Brot des Lebens - Helmut Krätzl - E-Book

Brot des Lebens E-Book

Helmut Krätzl

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Beschreibung

Anlässlich seines diamantenen Priesterjubiläums reflektiert der beliebte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl über das zentrale Sakrament der Kirche, die Eucharistie. Diese hat sein religiöses Leben von früher Kindheit an stark geprägt und er hat sich als Priester und Weihbischof an den aktuellen theologischen und pastoralen Diskussionen zur Heiligen Messe stets engagiert beteiligt. So geht es in diesem Buch um Fragen wie: Ist die Messe mehr Opfer oder Mahl? Ist sie Priesterliturgie oder Feier der ganzen Gemeinde? Wurde die Schaufrömmigkeit zum Ersatz für den Kommunionempfang? Ist die Messe nach dem Konzil nur neuer Ritus oder doch viel mehr? Was hindert eine eucharistische Gastfreundschaft mit evangelischen Christen? Hat man bald nach dem Konzil nicht schon großzügigere Zulassungsbedingungen für wiederverheiratete Geschiedene im Einzelfall gekannt? Wird man auf Grund des wachsenden Priestermangels eher auf Eucharistie vor Ort verzichten als neue Zugänge zum Priesteramt zu eröffnen? Krätzls Überlegungen geben den aktuellen Wissenstand zur Eucharistietheologie wider, atmen aber auch die 60-jährige Erfahrung eines leidenschaftlichen Seelsorgers und Gott-suchers. Bebildert ist das Buch mit Eucharistie-Darstellungen aus 2000 Jahren christlicher Kunst.

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Helmut Krätzl

Brot desLebens

Mein Wegmit derEucharistie

Bildauswahl undBildbeschreibungenHubert Gaisbauer

Zum Umschlagbild:

Willy Fries, „Das große Gastmahl“1965, Ölfarbe auf einer Holztafel, 270 × 180 cmBartholomäuskirche in Berlin-Friedrichshain

„Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle,die ihr trefft, zur Hochzeit ein.“ (Mt 22,9)

Der Schweizer Künstler Willy Fries (1907–1980) hat dieses Bild ursprünglich für ein evangelisches Missionshaus in Berlin gemalt. Man sieht, wie die gut gekleideten Satten, in sich verschlossen, dem „Tisch des Herrn“ den Rücken kehren und in eine unbestimmte Ferne gehen. Aber es kommen Hungrige, Nackte und Krüppel „von den Straßen“, die Speise und Gemeinschaft suchen und finden. Aus den Schatten von Angst und Bedrängnis fliehen sie zum Licht des gedeckten Tisches, an dem sie von Christus gespeist werden.

Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Umschlaggestaltung und Layout: Tyrolia-Verlag, Innsbruck

Umschlagmotiv: Willy Fries, Das Große Gastmahl (Ausschnitt),

© Stiftung Willy Fries, Wattwil (CH)

Bildnachweis: alle Verlagsarchiv Tyrolia, außer: S. 61 Stadtmuseum Nördlingen;

S. 71 Wikimedia Commons; S. 103 Kunsthistorisches Museum, Wien;

S. 137 © Sieger Köder; S. 166 Art Gallery Lilja Zakirova, Heusden a/d Maas (NL);

S. 174 Prämonstratenserstift Strahov

Druck und Bindung: Gorenjski-Tisk, Slowenien

ISBN 978-3-7022-3325-9 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3355-6 (E-Book)

E-Mail: [email protected]

Internet: www.tyrolia-verlag.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. KapitelMit Kindern Eucharistie entdecken

Frühkommunion

„Messe spielen“

Erstkommunion

Beichte vor der Erstkommunion?

Neun Mal Kommunion am Herz-Jesu-Freitag – Garantie für die Seligkeit?

2. KapitelDas Messverständnis, als ich Priester wurde

Wie ich im Priesterseminar Messe „lesen“ lernte

Das eine Opfer und die vielen Messen

3. KapitelDas Konzil lehrt uns die Messe neu sehen

Statt Priesterliturgie Feier des ganzen Volkes

Eucharistie – mehr Opfer oder Mahl?

Mahlgemeinschaft mit Jesus

Die Mystik der Eucharistie und ihre soziale Dimension

Eucharistie – Brot des Lebens

Pro multis – doch nicht für alle?

4. KapitelWas die liturgische Erneuerung bremst

Wachsende Kritik an der Liturgieerneuerung

Rom selbst behinderte die Liturgieerneuerung

Was in der Liturgie noch erneuert werden sollte

5. KapitelEucharistische Schaufrömmigkeit

Wie es zur Schaufrömmigkeit kam

Das Fronleichnamsfest

Anbetung

Wortgottesfeiern – mit oder ohne Kommunion?

Geistliche Kommunion

6. KapitelEucharistie – die drängende Herausforderung in Pastoral und Ökumene

Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion

Der eine Leib und die getrennten Tische

Max Thurian wurde der Eucharistie wegen katholischer Priester

7. KapitelEucharistie ist der Schlüssel jeglicher Kirchenerneuerung

Keine Neuevangelisierung ohne Eucharistie

Eucharistie, Prüfstein glaubwürdiger Ökumene

Barmherzige Pastoral nicht ohne Eucharistie

Eucharistie verändert die Welt

8. KapitelEucharistie – das Brot meines Lebens

Wenn Kommunion „alltäglich“ wird

Die tausend Messen – wann war ich dem Geheimnis am nächsten?

Wo bleibt die Ehrfurcht?

Am Wunder vorbei

Öfter verwendete Literatur

Vorwort

Anlässlich meines diamantenen Priesterjubiläums blicke ich zurück. Die Eucharistie hat mein religiöses Leben seit früher Kindheit stark geprägt. In 60 Priesterjahren habe ich tausende Male Eucharistie gefeiert, Kinder und Erwachsene darüber belehrt und selbst immer neu versucht, diesem Geheimnis näherzukommen.

Obwohl die Eucharistie zu den Zentralwahrheiten unseres Glaubens gehört und die Messe Quelle und Höhepunkt kirchlicher Gemeinschaft ist, hat sich im Laufe meines langen Priesterlebens Deutung und Bedeutung der Eucharistie verändert, sind neue theologische und pastorale Fragen aufgetaucht, die zum Teil kontrovers diskutiert werden. Die Zahl der Messbesucher nimmt ab. Ist die Liturgieerneuerung nach dem Konzil daran schuld? Bei vielen Messen gehen fast alle zur Kommunion. Was denken sie sich dabei? Welche Voraussetzungen verlangt die Kirche noch für einen würdigen Empfang? Ist die Messe mehr Opfer oder Mahl? Ist sie Priesterliturgie, auch private Andacht oder Feier der ganzen Gemeinde? Was hindert noch eine eucharistische Gastfreundschaft mit evangelischen Christen? Hat man bald nach dem Konzil nicht schon großzügigere Zulassungsbedingungen für wiederverheiratete Geschiedene im Einzelfall gekannt? Wird man bei einer Strukturreform auf Grund demographischer Veränderungen und des wachsenden Priestermangels eher auf Eucharistie am Ort verzichten, als neue Zugänge zum Priesteramt zu eröffnen? Schafft die Werbung für eucharistische Anbetung auch neue spirituelle Zugänge zu Feier und Empfang der Eucharistie?

Alle diese Fragen haben mich in meinem Priesterleben stark beschäftigt, ich habe viel nachgedacht, engagiert darüber diskutiert und nicht weniges dazu auch publiziert. Hier will ich schlaglichtartig einige dieser Fragen aufgreifen und meine Erfahrungen dazu niederschreiben. Das Geheimnis der Eucharistie ist für mich nicht durchschaubarer geworden. Aber beim Schreiben dieses Buches ist mein ehrfürchtiges Staunen davor noch einmal gewachsen. Letztlich ist das irdische eucharistische Mahl nur Vorgeschmack auf jenen Tag, von dem Jesus sprach, nachdem er den Seinen den Kelch gereicht hatte. An jenem Tag, sagte er, „werde ich mit euch von neuem davon trinken im Reiche meines Vaters“ (Mt 26,28). Dann erst öffnet sich das ganze Geheimnis, wenn wir vom Glauben zum Schauen kommen.

Helmut KrätzlOstern 2014im 60. Jahr meines Priesterlebens

1. Kapitel

Mit Kindern Eucharistie entdecken

Frühkommunion

Am 21. Juni 1936, am Gedächtnistag des hl. Aloisius von Gonzaga, ging ich zur Erstkommunion. Erst im Oktober darauf wurde ich fünf Jahre alt. Ein Kaplan unserer Pfarre St. Ulrich im 7. Wiener Gemeindebezirk – dort wirkten bis 1968 die Steyler Missionare aus St. Gabriel –, der viel in unserer Familie verkehrte, sagte eines Tages zu meiner Mutter: „Ich glaube, der Helmut könnte zur Frühkommunion gehen.“ Und so war es dann auch. Im benachbarten Kloster der Sionsschwestern feierte der Kaplan für mich allein und meine Familie die Messe, bei der ich – ohne vorher gebeichtet zu haben – zum ersten Mal zur Kommunion gehen durfte. Weil ich so klein war, hatten die Schwestern für mich eigens einen kleinen Betstuhl zimmern lassen, ein prie-Dieu, wie sie ihn, die vielfach französischsprechend waren, nannten. Ich empfand eine riesengroße Freude, nun Jesus in der Kommunion empfangen zu dürfen, gleich wie meine Eltern und die größeren Geschwister. Ich glaube, ich bin damals in ganz jungen Jahren dem Geheimnis der Eucharistie erstaunlich nahe gekommen.

Von da weg ging ich auch unter der Woche sehr oft zur heiligen Messe. Meine Mutter hatte nämlich die Gewohnheit, wenn die größeren Geschwister in die Schule gegangen waren, vor dem Einkaufen die Acht-Uhr-Messe in St. Ulrich mitzufeiern. Ich ging voll Freude mit und hatte nie Langeweile. Sehr bald begann ich auch schon zu ministrieren. Für mich war es der Anfang einer ganz persönlichen eucharistischen Frömmigkeit, die mich mein ganzes Leben begleitete und die auch ein besonders starkes Motiv war, einmal Priester zu werden.

Aus meinem eigenen Erleben weiß ich daher, dass Kinder fähig sind, eine Liebe zu Jesus in der Kommunion zu verspüren, wenn sie gut vorbereitet sind und in einem Milieu aufwachsen, in dem Ehrfurcht vor der Eucharistie herrscht. Andererseits können aber auch Kinder Erwachsene zu neuer Andacht anregen. Eine Schwester von mir, die sieben Jahre älter war – sie ist leider 2008 mit 84 Jahren gestorben – hat mich noch in hohem Alter manchmal am 21. Juni an meine Erstkommunion erinnert. Diese Frühkommunion muss für die Familie einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

„Messe spielen“

In meiner Kindheit war es nicht selten, dass begeisterte Ministranten zu Hause „Messe spielten“. Es gab einen gewissen Wettstreit, wer dazu die schöneren Messgeräte hatte: einen kleinen Kelch mit Patene, einen Überwurf, der einem Messgewand ähnlich schaute, Kreuz und Kerzen auf einem Tisch, ein Messbuch. Wir hatten ja schon das neue Schottmessbuch. Bruder Philomenus, der Sakristan in St. Ulrich, der mich sehr gerne hatte, gab mir sogar „echte“ Hostien. Ich machte alles genauso nach, wie ich es dutzende Male in der Kirche gesehen hatte. Natürlich wusste ich, dass das alles ein Spiel war, aber für mich ein sehr ernstes. Ich wollte dabei auch nicht gestört werden. Manchmal dachte ich mir in meiner kindlichen Einfalt: Wenn Gott es will, könnte er doch auch jetzt gegenwärtig sein, obwohl ich kein Priester bin. Er war es wohl auch, nicht in sakramentaler Gestalt, aber in meiner Sehnsucht nach seiner Nähe. Einmal hat mir sogar der Kaplan, der mich vor Jahren auf die Frühkommunion vorbereitet hatte, ministriert.

Ich weiß nicht, wie Kinder heute über ein solches Mysterienspiel denken. Das „Messespielen“ war sicher ein Zeichen, dass die heilige Messe für uns wichtig war. Uns musste niemand die einzelnen Teile der Messe erklären, wir kannten sie besser als so mancher Erwachsene, der schon seit Jahrzehnten der Messe „von ferne beigewohnt“ hatte. Dann aber lässt ein solches Spiel doch auch so etwas wie einen entfernten Berufswunsch erkennen. Bei mir war es sicher so.

Was spielen Kinder heute? Wie äußert sich der Wunsch nach einem Beruf, der sie fasziniert? Zumindest könnte man in das unüberschaubare Angebot von Spielen, die den Kindern heute elektronisch zur Verfügung stehen, auch religiöse aufnehmen. Vielleicht hätten die Kinder dafür mehr Interesse, als Eltern und Spielemacher ihnen zutrauen.

Erstkommunion

Die Erstkommunion hat mich immer sehr berührt. Einmal, weil mir die Fähigkeit der Kinder aufgefallen ist, eine emotionale Beziehung zu Jesus in der Kommunion zu entfalten. Dann aber, weil die Erstkommunion der Kinder sich vielfach auf die Familie und die ganze Pfarrgemeinde auswirkt.

Sowohl als Kaplan in Baden bei Wien (1954–1956) als auch als Pfarrer in Laa an der Thaya (1964–1969) unterrichtete ich Religion in den Erstkommunionklassen. Ich wollte damit die Wichtigkeit dieses Jahres für die religiöse Entwicklung der Kinder unterstreichen, aber auf diese Weise auch mit Schule und Elternhaus Kontakt aufnehmen, damit die Bildung ganzheitlich gelingen kann. Als Pfarrer habe ich den alten Brauch des Herbergsuchens wieder eingeführt. Mit Jungscharkindern ging ich in der Adventzeit in die Familien, wo ein Kind in der zweiten Klasse war. Wir beteten und sangen und ließen ein Marienbild zurück, mit der Erklärung, für Jesus werde in diesem Jahr in dieser Familie „Herberge“ gesucht. Später habe ich dann bei offiziellen bischöflichen Visitationen in den Pfarren fast immer über die Verantwortung von Eltern und Gemeinde für die Kommunionerziehung der Kinder gesprochen. Das Erstkommunionjahr könnte für die ganze Familie wie eine eucharistische Katechese wirken.

Was die Kinder verstehen

Kinder fragen nicht nach der dogmatischen Erklärung für die „Verwandlung“ des Brotes. Sie freuen sich aber, wenn man ihnen aus der Bibel erzählt, wie sie zu der besonderen „Gesellschaft“ Jesu gehören. Z. B. wie Jesus seine Jünger belehrte, die die Kinder – offenbar weil sie „störten“ – zurückdrängen wollten: „Lasst diese Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,13ff.).

Auch der Bub begeistert sie, der laut Joh 6,9 der Einzige war, der schlauerweise Proviant mitgenommen hatte, fünf Brote und zwei Fische, der sie freiwillig hergab und so die Speisung der fünftausend Männer ermöglichte. Von seinem Opfer blieben dann noch zwölf volle Körbe übrig. Gerne erzähle ich den Kindern auch, mit welcher Sehnsucht sich Jesus nach dem letzten Abendmahl sehnte und dass dort dann einer, den Jesus besonders liebte, wie es in der Bibel heißt, ganz nahe bei ihm zu Tische lag. In meinem Brevier habe ich ein Bild von dieser Szene. Da denke ich mir oft: So nahe möchte auch ich Jesus sein!

Aus dem „Codex Aureus“ (Blatt 108/109)

„Das Wunder der Brotvermehrung“

zwischen 1030 und 1050, Kalbspergament, 44,5 × 31 cm

Benediktinerabtei Echternach

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

„Und er gab den Jüngern die Brote, die Jünger aber gaben sie dem Volk.“

(Mt 14,19)

Der prachtvoll gestaltete Golddeckel sowie die durchgehend goldfarbene Schrift haben dem reich illustrierten Codex seinen Namen gegeben. Auffallend in der Miniatur von der Speisung der Fünftausend ist die strenge Symmetrie der Verteilung, durch die alle gesättigt werden. Wie eine Welle setzt sich die gebende Geste Jesu in den beiden Apostelgestalten fort. Deutlich ist zu sehen, dass sie geben, was sie selber empfangen haben. Es ist gute Glaubenstradition, in der Erzählung vom Brotwunder ein Vorzeichen der Eucharistie zu sehen. Im gemeinsamen Mahl reicht sich Christus im Brot selber weiter, so kann man es im Bild aus dem „Codex Aureus“ lesen.

Wenn es uns doch gelänge, den Kindern verständlich zu machen, dass Jesus selber sie zur heiligen Messe einlädt und sie so gerne ganz nahe bei sich haben will, weil er sie liebt. Nicht wegen eines Gebotes müssen sie am Sonntag zur Messe kommen, nicht der Pfarrer lädt sie ein, sondern Jesus selbst: „Komm, ich warte auf dich!“ Und es gibt Kinder, die das verstehen. Da denke ich dann immer an den Lobpreis Jesu: „Ich preise dich, Vater, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11,25). Dass wir doch von den Kindern die Unbefangenheit des Glaubens lernen könnten! „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,3) soll wohl auch heißen: Wenn ihr nicht wie Kinder werdet, könnt ihr auch das Geheimnis der Eucharistie nicht verstehen.

Erstkommunionvorbereitung heute

Die Vorbereitung auf die Erstkommunion ist heute viel intensiver als früher. Mütter versammeln die Kinder um den Tisch – sogenannte Tischmütter – und versuchen, sie in das Geheimnis der Eucharistie einzuführen. Gelegentlich gibt es sogar „Tischväter“. Für die Kinder wird dadurch klar, dass die Kommunion keine Kindersache ist, sondern sie vielmehr nun befähigt werden, die heilige Messe ganz, wie die Erwachsenen auch mit der Kommunion mitzufeiern. Die Mütter aber werden herausgefordert, selbst über die Eucharistie nachzudenken und darüber, was sie ihnen bedeutet. Nur so können sie ja glaubwürdig zu den Kindern reden. Freilich soll sie der Seelsorger dabei nicht allein lassen, sondern geistlich begleiten. Und wo Kritik geübt wird, die „Tischmütter“ würden zu sehr am Äußerlichen hängen bleiben, gilt der Vorwurf den Priestern, die die so notwendige geistliche Begleitung vernachlässigt haben.

Erstkommunionvorbereitung sollte überhaupt Sache der ganzen betroffenen Familie werden. Das hat uns Professor Albert Biesinger von Tübingen gelehrt. Von 1982 bis 1991 war er Religionspädagoge an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Damals arbeitete ich als „Schulbischof“ (Beauftragter für Schulsachen in der Österreichischen Bischofskonferenz) eng mit ihm zusammen. Er wurde zum religiösen „Anwalt“ der Kinder. Besonders bekannt wurde er durch sein Buch „Kinder nicht um Gott betrügen. Anstiftungen für Mütter und Väter“. 2001 gründete er eine Stiftung für „Gottesbeziehung in Familien“ und 2008 schrieb er ein Buch mit dem Titel „Wie Gott in die Familie kommt“. Er regte an, dass in die Erstkommunionvorbereitung die ganze Familie einbezogen werde, und entwarf dafür ein eigenes Programm. Viele Pfarren haben es dann versucht. Ich staunte, dass das sogar in einigen Großstadtpfarren in Wien gelang. Das wurde zu einer ganz neuen Form der Pastoral gerade für junge Familien. Denn was immer in den Erstkommunionkindern an zarten Pflanzen der Liebe zu Christus in der Kommunion wächst, verdorrt alsbald, wenn es nicht in der Familie weitergepflegt wird.

In manchen Landpfarren erlebe ich noch heute bei den Visitationen, wie sich auch die Schule, durch die Religionslehrerinnen angeregt, an der Erstkommunionvorbereitung beteiligt.

Bei aller Klage über den Rückgang des Religiösen in der Gesellschaft: Die Vorbereitung auf die Erstkommunion war noch nie so gut wie heute und die Mitverantwortung der Laien zeigt ein neues Kirchenbild.

Kutten oder Alltagskleidung?

Seit etwa 30 Jahren hat sich vielerorts eingebürgert, dass die Kinder gleich gekleidet in Kutten zur Erstkommunion gehen. Der Hauptgrund war die lästige Kleiderfrage. Als Pfarrer war ich sehr enttäuscht, dass sich die Eltern – meist die Mütter – beim Elternabend vor der Erstkommunion fast ausschließlich für die Kleiderfrage interessierten. Ich warnte sie, Mädchen einen „Brautschleier“ umzuhängen, weil er zu leicht durch die brennenden Taufkerzen entzündet werden könnte. Die Kleider wurden auch zum Statussymbol. Es ging darum, wie wertvolle man sich leisten konnte. Daher erlebte ich in meiner Pfarre, dass Frauen Kinder aus ärmeren Familien eigens ausstatteten, damit sie nicht vom allgemein Üblichen abfallen. Nun gehen alle gleich gekleidet, in eigens dafür geschneiderten Kutten. Die Pfarren, die das als erste einführten, waren stolz darauf und kamen sich besonders fortschrittlich vor.

Ich verstehe die Gründe für diese Entwicklung. Überdies interpretierte man die weißen Kutten gerne als Erinnerung an das Taufkleid. Dennoch halte ich diese Lösung letztlich nicht für gut. Durch diese gemeinsame „Tracht“ wird die Erstkommunion zu einem herausragenden, einmaligen Ereignis. In Wirklichkeit aber sollte die „erste Kommunion“ darauf hinweisen, dass ab nun das Kind die Messe voll und ganz mitfeiern kann, wozu eben die Kommunion gehört. Dass die Kommunion ab jetzt sozusagen zum „sonntäglichen Alltag“ gehört. Da gibt es dann aber keine Kutten mehr, sondern das übliche Sonntagskleid. Und wenn manche klagen, dass Kinder nach der Erstkommunion lange nicht mehr – oder höchstens unter dem „gelinden Zwang“ einer Schulmesse – zur Kommunion gehen, dann mag die „Ausnahmekleidung“ vielleicht auch eine Rolle spielen. Also Kommunion nur unter besonderen Umständen, in „liturgischer Kleidung“, nicht aber wie selbstverständlich an jedem Sonntag.

Sollen Schwerstbehinderte auch zur Erstkommunion gehen?

Schon öfter wurde ich von einem Sonderpädagogischen Zentrum am Rand von Wien eingeladen, dort Kindern die Firmung zu spenden, gelegentlich auch die Erstkommunion. Auch jüngst war es wieder so. Die Kinder waren unterschiedlich behindert und die Gestaltung der Messe war sehr lebendig. Das Evangelium vom Sturm am See und der Angst der Apostel, während Jesus schlief, wurde szenisch dargestellt. Ein Schlauchboot zeigte das Schiff, ein Bub spielte den schlafenden Jesus und wurde sehr emotional von den Mitschülern geweckt. Der Gesang wurde von einer lautstarken Band der Schule angefeuert. An Lebendigkeit fehlte in dieser Messe nichts. Ein Bub sollte auch zur Erstkommunion gehen. Er war geistig schwerst behindert. Als ich mit der Kommunion zu ihm kam, wehrte er sich vor lauter Aufregung lautstark. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ihm die Kommunion aufzwingen? Eine Betreuerin redete mit ihm, beruhigte ihn und deutete mir, ihm nun die Kommunion zu spenden. Ich gab ihm ein ganz kleines Stück der Hostie, dann einen Schluck Wasser. Hinter ihm stand seine Mutter. Als ich aufblickte, sah ich, wie sie bitterlich weinte. Nach der Messe kam sie zu mir und erklärte mir ihre Tränen. Sie hätte vor Glück geweint. Vor Glück, dass ihr Bub, der so vieles entbehren muss, immer wieder zurückgesetzt und ausgeschlossen ist von so vielem, nun von der Kirche das Heiligste, das sie hat, bekommen hat. Was der Bub davon verstand? Ob er wenigstens die Hostie von gewöhnlichem Brot unterscheiden konnte, was ja Mindestforderung für den Empfang ist? Ich weiß es nicht. Aber hat der Glaube der Mutter nicht all das ersetzt, ihr Glück mein Tun gerechtfertigt? War nicht in diesem Buben der Herr schon längst gegenwärtig, bevor ich ihn in der sakramentalen Gestalt brachte? „Ich war krank, und ihr habt mich besucht.“ Oder wie es Papst Franziskus am 4. Oktober 2013 bei seinem Besuch in Assisi in einer Klinik für kranke und behinderte Kinder sagte: „In diesen leidenden Kindern ist Christus verborgen.“

Um der Erstkommunion willen getauft

Die Zahl der ungetauften Kinder nimmt in der Großstadt immer mehr zu. In der zweiten Volksschulklasse, in der die Kinder zur Erstkommunion gehen, wird dies manchen Eltern erst bewusst. Sie wollen ihrem Kind die große Feier im Rahmen der ganzen Klasse nicht vorenthalten und entschließen sich, das Kind nun taufen zu lassen.

Die Beweggründe der Eltern mögen bedenklich sein, aber ihr Wunsch bietet den Seelsorgern einen Anlass, um mit ihnen über Glaube und Taufe und ihre Verantwortung für das Kind zu reden. Jedenfalls habe ich schon öfter erlebt, wie die Taufe mit der ganzen Klasse vorbereitet und gemeinsam gefeiert wird. So erleben die anderen Kinder in der Klasse, was und wie Taufe ist. Erstaunlich, dass offenbar die Kommunion den sonst gar nicht so gläubigen Eltern einen unerwarteten Weg zur Taufe ihres Kindes auftut. Die Bedeutung der Erstkommunion für das Leben der Menschen, der Kirche ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Darum predige ich auch bei Visitationen immer darüber und wie Erstkommunion zur eucharistischen Besinnung für die ganze Gemeinde werden kann.

Beichte vor der Erstkommunion?

Ich mache mir Sorgen, dass eine schlechte Beichtvorbereitung den Kindern die Freude an der Kommunion raubt und ihnen sogar für ihr ganzes Leben ein falsches Gottesbild vermittelt. Und diese meine Sorge ist in letzter Zeit größer geworden.

Verunglückte Beichtvorbereitung

Bei der Visitation einer Pfarre im südlichen Anteil der Erzdiözese Wien erlebte ich, wie ein sehr frommer Pfarrer, der sonst sehr viel auf die Verehrung der Eucharistie hält, in der Erstkommunionvorbereitung den Akzent auf die Beichte legte. Im Schlussprotokoll der Visitation regte ich an, den Schwerpunkt doch deutlich auf die Eucharistie zu legen und in den Kindern eine große innere Freude zur Begegnung mit Christus in der Eucharistie zu wecken. Sie sollen nicht den Eindruck haben, Eucharistie brauche immer vorher Beichte, oder dass man in der Begegnung mit Christus immer zugleich auch die Sünde betont. In einer anderen Pfarre hörte ich die Eltern klagen, dass der Pfarrer bei der Erstkommunionvorbereitung in übertriebener Weise von Sünde und schwerer Sünde redet, sodass die Kinder Angst bekommen, Angst auch vor einem strafenden Gott.

In Wien mussten wir, Kardinal König und ich als Generalvikar, einen Pfarrer absetzen, weil er trotz heftiger Einsprüche von uns den Erstkommunionkindern Bilder von blutigen abgetriebenen Embryonen zeigte, um sie, wie er meinte, rechtzeitig immun zu machen vor einer Verharmlosung dieser so schweren Sünde. Die Eltern schickten ihre Kinder aus Protest in eine andere Pfarre, da sie zu Recht fürchteten, ihre Kinder würden ein unheilbares Trauma im Hinblick auf Sexualität und Elternschaft bekommen.

Woher kommt die so enge Bindung zwischen Beichte und Kommunion?

Freilich sind die erwähnten Beispiele Ausnahmen, der letzte Fall sogar eine extreme. Aber es bleibt die Frage, ob der Erstkommunion immer die sakramentale Beichte vorausgehen muss. Dies scheint der Kirche aber so wichtig zu sein, dass sie es sogar in ihrem offiziellen Rechtsbuch (CIC 1983) festgehalten hat. Dort wird in can. 914 den Eltern sowie dem Pfarrer zur Pflicht gemacht, die Kinder, die zum Vernunftgebrauch gelangt sind, gehörig vorzubereiten und „möglichst bald, nach vorheriger sakramentaler Beichte, mit dieser göttlichen Speise“ zu stärken. Das hat seine Wurzel in der bewegten Geschichte der Beichte, als man begann, sie als notwendige Voraussetzung für den Kommunionempfang anzusehen. Diese Lehre geht schon auf die Mitte des 8. Jahrhunderts zurück und im 4. Laterankonzil kam es 1215 zur gesetzlichen Verpflichtung, dass jeder Gläubige vor Ostern bei seinem zuständigen Pfarrer zur Vorbereitung auf die vorgeschriebene Osterkommunion „all seine Sünden“ beichten müsse. Da die Gläubigen damals sehr selten kommunizierten, blieb der Brauch, jedes Mal vor der Kommunion zur Beichte zu gehen. In den orthodoxen Kirchen gilt das heute noch.

Versuche, Beichte und Erstkommunion zu entkoppeln

Pius X. (1903–1914) hat die Gläubigen zu häufigerer Kommunion ermutigt und das Zweite Vatikanische Konzil hat eine tiefere Einsicht in Eucharistie und Bußsakrament bringen wollen. De facto wurde in der Konstitution über die heilige Liturgie die enge Verbindung zwischen Kommunion und Beichte entkoppelt.