Brief an Lyman - Henry Gerrish - E-Book

Brief an Lyman E-Book

Henry Gerrish

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Beschreibung

Als in den Jahren 1861 bis 1865 der Amerikanische Bürgerkrieg tobte und die Vereinigten Staaten zu zerreißen drohte, kämpften neben gebürtigen Amerikanern auch mehr als eine halbe Million Einwanderer, darunter etwa 200.000 Deutsche, für die Verteidigung ihrer Wahlheimat. Einer von ihnen war Henry Gerrish, geboren am 01. Oktober 1839 als Heinrich Gerisch im Örtchen Jugenheim in Hessen. Im Alter von 17 Jahren machte sich Gerrish auf den Weg nach Amerika, wo er sich in New York niederließ und das Gewerbe des Dekorateurs erlernte. Als Präsident Lincoln im April 1861 75.000 Kriegsfreiwillige zur Niederschlagung der Rebellion zu den Fahnen rief, schloss sich Gerrish Kompanie "A" des 7. New York-Infanterieregiments, aufgrund seines großen Anteils an Deutschen auch "Steuben Guard" genannt, an. In dessen Reihen wurde der junge Soldat unter anderem Augenzeuge des Duells der Panzerschiffe CSS Virginia und USS Monitor, nahm an General McClellans Halbinsel-Feldzug teil und kämpfte in der Schlacht von Antietam, dem bis heute blutigsten Tag in der amerikanischen Geschichte, in der ersten Reihe. Knapp 45 Jahre nach Ende des Krieges brachte Gerrish auf Bitten seines 15jährigen Enkels Walter Lyman Medding seine Kriegserinnerungen zu Papier, welche nun mit dieser Übersetzung erstmals auch in Gerrishs Muttersprache vorliegen. Ein Anhang der Gefechtsberichte des 7. New York-Regiments zu den Schlachten von Big Bethel, der Sieben-Tage-Schlacht, Antietam und Fredericksburg, wo Gerrish nicht zugegen war, ermöglicht einen aufschlussreichen Vergleich zu den Schilderungen des unmittelbar beteiligten Soldaten.

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Seitenzahl: 62

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Henry Gerrish

Brief an Lyman

Ein deutschstämmiger Unionssoldat erinnert sich an den Bürgerkrieg

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Übersetzers

Mein lieber Lyman:

Anhang

Impressum neobooks

Vorwort des Übersetzers

Als in den Jahren 1861 bis 1865 der Amerikanische Bürgerkrieg tobte und die Vereinigten Staaten zu zerreißen drohte, kämpften neben gebürtigen Amerikanern auch mehr als eine halbe Million Einwanderer, darunter etwa 200.000 Deutsche, für die Verteidigung ihrer Wahlheimat.

Einer von ihnen war Henry Gerrish, geboren am 01. Oktober 1839 als Heinrich Gerisch im Örtchen Jugenheim in Hessen. Im Alter von 17 Jahren machte sich Gerrish auf den Weg nach Amerika, wo er sich in New York niederließ und das Gewerbe des Dekorateurs erlernte. Als Präsident Lincoln im April 1861 75.000 Kriegsfreiwillige zur Niederschlagung der Rebellion zu den Fahnen rief, schloss sich Gerrish Kompanie "A" des 7. New York-Infanterieregiments, aufgrund seines großen Anteils an Deutschen auch „Steuben Guard" genannt, an. In dessen Reihen wurde der junge Soldat unter anderem Augenzeuge des Duells der Panzerschiffe CSS Virginia und USS Monitor, nahm an General McClellans Halbinsel-Feldzug teil und kämpfte in der Schlacht von Antietam, dem bis heute blutigsten Tag in der amerikanischen Geschichte, in der ersten Reihe.

Knapp 45 Jahre nach Ende des Krieges brachte Gerrish auf Bitten seines 15jährigen Enkels Walter Lyman Medding seine Kriegserinnerungen zu Papier, in denen er einen ungeschönten Einblick in das Leben des einfachen Infanteristen gewährt. Auch wenn Gerrish nach erschöpfenden Märschen, mangelhafter Verpflegung, dem Grauen der Schlachten und dem Erleiden einer nie völlig verheilten Wunde glücklich war, seine Dienstzeit zu beenden, hat er diese doch nie bereut und er schärfte seinem Enkel ein, niemals zurückzuschrecken, sollte es an ihm sein, die Geschicke seines Landes zu formen. Diesen Ratschlag nahm sich Lyman offenbar zu Herzen: Er kämpfte in beiden Weltkriegen sowie dem Koreakrieg und stieg in den Rang eines Obersten auf.

Diese Übersetzung wahrt die sprachlichen Eigentümlichkeiten des Autors, soweit diese dem Lesefluss nicht entgegenstehen. Grammatische Fehler, die der deutsche Muttersprachler in sein Englisch hineintrug und niemals völlig ablegen konnte, wurden bei der Übersetzung ins Deutsche nicht künstlich nachgeahmt und stillschweigend korrigiert, ebenso die dem zeitlebens in New York und Massachusetts lebenden Gerrish wenig vertrauten und häufig falsch geschriebenen Namen der Ortschaften und Flüsse Virginias. Inhaltliche Ungereimtheiten werden möglichst unaufdringlich innerhalb des Textes erläutert.

Florian Dexheimer

Mein lieber Lyman:

Deinen Wünschen entsprechend erachte ich es als ein großes Vergnügen, dir einen Eindruck von meiner Kindheit und dem Armeeleben zu vermitteln. Geboren wurde ich am 01. Oktober 1839 in Jugenheim, einer Stadt in Hessen-Darmstadt, Deutschland. Von den neun Brüdern und Schwestern war ich der Fünfte. Wir waren fünf Jungen und vier Mädchen. Von meinem 14. Lebensjahr an musste ich 18 Stunden am Tag am Arbeitsplatz meines Vaters, einer Öl- und Mehlmühle, arbeiten, was ich überhaupt nicht mochte, da es schmutzige, schmierige und zudem noch gefährliche Arbeit war. Als sehr kleiner Junge hegte ich eine große Bewunderung für Soldaten – für ihre hübsche Kleidung, ihre Waffen, ihre Pferde, usw. Wir besaßen unter anderem zwei alte, schwer mit Messing besetzte Steinschlossmusketen. Eine war fast immer geladen und hing neben dem Bett meines Vaters und er feuerte sie ungefähr drei- bis viermal im Jahr ab. Beide Gewehre waren gegen Napoleon I. in der Schlacht von Waterloo benutzt worden. Da dasjenige, das nicht geladen war, in dem Raum stand, in dem ich und einer meiner Brüder schliefen, polierte ich es für gewöhnlich und hielt die alte Waffe in einem guten Zustand. Da es eine Steinschlosswaffe war, verbrachte ich viele vergnügliche Stunden damit, mit dem Zuschnappen des Schlosses eine große Menge Funken zu erzeugen.

Als ich 17 Jahre alt war, verließ ich mein Zuhause, um mein Glück in Amerika zu versuchen. Ich verließ die Heimat Mitte April, blieb drei Tage in Paris und ungefähr drei Tage in [Le] Havre, Frankreich, von dessen Hafen aus ich an Bord eines amerikanischen Segelschiffes namens „Progress“ segelte, welches für die Reise nach New York City 21 Tage benötigte. Ungefähr eine Woche nach meiner Ankunft erhielt ich die Gelegenheit, das Gewerbe des Dekorateurs für 2 ½ Dollar pro Woche zu erlernen. Ich begann im Mai des Jahres 1857, mein Handwerk zu erlernen und es begab sich, dass, gerade als ich meine Lehrzeit beendet hatte, der Krieg zwischen dem Norden und dem Süden ausbrach. Dies war 1861, im April.

Als Lincoln 75.000 Freiwillige zu den Waffen rief, war ich dabei und schrieb mich sofort bei den 7. New York Freiwilligen ein. Dieses Regiment bestand ausschließlich aus jungen Männern zwischen 21 und 25 Jahren, alle Deutsche, jedoch sprachen wir alle Englisch. Die meisten unserer Offiziere waren bereits kampferfahren und einige hatten schon in Schlachten in ihrem Heimatland gefochten, weswegen sie bei frischen und unerfahrenen Truppen sehr beliebt waren. Mein Regiment wurde am 23. April 1861 vereidigt und wenige Tage später erhielten wir unsere Musketen, Bajonette, Patronen, usw. Die Musketen waren beträchtlich länger und schwerer als die der heutigen Soldaten. Es waren Vorderlader. Patronen waren reichlich vorhanden und ihre Papierhülsen waren von guter Qualität. Jedes Geschoss bestand aus einer runden Kugel und drei kleinen Kügelchen, etwa von der Größe einer mittelgroßen Erbse. Um die Musketen zu laden, mussten wir das Papier von der Patrone abbeißen, danach wurden Schwarzpulver, Papier und die Kugeln mit einem langen eisernen Ladestock den Lauf hinunter an die richtige Stelle gerammt. Beim Feuern musste man eine stabile Haltung einnehmen oder man wurde vom Rückstoß niedergestreckt. Diese Gewehre waren sehr gefährlich und zerstörerisch und auf eine Distanz von ungefähr 125 Metern konnte eine prasselnde Salve viele töten und verwunden.

Wir brachen Anfang Mai an Bord eines großen Dampfschiffes zum Kriegsschauplatz auf und warfen nach einiger Zeit nachts den Anker vor Fortress Monroe. Am nächsten Tag wurden wir 15 Kilometer weiter geschickt und gingen bei Newport News an Land. Während wir uns diesem Ort näherten, begrüßten die Rebellen unseren Dampfer mit ihren Geschützbatterien von Sewell`s Point aus, aber ihre Kugeln kamen etwa 100 Meter zu kurz und trafen uns nicht. Als wir bei Newport News an Land gingen, gab es in der ganzen Umgebung nur eine alte Windmühle und eine kleine Farm. Ein Ort namens Hampton, 15 Kilometer nordöstlich und ein Ort namens Yorktown, den James River hinauf, waren beide von den Rebellen besetzt. Nun machten wir uns ernsthaft an die Arbeit, Gräben auszuheben und Feldbefestigungen zu errichten und zwischen all dem Graben, Auffüllen, Umherkarren, dem Wachtdienst und den lebhaften Moskitos hatten wir nicht viel Freizeit. Nach einer Weile kamen weitere Truppen an Land und unsere Arbeit wurde ein wenig leichter.

Nachdem wir etwa drei Monate hier verbracht hatten, wurden wir in einer Nacht gegen 00.00 Uhr aus unseren Zelten geholt und machten uns bereit für einen Nachtmarsch, um ein Lager der Rebellen zu verwüsten oder zu erobern. Meine Kompanie (Kompanie "A") und Kompanie "B" führten eine 6-Pfünder-Kanone mit uns sowie sechs Artilleristen der regulären Armee, die diese Kanone bedienen sollten. Wir hatten keine Pferde, also mussten wir das Geschütz mit Seilen selbst ziehen. Vier Kompanien waren auf der Straße etwa einen Kilometer zu unserer Linken unterwegs und hatten ebenfalls eine Kanone bei sich. Wir marschierten dreieinhalb Stunden lang, obwohl unsere Marschroute kürzer war als die derjenigen zu unserer Linken, jedoch mussten wir unsere Kanone häufig aus dem Schlamm ausgraben.