Bruderkriege: Griechen gegen Perser - Arnulf Zitelmann - E-Book

Bruderkriege: Griechen gegen Perser E-Book

Arnulf Zitelmann

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Beschreibung

Sind wir alle Perser? Die Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Persern gut 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung sind legendär, die damaligen Schlachten bieten noch heute Stoff für Hollywoodfilme, wie etwa der Kampf des Leonidas mit 300 Spartanern gegen die persische Übermacht an den Thermopylen. Der Widerstand der griechischen Stadtstaaten gegen das mächtige Perserreich wurde in der Folge oft zum Mythos stilisiert. Doch kämpfte damals wirklich Demokratie gegen Despotismus? Wie ähnlichen waren sich die Nachbarkulturen wirklich? Und was bedeuteten die militärischen Erfolge der Griechen gegen die persische Großmacht für den weiteren Aufstieg Griechenlands? Spannend schildert Arnulf Zitelmann die Schlachten und Strategien der Perserkriege und zeigt, wie alles gewesen sein könnte.

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Leseprobe

Arnulf Zitelmann

Bruderkriege: Griechen gegen Perser

Campus VerlagFrankfurt/New York

Leseprobe

Über das Buch

Sind wir alle Perser? Die Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Persern gut 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung sind legendär, die damaligen Schlachten bieten noch heute Stoff für Hollywoodfilme, wie etwa der Kampf des Leonidas mit 300 Spartanern gegen die persische Übermacht an den Thermopylen.

Der Widerstand der griechischen Stadtstaaten gegen das mächtige Perserreich wurde in der Folge oft zum Mythos stilisiert. Doch kämpfte damals wirklich Demokratie gegen Despotismus? Wie ähnlichen waren sich die Nachbarkulturen wirklich? Und was bedeuteten die militärischen Erfolge der Griechen gegen die persische Großmacht für den weiteren Aufstieg Griechenlands?

Spannend schildert Arnulf Zitelmann die Schlachten und Strategien der Perserkriege und zeigt, wie alles gewesen sein könnte.

Dieses E-Book ist Teil der digitalen Reihe »Campus Kaleidoskop«. Erfahren Sie mehr auf www.campus.de/kaleidoskop

Über den Autor

Arnulf Zitelmann, geboren 1929, studierte Philosophie und Theologie. Bis 1992 war er als Religionslehrer an einem Gymnasium in Darmstadt tätig. Heute lebt und arbeitet er als freier Schriftsteller in der Nähe von Darmstadt. Er ist Autor zahlreicher Jugendbücher, Romane und Biografien, unter anderem über Martin Luther und Martin Luther King. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen für sein Werk erhielt Arnulf Zitelmann den Gustav-Heinemann-Friedenspreis sowie den Großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Bei Campus erschienen von ihm Die Weltreligionen (2002), Die Geschichte der Christen (2004) sowie Die Welt der Griechen (2008).

Inhalt

Einigkeit macht stark: Die griechischen Stadtstaaten und die Perserkriege

Griechenland, Persiens Missionsland

Griechen wollen keine Perser sein

Marathon: Griechen gegen Perser

Athens Zukunft auf dem Meere

Xerxes bringt Heiliges Feuer

Spartas Märtyrer, Persiens Gotteskämpfer

Die »hölzernen Mauern« von Salamis

Campus Kaleidoskop

Impressum

Einigkeit macht stark: Die griechischen Stadtstaaten und die Perserkriege

Athen blühte und prosperierte. Sparta jedoch grollte. Sein Ältestenrat hatte Delphi gehorcht, man hatte Kleomenes nach Athen geschickt, die Stadt vom Tyrannen zu befreien. Sparta konnte erwarten, dass sich die Athener als dankbar erweisen würden. Stattdessen hatten sie Kleomenes brüskiert, mit Schimpf und Schande der Stadt verwiesen. Das konnte man nicht auf sich sitzen lassen. Und überhaupt, die ganze radikaldemokratische Richtung Athens musste Sparta zuwider sein. Kleomenes musste Athen zur Ordnung rufen, mit Gewalt. Und dazu suchte er Bundesgenossen. Er fand sie auf dem Peloponnes, in Theben, nördlich von Athen, und auf der Insel Euboia im Osten.

Griechenland, Persiens Missionsland

Die Athener sahen sich von allen Seiten umzingelt. Doch klein beigeben mochten die Jungdemokraten nicht. Auch sie sahen sich nach Hilfe um. Und stärker als die Spartaner waren nur die Perser. Also schickte Athen eine Gesandtschaft nach Kleinasien. Das war mit seiner Hauptstadt Sardis schon zur Zeit von Peisistratos den Persern in die Hände gefallen. Griechenland und das ehedem entlegene Persien waren seitdem zu Nachbarn um den »Froschteich« der Ägäis geworden.

In Sardis wurden die Athener bei Artaphernes vorgelassen. Der war einer der Vizekönige des großen Dareios (auch Darios oder Darius), sein »Satrap«. Der nächstwichtige Mann nach dem Großkönig, dessen Bruder Artaphernes war. Und als die Athener Artaphernes ein Bündnis anboten, erkundigte sich der Satrap über seinen Dolmetscher, »was für ein Volk die Athener seien, die mit Persien in ein Bundesverhältnis treten wollten, und wo das Volk der Athener wohne?« Die Boten gaben ihm Auskunft. »Die Antwort des Satrapen lautete, kurz gesagt: Wenn die Athener dem Großkönig Wasser und Erde als Zeichen ihrer Unterwerfung aushändigten, verspreche er ihnen ein Bündnis. Täten sie das nicht, dann sollten sie sich wegscheren. Da sagten die Boten auf eigene Verantwortung, Athen werde beides dem Großkönig überreichen«, so schildert Herodot die Begegnung zwischen Persern und Griechen. Die erste offizielle west-östliche Begegnung beider Kulturen.

Ein halbes Jahrhundert darauf, nach mehreren schweren Niederlagen der Perser, schließen beide Frieden. Persien muss sich aus der Ägäis zurückziehen. Und noch einmal gut hundert Jahre später erobert Alexander das persische Großreich. Doch im Jahr 505/504, als die Gesandten von Sardis nach Athen zurückkehrten, befand sich das Perserreich auf der Höhe seiner Macht. Und hätte die Volksversammlung Athens der Forderung von Artaphernes zugestimmt, wäre die Geschichte Griechenlands, wäre die Geschichte Europas völlig anders verlaufen. Die Jungdemokraten Athens aber schlugen das persische Angebot aus. Mehr noch, die Volksversammlung machte ihren Gesandten »schwere Vorwürfe«, dem Satrapen so weitgehende Zugeständnisse gemacht zu haben. Athen wollte nicht die Tyrannen los sein, um sich dafür einen Despoten einzuhandeln.

Selbstbewusst waren die Athener nach Sardis gereist, kleinlaut kehrten die Gesandten nach Athen zurück. Kroisos, den Lyderkönig, der Delphi vergoldet hatte, gab es nicht mehr. Seit nunmehr 50 Jahren residierten jetzt die persischen Satrapen in Sardis, der hochgebauten Stadt. Die waffenstarrende Residenz, ihr dreifacher Mauerring mit dem monumentalen Marmoreingang, die Konfrontation mit dem in Gold gefassten Perser muss die Athener eingeschüchtert haben. Und das Hofzeremoniell verlangte von den Athenern, sich bäuchlings vor Artaphernes niederzuwerfen. »Wie die Hunde.« War doch der Satrap ein Bruder des großen Dareios. Der wiederum »das Bild des Gottes ist, der alles schützt«.

Wo ihr Land liege, wo ihre Stadt, hatte er sie gefragt. Als sei Athen nur gerade ein Tüpfelchen Fliegendreck. Irgendwo, am Rand der bewohnten Welt. Und so hatten die Athener verzagt zugestimmt, ihre Stadt dem Großkönig überlassen zu wollen. Wenn Dareios dafür die Erde und das Wasser Attikas vor den Spartanern beschützen wolle.

Hatte der Perser die Athener demütigen wollen? Vielleicht auch. Vor allen Dingen wollte Artaphernes den Athenern eine Lektion erteilen. Und die hieß: Der Großkönig verhandelt nicht! Ihm unterwirft man sich!

Denn Dareios ist der »König aller Könige, König aller Länder, König aller Menschen, die sie bewohnen, König der Erde insgesamt«, ließ Dareios nach seinen ersten Regierungsjahren in den Fels meißeln. »So wurde es in den Stein geschrieben und es wurde mir in meiner Gegenwart vorgelesen. Und die Schrift wurde abgeschrieben und in jeder Provinz verbreitet.« Die Inschrift (der Gesamttext hat eine Länge von 515 Zeilen) ist bis heute erhalten. Sie befindet sich an einer hochgelegenen Felswand im westlichen Iran, unweit der Grenze zum heutigen Irak.

Herodot lässt Xerxes, den Nachfolger des Dareios, sagen: »Der Himmel ist die Grenze des Perserlandes.« Und weiter: »Alle Länder werde ich zu einem einzigen Land vereinen, indem ich durch ganz Europa ziehe. Die Gottheit selbst führt und hilft uns dabei.«

Das sind große Worte für einen Mann, dessen Urgroßeltern noch »in Lederhosen gingen, Felle als Kleidung trugen und bedürfnislos in einem rauen Land« lebten. Herodot übertreibt nicht. Ursprünglich wohnten die Perser am Rand der Zivilisation. In den unzugänglichen Bergen des heutigen Irans, außerhalb des Zweistromlandes.

Dort, in Mesopotamien, schlug vor 5000 Jahren die erste Hochkultur der Menschheit ihre Wurzeln. Ihr verdanken wir alles. Die Schrift, das Rad, Ackerbau und Viehzucht, die Metallverarbeitung, Architektur, Wissenschaft und Religion sowie alle Schönen Künste sind dort in dem Land »zwischen den beiden Flüssen«, dem Euphrat und dem Tigris, zuallererst ins Dasein getreten. Die ersten im Land waren die so genannten Sumerer. Von denen bis heute niemand mit Bestimmtheit weiß, woher sie kamen, um in dem Land zwischen den Flüssen zu siedeln. Den Sumerern folgten semitische Völker, ein Großreich nach dem anderen. Bis zuletzt die persischen »Lederhosen« aus dem östlichen Bergland hinab in die Ebene stiegen. Unter Kyros dem Großen (601–530) traten zuletzt die Perser das Erbe der Kulturen des Zweistromlandes an.

Die Perser brachten eine neue Religion mit. Die ihres Gottes Ahuramazda (auch kurz Ahura genannt). Ahuramazda ist ein einziger Gott, er ist einer und neben ihm ist keiner und Zarathustra ist sein Prophet. Neben sich hat Ahura zwar göttliche Helfer, aber Konkurrenten sind das nicht. Der weise Ahura ist Leben, Licht, Wahrheit, sein Gegenspieler Ahriman ist Tod, Finsternis, Lüge. Ahriman ist der Vater der Lüge, der Vater aller Lügengötter, der Vater aller Lügenkönige. Und zwischen Lüge und Wahrheit gibt es keinen Kompromiss.

Zwischen beiden muss der Mensch sich entscheiden. Er kann nicht der Lüge dienen und zugleich der Wahrheit.

Die Perserkönige aber sind Sachwalter Ahuramazdas. Ihr Reich ist das Reich der Wahrheit: »Die Gottheit führt uns, sie steht uns bei, dass unsere Taten zum Besten geraten.« Ahura hat die Welt erschaffen und er hat sein Weltregiment den persischen Großkönigen zu treuen Händen übergeben. Wie Ahura keine anderen Götter neben sich duldet, darf auch sein König keine anderen Könige neben sich gewähren lassen. »Es kündet Darius, der König: Nach dem Willen Ahuramazdas bin ich König. Die Länder die mir zugekommen sind, wurden mir nach Ahuramazdas Willen untertan. Was ich ihnen befahl, bei Nacht oder bei Tag, das taten sie«, heißt es weiter in der Felsinschrift. Die Könige Persiens haben eine Weltmission. Ihre Mission ist es, die Welt zu befrieden. Das Reich des Bösen zu vernichten, die Welt Ahuras Regiment zu unterstellen.

Die Gesandten Athens, die sich in Sardis vor dem Satrapen zu Boden warfen, sahen den Gott nicht, der hinter dem Satrapen stand. Doch sie spürten seine Gegenwart. Und lernten die Lektion seiner Religion: Mit dem Sachwalter Ahuras verhandelt man nicht! Man unterwirft sich ihm! Wenn Artaphernes von den Athenern Wasser und Erde verlangt, dann fordert er nur, was ihm ohnehin gehört.

Ihren eigenen olympischen Göttern verpflichtet, hat Griechenland die Religion der Perser nie begreifen können. Die Griechen unterstellten den Persern, die ein Land nach dem anderen an sich brachten, reine Machtgier. Weiter reichten ihre Begriffe nicht.

Und was sie von Persiens Machtfülle wahrnahmen, ging auch über ihren Verstand. 15000 Talente Gold und Silber trafen jährlich an Tributleistungen und Steuern bei dem Großkönig ein, hatte Herodot in Erfahrung gebracht. Die unvorstellbare Summe von 400 bis 500 Tonnen an Edelmetall. Man stelle sich zwei Mal die Freiheitsstatue aus purem Gold und Silber vor!

Griechenland hatte kaum ausgebaute Straßen, und Fernstraßen kannte man schon gar nicht. Persien dagegen verfügte über ein ganzes Fernstraßennetz. Die »Königsstraße« zog sich über eine Länge von 10000 Kilometern von Sardis bis nach Susa, im heutigen Iran. Sie überwand Gebirge und Flüsse, durchquerte Sümpfe und Ebenen. Alle 30 Kilometer war ein Wach- und Rasthaus positioniert. Die Fernstraße war ein Meisterstück persischer Ingenieurskunst. In 14 Tagen bewältigte die königliche Botenpost die Entfernung von Susa nach Sardis, ein Heer brauchte dazu drei Monate.

Das persische Riesenreich ist auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen. Denn es erreichte beinahe die Größe der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika. Griechenland zählte zu seiner klassischen Zeit etwa 1 Million Einwohner, geschätzte 50 Millionen kamen für das persische Weltreich zusammen.

Allein die Sollstärke der königlichen Leibwache betrug 10000 Mann, mehr als Sparta Bürger zählte.

Außenstehende, selbst so gescheite Leute wie Herodot oder Xenophon, konnten die Riesenmaschinerie des Reiches nicht wirklich erfassen. Noch weniger konnten sie nachvollziehen, was die Großkönige drängte, ihren Herrschaftsbereich ständig zu erweitern. Die persischen Könige waren Missionare ihres Gottes, ihre Krieger waren Gotteskrieger, Begriffe, die der griechischen Frömmigkeit fremd waren.

Alle griechischen Schriftsteller hatten die Angewohnheit, die Götter anderer Völker mit ihren olympischen Göttern gleichzusetzen und sie entsprechend zu benennen. Die ägyptische »Isis« zum Beispiel, schreibt Herodot, »heißt in der griechischen Sprache Demeter«. Das mochte zur Not nach angehen, Isis und Demeter hatten tatsächlich manches gemeinsam. Und den persischen Ahura nennt Herodot den Zeus. Der griechische Zeus aber war für Ahuramazda ein Lügengott. Wie alle anderen Götter auch, wenn sie sich nicht Ahura unterstellten. Die persische Religionspolitik konnte großzügig die Kulte anderer Götter gewähren lassen. Wenn nur ihre Völker, und damit auch ihre Götter, sich dem Großkönig unterordneten. Taten sie das nicht, mussten ihre Tempel brennen, um die Daiva-Lügengötter zu demütigen. Wie die Tempel der Athener Akropolis, die Xerxes 480 in Feuer aufgehen ließ.

In Stein gemeißelt rühmt sich Xerxes: »Ich habe das Heiligtum der Daivas zerstört. Ich habe verfügt, dass die Daivas keine Anbetung mehr erfahren dürfen. Da, wo früher den Daivas gehuldigt wurde, verehre ich nun Ahuramazda.« Herodot hat die Fremdartigkeit der persischen Religion beschrieben: »Wie mir scheint, glauben sie nicht, dass die Götter wie bei den Hellenen menschenähnliche Wesen sind.« Er hatte Recht. Ahuramazda war anders, völlig anders als ein Griechengott.

Umgekehrt war die griechische Lebensweise auch den Persern fremd. Als ein Grieche dem Großkönig die Olympischen Spiele schilderte, erkundigte er sich, was für Preise dabei ausgelobt wurden. Man sagte ihm, der Sieger erhalte einen Kranz von Ölbaumzweigen. Ein anwesender Perser rief entsetzt: Gegen was für ein Volk führen wir da Krieg – »gegen Männer, die nicht um Geld miteinander wetteifern, sondern um den Preis der Tüchtigkeit!« Wettkämpfe unter Adeligen kannten auch die Perser, doch nicht als demokratische Institution. Griechenland hat die athletische Siegerehrung popularisiert, für jeden erreichbar gemacht.

Selbst die griechischen Stadtanlagen erschienen persischen Augen fremd. Eine Stadt war für die Griechen mehr als eine Ansammlung von Häusern. Griechische Städte waren um einen öffentlichen Platz, die Agora, herumgebaut. Wo man politisierte, diskutierte, buchstäblich Politik betrieb. Mit ihrer Agora und den öffentlichen Gebäuden der Stadt vergegenständlichten die Bürger ihr Recht auf kommunale Mit- und Selbstbestimmung.

Als man Kyros von den Spartanern und ihrer Stadt erzählte, soll er achselzuckend bemerkt haben: »Vor Leuten, die mitten in ihrer Stadt öffentliche Plätze anlegen, um dort den lügnerischen Daivas das Wort zu reden, fürchte ich mich nicht.« Herodot kommentiert: Kyros unterschätzte den Stellenwert der Meinungsfreiheit (isegoria), die den Griechen alles bedeutet. Für die sie bereit sind, auch mit Leib und Leben einzustehen. Anders als in einer Despotie, wo Menschen nichts haben, wofür es sich zu kämpfen lohnte.

Die Freiheit des Einzelnen war im Orient ein völlig unverständliches Prinzip. Bei den Griechen dagegen wurde sie nicht nur groß geschrieben, sondern auch verteidigt. Die Freiheit einiger, zumindest. Sklaven sind in der griechischen Gesellschaft nicht frei – ebensowenig wie Frauen. Die griechische Frau mag die Tochter eines Freien, die Gattin eines freien Mannes sein, sie selbst kann nicht frei sein.

Das ist überall so in den alten Kulturen. Man hat Glück, wenn man als Mann geboren ist. Ist das Erstgeborene ein Mädchen, wird der Herr des Hauses das Kind unter Umständen gar nicht erst in die Familie aufnehmen. Er wird die Kleine aussetzen lassen, verkaufen oder gar töten. Denn die Linie seines Hauses, die Verbindung zu den Ahnen, wird allein über männliche Nachkommen aufrechterhalten, bricht sie ab, ist der Mann ein Niemand. Seine Familie ist erloschen.

Noch der Prophet Muhammad ruft den Zorn Allahs über seine ungläubigen Zeitgenossen vom Himmel, die das »neugeborene Mädchen verscharren«. Als erster unter den alten Religionen aber hat Zarathustra die Ehrfurcht vor dem Leben gepredigt. Kindestötung ist in den Augen Ahuras ein Sakrileg. Das in Tontafeln erhaltene Archiv der persischen Palastwirtschaft zeigt, statistisch ausgewertet, dass Mädchen und Jungen zu gleichen Teilen geboren und aufgezogen wurden.

Sind also persische Frauen besser dran als die der Griechen? Männer und Frauen essen in aller Öffentlichkeit miteinander, stellt Herodot erstaunt fest. Das war beispielsweise in Athen, wenigstens unter den besseren Leuten, völlig ausgeschlossen. Allenfalls Hetären mischten sich bei Trink- und Festgelagen unter die Männer. Die relative Freizügigkeit der persischen Palastfrauen belegt auch das königliche Tontafelarchiv. Königliche Frauen reisten in Begleitung von Dienern im Land umher und überprüften ihren Besitz, sie zogen Steuern ein und verteilten Geschenke, verfügten über Grundbesitz und verpachteten ihn. Aus dem Archiv geht weiter hervor, dass weibliche Angestellte Hunderte von Arbeitern, weiblichen wie männlichen Geschlechts, beaufsichtigten, Einstellungen und Entlassungen vornahmen. Man wird diesen Befund nicht überbewerten, also auf die persische Gesellschaft insgesamt übertragen dürfen. Die starke Stellung der Frau in der persischen Palastwirtschaft ist eben auch der Tatsache geschuldet, dass der Großkönig immerzu unterwegs war. Während seiner Abwesenheit kam seinen Frauen, besonders der Königsmutter, eine unvergleichliche Autorität zu.

Wenn es sich ein Perser leisten kann, ist er mit mehreren Frauen verheiratet. Herodot: »Die Frauen der Perser verkehren der Reihe nach mit ihrem Mann.« Verwandtenheirat ist beliebt, sogar Ehen unter Geschwistern sind möglich.

Das ist in Griechenland anders. Dort gelten strickte Inzestverbote. Griechische Männer nehmen ebenfalls ein großes Maß von sexueller Freizügigkeit für sich in Anspruch. Mit der Ehefrau zeugen sie legitime Kinder, nebenher halten sie aber vielleicht auch Konkubinen. Und die Päderastie, Beziehungen zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden, ist in Griechenland wie auch in Persien gesellschaftlich nicht geächtet.

Anders aber als in Persien kennt das griechische Gesetz nur die Einehe. Als Athen im »Peloponnesischen Krieg« (431–404) hohe Verluste unter der männlichen Bevölkerung erlitt, erließ die Volksversammlung ein Gesetz, das es »jedem, dem es gefiel, freistellte, zwei Frauen zu haben«, berichtet Athenaios. Das allerdings galt nur als Notstandsregelung.

Die Athener führten die Monogamie bis zu ihrem mythischen Urkönig Kekrops zurück. Neben dem Gesetz der Totenbestattung, dem Verbot von Menschenopfern, soll Kekrops »als erster mit einer einzigen Frau verheiratet gewesen sein. Zuvor hatte man die Paarung dem Zufall überlassen und die Männer besaßen alle ihre Frauen gemeinsam. Darum wussten die Kinder nicht, wer ihre Väter waren.« Gerade das aber wollten die Athener der klassischen Zeit ganz genau wissen.

Bürger sein konnte nur, wer aus einer rechtmäßig geschlossenen Ehe zwischen zwei gebürtigen Athenern hervorgegangen war. Unehelich gezeugte Söhne besaßen kein Bürgerrecht. Sie konnten es auch nicht erwerben. Weil das Bürgerrecht viele Privilegien gewährte. Zum Beispiel den Besitz von Grund und Boden, das Stimmrecht in der Volksversammlung, die Beisetzung im Familiengrab und zahllose andere Vergünstigungen. Darum war den griechischen Städten daran gelegen, die Zahl der Vollbürger nicht ausufern zu lassen.

Deswegen war auch die Einehe unverzichtbar. Sie stellte das wichtigste Steuerungselement dar, das Gemeinwesen überschaubar und seine Verwaltung funktionsfähig zu erhalten. Über die Monogamie also, gleichsam durch die Hintertür, gewann die griechische Frau einen Status, der unvergleichlich höher war als der ihrer orientalischen Schwestern.

So unterschiedlich waren die beiden Kulturen. Dabei behaupteten die Perser, sie seien Nachkommen des griechischen Sagenhelden Perseus, das wenigstens erzählt Herodot. An anderer Stelle lässt er einen medischen Perser sagen, die Meder stammten ursprünglich eigentlich aus Athen, und sie forderten nur ihr rechtmäßiges Erbe zurück, wenn sie Athen für sich beanspruchten. Das alles sind freilich fiktive Konstruktionen. Doch sie enthalten einen wahren Kern.

Griechen wie Perser gehören beide zu den Indoeuropäern, die in vorgeschichtlicher Zeit in den südrussischen Steppen beheimatet gewesen waren. Ihre Stammesväter hatten dort gemeinsam die ersten Pferde gezähmt. Irgendwann setzten sich die Steppenbewohner in Bewegung. Ein Teil zog nach Indien und begründete dort die vedische Kultur. Andere eroberten das iranische Hochplateau. Sie nannten sich Arier. In seiner Felsinschrift rühmt sich Dareios, er sei »Perser, der Sohn eines Persers, ein Arier aus dem Volk der Arier«. Als Arier haben sich die Griechen nie bezeichnet. Doch mit den vedischen Indern und den Persern gehören sie zur indoeuropäischen Sprachfamilie. So gesehen sind die persisch-griechischen Kriege des 5. Jahrhunderts eigentlich Bruderkriege.

Sie wurden mit der größten Erbitterung ausgetragen. »Innerhalb von drei Menschenaltern überfiel die Griechen mehr Unglück als in den zwanzig anderen Menschenaltern zuvor«, schreibt Herodot. Zwei Ideologien prallten kompromisslos aufeinander. Als Gotteskrieger zog Dareios in den Kampf, als Freiheitskämpfer stellten sich ihm die Griechen entgegen. Der persisch-griechische Krieg ist der erste ideologische Krieg der Geschichte. Das erklärt die maßlose Heftigkeit seiner Akteure.

Griechen wollen keine Perser sein

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Marathon: Griechen gegen Perser

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Athens Zukunft auf dem Meere

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Xerxes bringt Heiliges Feuer

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Spartas Märtyrer, Persiens Gotteskämpfer

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Die »hölzernen Mauern« von Salamis

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Campus Kaleidoskop

Das »Campus Kaleidoskop« ist ein Füllhorn voller faszinierender Geschichten aus den Bereichen Geschichte, Wissen und Gesellschaft. Mythen und Sagen, Herrscher und Heiden, Kriege und Konzile finden sich in dieser rein digitalen Reihe genauso wie Wunder des Weltalls, phantastische Physik und Erkenntnisse und Ereignisse, die die Gesellschaft von heute umtreiben. Renommierte Autoren geben ihr fundiertes Wissen weiter – spannend, fokussiert und auf den Punkt gebracht.

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www.campus.de/kaleidoskop.

Impressum

Erstmals veröffentlicht als Teil des Buches Die Welt der Griechen von Arnulf Zitelmann, erschienen 2008 im Campus Verlag, Frankfurt am Main.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2008, 2014 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln

Konvertierung in EPUB: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN der Printausgabe: 978-3-593-38536-5

ISBN der EPUB-Ausgabe: 978-3-593-42470-5

www.campus.de