Bruchlicht - Miles Winter - E-Book

Bruchlicht E-Book

Miles Winter

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Beschreibung

„Bruchlicht“ erzählt von einem Mann, der in der Nacht eine Frau kennenlernt. Aus der Suche nach flüchtiger Nähe wird eine Konfrontation mit seiner tiefsten Wunde: dem Tod seiner großen Liebe Laura. In einem Dialog aus Schweigen, Gesten und Spiegelungen zwingt ihn die Frau, seine Masken fallen zu lassen. Er bekennt, dass er sein Versprechen, weiterzuleben, verraten hat. Am Grab von Laura erkennt er, dass er aus ihrer Erinnerung kein Gefängnis, sondern eine Grundlage für neues Leben machen muss. Am Ende entscheidet er sich, nicht mehr zu fliehen – sondern zu bleiben.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1: Neonhunger

Die Nacht hatte ihn verschluckt, so wie sie es immer tat. Sie war ein gütiger Abgrund, ein samtener Vorhang, der das grelle Urteil des Tageslichts verdeckte. Draußen schien die Sonne vielleicht für andere, für seine Freunde mit ihren Frauen und ihren aufkeimenden Familien, für all jene, die eine Bestätigung in den geordneten Bahnen des Lebens fanden. Aber seine Bestätigung suchte er hier, im gedämpften Glühen von Neon und dem tiefen, stetigen Puls einer Bassline, die mehr ein Gefühl in der Brust als ein Geräusch im Ohr war.

Er lehnte an der Bar, ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit in der Hand, und ließ das Gespräch an sich vorüberziehen wie Treibholz in einem trägen Fluss. All die belanglosen Worte, die Phrasen, die ausgetauscht wurden wie abgenutzte Münzen. Ein Mann in einem zu engen Hemd prahlte mit einem Geschäftsabschluss. Eine Frau lachte zu laut über einen Witz, der nicht lustig war. Es war ein Theater der Verbindungen, und er war nur ein Zuschauer, der nach einer echten Lektion suchte, nach einer Art von Bildung, die man nicht in Büchern fand.

Sein Blick wanderte durch den Raum, über die tanzenden Silhouetten und die Gesichter, die im Stroboskoplicht zu Masken erstarrten. Und dann sah er sie.

Sie saß allein in einer Nische, leicht abseits des Chaos, eine stille Insel in einem Meer aus Lärm. Sie tat nichts Besonderes. Sie nippte an ihrem Getränk, ihr Blick wanderte ebenfalls, aber er war nicht leer. Er war prüfend, beinahe analytisch, als würde sie die gleiche traurige Komödie beobachten wie er. In ihren Augen lag eine Müdigkeit, die er nur zu gut kannte. Es war die Müdigkeit einer Seele, die zu viele leere Versprechen gehört hatte. Die Zeichen standen überall in diesem Raum, und er war sich sicher, dass sie sie ebenso deutlich las wie er.

Er würde dich nicht mit den Details langweilen, dachte er, während er sein Glas leerte und es mit einem leisen Klacken auf den Tresen stellte. Er würde ihr nicht die Geschichte der letzten großen Enttäuschung erzählen, der "bad love", die ihn vorsichtig und hungrig zugleich gemacht hatte. Er würde nicht von der Sicherheit sprechen, die er einst gekannt hatte und deren Abwesenheit ihn nun Nacht für Nacht hinaustrieb. Er würde nicht einmal erwähnen, wie der Gedanke an seinen alten Wagen – sein treues BMW-Coupé, das draußen wartete wie ein Fluchttier – die einzige Verheißung von Frieden war.

Er schob sich von der Bar ab. Jeder Schritt auf sie zu fühlte sich an wie ein Takt im Rhythmus, der den Raum erfüllte.

Als er vor ihrem Tisch stand, blickte sie auf. Keine Überraschung, kein gespieltes Desinteresse. Nur ein ruhiges, abwartendes Erkennen.

"Ich werde dich nicht mit den Details langweilen", sagte er, und seine Stimme war leiser als die Musik, aber klar und direkt. "Ich will nicht einmal deine Zeit verschwenden."

Ein Anflug eines Lächelns zuckte um ihre Lippen. "Das ist ein neuartiger Ansatz."

"Sagen wir einfach, vielleicht", fuhr er fort und lehnte sich leicht vor, die Hände auf ihren Tisch gestützt, "könntest du helfen, meinen Geist zu beruhigen."

Ihr Blick forschte in seinem, suchte nach dem Haken, der Falle, dem Kleingedruckten. Er ließ sie suchen. Er hatte nichts zu verbergen, denn er bot nichts Dauerhaftes an. Der dumme Amor mit seinem Köcher voller Pfeile hatte ihn schon so oft gerufen, aber er sah nichts mehr in den Augen des geflügelten Jungen. Nur Leere. Und manchmal, in stillen Momenten, vermisste er sie. Ein flüchtiger Schmerz, ein Echo in einem leeren Haus.

"Verstehe", sagte sie schließlich, und ihre Stimme war wie Rauch. "Du bist nicht Mr. Right."

Er lachte leise, ein heiseres Geräusch. "Baby, ich bin nicht einmal Mr. Right Now. Aber wenn du nach schneller Liebe suchst..." Er ließ den Satz in der Luft hängen, eine unausgesprochene Einladung, die zwischen ihnen vibrierte, im Einklang mit dem Bass, der durch den Boden pochte.

Sie schwieg einen langen Moment, ihre Augen immer noch auf seine gerichtet. Er wartete. Er hatte nichts außer Zeit, und die war ohnehin nur geliehen. Er sah die Reflexionen der Clublichter in ihren Pupillen, winzige, tanzende Funken. Er wusste, dass es keine echte Liebe war, was er dort sah. Es war Neugier. Es war ein gegenseitiges Anerkennen des gleichen Hungers. Und in dieser Nacht, in diesem Moment, war es mehr als genug.

Hatte er schlechte Liebe gehabt? Ja. So sehr, dass schnelle Liebe das Einzige war, was ihm noch in den Sinn kam. Ein Gegenmittel. Ein kurzes, helles Feuer, das die Kälte für ein paar Stunden vertrieb.

Sie griff nach ihrer Handtasche. "Worüber gibt es da nachzudenken, Baby?", sagte sie leise, und in diesem Moment war ihre Stimme die einzige Melodie, die er hören wollte.