Gegenstand (z.B. einen Ball) in anderthalb Meter Höhe frei pendelnd auf. Lassen Sie ihn so stark wie möglich hin und her schwingen, setzen Sie sich hin und verfolgen Sie ihn nur mit den Augen. Machen Sie das zwei Minuten lang. Stellen Sie dann Ihren Stuhl in eine andere Position und wiederholen Sie das Ganze, aber auch wieder nur zwei Minuten lang. Das verbessert die Fähigkeit des visuellen Verfolgens, genau wie das Zuschauen bei einem Tennisspiel.

Visuelles Scannen

Visuelles Scannen ist bei zahlreichen Tätigkeiten erforderlich. Zum Beispiel beim Erkennen oder Lokalisieren eines Gegenstandes im Raum, beim Autofahren und bei der Arbeit an einer Maschine. Kreuzworträtsel oder Puzzles sind sehr geeignet, um Scannen und Denken zu trainieren. Die folgende Übung soll Ihnen zeigen, wie gut Sie scannen können.

Übung 2.7: Versuchen Sie in weniger als dreißig Sekunden alle S zu finden und durchzustreichen.

Wenn Sie im Wartezimmer Ihres Arztes oder beim Friseur sitzen, können Sie einen Bleistift nehmen und zum Beispiel einen bestimmten Buchstaben auf einer gedruckten Seite eines Magazins ausstreichen. Das ist eine gute Übung.

Visuell-räumliche Orientierung

Diese Fähigkeit wird benötigt, wenn man verschieden geformte Gegenstände in unterschiedlichen Positionen wahrnehmen und erkennen muss.

Übung 2.8: Kreisen Sie die Figuren ein, die gleich sind.

Können Sie Ihren Augen trauen?

Übung 2.9: Was sehen Sie auf dem Bild? Einen Apfelbaum oder eine Mutter mit Kind? Ihr Gehirn nimmt immer jeweils nur ein Bild wahr, also springt das Bild hin und her. Es kann auch sein, dass Sie auf diesem Bild etwas erkennen, das ein anderer nicht sieht. Der berühmte Rorschach-Test ist hierfür ein gutes Beispiel: Die Psychotherapeuten interpretieren, was der Betroffene in einem unregelmäßigen Tintenklecks sieht.

Ignorieren Sie das „Geräusch“