Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck - Willi Franck - E-Book

Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck E-Book

Willi Franck

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Beschreibung

Das Deutsche Kaiserreich war im geschwächten China der Jahrhundertwende gemeinsam mit anderen europäischen Mächten mit der kaiserlichen Marine präsent. Willi Franck versah als 1. Offizier auf dem Kanonenboot TIGER seinen Dienst. Über den Yanktsekiang unternahm man Reisen tief ins Innere Chinas, nach des Kaisers Musterkolonie Tsingtau und nach Japan. Darüber berichtet er seinen Eltern in Pinneberg in vielen Briefen. Diese Briefe enthalten sehr interessante Schilderungen aus der noch heilen "guten alten Zeit" vor dem Weltenbrand des alles Hergebrachte brutal zerstörenden großen Krieges, den "Willem zwo" und seine Berater so leichtfertig mit verheerenden Folgen für Deutschland vom Zaune brachen. - Aus Rezensionen: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Willi Franck

Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck

Band 94 in der maritimen gelben Reihe bei Jürgen Ruszkowski

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Anmerkungen des Enkels

Vorwort der Tochter

Georg Wilhelm (Willi) Franck – Lebensstationen

Georg Wilhelm Franck – Briefe 1907 aus Ostasien

Reise von Shanghai auf dem Yangtsekiang ins Innere Chinas

Hongkong – Macao – 1907

Nagasaki – 1907

Tsingtau – 1907 – Reise nach Tschifu und Port -Arthur

Fahrt von Tingtau über Futschau nach Hongkong – 1908

Zweite Yanktse-Fahrt Frühjahr 1908

Nagasaki – September 1908

Heimreise nach Deutscland mit Reichspostdampfer „LÜTZOW“

Deutsche Post in China

Anlaufstationen S.M.S. „TIGER“ in China

S. M. Kanonenboot „TIGER“

Kleiner Kreuzer SMS „ARIADNE“

Die maritime gelbe Buchreihe

weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig bis zu 140 Betten.

In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“: Seemannsschicksale.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.

Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage nach dem Buch ermutigten mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

Zu den von mir bevorzugt gelesenen Büchern gehören Auseinandersetzungen mit der Zeitgeschichte und Biographien. Menschen und ihre Geschichte sind immer interessant.

Dieser neue Band 94 enthält die Briefe des im August 1914 gefallenen Wilhelm Franck von seinen Reisen auf Schiffen der Kaiserlichen Marine in Fernost in den Jahren 1907-08. – Siehe auch Band 93 mit Briefen von Willi Franck aus den Jahren 1895 bis 1902.

Nach Absprache mit dem Autor (dem Enkel des Briefschreibers) werden die Briefe in der damals üblichen Original-Rechtschreibung belassen – also beispielsweise thatsächlich – Photographie – Thiere – Besitzthum – daß statt dass.

Die im Printbuch zahlreich vorhandenen Fußnoten sind im ebook aus technischen Gründen kursiv in Klammern in den Text eingefügt.

Hamburg, 2017 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz des Herausgebers

Von hier aus betreibe ich meinen Hobby-Verlag, verpacke und verschicke Bücher und gestalte meine Internet-Websites.

www.maritimbuch.de

https://sites.google.com/site/maritimegelbebuchreihe/band-92-kaiserliche-marine

https://sites.google.com/site/ruszkowskijuergen/

https://sites.google.com/site/ruszkowskijuergen/himmelslotse

Anmerkungen des Enkels

Burkhart Franck, Am Krähenberg 19 c, D-14548 Schwielowsee OT Caputh – hat die in Kurrentschrift verfassten Briefe seines

Großvaters Georg Wilhelm Franck transkribiert und digitalisiert und stellt die historisch sehr interessanten Texte hier einer breiteren Öffentlichkeit vor.

Bereits 1900/1901 hatte unser Großvater Georg Wilhelm („Willi“) Franck im Dienstgrad Leutnant und Oberleutnant ein Kommando beim Ostasiatischen Kreuzergeschwader gehabt. Die vorliegenden Briefe berichten von seinem zweiten Ostasien-Kommando, nun als Kapitänleutnant und Erster Offizier auf dem Kanonenboot „TIGER“.

S.M.S Kanonenboot TIGER

Sie decken nicht die ersten 10 Monate vom Mai 1906 – März 1907 ab, in denen er in Hongkong, Nagasaki, Kobe Tsingtau und Indochina war, sondern setzen erst danach ein.

Die Briefe sind in der „Deutschen Kurrentschrift“ geschrieben und waren gut zu transkribieren. Kleine Fehler und Auslassungen habe ich beibehalten; nur wenn das Verständnis es erforderte, habe ich eine Korrektur in Klammern eingefügt. Die geographischen Anmerkungen habe ich zum großen Teil Meyers Großem Konversationslexikon 6. Aufl. (1907–1909) sowie Meyers Reisebuch „Weltreise“ Erster Teil von 1912 entnommen. Für die chinesischen Ortsnamen benutzt WF manchmal die englische, meist aber die damals in Deutschland übliche Schreibweise, die ich auch für die Skizzen im Anhang verwandt habe.

Willy Francks Fotografien sind nur zum kleinen Teil erhalten und mit WF gekennzeichnet. Die übrigen Abbildungen habe ich überwiegend dem Internet entnommen.

Folgende Publikationen sind von besonderem Interesse:

Otto Schulze: Briefe aus Tsingtau 1906-08. Band 78 in der maritimen gelben Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“, Hrsg. Jürgen Ruszkowski, o. J. Oberzahlmeister O. Schulze beschreibt seine Eindrücke von der ersten hier beschriebenen Yangtse-Fahrt auf S.M.S. TIGER.

Kirchhoff, Hermann: „Otto Weddingen und seine Waffe. Aus seinen Tagebüchern und nachgelassenen Papieren“, Berlin 1915. Der im Ersten Weltkrieg als U-Boot-Kommandant berühmt gewordene und 1915 gefallene Otto Weddingen beschreibt hierin u. a. seine Zeit als Oberleutnant an Bord S.M.S. „TIGER“ von Juni – September 1907.

Eberspächer, Cord: Die deutsche Yangtse-Patrouille. Deutsche Kanonenbootpolitik in China im Zeitalter des Imperialismus 1900-1914. Bochum 2004. Es handelt sich um die bisher einzige umfassende Darstellung zu dieser Thematik.

Burkhart Franck

Vorwort der Tochter

Diese Briefe hat mein Vater Willi Franck, Pinneberg – gefallen 28.8.1914 (SMS „ARIADNE“) – an seine Eltern geschrieben. Die Großeltern Franck schenkten sie später meiner Mutter, Ottilie Franck. Es existieren Fotos aus der Zeit in Ostasien (Album).

Meine Mutter hielt dieses Heft, von meinem Vater sorglich gebunden, sehr in Ehren.

Im Frühjahr 1945 – meine Schwester Marianne W. Franck war aus dem Osten geflohen und lebte in der Zeit in Dithmarschen – schickte Mutter dies Büchlein zu ihr, um ihr eine Freude zu bereiten. Es erreichte sie nicht – die Kriegswirren hatten es verschluckt.

Im Herbst geschah das Wunder – das Büchlein war wieder da. Es wurde in Itzehoe von einem Berliner Feuerwehrmann gefunden und abgeliefert!

Schreiben Otto Kählers zum Wiederauffinden der Briefe

Er lieferte es bei einem Oberst ab, der es meinem Onkel Otto Kähler gab. Otto Kähler – Rechtsanwalt – war der Schwager meines Vaters.

Das ist die Geschichte dieses Büchleins.

Brigitte Claussen geb. Franck

Pinneberg den 16.05.1985

Georg Wilhelm (Willi) Franck – Lebensstationen

1877 Geburt in Köln als Sohn des Hauptmanns a. D. Franz G.

W. Franck und seiner Frau Anna geb. Wieck

1894 Kadetteneintrittsprüfung bei der Marine-Akademie in

Kiel,

1895 Dienstantritt, infanteristische Ausbildung an der

Marineschule Kiel

Ausbildung auf dem Kadetten-Schulschiff „STOSCH“,

Mittelmeerreise

Patent als Seekadett

1896 Ausbildung auf dem Kadettenschulschiff „GNEISENAU“

1897 Ausbildungskurs auf dem

Torpedoschulschiff „BLÜCHER“

Zugführerkurs auf dem Artillerieschulschiff „MARS“

1898 Offizierausbildung an der Marineschule Kiel

Rekrutenausbilder beim II. Seebataillon Wilhelmshaven

2. Torpedooffizier auf dem Linienschiff „WOERTH“

Beförderung zum Leutnant z. S.

1899 Kommandierung zur II. Torpedoabteilung

Einsatz auf „D 2“ und „D 6“, Probefahrten mit „S.90“

1900 Bordkommando auf „S.92“

Transportleitung auf D. „HALLE“ in Ostasien

Bordkommando auf Gr. Kreuzer „HANSA“ in Ostasien

und Australien

Beförderung zum Oberleutnant z. S.

1901 Bordkommando auf Kl. Kreuzer „AMAZONE“

1903 Artillerieoffizier auf Kl. Kreuzer „FRAUENLOB“

1903 Bordkommando auf Küstenpanzerschiff „FRITHJOF“

1906 Patent zum Kapitänleutnant

1906 I. Offizier auf dem Kanonenboot „TIGER“,

Einsatz in Ostasien

1909 Landkommando in Wilhelmshaven,

Vermählung mit Ottilie Jessen

1913 Navigationsoffizier auf dem

Linienschiff „HELGOLAND“

Beförderung zum Korvettenkapitän

1914 Verabschiedung, Stellung zur Disposition

August 1914 Reaktivierung als I. Offizier auf dem Kleinen Kreuzer

„ARIADNE“ –gefallen im Seegefecht vor Helgoland

Willi Franck inmitten der Offiziere des Kanonenbootes SMS „TIGER“ anlässlich des Kommandantenwechsels vor der Baracke auf der Teufelsinsel vor Tsingtau 1907

Hintere Reihe: Oblt. Dümmler – ObZhlm Behrens – StArzt Dr. Arndt – Ing. Schmidt – Oblt. Eckerlin

Vordere Reihe: Lt. z. S. Jehan – KptLt Franck – Oblt. Doflein

Im Hintergrund das Messefenster.

Georg Wilhelm Franck – Briefe 1907 aus Ostasien

Willi Franck ca. 1906 als Kapitänleutnant

Inhalt – Zeitraum

Schanghai 27.03. – 13.05.1907

Yangtse-Fahrt 14.05. – 01.06.1907

Schanghai 02.06. – 05.07.1907

Yangtse-Fahrt 08.07. – 31.07.1907

Fahrt nach Hongkong 05.08. – 01.10.1907

Nagasaki 09.10. – 26.10.1907

Port Arthur 27.10. – 14.11.1907

Tsingtau und Lauschan 15.11. – 30.12.1907

Fahrt nach Hongkong 02.01. – 13.02.1908

Yangtse-Fahrt 01.03. – 31.05.1908

Tsingtau und Schanghai 01.06. – 01.07.1908

Yangtse-Fahrt 03.07. – 03.09.1908

Nagasaki 05.09. – 15.09.1908

Abschied und Heimfahrt 28.09. – 16.10.1908

Anhang Dt. Post in China

Anhang Chinesische –Anlaufstationen

AnhangYangtsekiang – Anlaufstationen

Anhang Kanonenboot „TIGER – Daten

Shanghai, den 27. III. 1907

Liebe Eltern!

Seit heute beginnt für uns die ruhige Liegezeit in Shanghai; wir sind zu den Osterfeiertagen von unseren Schießübungen auf dem Yangtse hierher zurückgekehrt und bleiben wenigstens bis ca. 5. Mai, hoffentlich bis Ende Mai hier. Das Schiff hat Erholung gut nötig, die ewige Fahrerei bringt viel Schmutz an Bord und manche Schäden zum Vorschein. In 4 Wochen stehen wir vor der Jahresbesichtigung, da muß bekanntlich nicht nur die Mannschaft sondern auch das Schiff tiptop in Ordnung sein; da wirds noch allerhand zu thun geben, was bisher aufgeschoben wurde, und wenn nach Ostern die Briefe spärlicher fließen oder aufhören, so haltet es diesem zugute.

Es waren schlechte Tage in dieser Woche, Wind und Regen, dem Schießen nicht günstig. Gestern endlich kam ein besserer Tag, der bis spät in die Nacht ausgenutzt wurde; zur Belohnung konnten wir heute nach Shanghai zurück, nachdem mir allerdings das Anbordnehmen unserer selbst gebauten Scheibe reichlich Schwierigkeiten gemacht hatte. Umso schöner, wenn man´s hinter sich hat.

Neulich schrieb mir jemand aus Kiel, sie entbehre doch wohl das gesellschaftliche Leben Berlins; das sollte mir Leid thun. Jetzt hat sie´s in mancher Hinsicht ja noch gut, aber wenn die Kommandierungen kommen! (Bei Euch sind sie ja schon da und schon in Kraft.) Wie steht es denn damit? Auch darüber schwirren hier verschiedene Gerüchte aus Kiel. Ja, wenn dieser Brief Euch erreicht, ist nun wirklich schon ein Jahr seit meiner Ausfahrt verflogen! Ob das 2. ebenso interessant werden wird? – Eben wird nochmal Post gemeldet, französische; ich dachte ich hätte sie schon; ich habe wirklich noch zu viel zu beantworten. Wirklich.

Tante Emma und Tante Wanda schreiben. Man freut sich über die vielen guten Nachrichten, dann aber verzweifelt man fast an der Möglichkeit allen rechtzeitig zu antworten. Hier ist nun die eigenartigste Postverbindung die man sich denken kann: englische, französische, deutsche, amerikanische Postdampfer und nun noch die russische Bahn, die von hier alle Woche und in 21-23 Tagen befördert. Die Hofpost geht nur mit den drei erstgenannten Dampferlinien (s. Anhang „Deutsche Post in China“).

Ich will nun noch an der Hand Eures Briefes ein wenig weiter plaudern. Zunächst die Vergleichskarten; ich wußte, daß beide mit demselben Dampfer gehen würden, wollte nur gern wissen, ob der Umweg über Berlin viel ausmacht; also ½ Tag.

Ja, und dann die Wahlen! Auch hier draußen hat man sie natürlich mit großem Interesse erwartet und verfolgt. Ob das Centrum sich innerlich doch nicht auch einen Knacks dabei geholt hat? Den Pbgern gratuliere ich zum Wahlergebnis (Die Reichstagswahl v. 25.1.1907 („Hottentottenwahl“ wegen der Konzentration auf koloniale Fragen) ergab einen deutlichen Vorsprung der Konservativen und Liberalen vor den Sozialisten und dem Zentrum. Im Wahlkreis Pinneberg wurde der Linksliberale Ernst Carstens gewählt.).

Vielen Dank für die Theelöffel! Ich muß mich demnächst wohl in die nächst höhere Steuerklasse einschätzen, werde bei und bei Krösus-Nachfg. Südwestafrikabuch v. Frenssen (Peter Moors Fahrt nach Südwest. Ein Feldzugsbericht von Gustav Frenssen. Berlin, 1905) ist bisher nicht eingetroffen. Ich kann es hier an Bord bekommen (geliehen); schreibe dies zur Kontrolle für Vater und event., um es mir zuhause aufzubewahren.

Dienstlich und meßlich bin ich z. Zt. zufrieden, wenns Schiff nur besser instand wäre! Der Kommandant ist zwar nicht ganz mein Gusto – ich schreibe das nur, damit Ihr nicht denkt, ich wolle aus irgendwelchen Gründen nicht davon sprechen – er ist mir zu einseitig materiell; ein großer Teil seiner Gedanken dreht sich um die Verpflegung, und er setzt bei anderen Menschen das gleiche Interesse ziemlich rücksichtslos voraus. Er ist allerdings in Punkto Geschmack und Magen äußerst empfindlich, war letzter Zeit infolgedessen wenig gut aufgelegt, jetzt aber in der Besserung. Das Auslandskommando und Seereisen insbesondere sind ihm ein Greuel; auch hierin oktroyiert er anderen seine Meinung rücksichtslos auf. Für Dienst und Schiff hat er wenig Interesse, mischt sich in den Dienst des I. O. auch wenig ein was an sich ja angenehm, im Übermaß aber auch erschlaffend wirkt. Auf Alle Menschen schimpft er; wenn der Ausdruck erlaubt ist, dann ist er´s hier; dabei meint er es nicht böse, ist vielmehr gutmütig. Er hofft in 1½ oder 1 Jahr abgelöst zu werden; mir wäre ein 3. Kommandant kein Vergnügen.

Der Brief wird frühestens übermorgen abgehen; ich schließe heute provisorisch mit herzlichem Gruß!

P.S. Meine Halsmandeln sind etwas geschwollen; ob´s die routinemäßige Entzündung wird? Wißt Ihr noch, Weihnacht vor einem Jahr?

W.

1.4.1907

Durch Versehen der Postordonnanz erreichte der Brief die russische Post nicht mehr; so schicke ich ihn heute durch Hofpost. Inzwischen ist in Brief mit eingelegten Schwestern-Briefen eingetroffen; herzlichen Dank! Hier, abgesehen von Ostern, nichts Neues, mir geht´s gut. Eine von mir erwartete Mandelentzündung hat sich wieder verzogen. Es ist prachtvolles Osterwetter geworden. Heute Mittag zum Frühstück habe ich mich bei Michelans (Carl Friedrich Michelan: dt. Kaufmann, Vertreter der einflußreichen Fa. Melchers & Co in Schanghai) angesagt. Beste Grüße! Ganz besonders Euch selber.

Euer Willi

Shanghai, den 25. IV. 1907

Liebes Mütterlein!

Nochmals will ich über Sibirien schreiben, vielleicht kommt dieser angekündigte Brief noch richtig zum Geburtstag an.

Mir also geht es gut, ich kann nicht klagen, es sei denn über den Kommandanten, dessen Interessen mir unverständlich und schrecklich sind. Aber damit finde ich mich ab; nur, wenn er mich holen läßt, um mir von seinen Gedanken zu erzählen, das wird mir sauer; er ist so verdrießlich und unzufrieden, nichts ist ihm recht. Es muß wohl auch solche Menschen geben. Ist die Besichtigung, Anfang Mai, gut, so werde ich im nächsten Jahr nichts auszustehen haben. Ist sie´s nicht, so wird es oft verquast sein. Doch darum lasse ich mir keine Kopfschmerzen wachsen und Ihr sollt´s auch nicht, dies soll Dir doch ein fröhlicher Geburtstagsbrief werden; also will ich ein wenig berichten.

Wir haben eine ruhige Zeit hier, ich freue mich das Schiff endlich mal in Ordnung zu bekommen, nicht nur die großen Reparaturen wie damals in Tsingtau, alles bis ins Kleinste wird jetzt in Angriff genommen; leider war mir heut das Wetter nicht günstig; es fing meinem Hoffen entgegen, an zu regnen und die frische Farbe lief in langen Streifen herunter, selber zerstört und auch die schon trockene Farbe beschmutzend; es ist nicht ganz schlimm geworden, aber doch ärgerlich genug. Man kann sich als Seemann auch eine Vorstellung machen, wie sehnsüchtig oder besorgt der Landmann manchmal zum Himmel hinaufschauen mag.

Shanghai ist für hier draußen die Großstadt, in Wirklichkeit ist es gesellschaftlich beschränkt, ziemlich viel Wohlleben, viel Kliquenwesen und Klatscherei. D. h. dabei spreche ich von den Deutschen hier, die uns gegenüber sehr liebenswürdig sind, nicht aufdringlich wie z. B. in Bangkok, und doch gastfrei. Auch unter den jüngeren Kaufleuten trifft man einige recht nette Menschen. Michelans spielen eine Hauptrolle, würden es wohl noch mehr thun, wenn er mit seiner Person etwas mehr darstellte. Sie soll zu Hause ein strenges Regiment führen; sagt man; das könnte wohl nur nützlich sein. Man sagt hier, Michelan würde bald nach Hongkong versetzt werden; das scheint mir, würde keine Verbesserung sein, wenngleich auch keine Zurücksetzung. Doch das ist nur Gerücht und Fama hat bekanntlich eine leichtfertige Zunge.

Ich habe ein paarmal eine gemütliche Stunden bei M´s verbracht, werde auch morgen dort Abendbrot essen. Paula M. ist riesig liebenswürdig, vergnügt und eine rührende Mutter für ihre Tochter; etwas zart und angegriffen ist sie, fast schlank. Vor einiger Zeit stellte uns Michelan das Dampfboot für eine Partie flußaufwärts mit unserer Besatzung zur Verfügung, es war eine lustige Partie, von der Ihr bald ein paar Photographien sehen werdet. Kurz vorher hatte es in der Nähe der Lagerschuppen von Melchers – das ist Michelans Firma (Die Filiale in Schanghai des Handelshauses Melchers & Co aus Bremen bestand seit 1872 und arbeitete mit der ebenfalls erfolgreichen Fa. Siemssen & Krohn zusammen.) – gebrannt, ein Riesenfeuer, das wohl 500 – 1.000 Chinesenhäuser zerstörte; da hatten wir unsere Mannschaften hingeschickt und Löschen geholfen. Der Dank waren 2 Kisten Bier und die Bootspartie. Auch eine Bootspartie in die Pfirsich-Blüte bei der Pagode, etwa Eurer Liebe zur Kirschblütenzeit entsprechend, machte ich mit Michelans; es ist wirklich reizend, überhaupt Shanghais Umgegend, sauber und wenigstens im Frühling, wo jetzt alles eben grün geworden ist und bleibt, anmutig und erfrischend.

Der jetzige Generalkonsul v. Buri (Paul v. Buri (1860–1922) war von 1907 – 1912 deutscher Generalkonsul in Schanghai) war 1901 in Melbourne; wir haben alte Erinnerungen ausgetauscht (Willi Franck war im Mai 1901 als Oberleutnant z. S. auf dem Gr. Kreuzer „HANSA“ in Melbourne gewesen.); sonst, ohne solche Anknüpfungspunkte, ist er liebenswürdig, aber zugleich diplomatisch steif und langweilig, auch schon etwas alt. Dabei hat er eine unglaublich lebenslustige und lebhafte, noch ziemlich junge Frau, die riesigen Betrieb macht. Die „WILMINGTON“, unsere Freunde von Canton, sind auch wieder hier; gestern waren wir zum Ball dort an Bord; eine ganze Anzahl hübscher junger Amerikanerinnen waren da.

USS „WILMINGTON“, Kanonenboot,

Bj 1907, 1571 t, 12 kn, Bes.: 212, 8 x 10 cm

Ja, nun für heute Schluß, ob ich morgen noch zu weiterem Schreiben komme weiß ich noch nicht, also lebt wohl! Wenn Ihr dies lest, ist die Hälfte meiner Auslandszeit herum; heute übers Jahr fährt unsere Ablösung aus Bremerhaven ab. Wir werden dies Jahr wohl in Tsingtau zur Ablösung sein, vielleicht auch in Hongkong. Dort bekommen wir unser neues Naphtaboot (Naphtaboot: zerlegbares Beiboot mit Rohbenzin- (Naphta-)Motor.).

Mein Crewkamerad v. Goessel wird krankheitshalber als I. O. des „JAGUAR“ (S.M.S. „JAGUAR“: Kanonenboot der „ILTIS“-Klasse (wie auch „TIGER“), Bj 1899, 726 t, 13,5 kn, Bes.: 130, 4 x 8,8 cm, 6 x 3,7 cm, stationiert in Tsingtau) abgelöst.

Nun aber wirklich Schluß! Ich schicke nächstens in Yachtklubbüchern Photographien. Bitte auch die Briefe aufbewahren.

Nochmals viele Glückwünsche!

Dein Willi

Zum Schreiben komme ich heute nicht mehr, habe überhaupt nicht rechte Ruhe vor der Inspizierung dazu. Man muß überall rumlaufen und aufpassen. Sobald sie aber hinter uns liegt, werde ich mal wieder ausführlicher berichten. Gestern war ich bei Michelans, riesig gemütlich. Nächsten Mittwoch haben wir großen Damenthee an Bord. Ganz Shanghai hat zugesagt.

Meine früher mal erwähnten Halsschmerzen haben sich ohne weitere Unannehmlichkeiten wieder verzogen, bin so gesund und vergnügt wie je. Grüßt bitte allerorten herzlichst!

Dir liebe Mutter nochmals die besten Wünsche und viele Grüße

Dein Willi.

Die Bilder schicke ich nicht über Rußland, das ist mir zu unsicher.

Zusatz des Vaters: Wegen d. Äußerung über den Kommandanten Discretion.

Postkarte Shanghai Bund (Bund: Uferstraße)

Das zwischen den Schiffsschornsteinen erkennbare Gebäude ist der

Deutsche Klub Konkordia

Postkarte vom 3.5.1907 aus Shanghai

Text: Herzl. Grüße! Alles wohl, Schiff inspizierungsklar!

Willi

Reise von Shanghai auf dem Yangtsekiang ins Innere Chinas

Die ab jetzt geschilderte Reise von Shanghai auf dem Yangtsekiang ins Innere Chinas wird auch im Band 78 dieser maritimen gelben Buchreihe von Oberzahlmeister Otto Schulze beschrieben.

Hier eine Leseprobe:

Shanghai, den 9. Mai 1907

Wie Du siehst, haben wir unsre Reise angetreten und zwar am Dienstag den 7. Mai abends 11 Uhr. Heute Morgen kamen wir hier an. Die Fahrt verlief leidlich; etwas bewegte See, die unser Boot oft in heftige Bewegungen versetzte, riss mich häufig zu der bekannten Erkenntnis aller Seefahrer hin, dass nur die Dummen zur See fahren, die Dümmsten auf Torpedobooten. Na, daran ist nun nichts mehr zu ändern. Es ist aber merkwürdig, dass ich bei allen meinen Fahrten mit „S.90“ noch nie gutes Wetter hatte. Wie reizend ist eine Seereise bei Sonnenschein und spiegelglatter See! Und wie wenig beneidenswert eine andere! Gott sei Dank verlief diese Fahrt ohne Zwischenfall. Heute am Himmelfahrtstage und folgende Tage bis zum 15. Mai haben wir hier Ruhe, dann setzen wir unsre Reise den Yangtse-Fluss hinauf weiter fort. Über den Verlauf werde ich Dich in Abständen unterrichten, um eines bitte ich aber schon jetzt, Herzelchen, beunruhige Dich nicht, wenn während meiner jetzigen Reise meine Briefe vielleicht nicht planmäßig eintreffen; denn die Postverbindung aus dem Innern kenne ich nicht so genau, dass ich Dir schon jetzt gewisse Daten angeben könnte...

Wir liegen hier mitten auf dem breiten Woosung-Fluss, einen Nebenfluss des Yangtse, vor der Stadt Shanghai, neben uns liegt ein englisches Kanonenboot, ferner ein österreichischer Kreuzer, ein russischer, zwei amerikanische, ein japanischer Kreuzer, wir Deutschen sind mit vier Schiffen vertreten. Dazwischen große Handelsdampfer, die teils Frachten, teils Passagiere aus aller Herren Länder herbringen und wegholen, an den Ufern das Fauchen von Fabriken, Werften pp., kurzum ein Verkehr, ein Leben und Treiben, wie man eben nur in dem internationalen Shanghai findet. Ein ewiges Kommen und Gehen von den größten Seedampfern macht das Leben auf dem sehr breiten Fluss abwechselungsreich. Am 15. Mai fahren wir in Begleitung des „FÜRST BISMARCK“, der den neuen Admiral an Bord hat, den Yangtsefluss hinauf, vorbei an Chinkiang, Kiukiang bis Nanking, der alten Kaiserstadt Chinas.

Hier steigt der Admiral auf S. M. S. „TIGER“ und fährt mit uns zusammen nach Hankau. In Hankau befindet sich eine große deutsche Kolonie. Von Hankau fährt der Admiral noch zwei Tage den Fluss weiter hinauf bis Itschang und den berühmten Stromschnellen. Er wohnt während der Zeit bei uns, und isst selbstverständlich auch mit uns zusammen. Die Reise wird jedenfalls ausnehmend schön werden; denn landschaftlich steht der Yangtse mit seinen Flussufern an erster Stelle. Die meisten Scherereien habe ich natürlich, da ich zufällig Messevorstand bin und die ganze Verpflegung zu regeln habe. Der Admiral kommt zu uns an Bord, weil der Fluss oben flacher wird und nur noch Fahrzeuge mit geringerem Tiefgang passieren können. Die gesamte Strecke, die wir ins Innere Chinas auf dem Fluss zurücklegen, beträgt rund 2.300 km. Dann gehen wir dieselbe Strecke zurück und sind am 6. Juni wieder in Tsingtau.

S.M.S Kanonenboot „TIGER“

Es ist hier schon sehr heiß und wird es oben noch viel mehr sein. Anzug Tropenzeug, die Mannschaft trägt große Strohhüte. Aber die Hitze bekommt mir gut, ich bin gänzlich braun gebrannt, wie ein Indianer. Du solltest mich jetzt nur sehen: kurz geschorenes Haar, Rothaut – brrr würdest Du wohl sagen. Aber lass nur, Schatzelchen, die Hauptsache ist, dass ich mich dabei wohl fühle. Nachts muss ich nächstens unter meinem Moskitonetz schlafen, da es Moskitos auf dem Yangtse im Sommer zu Milliarden gibt, die mich dann wohl kaum schlafen ließen. Kennst Du diese hässlichen Insekten?

…Trotz herrlichsten Sonnenscheins haben wir heute recht stürmisches Wetter, das manche üblen Folgen schon heute mit sich brachte. Ein französisches Kriegsschiff lief heute Vormittag hier ein, und überrannte eine chinesische Dschunke (das ist ein großes Segelboot), welche dem Kriegsschiff entgegengetrieben wurde. Es war kein Ausweichen möglich, die Dschunke wurde mitten durchgeschnitten und ging mit Mann und Maus dicht bei uns unter. Rettungsversuche konnten nicht gemacht werden. Etwa 15 Chinesen ertranken. Das fällt nun gar nicht weiter auf; denn die Chinesen unter sich retten sich nicht, sondern einer lässt den andern ertrinken, ohne ihm Hilfe zu bringen. Es geht gegen ihre religiöse Anschauung. Derartige Fälle kommen hier täglich vor, ohne dass derselben Erwähnung getan wird. Durch den heftigen Strom wurden die Ertrinkenden derartig schnell fortgetrieben, dass niemand retten kann.

Auch heute bleibe ich wieder an Bord, ohne dass ich große Lust verspürte, Shanghai anzusehen; denn Neues bietet es für mich nicht. Um Dir nun jegliche Unruhe zu ersparen, …will ich Dir gleich hier sagen, dass ich dem Ehepaar Basse keinen Besuch machen werde...

Soweit die Leseprobe aus Band 78.

S.M.S. „TIGER“ – Wusung Rhede 9.5.1907

Liebe Eltern!

Himmelfahrtstag auf Wusung, das bedeutet nach der Besichtigung größtmögliche Ruhe. Es ist ein wunderschöner Frühlingstag, eigentlich zum Spazierenlaufen gemacht, aber auch auf der Schanze ist (es) schön, ruhig und friedlich. Also ein kleiner Abstecher in die Heimat wird mir und vielleicht auch Euch Freude machen. Ich hatte ja lange den Wunsch, mal wieder in Gemütlichkeit mit Euch zu plaudern, aber Ihr wißt ja auch, daß ich die rechte Ruhe dazu bisher nicht wieder fand. Ich will nun ein wenig zurückgreifen, auf die Gefahr hin mich zu wiederholen.

Zunächst vielen Dank für Eure Briefe und Grüße von Ostern und vom 4.4. Ich war am 1. Osterfeiertag in der deutschen Kirche in Shanghai. Es ist jetzt ein Pastor Ruhmer (Ruhmer kritisierte den im Vergleich zur Missionsschule in Schanghai hohen finanziellen Aufwand für die deutsche Missionsschule in Tsingtau) da, aus Thüringen glaube ich. Görgs (Hermann Görg (1868-1937) hatte WFs Schwester Anna geheiratet; sie lebten in Laubach.) kennen ja wohl eine Familie dieses Namens; ich habe den Pastor selber noch nicht kennen gelernt.

Auch von allen anderen Seiten bin ich stets häufig mit Nachrichten versehen worden, fühle mich ganz auf dem Laufenden. U. A. schrieben mir auch Pfeiffers (Adolf Pfeiffer (1876-1961) hatte von 1897-98 die Ausbildung gemeinsam mit WF durchlaufen und war mit ihm befreundet. Von 1914-17 war er Chef der türkischen Torpedobootsflottille. 1928 wurde er als char. Vizeadmiral verabschiedet. Nach dem 2. Weltkrieg hielt er als Crew-Sprecher die Verbindung mit den Überlebenden und Hinterbliebenen des Offizierjahrgangs, auch zu Ottilie Franck. Die Trauerrede zu seinem Begräbnis ist erhalten.) eine Karte, sehr nett, aber auch immer noch sehr traurig. Mein früherer Kommandant (Korvettenkapitän Hans v. Abeken war 1905–1906 Kommandant des „TIGER“) schickte mir in diesen Tagen das Volksliederbuch des Kaisers (Volksliederbuch für Männerchor – Herausgegeben auf Veranlassung Sr. Mj. d. deutschen Kaisers Wilhelm II, Leipzig 1906) für die Mannschaft; es erfreut doch, wenn man sich nicht ganz vergessen weiß.

Vorgestern war die Besichtigung nicht glänzend, aber doch ganz leidlich gut verlaufen. Mir persönlich liegt wenig an einem besonderen Lob, aber für die Leute hätte ich mich über eine wohlwollendere Besichtigung und über ein größeres Lob gefreut; sie haben sich doch alle viel Mühe gegeben, und ich glaube wirklich, daß das Schiff augenblicklich gut instand ist.

Ich glaube aber auch, daß man von vornherein dem Artillerieoffizier, den der Geschwaderchef (Chef des deutschen Ostasiengeschwaders von 1905-1907 war Konteradmiral Alfred Breusing) vom vorigen Jahr her schon nicht leiden mochte, etwas am Zeuge flicken wollte; daher wohl die ganze Sache. Nun, das hilft mal nichts, wollen mal sehen, ob man dem neuen Chef (Neuer Geschwaderchef wurde Konteradmiral Carl v. Coerper (1854-1942), er bekleidete diese Stellung v. 13.5.1907–17.5.1909. Zuvor war er erfolgreicher Marineattaché in London gewesen.) es besser machen kann. Wir sollen den alten Montag nach Shanghai hinauf bringen und dann gleich mit dem neuen nach Nanking und Hankau hinauf.

So ist unser Verteilungsplan: Mai Tschili Golf, Juni Yangtse wieder umgestoßen. Wir sollen uns Mai – Juli auf dem Yangtse aufhalten, erhalten hier auf Weisung auch unsere Ablösung, und sollen dann August – September in den Süden. Das wird eine feine heiße Zeit, wenn nicht der Plan noch einige Male geändert wird. Ich freue mich aber, endlich auch den Yangtse kennen zu lernen, nachdem wir ein Jahr lang von ihm fern gehalten sind. Tsingtau werden wir auf diese Weise für ein ganzes Jahr nicht sehen; erst im Winter werden wir wieder dort zur Reparaturzeit liegen.

Ja, man denkt schon wieder daran, so schnell läuft hier das Stundenglas! Heute bin ich gerade 1 Jahr von Hause fort, morgen vor einem Jahr dampfte die „BORUSSIA“ aus der Heimat los. Wenn ich dran denke, der arme Vater stand hinten, und ich konnte mich in all dem Trubel garnicht um ihn kümmern. Sollte ich in Hamburg wieder ankommen – übers Jahr – so geht’s hoffentlich besser! Ich glaube allerdings, da in diesem Jahr die „BORUSSIA“ wieder herauskommt, daß das nächste Mal ein Bremer Dampfer kommen wird und wir in Bremerhaven landen. Na, inzwischen werde ich noch allerhand zu sehen und zu hören bekommen, das wird das neue Jahr ebenso schnell vorbei jagen und hoffentlich bei einer netten Messezusammensetzung noch angenehmer machen.

Übrigens ist das letzte halbe Jahr bezüglich des Messelebens viel netter geworden; die Offiziere haben sich in dieser Beziehung wirklich zusammengenommen, wenngleich ein fröhliches Einverständnis aller Mitglieder kaum zu verzeichnen sein mag. Als I. Offizier hat man für solche Dinge auch wohl ganz andere Augen und ist empfindlicher darin (Der Erste Offizier (IO) ist nach dem Kommandanten der höchste Offizier an Bord eines Schiffes. Ihm unterstehen außer dem Kommandanten alle Besatzungsmitglieder. Er leitet den inneren Dienst an Bord und vertritt den Kommandanten in dessen Abwesenheit.) Ich glaube aber sicher, daß ich mit der kommenden Messe leichter und lieber arbeiten werde als mit dieser. Leider sind bei der Besichtigung allerhand Differenzen wieder angerührt worden, meiner Ansicht nach nicht diplomatisch oder geschickt seitens des Kommandanten. Nun, wenn Ihr diesen Brief erhaltet, dann gehört das, was ich hier eben bedauere, bereits der Vergangenheit an; dann hat mit der neuen Besatzung ein neuer frisch fröhlicher Dienst begonnen; vom alten „TIGER“ ist dann nichts mehr an Bord; mit dem mit mir zugleich herausgekommenen Personal glaube ich gut arbeiten zu können.

Über Shanghai (Shanghai hatte ca. 650.000 Einwohner, davon 10.000 Fremde, stand unter internationaler, englisch dominierter Verwaltung und war der größte Handelsplatz Ostasiens (s. Karte zu Brief v. 14.9.1907).)hatte ich ja schon allerhand berichtet. Diesmal schicke ich Euch wieder einige Photographien und unsere Linienbriefe. Haltet den darin ausgedrückten Übermut dem alten Seemannsbrauch zu Gute. Als wir Shanghai verließen, waren die großen Frühjahres Rennen gerade im Zuge; das sind absolute Festtage für die Europäer hier; da schließen sie alle Büros und thun nichts als zum Rennen gehen. Da ist die ganze haute volée in der Eleganz der neuen Frühjahrstoiletten versammelt, ein großes dreitägiges Rendezvous mit Wetten und Vergnügen jeder gesellschaftlichen Art. Wer aber den Trubel nicht liebt, verschwindet während dieser Tage ganz aus Shanghai; so Michelans´, die eine sechstägige Hausboot-Partie landeinwärts unternommen haben.

Unser kleines Bordfest ist nett verlaufen; an Land war ein Streik aller Damen des deutschen Klubs gegen einen beabsichtigten Ball im Klubgebäude; der kam uns zugute, sodaß alles zusagte; wir waren mit den Amerikanern von der „WILMINGTON“ wohl 30 Personen, alle vergnügt, tanzten und amüsierten uns; leider war die Zeit zu kurz, sodaß das Programm wie die Frau Generalkonsul es nannte, nicht bis zu Ende durchgeführt wurde, wir uns vielmehr schließlich vor einem Berg von Butterbroten, Salat und anderen Herrlichkeiten allein sahen, weil einige verheiratete Damen aufbrachen und so das Zeichen zum allgemeinen Schluß gaben. Das nächste Mal gibt’s einfach keine Boote.

Was man sonst in Shanghai anfängt? Daß man Segeln kann, erseht Ihr aus den Bildern, doch ist der Strom etwas reichlich. Von unserer Dampfbootpartie kommen auch ein paar Photographien mit.

Sikkawei: Kloster, Schulen, Observatorium (Mitte links)

Also einige Spaziergänge in die Umgebung sind zu machen, unter anderen auch der nach Sikkawei, bekannt durch das bedeutendste Taifun-Observatorium, das von Mönchen dort betrieben wird (Das Observatorium in Sikkawei, 8 km westlich von Schanghai, wurde 1871 von Jesuiten als erstes seiner Art in China gegründet. Das Kloster bestand bereits seit dem 17. Jahrhundert.) Aus ganz Ostasien und bis weit in die Südsee kommen hier die Wettermeldungen zusammen und ermöglichen die Ankündigungen dieser Stürme tagelang, oft wochenlang vorher. Auch diesen Spaziergang habe ich mit dem Kommandanten als Wagenfahrt unternommen. Weiter findet man in Sikkawei große Schulen und Kunstschulen (besonders Stickereien), die zu sehen recht interessant war.