Buddhas Geschenk der Geborgenheit - Wilfried Reuter - E-Book

Buddhas Geschenk der Geborgenheit E-Book

Wilfried Reuter

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  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Tiefes Vertrauen erfahren

Besonders in herausfordernden Situationen spüren wir immer wieder, wie schnell unsere (Selbst-)Sicherheit ins Wanken gerät und eine ängstliche, verletzliche Seite zum Vorschein kommt. Wilfried Reuter schenkt uns eine buddhistische »Gedankenmedizin«, die uns zum ureigenen Kraftort zurückführt. So können wir die Verbindung mit dem Leben, mit anderen, mit uns selbst stärken und vertiefen. Denn diese Verbundenheit ist Voraussetzung dafür, sich in der Welt geborgen zu fühlen.

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Seitenzahl: 152

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Wilfried Reuter

Buddhas Geschenk der Geborgenheit

Wie wir tiefes Vertrauen erfahren

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. 1. Auflage

Originalausgabe

© 2013 der deutschsprachigen Ausgabe

Kailash Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Lektorat: Birgit Groll

Umschlaggestaltung: ki 36, Sabine Krohberger Editorial Design, München

Umschlagmotiv: © Ocean Photography/Veer

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-641- 10680-5

www.kailash-verlag.de

Inhalt

Die Sehnsucht nach Geborgenheit

Buddhas Geschenk der Geborgenheit

Die Suche des Prinzen Siddhartha

Die Vier Edlen Wahrheiten

Die relative und die letztendliche Ebene

Unsere Wahrnehmungen sind stets begrenzt

Verstandesbewusstsein und Fühlbewusstsein

Übungen

Die Goldübung

Der Wohlfühlort

Quellen der Kraft und Geborgenheit

In der Natur sein

Im Zuhause eine Heimat finden

Nähe und Fürsorge im Familien- und Freundeskreis

Vertrauen und Selbstvertrauen stärken

Kontemplation: Vertrauen

Unsere Dankbarkeit und Wertschätzung kultivieren

Verbundenheit durch Beten erfahren

Übung: Beten

Die Grundlage aller Meditation – Liebende Güte (metta)

Die Metta Sutta

Übung: Metta-Wünsche

Metta-Kontemplation

Meditation – Sammlung und Einsicht

Übung: Shamatha-Meditation

Übung: Vipassana-Meditation »Der große Gastgeber«

Unsere wahre Zuflucht finden

In der alles durchdringenden Stille verweilen

Sei dir selbst eine Insel – Geborgenheit in dir selbst finden

Danksagung

Literaturempfehlungen

Anmerkungen

Über den Autor

Die Sehnsucht nach Geborgenheit

Kein Mensch betritt diese Welt ohne die bange Frage, ob und wie weit er in der Liebe eines anderen Menschen geborgen sein kann. Und solange sich diese Frage nicht beruhigt, wird er es nicht wagen, in die Welt zu treten.

Eugen Drewermann, Theologe

In jedem Leben gibt es Zeiten, in denen alles leichter geht, gibt es Momente von Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Die Menschen mögen uns; uns gelingt, was wir uns vornehmen; wir sind gesund und rundherum zufrieden mit uns und der Welt. Wir denken: So könnte es bleiben. Und dann geschieht etwas: Jemand kritisiert uns, wir werden nicht mehr eingeladen, treffen eine falsche Entscheidung, jemand, der uns nahesteht, stirbt – und wir verlieren die innere Balance, deren wir uns doch so sicher schienen. Manchmal passiert auch gar nichts so Gravierendes, wir können es nicht genau benennen, spüren nur, dass unser Gleichgewicht nicht mehr da ist: Wir erleben uns auf einmal als einsam, unsicher, verletzbar und verletzt. Und in solchen Momenten sehnen wir uns umso mehr nach Sicherheit, Geborgenheit und menschlicher Wärme.

Diese Geborgenheit, nach der wir uns im Leben sehnen, haben wir im Mutterleib schon einmal erfahren. Dort war es warm, wir waren geschützt vor zu starken Sinnesreizen. Licht drang nur gedämpft und gleichmäßig zu uns durch, und wir spürten den regelmäßigen Herzschlag unserer Mutter. Selbst wenn wir vielleicht nicht gewollt waren oder unsere Mutter mit widrigen Bedingungen zu kämpfen hatte, haben wir alle, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, diese Art Ur-Geborgenheit erfahren, und zwar allein aufgrund der biologischen Gegebenheiten.

Dann wurden wir in diese Welt hineingeboren. Wir erlebten uns nicht länger in der Mutter, sondern – auf halbbewusster Ebene – von ihr getrennt. Stand unsere erste Zeit unter einem guten Stern, waren wir zum Beispiel von unseren Eltern erwünscht, waren wir willkommen, konnten Mutter und Vater sich liebevoll und einfühlsam um uns kümmern, hatte diese erste Trennung keine traumatischen Folgen für uns. Wir konnten uns auch weiterhin geborgen fühlen, sicher und angenommen. In der Entwicklungspsychologie geht man davon aus, dass ein gewisses Maß an Erfahrungen von Geborgenheit, Sicherheit, Getragensein notwendig ist, damit wir zu bindungsfähigen Menschen werden, damit wir Vertrauen entwickeln können, in andere Menschen und in das Leben selbst. So finden wir als Individuen die Kraft zur Entwicklung.

Wie wichtig diese Erfahrungen sind, hat in den letzten Jahren die Resilienzforschung gezeigt. Sie untersucht, warum manche Menschen mit großen Herausforderungen und traumatischen Erlebnissen, die sie in ihrer Existenz bedrohen, besser umgehen können als andere und selbst an schrecklichen Erfahrungen nicht zerbrechen. Und sie erforscht, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Doch nicht alle Menschen haben das Glück, frühe Geborgenheitserfahrungen machen zu können. Oder manche mussten erleben, dass diese durch spätere Erfahrungen nachhaltig erschüttert und in Frage gestellt worden sind. Andere spüren vielleicht im Alltag immer wieder bedrohliche Momente plötzlicher Unsicherheit und Ungeborgenheit. Denn sosehr wir vielleicht auch geliebt und umsorgt wurden, so gehört zu unserer Entwicklung als Menschen auch dazu, dass wir Trennung erleben.

Schon ganz früh erleben und spüren wir, dass unsere Mutter, unser Vater, unsere wichtigsten Bezugspersonen etwas anderes sind als wir selbst. Dies bringt von Beginn an eine Quelle des Leids, des Abgetrenntseins, des Gefühls der Bedürftigkeit und Unvollkommenheit in unser Leben. Unsere oft lebenslange Suche nach Geborgenheit speist sich aus dem Wunsch, die wunderbaren Erfahrungen erlebter Geborgenheit – Wärme, Sicherheit, Vertrauen – wieder zu erleben und darüber hinausgehend, Trennung zu überwinden.

Wir leben heute in einer schnelllebigen, konfliktreichen und immer komplizierter scheinenden Welt. Viele Zusammenhänge können wir gar nicht mehr durchschauen. Wir benutzen Mobiltelefone, Computer, Autos und viele Dinge, die wir vielleicht noch handhaben, aber weder wirklich verstehen noch erklären können. Die Anforderungen in Schule und Beruf nehmen zu, ebenso wie Leistungs- und Konkurrenzdruck. Viele Menschen leiden unter Mobbing. Stresserkrankungen, Burnout und Depressionen gehören zu den mittlerweile häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit und sind Zivilisationskrankheiten unserer Zeit. Finanzkrisen, Klimawandel, Umweltkatastrophen, Kriege, oftmals befeuert durch religiösen Fundamentalismus, sind Chiffren einer Welt, die selbst aus der Balance zu geraten droht. Und in dieser Zeit schwindender Zukunftsperspektiven und Sicherheiten sehnen wir uns umso mehr nach innerer Sicherheit, nach Frieden und Geborgenheit; Qualitäten, die oft in direktem Widerspruch zu unseren Alltagserfahrungen stehen. Und wir merken immer öfter, wie einsam, verletzbar und unsicher wir uns fühlen, wie leicht wir unsere Balance verlieren.

Umso dringlicher stellt sich uns die Frage: Wie kann ich eine Geborgenheit finden, die möglichst nicht von äußeren Bedingungen abhängig ist?

Nach einem öffentlichen Vortrag kam ein älterer Herr zu mir und sagte: »Wissen Sie, was das Ziel meines Lebens ist? Ich möchte Geborgenheit in mir selbst finden. Ich möchte inneren Frieden erleben, und mit diesem Frieden im Herzen möchte ich dem Tod begegnen, wenn er zu mir kommt.« Nach ihm sprach mich eine junge Frau an. Sie sagte: »Die Verbundenheit und Geborgenheit, von der Sie in Ihrem Vortrag gesprochen haben, die kann ich in manchen Momenten des Alleinseins spüren. Aber im Alltag, im Berufsleben, das ausgerichtet ist auf Effektivität und Produktivität, in dem immer mehr immer schneller zu bewältigen ist, erlebe ich oft ein solches Gegeneinander und Ellbogengebaren – und da geht mir alles wieder verloren.«

In meiner Arztpraxis muss ich Patientinnen häufig schwierige Nachrichten übermitteln. Manchmal sind es lebensbedrohliche Diagnosen, die ihre ganze bisherige Identität ins Wanken bringen. Nach der Phase des ersten Schocks – im Schock kann man oft gar nichts fühlen – erleben die meisten Gefühle von Angst, Unsicherheit, Panik, Wut, Trauer und Hilflosigkeit. Und sie sehnen sich nach einem sicheren Ort, nach Geborgenheit.

Es gibt aber auch Menschen, die selbst bei äußeren und inneren Erschütterungen ihre Balance und ihre Kraft sehr schnell wiederfinden können. Auch in Zeiten existenzieller Erschütterungen wirken sie weder von Sorgen und Ängsten bedrückt noch über die Maßen aufgeregt. Sie begegnen den Herausforderungen ihres Lebens mit Ruhe und Gelassenheit, und in ihrer Gegenwart fühlt man sich wohl. Sie verbreiten eine angenehme Atmosphäre voller Zuversicht und innerer Stärke. Solche Menschen haben Zugang zu Quellen, aus denen sie Kraft und Sicherheit beziehen; zu Orten der Geborgenheit, die sie auch schwierige, bedrängende Situationen meistern lassen.

Die gute Botschaft ist, dass es verschiedene Wege gibt, Zugang zu diesen Quellen zu finden. Allerdings ist es wichtig, sich rechtzeitig Quellen der Kraft und Geborgenheit zu erschließen und den Zugang offen zu halten.

»Wenn ihr erst auf dem Sterbebett damit anfangen wollt, ist es zu spät«, mahnte uns meine Lehrerin Ayya Khema immer wieder. Rechtzeitig – damit sind Zeiten gemeint, in denen es uns gut geht und unser Leben im Wesentlichen in Balance ist. Machen wir uns dann mit dieser Dimension vertraut, erschließen wir uns die Wege zu dieser Quelle und kultivieren sie, sind wir gut gerüstet für Zeiten der Verunsicherung und Angst, wenn sich unsere scheinbaren Sicherheiten auf einmal als wenig verlässlich erweisen. Wie schnell das geschehen kann, das wird jeder von uns vermutlich schon mehr als einmal erfahren haben.

Die meisten Menschen nennen auf die Frage, wo sie Geborgenheit suchen oder zu finden meinen, als Erstes Familie, Partnerschaft, Freundinnen und Freunde. Geborgenheit ist also etwas, das wir am ehesten in Beziehung zu anderen suchen und zu erleben hoffen. Wir brauchen einen anderen, um in uns Geborgenheit zu erleben, um uns geborgen zu fühlen. Doch wenn wir unser eigenes Leben betrachten oder das unserer Freundinnen und Freunde, können wir sehen, wie oft Freundschaften auseinandergehen und Partnerschaften zerbrechen. Wir erleben, dass Menschen, die uns Geborgenheit schenken, krank werden und sterben und sich auch Familienbande nur als begrenzt belastbar erweisen. Kurz gesagt: Das, was uns Geborgenheit und Sicherheit verspricht oder auch möglicherweise für eine Weile erleben lässt, erweist sich oft genug als brüchig, unbeständig und vergänglich. Und so haben wir vielleicht wieder und wieder das Empfinden, dass unsere Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit äußerst fragil sind, bei einer Veränderung äußerer Bedingungen sofort ins Wanken geraten und Gefühlen der Verunsicherung und Angst Platz machen.

Wir wünschen uns eine Geborgenheit, die nicht den Wechselfällen des Lebens unterworfen und von diesen bedroht ist. Gibt es denn eine Geborgenheit, deren Quelle wir in uns tragen, die nicht von unseren Beziehungen zu anderen, von ihren Reaktionen auf uns abhängig ist? Sollte es sie geben, wie können wir diese Quelle entdecken, freilegen und uns einen steten Zugang zu ihr schaffen?

Fragen dieser Art haben sich die Menschen zu allen Zeiten gestellt, denn das Bedürfnis nach Geborgenheit zählt zu den Urbedürfnissen der Menschheit ebenso wie die Erfahrung existentieller Verunsicherung und Ungeborgenheit. Und immer gab es Menschen, die sich auf den Weg gemacht, sich diesen Fragen wirklich in den Tiefen ihrer Existenz gestellt haben, um eine Antwort zu finden, die der eigenen Erfahrung und nicht dem Hörensagen oder den vorherrschenden Ansichten ihrer Zeit entspringt. Einer von ihnen war ein junger Mann, der der Welt später als »der Buddha«, »der Erwachte« oder »Erleuchtete« bekannt wurde.

Buddhas Geschenk der Geborgenheit

So wie das Wasser des Meeres nur einen Geschmack hat – den Geschmack von Salz, so hat die Lehre des Erwachten nur einen Geschmack – den Geschmack der Befreiung.

Der Buddha

Die Suche des Prinzen Siddhartha

Als der Buddha noch nicht erleuchtet war, lebte er als Prinz Siddhartha unter sehr privilegierten Bedingungen. Er wuchs sehr behütet heran, genoss eine hervorragende Ausbildung und hatte viele Freunde. Es war für alles, was man sich materiell oder kulturell nur wünschen kann, gesorgt. Man könnte sagen, dass von den äußeren Bedingungen her alles vorhanden war, damit Prinz Siddhartha sich geborgen fühlen konnte. Dennoch spürte er eine immer größer werdende Unzufriedenheit, Unerfülltheit und Unruhe, und er empfand die Palastmauern, innerhalb derer sich sein Leben abspielte, zunehmend als Begrenzungen. Er hatte das Gefühl, als trennten sie ihn von Aspekten des Lebens ab, von denen er zwar nichts wirklich wusste, deren Existenz er jedoch erahnte. Sie zu kennen erschienen ihm aber wichtig, um zu einem tatsächlichen Wissen darüber zu gelangen, was denn das Leben eigentlich ist.

Gegen den Widerstand seines Vaters unternahm Prinz Siddhartha Ausfahrten, die ihn jenseits der Palastmauern führten und ihn erstmals mit den Phänomenen Krankheit, Alter und Tod in Berührung kommen ließen: Er begegnete einem Kranken und einem alten gebrechlichen Menschen und sah zum ersten Mal in seinem Leben auch einen Toten. Und er realisierte, dass dies keine Einzelfälle waren, sondern das Los aller Menschen und damit auch seins: Auch er würde alt werden, krank werden und eines Tages sterben. Er hatte die unabwendbaren Bedingungen menschlicher Existenz bzw. die aller lebenden Wesen erkannt und sah, dass sie allesamt leidvoll waren. Leidvoll bedeutet in diesem Zusammenhang: unkontrollierbar, vergänglich und damit unbefriedigend.

Wenn wir gerade verliebt sind oder uns zeitweilig nur angenehme Dinge zufallen, werden wir die Leidhaftigkeit auf den ersten Blick nicht erkennen können, denn sie scheint so gar nicht unseren momentanen Wahrnehmungen zu entsprechen. Aber auch die glücklichsten Momente wandeln sich, nichts können wir wirklich festhalten. Bestenfalls können wir ähnlich glückliche Erfahrungen anstreben. Ob uns dies gelingt, ist ungewiss.

Prinz Siddhartha erlebte die Sorgen, Nöte und Ängste der Menschen, ihre Erschütterung und Trauer über den Tod eines Anverwandten. Er wusste, dass auch er und all die, die er liebte, diesen Bedingungen unterworfen waren und ihnen nicht entkommen konnten, auch nicht innerhalb der Palastmauern, die ihm ein luxuriöses, materiell sorgenfreies Leben ermöglichten. Das, was ihm zuvor als Hort der Geborgenheit und Sicherheit erschienen war, sah er nun mit ganz anderen Augen. Denn auch dort gab es kein Entrinnen vor den leidvollen Dimensionen des Lebens. Gab es denn überhaupt ein Entrinnen, gab es ein Freisein von Alter, Krankheit, Tod? Gab es eine wirkliche Geborgenheit, die sich nicht als trügerisch erwies? Auf seiner vierten Erkundungsfahrt traf Prinz Siddhartha schließlich auf einen Menschen, der auf geheimnisvolle Weise in sich zu ruhen schien. Er strahlte einen tiefen Frieden, Zuversicht und Leichtigkeit aus. Er schien frei von jeder Angst und Sorge zu sein. Gekleidet war dieser Mann in der einfachen Robe eines Wanderasketen; eines Menschen, der sein Leben als Sohn und Familienvater in der Gesellschaft aufgegeben hatte zugunsten eines spirituell orientierten, einfachen Lebens. Diese Begegnung weckte in Prinz Siddhartha eine tief liegende Sehnsucht. Er wollte ebenfalls diesen tiefen Frieden, diese Zuversicht und Leichtigkeit erleben, denn er spürte, dass dieser Wanderasket einen Umgang mit den leidvollen Dimensionen menschlicher Existenz gefunden hatte.

Und so verließ er seine Familie, sein behütetes Leben im Palast und machte sich auf den Weg, wie dieser Wanderasket es getan hatte. Natürlich wusste er, dass wir unsere Schwierigkeiten nur mittels unseres Bewusstseins erleben. Von Gefühlen leichter Unerfülltheit bis hin zu großem Kummer, niederdrückenden Sorgen und tiefer Angst – all diese Erfahrungen machen wir mit und in unserem Bewusstsein. Und wir brauchen unser Bewusstsein, um zu reagieren und zu handeln. Könnte es sein, so hat sich vermutlich Prinz Siddhartha gefragt, dass eine Verfeinerung, Stabilisierung und Klärung unseres Bewusstseins einen Schlüssel zur Auflösung unserer Probleme darstellt?

Als Erstes suchte er die berühmtesten spirituellen Lehrer seiner Zeit auf und schulte bei ihnen durch Meditation systematisch sein Bewusstsein. Ein ungeschultes Bewusstsein ist meist von einer gewissen Unruhe ergriffen und lässt sich von den ständig wechselnden Gedanken und Gefühlen besetzen. Diese Erfahrung haben die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten gemacht, und wir machen sie auch heute, denn sie ist ganz unabhängig von Kultur und Sozialisation. Ein Mensch aber, der sich von seinen Gedanken getrieben und von seinen Sorgen vereinnahmt und niedergedrückt fühlt, der wird nicht erkennen können, dass er den Schlüssel zur Auflösung seiner Probleme längst in den eigenen Händen hält. Der Schlüssel heißt: Schulung des Bewusstseins. Solange wir es versäumen, unser Bewusstsein zur Ruhe kommen zu lassen, es zu stabilisieren, zu weiten und zu vertiefen, wird sich an unserem Erleben nichts Grundlegendes ändern. Wir werden weiterhin Angst und Unsicherheit erfahren, und unsere Sehnsucht nach dauerhafter, nicht nur situativer Geborgenheit bleibt ungestillt.

Prinz Siddhartha ließ sich von seinen Lehrern in die damals bekannten und erprobten Meditationstechniken einführen, und er übte sie mit großer Hingabe und Beharrlichkeit. Er lernte die verschiedenen Bewusstseinsebenen kennen und erlebte tiefe Versenkungsstufen. Doch er spürte auch, dass die Vervollkommnung dieser Meditationspraktiken ihm noch nicht die endgültige Befreiung, nach der er so sehr suchte, brachte, und so verließ er all seine Lehrer und ging seinen eigenen Weg. Er gab die asketischen Praktiken auf, die zu seiner Zeit als Pfade zur Erleuchtung gelehrt wurden, und fand seine eigene Praxis, einen mittleren Weg, jenseits der Extreme von Askese auf der einen und Sinneslust und Ablenkung auf der anderen Seite. Indem er die Stabilität, Klarheit und Verfeinerung seines Bewusstseins vervollkommnete, erkannte er die Bedingungen und Ursachen menschlicher Schwierigkeiten immer deutlicher und fand schließlich, am Fuße des Bodhibaums sitzend, Befreiung und damit Antwort auf alle Fragen unserer menschlichen Existenz. Damit war er zum Buddha, zum Erwachten, geworden.

Die Vier Edlen Wahrheiten

Als seine ehemaligen Gefährten, die sich mit ihm in den asketischen Praktiken geübt hatten und die ihn dann dafür verachteten, dass er diese aufgegeben hatte, des Weges kamen und Siddhartha so sahen, spürten sie, dass eine große Veränderung in ihm stattgefunden hatte, und sie baten ihn um Belehrung. Und der Buddha fasste seine Einsichten in den Vier Edlen Wahrheiten zusammen, die seither als Grundlage für ein Verständnis der buddhistischen Lehre gelten. Sie zeigen einen Weg auf, der als eine Art spirituelle Lebensschulung zu verstehen ist und zentrale Fragen unserer Existenz klärt. Es ist ein Weg, der zur Auflösung jeglicher Angst und zum Erleben vollkommener Geborgenheit führt.

Der Buddha wird manchmal auch als der erste Arzt bezeichnet, und die Formulierung der Vier Edlen Wahrheiten lässt denn auch an eine heilkundliche Behandlung denken, die von der sorgfältigen Untersuchung der Krankheit zur Diagnose und dann zum angemessenen Heilverfahren voranschreitet.

In der ersten edlen Wahrheit beschreibt der Buddha universelle Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich das menschliche Leben abspielt: Wir alle wurden von unserer Mutter geboren. Damit verbunden waren leichte oder auch starke Schmerzen, wie jede und jeder weiß, die schon einmal ein Kind geboren hat oder bei einer Geburt zugegen war. Wir werden älter, und die gesundheitliche Balance geht immer wieder einmal verloren, und wir werden krank. Beides – Alter und Krankheit – geht mit unangenehmen körperlichen Empfindungen einher. Auch Sterben und Tod sind im Allgemeinen mit Schmerzen und Leiden verbunden. Es gibt aber auch leidvolle Erfahrungen, wenn wir zum Beispiel Menschen verlieren, die wir lieben oder mögen – sei es, dass sie uns verlassen oder dass sie sterben. Leidvoll ist es aber auch, nicht zu bekommen, was wir haben möchten. Und ebenso leidvoll ist es, mit Menschen zusammen sein zu müssen, die wir nicht mögen.

Die erste edle Wahrheit beschreibt also zusammengefasst, dass Leid – in Sanskrit dukkha