Bretter, die die Welt bedeuten - Jens Peter Burmester - E-Book

Bretter, die die Welt bedeuten E-Book

Jens Peter Burmester

4,8

Beschreibung

Ein kleines, altes Schiff, das viel zu erzählen hat, und ein Mensch, der das Theater manchmal liebt und auch verflucht - das Theater der Häfen, der Winterlagerplätze, der See und das Reale. Nicht die spektakuläre Flucht auf das weite Meer, sondern die mentale Ablösung in den wunderschönen Ecken einer Welt, für die ein solches Schiff ideal ist, erwartet den Leser, der sich von 25 Geschichten mitnehmen lassen will. Einfühlsam, spannend und schmunzelnd erzählt. Endlich ein Buch über Jollenkreuzer – ist das nicht ein Nischenthema? Es stimmt. Doch viele Segler haben auf Jollen und Jollenkreuzern ihre ersten Segelerfahrung erworben, und mancher ist diesen Booten im Herzen auch treu geblieben. Jollenkreuzer, über Jahrzehnte tausendfach beliebte Segelboote, sind aber bisher als Lesestoff absolut unterrepräsentiert, und das ändert sich jetzt: Ein kleines Buch mit 25 Reisen in die Erlebniswelt des "einfachen" Segelns erscheint in diesem Winter: Ein Lesebuch mit einer Sammlung kleiner Geschichten, die Segelspaß und Freude an Holzschiffen gleichermaßen vermitteln, allesamt wahr und vergnüglich, idyllisch oder spannend, die Würdigung eines unvergleichlich echten Segelgefühls. Ganz ohne spektakuläre Atlantiküberquerung geht es hier um die bodenständige Ko-Existenz von purer Freude und Nervenkitzel auf dünnen Planken: Bretter, die die Welt bedeuten können, manchmal auch am Rande der Schwimmfähigkeit. Ein Buch, das selbst ausgewiesenen Landratten Lust auf‘s Segeln macht und altgediente Salzbuckel sich ihrer Wurzeln erinnern lässt. Geschrieben aus einer Perspektive, die vielen Quereinsteigern des vermeintlich so viel komfortableren Wassersports von heute unbekannt sein dürfte und gerade deshalb umso spannender ist.

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Seit Kindesbeinen auf dem Wasser, immer mit dem nötigen Respekt vor den Kräften der Natur und vor der Geschichte des Segelsports, ist das Segeln mit kleinen, traditionellen Holzyachten der bestimmende Faktor im Leben des Autors.

Beinahe 40 Jahre mit kenterbaren Schiffen unterwegs, zum größten Teil auf See, schärften den Blick für die Bedingungen, unter denen ein Segler mit dieser Art von wunderschönen, aber auch verwundbaren, kleinen Yachten sein Hobby ausüben kann.

Herausgekommen ist eine Sammlung durchaus persönlicher, kleiner und doch nicht alltäglicher Begebenheiten.

INHALT

V

ORSPIEL

P

ROBESCHLAG

U

NTERSCHIEDE

K

IELOBEN

H

ERKUNFT

P

HYSIK

G

ÜNSTIG

E

IGENTOR

N

AVIGATION

T

AUFE

G

EFLOGEN

A

NGEBOTE

A

NHANG

N

ACHT

B

EINAHE

F

IGUR

B

ESCHEUERT

L

ANGSTRECKE

V

ERBORGEN

N

ADELÖHR

P

UNKTE

S

ICHT

Ä

NGSTE

S

PÄT

N

ACHSPIEL

VORSPIEL

Zögerlich gleitet der Trailer die Betonrampe hinab, alsbald hat das nasse Element den Spiegel angehoben, Schwertkasten, Vorsteven, alles scheint sich vorsichtig zu benetzen, ehe es das ungewohnte Salzwasser an sich heran lässt. Dabei hat diese klavierhölzerne „Piraten“-Jolle schon manche Ostseewelle geteilt, ist halb rund Fünen und die gesamte deutsche Ostseeküste tapfer hinuntergesegelt, war wochenlange Wohnstatt für die begeisterte Besatzung in mehreren sonnigen Sommern, deren nächster nun folgen sollte. Um die zweite Hälfte der Fünenumrundung zu schaffen, war dieses Mal Mommark als Ausgangshafen erkoren worden, und ein Zugvogel war mit von der Partie, wie im vergangenen Jahr.

Von der ersten Etappe bis Fåborg gibt es aber auch rein gar nichts zu berichten, der Kleine Belt zeigte sich friedlich, Fåborg wie immer heimelig, die Stimmung prächtig und die Wetteraussichten eher gemischt.

Das dicke Ende kam früh – schon am zweiten Tag. Westwind schob unsere Jollen nördlich an Bjørnø vorbei, durch die gefürchteten Tonnenpärchen, neben denen die Gebeine eines gestrandeten Fischkutters ihre bleichenden Knochen in die Sonne reckten, und bei zunehmendem Wind wurde angesichts – gehofft – vorübergehender Ungemütlichkeit die Leemole von Korshavn auf Avernakø angesteuert, gerade rechtzeitig, um sich hinter der schützenden Wand vor einem Schauer wegzuducken. Die innersten Liegemöglichkeiten mit wenig Wasser unter den Rümpfen boten immerhin erfreulichen Schutz vor dem sich aufbauenden Schwell, und etliche „richtige“ Yachten dienten als willkommene Wellenbrecher für unser leichtes Gehölz. Schade nur, dass der Zugvogel einen klappernden Alumast hatte – die Mädchen werden es entsprechend ungemütlich gehabt haben. Weltrekord jedenfalls im Persenningaufbauen, dann Kaffeekochen, Kuchen und Smørkage aus Fåborg, lecker.

Spiele, Lektüre, Dösen, Lachen, Rätseln, Essen kochen, Abwaschen, Reinschiff, Umbauten, Verbesserungen, Reparaturen mit Bordmitteln, Schlechtwetteralltag. So etwas kann Spaß machen, selbst unter der kniehohen Persenning einer Jolle, auch bei Dauerregen und Kuhsturm, so lange der aber bitte schön oben drüber hinwegpustet. Und die Persenning dicht hält.

Der zweite Tag genauso. Der dritte, der vierte. Wetterberichte werden zur Horrorstunde, auch lange vor Mitternacht. Draußen kachelt’s, drinnen – ja, wenn es denn ein „drinnen“ gäbe, ist so langsam alles nass. Handtücher, Kleidung, Schlafsack, Luftmatratze, Brot, Kekse, der Kuchen längst ebenso aufgebraucht wie die gute Laune. Frischwasser geht zur Neige. Hygiene fällt aus, es gibt weder Herzhäuschen noch Polettenautomaten für Duschen, wie gern verflucht diese Dinger, ach, hätte man jetzt doch einen Fünfer für eine Dusche geben dürfen! Es kachelt weiter, blitzt, donnert, hagelt, regnet, stürmt und rüttelt, dass die Stimmung langsam durchsackt. Unseren Nachbarn auf den Kielschiffen mit ihren festen Dächern und elektrischem Licht geht es nicht so rasend viel besser – sie haben kein Wasser unter dem Kiel und stehen im Kraut, die Masten seitlich zum Steg hin abgestagt, damit es kein Kleinholz gibt, wenn die Riggs Mikado spielen. Dazu Ferienende irgendwo und Panik, weil man zu spät nach hause kommt. Panik bei einem, der schließlich mit Gewalt seinen Kahn aus dem Dreck bekommt, alle packen mit an, was hilft’s?

Jeder Fluchtversuch ist zwecklos, für uns wegen der Windstärken, für die anderen mangels Bodenfreiheit.

Spaziergänge kommen in Mode, gut fünf Kilometer entfernt auf der Hauptinsel gibt es einen Kaufmann, der sich über die Umsatzzuwächse freuen kann. Sein Sortiment hält nicht ganz mit, aber es reicht. Der Weg über die Nehrung gegen Wind und Regen ist schon Strafe genug.

Diskussionen keimen auf: Was machen wir nun? Unter Fock ablaufen, irgendwohin, nur „an Land“? Nein, noch ein Tag. Noch drei, insgesamt acht Tage Korshavn ohne So-Zi-Al-Räume, die Folgen äußerlich bald nicht mehr so recht kaschierbar.

Dann kommt eine Tief-Rückseite etwas zögerlicher als die anderen, die Lücken zwischen den Schauern werden länger als gewohnt. Aufbruch, Flucht, oder Aufgabe? Für solche Erlebnisse etwas demotiviert machen wir nach acht Tagen seeklar, seeklarer als sonst noch, gewissenhaft alles stauend und zurrend, lösen wir schließlich die Festmacher und laufen unter Vorsegeln mit Nordnordostkurs auf Fjællebroen zu. Hinter Store Svelmø meint ein Schauer, nach uns greifen zu müssen, aber da haben wir schon den Schutz der hohen Küste. Fjællebroen empfängt uns mit seinen schützenden Molen, die Boote tanzen dennoch in den Boxen Samba. Ganz hinten in der Ecke ist es etwas ruhiger, zu zweit in eine Box, das geht aber auch hier des Schwells wegen nicht.

Vor dem Klubhaus sitzen drei ältere Semester und schauen sich das in Ruhe erst einmal an. Als sie sich von unseren friedlichen Absichten überzeugt und unseren erbarmungswürdigen Zustand erkannt haben, kommt einer von ihnen herüber und gibt uns wortlos einen Schlüssel. Einen richtig zivilisierten Sicherheitsschlüssel. Ich stammele grade eine dänisch versuchte Erklärung von »Eine Woche Korshavn wegen Sturm«, mehr brauche ich nicht zu sagen. »Ihr könnt hier wohnen, kochen, duschen!« Scheint nötig gewesen zu sein…

Kriegsrat. Frust. Abbruch wegen „is nich“. Eine Weltreise wartet auf mich: Bus via Svendborg nach Bagenkop, dann Fähre nach Kiel, Zug nach Hamburg, Auto nach Mommark, dann mit Trailer „oben rum“ nach Fjællebroen, das erste Schiff aufladen und nach Hamburg karren, dann das zweite nach Ratzeburg. Unnötig zu erwähnen, dass am Samstagmorgen um sechs Uhr zwischen Segeberg und Lübeck der Trailer einen Plattfuß haben musste und ein Ersatzreifen nur ausgesprochen schwierig auf einem Schrottplatz zu beschaffen war. Ich weiß nicht, wie vielen brummigen Reifenhändlern ich diesen Samstagmorgen durch frühes Telefonklingeln verdorben habe.

Das war mein Abschied von der Jollen-Tourensegelei – die Suche hatte begonnen. Es folgten zwei sehr informative „Praktika“ in Form einer Woche auf einer 35 Fuß-Charteryacht und einer weiteren Woche per Folkeboot auf der Ostsee, beides bei bestem Jollenwetter – die Welt ist eben nicht gerecht.

Aber ich wusste hinterher: Mein nächstes Schiff musste doch wieder ein Schwertboot sein, aber eines mit festem Dach und fester Koje. So kam ich zum Jollenkreuzer. Meiner INSEL.

PROBESCHLAG

Die Planke biegt sich unter meinen Füßen schon beängstigend, das Knistern ist nicht zu leugnen. Und der Pfahl am Ende ist noch nicht mal halbwegs in greifbarer Nähe. Unter mir im Dunkel gluckst das Schlickloch des Seestermüher Priels, über mir ziehen düstere Schauerwolken über den Nachthimmel, der Wind saust in den Erlen und Weiden, das Schilf rauscht. In der Tiefe ist schemenhaft zu erkennen, wo ich hin will, immerhin geht es um einen Probeschlag mit einem Schiff, das ich nur von einem Foto kenne. Mir waren die Proportionen einer ehedem schönen alten Dame aufgefallen, die mich an die Eleganz eines meinen Schiffsgeschmack wohl lebenslang prägenden, großen Jollenkreuzers vom Ratzeburger See erinnerten. Es waren schon beeindruckende Linien, die die alte C 24 ZEPHYR blitzschnell über die glatten Wasser des Binnensees trug, und nun war die Chance da, für eine überschaubare Summe selbst Eigner einer solchen Schönheit werden zu können.

Aus der Düsternis drang eine Stimme, die mahnte, die Stufen am Pfahl nicht zu verfehlen – danke für den Tipp, dachte ich, und der Freund hinter mir machte mir die vorsichtige Kletterpartie nach. Wie bewegt man sich auf einem unbekannten Deck, wenn man nicht die Hand vor Augen ahnt, weder Schanzleiste noch Reling den leisesten Anhaltspunkt für die Dimensionen begehbaren Untergrundes liefern? Die Erfahrung sagt dem Tastenden, Vorstag – Wanten – Mast und – auf dem Foto war auch ein Handlauf auf der Kajüte zu sehen gewesen, also findet die Hand irgendwie auch das Cockpit und die grüßend gereichte Hand des Schippers. Der ist ein ganz junger Kerl, und er drängt zum Auslaufen, weil nachher das Wasser wieder weg sein wird – Segeln nach der Uhr, ob dunkel oder bei Tageslicht – wir haben Ende Oktober 1985, die „Tagesschau“ ist sicher schon vorbei und es bläst kräftig und ziemlich nass aus West die Elbe herauf.

Das Ablegen geschieht motorlos und weitgehend ohne unser Zutun, als wir aus dem Schatten der Bäume heraus sind und sich die Augen an die Umgebung gewöhnt haben, gewinnen Pagensand und das Elbufer schließlich Kontur, aber da segelt der Jollenkreuzer bereits mit brausender Bugwelle und ordentlich Lage, Wende folgt auf Wende, und ein verirrter Blitz aus der nächsten Schauerwolke gestattet sogar einen gewissen Überblick über die Gegebenheiten an Bord. Positionslichter haben wir nicht, und eine irgendwann irgendwo „gefundene“ Petroleum-Baustellenlaterne spendet bei der Untersuchung des merklich arbeitenden Rumpfes von innen ein wenig Licht, genug jedenfalls, um zu sehen, dass trotz der vielen gebrochenen Spanten noch Form im Schiff zu sein scheint, und genug Zusammenhalt, um die Kräfte des Riggs bei dem herrschenden Wetter zu verarbeiten.

Von draußen ertönt der Ruf »festhalten!« und der Schipper wendet und halst aus Rumpfgeschwindigkeit mit äußerstem Hartruder um reichlich einen Vollkreis über Backbord auf der Stelle, die Warnung galt in erster Linie den in der Kajüte herumfliegenden Tassen und Bechern aus der Kombüse, die der Fliehkraft folgend den Besichtigern um die Ohren klötern. O.k., das Ruder scheint also auch in Ordnung zu sein, sonst wäre das jetzt rasant abhanden gekommen. Jetzt gerät die Dame dank Raumschotskurs erst richtig in Fahrt und im sauberen Glitsch geht es zurück in Richtung Pinnaumündung, das Hundewetter ist uns auf den Fersen, die Böen jagen nass und hart hinter uns her. Dass das alte Schiff, so offensichtlich leicht gebaut, das alles so gut abkann, flößt uns schließlich so viel Respekt ein, dass ich ernsthaft Vertrauen fasse und mich beeile, über die Finanzierung nachzudenken.

Zielsicher steuert der nunmehrige Nocheigner sein Schiff inzwischen auf eine unscheinbare Baumgruppe zu – woran erkennt der bloß die richtige Lücke? Auch mit nach der Innenbesichtigung wieder an die Dunkelheit gewöhnten Augen sind wir heilfroh, dass da jemand diesen Job schon oft genug gemacht zu haben scheint, viel Zeit bleibt nicht mehr, denn der Priel zeigt bereits viel Schlick und wenig Wasser – man kommt gerade noch an den Pfahl, da liegt der Rumpf schon satt auf und rührt sich nicht mehr.

Als wir dann zusammen in der Kajüte den nächsten Regenguss abwarten, sehen wir erstmals in das sehr junge Gesicht des Voreigners, der uns in einer guten Stunde gezeigt hat, was ein alter Jollenkreuzer nachts im Gewitterschauer auf der spätherbstlichen Elbe zu suchen hatte – viele Jahre später sollte derselbe, wie es scheint, eine ganze Generation von Atlantikseglern auf den Planken seiner „Peter“ prägen...

Ich muss nicht mehr betonen, dass ich mit voller Überzeugung diesen Jollenkreuzer allen anderen vorzog und für mehr als 20 Jahre sein begeisterter Eigner blieb. Die viele Arbeit, die investiert werden musste, hat sich immer gelohnt, und unzählige wunderschöne Stunden haben mich immer wieder in dieser Entscheidung bestätigt.

Soll mir doch keiner erzählen, dass man ein Schiff nur im Sommer, nur bei Sonnenschein und nur bei Bft 3 probesegeln kann...!

Herbst 1985: Erstbesichtigung im Seestermüher Priel

UNTERSCHIEDE

Jetzt kreuzte ich auf meinem allerersten Urlaubstörn schon seit anderthalb Stunden von Pøls Huk gegen den Westwind auf und hatte mir gerade ausgerechnet, dass ich ungefähr fünf Mal in der Stunde für fünf Minuten mit der Handlenzpumpe in der Bilge für Klarheit sorgen müsste, um ungeschoren nach Sønderborg zu gelangen. Die Gelting-Syd-Fähre war gerade durch und ich zum x-ten Male auf Nordnordwestkurs, als auch der routinierteste und an segelnde Siebe gewöhnte Segler nicht mehr umhin konnte, sich Gedanken über den Fortbestand des Schiffes zu machen: Das Wasser im Schiff stieg und stieg, und man war geneigt, beinahe eine Art Leck zu vermuten.

Eine rascher Blick in die Kajüte und auf seewassergraues Schimmern zwischen zwei Planken in Lee bestätigte die Notwendigkeit, rasch irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen: Als erste sollte eine Wende folgen, um die Noch-Leeseite des Freibordes inspizieren zu können. Gedacht – getan (viel reden muss man einhand ja nicht!) und auf dem neuen Bug die Schoten moderat dicht, um bei dem unter der Alsenschen Küste etwas ruhigeren Wasser herauszufinden, was Ursache der Flutung sein könnte. Nach dem das unBootmäßig eingedrungene Wasser entfernt und der Puls des Pumpenbedieners ein wenig beruhigt war, zeigte die Inspektion dann haarsträubende Zustände der jetzt luvseitigen Bordwand: Auf wohl bald zwei Metern Länge hatte sich eine ehedem vielleicht mal eingeleimt gewesene Fugenleiste ihrer ursprünglich geradlinigen Erscheinung erinnert und die ihr zugedachte Fuge verlassen Dafür stach sie nun in Fahrtrichtung stachelgleich hervor und vibrierte lustig im Wind. Ungefähr zehn Zentimeter über dem offiziell vorgesehenen Wasserpass. Das war nun kein Spaß mehr, und mit Ignoranz würde ich hier wohl auch nicht mehr weiterkommen.

Hier darf ich einflechten, dass zumindest dieser Jollenkreuzer ein ungewöhnlich gern schnurgeradeaus segelndesFahrzeug war und auch jetzt wie auf Schienen weiterfuhr, ohne dass jemand pausenlos und sensibel die Pinne zu führen hatte. Man konnte beim Einhandsegeln bei festgelaschter Pinne problemlos und ungestört kochen, lesen, Logbuch schreiben und natürlich auch bootsbauliche Arbeiten verrichten. Nun war also letzteres angesagt, und so kroch ich denn bewaffnet mit Hammer, Kupfernägeln und Mut nach vorn auf das Seitendeck, wo ich bäuchlings, bei weitem nicht seelenruhig, aber der Not gehorchend die Fugenleiste wieder in ihre Fuge hinein hämmerte. Sicher ein nettes Bild. Ein paar Nägel noch in die vermuteten Spanten, und schon konnte wieder anständig gesegelt werden. Hoffentlich hat der Leuchtturmpasser von Kegnæs das nicht als Besonderes Vorkommnis im Journal vermerkt.

Gegen Abend und mit einigermaßen trockener Bilge fand ich in Sønderborg im Stadthafen nur schwer einen Liegeplatz, bei den Päckchen hingen keine Fender draußen, und schließlich „nötigte“ ich die Crew einer piekfeinen Faserverbundwerkstoffketsch, endlich Gnade walten und mich an der drei Mal so hohen Bordwand anlegen zu lassen. Natürlich durfte ich mich nicht an meine eigenen, eher rustikalen Fender legen, es mussten die ledergerahmten Edelkissen des Nachbarn sein. Insgesamt war es den Anwesenden sichtlich unangenehm, mich mit dem kleinen, hölzernen und tatsächlich nicht ebenbürtigen Boot neben sich sehen zu müssen.

Der Abend nahm seinen Lauf, und die Leute auf dem Nachbarschiff entwickelten eine unüberhörbare Aktivität, nachdem die bayrische Luxuslimousine samt Chauffeur des noch gar nicht anwesenden Eigners eine neue RADAR-Anlage antransportiert hatte. Diese sollte nun fachgerecht am Besanmast angebracht werden, was ja immer mit allerlei handwerklichem Umstand verbunden ist, insbesondere dann, wenn man schlecht vorbereitet daran geht. Ein Crewmensch hing also im gepolsterten Bootsmannsstuhl im Besantopp und dirigierte die vorgeheißte RADAR-Kiste in die Nähe der Endposition, aber für die