Business für Bohemiens - Tom Hodgkinson - E-Book

Business für Bohemiens E-Book

Tom Hodgkinson

0,0
17,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer weder Erdöl noch Hundefutter verkaufen will, sondern etwas Schönes und Sinnvolles mit seiner Arbeit machen möchte, ist der ideale Leser für dieses Buch. Tom Hodgkinson, früher Experte für alle Fragen des Müßiggangs, ist heute selbest Unternehmer. Er hat in London die Idler Academy gegründet, eine Art Volkshochschule für das gehobene Volk, in der Kurse in Grammatik, Reden halten, Musizieren, Brot backen, Bier brauen und Philosophie angeboten werden. In »Business für Bohemiens« stellt er auf höchst unterhaltsamem Niveau, gespickt mit amüsanten Anekdoten, den Lesern seine Erfahrungen zur Verfügung: Wie erstelle ich einen Geschäftsplan? Wie funktioniert eine Kalkulation, was gehört zu einer guten Buchhaltung, worin bestehen die Vorzüge einer guten Website, und wo finde ich die richtigen Angestellten? Und nicht zuletzt: Wann ist der Moment gekommen, das Handtuch zu werfen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 319

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meine Mutter

INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Buch lesen

» Impressum

» Weitere eBooks des Autors

» Weitere eBooks von Kein & Aber

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

TOM HODGKINSON ist der Autor zahlreicher Bestseller, die um das Thema »Müßiggang« kreisen. Sein erstes Buch Anleitung zum Müßiggang (2004) wurde in 25 Sprachen übersetzt und weltweit über 500 000 mal verkauft. Es folgten u. a. der Leitfaden für faule Eltern (2009) und Schöne alte Welt (2011). Seit 2011 führt er mit seiner Frau die Idler Academy in London, eine Art gehobener Volkshochschule, in der Kurse in Grammatik, Rhetorik, Musizieren, Brotbacken, Bierbrauen und Philosophie angeboten werden.

ÜBER DAS BUCH

Der typische Bohemien neigt dazu, die Welt der Zahlen zu missachten. Er will nicht für einen Spießer gehalten werden, der über Aufstellungen und Tabellen brütet. Er will die Welt erobern, auf einem Diwan liegen, Gin Tonics trinken und sich über den Sinn und Unsinn des Lebens unterhalten.

Tom Hodgkinson, selbst Bohemien und Unternehmer, hat weder seine Freiheit eingebüßt noch seine Ideale verraten. In diesem Buch erzählt er vom abenteuerlichen Auf und Ab seiner Karriere und zeigt, auf welche Weise man sich staubtrockene Themen wie Buchführung, Businesspläne oder Kalkulationen mit Spaß und Leidenschaft zu eigen machen kann.

»Unglaublich lustig … Dieses Buch muss unbedingt auf Ihre Leseliste.«

Financial Times

VORWORT

Künstler, Schriftsteller, Musiker und andere Kreative neigen im Allgemeinen dazu, einen Horror vor den Gepflogenheiten der Geschäftswelt zu haben. Begriffe wie »Cashflow-Prognose«, »Kalkulationstabelle« und »Umsatzsteuererklärung« rufen bei ihnen bestenfalls Langeweile und schlimmstenfalls reine Panik hervor. Wir Künstler wollen mit der schnöden Welt des Handels nichts zu tun haben. Wir wollen uns auf einer reich bestickten Ottomane herumlümmeln und an einer Shisha paffen, während wir über Oscar Wilde diskutieren. Wir wollen frei sein. Wir wollen uns betrinken. Wir können uns nicht vorstellen, eine Marketingstrategie auszuarbeiten und an einem freien Tag in einem stickigen Büro mit einem Flipchart zu sitzen und eine SWOT-Analyse durchzuführen, geschweige denn Leistungsberichte auszuwerten, Angestellte zu entlassen und Aufgabenprofile zu erstellen.

Kann man tatsächlich ein Bohemien in der Geschäftswelt sein? Der Bohemien – der Freigeist, die kontemplative Seele, der Poet, der Philosoph – schwebt doch sicherlich über der profanen Welt der Wirtschaft und des Wettbewerbs, über all dem ordinären Geschrei, dem Trubel und dem Gedränge, wo jeder immerzu versucht, sich Gehör zu verschaffen?

Ja, schon. Es wäre schön, wenn man keiner gewöhnlichen Erwerbstätigkeit nachgehen müsste. Doch die meisten von uns müssen sich so etwas wie einen Lebensunterhalt verdienen. Also haben wir Bohemiens entschieden, nicht für einen Großkonzern zu arbeiten, sondern lieber als Freiberufler, Ein-Mann-Betrieb oder Unternehmer tätig zu werden. Wir wollen etwas Nützliches erschaffen, etwas Schönes, oder beides zugleich, und es verkaufen. Das ist ein nobles und erhebendes Ziel. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.

Und die Welt entwickelt sich eindeutig in diese Richtung. Der Erfolg von Start-ups wie Uber, Airbnb und Etsy ist ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Leute überall nach größerer Kontrolle über ihren Arbeitsalltag streben. Sie sehnen sich nach Freiheit. Und Uber, Airbnb und Etsy haben von diesem Trend ordentlich profitiert.

Beim Bohemeleben geht es natürlich um Freiheit, und darum geht es auch, wenn man ein Geschäft führt.

Doch es ist nicht ganz so einfach. Die Vorstellung, dass man einen Teewärmer strickt, ihn auf einer Website zum Verkauf anbietet, darüber twittert, dabei zuschaut, wie die Bestellungen hereinströmen und seinen Tagesjob an den Nagel hängen kann, ist reines Wunschdenken. Etwas herzustellen ist einfach. Es zu verkaufen nicht.

Und wenn Sie nicht sehr vorsichtig sind, dann wird Ihr kreatives Unternehmen, von dem Sie hofften, dass es Ihnen Unabhängigkeit und Reichtum verschaffen wird, stattdessen dafür sorgen, dass Sie nichts als harte Arbeit und finanzielle Not kennenlernen werden. Ich weiß das, denn ich habe es erlebt. Lesen Sie dieses Buch, dann wird es Ihnen vielleicht gelingen, die Fehler zu vermeiden, die ich gemacht habe.

Meine Absicht ist es, Ihnen die Grundlagen des Kleinunternehmertums beizubringen und Ihnen dabei zu helfen, Ihrem Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, das Ihnen Freude macht. Wenn Sie ihr eigenes kreatives Unternehmen gründen, werden Sie bald erkennen, dass Ihnen jedes nur erdenkliche Hindernis in den Weg gelegt werden wird. Zunächst einmal ist es harte Arbeit, härter, als Sie es sich vorstellen können.

Und für jemanden wie mich, der den Leuten die Kunst des Müßiggangs nahebringen will, war es nicht ganz einfach, das zu akzeptieren.

Während der Nullerjahre war ich hauptberuflich als Autor tätig. Doch als das Jahrzehnt sich seinem Ende zuneigte, ging es mit der Verlags- und Journalismusbranche zunehmend bergab. Das Geld schien ausgegangen zu sein. Also beschloss ich, ein Geschäft aufzumachen. Und das war eindeutig noch härter.

Im März 2011 eröffneten meine Lebensgefährtin und ich in London eine Kombination aus Café, Buchladen und Kulturzentrum, das wir »The Idler Academy of Philosophy, Husbandry and Merriment« tauften. Nette Idee. Lasst uns in einem Buchladen herumsitzen wie einst Nancy Mitford in Heywood Hill und vergnügte kleine Salontreffen für die Geistesgrößen unserer Zeit abhalten. Tja, ganz so war es dann leider nicht.

Plötzlich war ich nicht mehr vier Stunden am Tag mit Bücherschreiben beschäftigt, sondern verbrachte vierzehn Stunden täglich damit, die Kunden zu bedienen, Bücher zu bestellen, etwas Journalismus zu betreiben, wöchentliche Newsletter zu versenden, mich über die schmutzigen Toiletten aufzuregen und vor Veranstaltungen Möbel herumzuschleppen. Zwei Jahre lang wachte ich jeden Morgen um 5:30 Uhr in heller Panik auf, lag zwei Stunden lang da und machte mir Sorgen, bevor ich im Schlafanzug zu meinem Laptop kroch.

Ich erkannte, dass ich mich von einem Verfechter des entspannten Lebens in eine grässliche Kombination aus David Brent und Basil Fawlty1 verwandelt hatte. Für einen Kunden einen Kaffee aufzubrühen, erfüllte mich mit Angst und Scham. Eine Woche nach unserer Eröffnung wurde ich in einer Online-Bewertung von einem erbosten Kunden als »überheblicher Spinner« bezeichnet. Ich erwies mich als furchtbarer Chef, der abwechselnd kumpelhaft und ausfallend war. Ich machte den Angestellten Vorwürfe, wenn sie zu spät kamen, und wurde von einem von ihnen beschuldigt, »Mikromanagement« zu betreiben, ein Begriff, den ich noch nie zuvor gehört hatte.

Wir mussten feststellen, dass zwar Geld hereinkam und wieder ausgegeben wurde, die Besitzer – meine Lebensgefährtin Victoria und ich – jedoch die einzigen waren, die nichts davon sahen. Angestellte, Lieferanten, Dozenten, Vermieter, Bank, Finanzamt: alle mussten vor uns bezahlt werden. Gelegentlich kann es einem schon so vorkommen, als würde man ausschließlich für die Bank und den Vermieter arbeiten.

Tja, willkommen in der Realität. Wenn Sie Freiheit wollen, müssen Sie auch Verantwortung übernehmen, und das bedeutet, langweilige Post zu öffnen und sich darum zu kümmern; es bedeutet, die Umsatzsteuererklärung rechtzeitig einzureichen.

Außerdem habe ich gelernt, dass Geschäftemachen ein Handwerk ist, wie Schreinern. Man muss es studieren und üben. Sie werden viele Fehler machen. Und es kann etliche Jahre dauern, bis Sie darin eine gewisse Kompetenz erreichen. Früher einmal dauerte eine Lehre sieben Jahre, und das gilt vermutlich auch für Geschäftsleute.

Meine eigene Geschichte verlief kurz gesagt folgendermaßen: Ich habe seit 1997 keinen Job mehr gehabt. Die Neunzigerjahre verbrachte ich damit, mich in London herumzutreiben. Ich gründete meine eigene Zeitschrift, den Idler, der an Leute gerichtet war, die es ebenfalls vorzogen, keinen Job zu haben. Ich schrieb einen Artikel für den Guardian, die Überschrift lautete: »Warum ich keinen Job haben will«, und eine Woche später boten sie mir einen an. Ich wurde Leiter der Entwicklungsredaktion, zusammen mit meinem Freund und Kollegen Gav. Nach drei Jahren kündigten wir, um unsere eigene Werbeagentur zu gründen. Zu unseren Kunden gehörten Channel 4 und Sony PlayStation. Wir produzierten Magazine und Werbeanzeigen, um diese Marken zu unterstützen. Innerhalb von ein paar Jahren machten wir einen Umsatz von 250000 Pfund, und da unsere Betriebskosten niedrig waren, floss das meiste davon direkt in unsere Taschen.

Wir verbrachten nahezu jeden Abend im Spreadeagle Pub in Camden Town, der von unserem Büro aus am schnellsten zu erreichen war. Einer meiner Trinkkumpane war John Moore, ein charismatischer Musiker, der bei Jesus and Mary Chain am Schlagzeug gesessen hatte. Eines Abends kam das Gespräch auf Johns Plan, Absinth aus Tschechien zu importieren. Wir überlegten uns, zu diesem Zweck ein eigenes Unternehmen zu gründen. Zwei Jahre später kam es tatsächlich dazu: Mit dem Slogan »Heute Nacht feiern wir wie 1899« brachten wir den Absinth-Boom in Großbritannien ins Rollen. Ich nahm eine Dividende in Höhe von 20000 Pfund mit nach Hause, was nicht übel war. Ich fing jedoch an, mich zu langweilen, und verkaufte meine Anteile an einen unserer Geschäftspartner.

Bald darauf langweilte mich auch die Leitung der Agentur. Eines Morgens wachte ich auf und beschloss zu kündigen und stattdessen Bücher zu schreiben. Meine Lebensgefährtin und ich zogen weg aus London: Wir mieteten einen abgelegenen Bauernhof, auf dem wir zehn Jahre lang lebten. Ich schrieb dort fünf Bücher, darunter Anleitungzum Müßiggang, das in zwanzig Ländern weltweit verkauft wurde, von China und Korea bis Finnland und Estland. Ich hackte Holz am Nachmittag, baute Gemüse an, hielt Schweine und gab weiterhin den Idler heraus. Es war ein großartiges Leben. Die Bücher verkauften sich recht gut. Zwei von ihnen wurden zu Bestsellern, und ich bekomme noch immer alle paar Monate nette Tantiemenschecks aus dem In- und Ausland.

Im Jahr 2000 riefen Victoria und ich ein neues Festival-Projekt ins Leben, die Idler Academy. Wir mieteten ein Zelt auf dem Port Eliot Festival und veranstalteten ein Programm, das aus Kursen, Vorträgen und mittelalterlichen Musikaufführungen bestand. Unser erstes Seminar nannte sich »Wie man einen Knopf richtig annäht« und wurde von einem Schneider aus der Londoner Savile Row abgehalten.

Das war ein großer Spaß. In den Sommerferien brachte unser wohlhabender Freund Robin Birley, der den luxuriösesten Privatclub in London betreibt, uns auf die Idee, in London eine ständige Dependance des Idler aufzumachen.

Plötzlich hatten wir eine zweite Hypothek aufgenommen, uns bei der Bank Geld geliehen und einen Laden in einer ruhigen Ecke von Notting Hill gemietet. Innerhalb von fünf Jahren bauten wir dort etwas auf, was man als solides Veranstaltungsunternehmen bezeichnen könnte.

Aber hey, es war hart. Es war die Realität. Wir hatten überhaupt keinen Schimmer, was wir da taten. Wir mussten uns mit allen möglichen Problemen herumschlagen: aufgebrachte Mitarbeiter, Ärger mit dem Finanzamt, negativer Cashflow, Schwarzseherei, neue Konkurrenten – der übliche Kram. Es gelang uns, unseren Umsatz von 150000 Pfund im ersten Jahr auf 230000 Pfund im fünften Jahr zu steigern, und wir konnten sogar einen kleinen Gewinn verzeichnen.

Nachdem ich mich mit einem Freund ausgetauscht hatte, der bei der E-Commerce-Plattform Etsy arbeitet, beschlossen wir, zwei Online-Versionen von unseren Kursen zu produzieren. Wir engagierten einen Filmemacher und nahmen zusammen mit unserem Philosophiedozenten Mark Vernon sechs Vorlesungen über die Philosophie der Antike auf – die Stoiker, die Epikureer und so weiter. Wir fügten noch ein paar Seiten hübsch gestalteter Anmerkungen sowie den Zugang zu einem »Fragen an den Lehrer«-Forum hinzu. Wir stellten sie ins Internet, und am ersten Tag meldeten sich bereits hundert Interessenten, die bereit waren, dafür zu bezahlen.

Unsere Online-Kurse sind etwas Schönes und Nützliches, das die Leute mögen. Die Idee gefiel unserem ersten Privatinvestor, und wir produzierten daraufhin eine Reihe von sechzehn skurrilen, lustigen und sehr englischen Kursen mit Top-Experten aus verschiedenen Bereichen. Jeder dieser Kurse hat mittlerweile Profit eingebracht.

Im Anschluss veranstalteten wir eine Fundraising-Kampagne, um unser digitales Angebot zu erweitern. Außerdem haben wir beschlossen, unser derzeitiges Hauptquartier aufzugeben, weil uns klar geworden ist, dass es sich in der falschen Gegend befindet – und um die gigantischen Betriebskosten einzusparen.

Dieses Buch ist das Ergebnis von fünf Jahren Erfahrung an der Front eines Unternehmens mit den Schwerpunkten Bildung, Einzelhandel und Publikation –, und von zwanzig Jahren beruflicher Selbstständigkeit.

Mein Mantra lautete schon immer »Lass dich nicht unterkriegen«, auch wenn ich jeden zweiten Tag das Gefühl habe, aufgeben zu müssen. Aber ich weiß, dass wir etwas tun, das Sinn und Bedeutung in das Leben der Menschen bringt. Unsere Kunden, unsere Fans, unsere Community und unsere Leser sind begeistert von dem, was wir tun. Mir macht es Freude. Und es sind diese vier Worte, die ich immer wieder von anderen Unternehmern höre: »Lass dich nicht unterkriegen.«

Keine andere Laufbahn bietet diese Art von Freiheit. Es geht dabei nicht darum, ein riesiges Vermögen zu machen und ein amoralischer Hedgefondsmanager zu sein, der sich nur für Geld interessiert. Es geht darum, etwas zu erschaffen, das die Welt verbessert, Spaß macht und Ihnen und anderen die Gelegenheit gibt, einer erfreulichen und erfüllenden Tätigkeit nachzugehen. Wie Robert Louis Stevenson einst sagte: »In meiner Vorstellung besteht die eigentliche Aufgabe des Menschen darin, die Welt mit schönen Dingen zu bereichern und dabei selbst eine möglichst angenehme Zeit zu verbringen.«

Das ist tatsächlich ein nobles Ansinnen. Ich habe dieses Buch geschrieben, um diejenigen unter Ihnen zu unterstützen, die es teilen.

1   David Brent ist eine Figur aus der BBC-Serie The Office; Basil Fawlty ist der Hauptdarsteller der britischen Sitcom Fawlty Towers. (Anm. d. Ü.)

WIE WOLLEN SIE LEBEN?

Das Problem des Kapitalismus ist nicht, dass es zu viele, sondern dass es zu wenige Kapitalisten gibt.

G. K. CHESTERTON

In regelmäßigen Abständen suche ich meinen Freund, den Medienmogul John Brown auf, um mich geschäftlich beraten zu lassen. John hat Millionen mit der Herausgabe von Magazinen verdient, das wohl bekannteste ist Viz, ein Comicheft für Erwachsene. Während auf einem riesigen Bildschirm ein Cricketmatch läuft und seine Assistenten uns Wasser bringen, sitzt er hinter seinem makellos sauberen, minimalistischen Schreibtisch in einem Büro an der Portobello Road, gibt mit seinen Erfolgen an, und dann beschimpft er mich: »Der Idler ist kein Unternehmen!«, brüllt er. »Es ist ein Lifestyle!«

Was meint er damit? Nun ja, in Magnatenkreisen ist es eine furchtbare Beleidigung, wenn jemand Ihr Unternehmen als »Lifestyle Business« bezeichnet. Leute, die sich beispielsweise dazu entschließen, aufs Land zu ziehen und sich dort zu betätigen, anstatt sich sechzehn Stunden täglich in einem Wolkenkratzer in der Stadt auf der Jagd nach dem großen Geld abzurackern, werden von den zweimal geschiedenen und meistens äußerst langweiligen Großverdienern hochnäsig als »Lifestyler« abgetan. Diese Magnaten betrachten jedes Unternehmen, das nicht tonnenweise Geld abwirft, als ein Hobby und nichts anderes.

Die Magnaten interessieren sich nicht für einen Buchladen oder ein Café. Sie interessieren sich für neunhundert Buchläden oder Cafés. Sie wollen Masse. Sie wollen tausend Pfund so schnell wie irgend möglich in eine Million verwandeln. Sie hegen keinerlei Leidenschaft für ein bestimmtes Produkt. Ihre Leidenschaft ist das Geldverdienen. Sie lieben das Geschäft. Und ob es sich dabei um den Verkauf von Hundefutter, Öl, Versicherungen oder das Vermieten von Gästezimmern handelt, das ist ihnen so ziemlich egal.

Doch wir Bohemiens sind anders. Wir wollen unsere Arbeit und unser tägliches Leben genießen und gleichzeitig unseren Lebensunterhalt verdienen, alles auf einmal. Wir wollen kreativ sein. Uns bedeutet unsere Freiheit mehr als Geld. Wir sind jene naiven Geister, die ihr »Herzensprojekt«, wie es so scheußlich heißt, zu einem Geschäft machen wollen.

Aber um welche Art von Unternehmen soll es sich dabei handeln? Selbstständiger Klempner oder Besitzer einer Fluglinie, wie Richard Branson? Victoria und ich werden oft gefragt: »Macht ihr das nur aus Spaß, oder wollt ihr etwas daraus machen, das man verkaufen kann?« Anders gesagt: Ist es nur ein Hobby, oder habt Ihr ehrgeizigere Ziele?

Also sollten Sie sich, wenn Sie ein Unternehmen gründen, zunächst fragen: Wozu soll das alles gut sein? Ersehnen Sie sich ein sagenhaftes Vermögen – oder Freiheit? Wollen Sie eine Botschaft verbreiten? Wollen Sie ein Drei-Tage-Wochenende? Wollen Sie Spaß haben? Wollen Sie Menschen helfen? Wollen Sie die Befriedigung erleben, die daraus resultiert, dass man etwas Schönes oder Nützliches erschafft? Wollen Sie ausschlafen? Popstars sagen häufig, dass ihre Motivation, eine Band zu gründen, vor allem darin bestanden hätte, den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können, ohne um acht Uhr morgens aufstehen zu müssen.

Was ist Ihre Vorstellung von einem guten Leben?

Die alten Griechen hatten ein ethisches Prinzip, das als eudaimonía bezeichnet wurde. Es bedeutete Glückseligkeit im Sinne von Erfüllung. Und im wörtlichen Sinn bedeutete es, eins mit seinem daimon oder geistigen Wesen zu sein. Glücklich sind die Menschen, die ihre Bestimmung gefunden haben, oder ihr »Naturgenie«, wie man im 19. Jahrhundert sagte. Sie sollten darüber nachdenken, woraus Ihr »gutes Leben« bestehen könnte.

Viele Menschen sind zufrieden damit, ein Lifestyle-Unternehmen zu führen und ihr eigener Chef zu sein. Dazu gehören Ladenbesitzer, Berater, Taxifahrer, Bauunternehmer, Klempner, Maler und Dekorateure. Was sie gemeinsam haben, ist die Freude an ihrer Arbeit und ein Einkommen, das ausreicht, um über die Runden zu kommen. Und für viele unter uns Bohemiens ist das alles, was wir brauchen, um unsere eigene, ganz individuelle Version eines guten Lebens zu verwirklichen.

Das Café gleich um die Ecke ist ein gutes Beispiel. Es wird von Alfredo und seinem Sohn geführt. Sie machen nicht gerade Millionen, aber sie haben Freude daran, ihre Kunden zu bedienen, und sie kommen zurecht. Ein kleines Geschäft dieser Art zu führen, ist doch ein nobles Unterfangen. Es ist abwechslungsreich und wird niemals langweilig.

Lifestyler gibt es in vielen Formen und Größen. Ich habe einen Freund, der als selbstständiger Schneider ein ansehnliches Einkommen verdient. Er hat keine Betriebskosten, kein Büro und keinerlei Ehrgeiz, ein internationales Modelabel zu lancieren. Es bereitet ihm Freude, gelegentlich einen Anzug zu schneidern. Seine Kosten sind geringfügig, und er genießt völlige Freiheit.

Dann wären da meine Freunde Gavin Turk und Deborah Curtis. Gavin ist ein erfolgreicher britischer Künstler, und die beiden leiten außerdem eine großartige Stiftung, die sich »The House of Fairy Tales« nennt und Kunstunterricht für Kinder anbietet. Es kommt häufig vor, dass wir auf Sommerfestivals nebeneinander liegende Stände haben. Deborah kommt aus kleinen Verhältnissen und hat eine beachtliche Organisation aufgebaut, die jedes Jahr Tausenden Menschen Freude bereitet. Ich glaube kaum, dass sie damit ein Vermögen gemacht haben, aber sie können davon leben.

Zuletzt sollte ich noch den ehemaligen Journalisten Jean-Paul Flintoff erwähnen. Abgesehen davon, dass er lustige Sachen macht wie Romane über Queen Anne zu schreiben, hat er sich zum Lebensberater ausbilden lassen.

Sein Stundenhonorar ist enorm hoch, und er hat nur eine Handvoll Klienten. Das bedeutet, er kann das tun, was ihm Spaß macht, und hat genügend Zeit, um ausgefalleneren Projekte nachzugehen. Für Jean-Paul bedeutet es Freiheit, ein Ein-Mann-Betrieb zu sein. Er hat nicht vor, Mitarbeiter einzustellen.

Wenn man sich nicht damit zufriedengeben will, Erdöl, Hundefutter oder Pizza zu verkaufen – wie die echten Magnaten –, sondern etwas Uneigennütziges und Interessantes tun will, läuft man allerdings Gefahr, sich selbst zu jahrelanger, schweißtreibender Plackerei zu verurteilen und dabei nur wenig zu verdienen. Wenn Ihre Arbeit dennoch erfüllend ist, wird Sie das möglicherweise nicht abschrecken – in diesem Fall haben Sie den Zustand der eudaimonía erreicht. Und das ist keine geringe Leistung: Aristoteles hielt die eudaimonía für das höchste menschliche Gut. Nicht schlecht für einen selbstständigen Klempner.

Es könnte jedoch auch sein, dass es etwas mehr als ein Lifestyle-Unternehmen braucht, um Ihre Version des guten Lebens zu verwirklichen. Das heißt nicht, dass Sie ein vom Geld besessener Großunternehmer werden müssen, denn Bohemiens sind die treibende Kraft in zahlreichen »richtigen« Unternehmen, wie John Brown es ausdrücken würde.

Mein alter Freund Dan Kieran beispielsweise, ein erfolgreicher Autor, der eine Zeit lang für den Idler gearbeitet hat, ist ein ganz anderes Exemplar eines Bohemiens und Unternehmers. Als das Verlagswesen in der Krise steckte, erkannte er, kurz gesagt, dass er einen neuen Job brauchte. Doch anstatt sich irgendwo zu bewerben, entwickelte er mit ein paar Freunden eine neue Publikationsplattform namens Unbound, die auf Crowdfunding basiert, und machte sich daran, Investoren zu finden. Dan bringt es auf den Punkt: »Als ich noch ein Autor war, kauften Tausende Menschen meine Bücher«, sagt er. »Mir wurde klar, dass ich von keinem Einzigen von ihnen Namen und Adresse kannte.«

Mit Unbound baute er eine Datenbank von Leuten auf, die dazu bereit waren, echtes Geld auszugeben, um Bücher zu sponsern. Dans Ehrgeiz geht weit über ein Lifestyle-Unternehmen hinaus. »Ich möchte aus dieser Sache etwas ganz Großes machen«, sagt er.

Dan erwies sich als brillanter Geschäftsmann. Er brachte zwei Millionen Pfund von Privatinvestoren auf und hat heute fünfzehn Angestellte. Er ist mittlerweile Geschäftsführer. Er bezieht ein anständiges Gehalt, geht jeden Tag zur Arbeit und baut etwas auf, das nicht nur potenziellen Wert hat, sondern außerdem viele wunderbare Bücher produziert und den Autoren und seinen Angestellten ihren Lebensunterhalt finanziert – was eine großartige Leistung ist. Als ich ihn fragte, ob es ihn unter Druck setzen würde, seinen Investoren gegenüber verpflichtet zu sein, sagte er, das sei einfach Teil seines Jobs. »Sie unterstützen mich, und ich habe ihnen gegenüber eine Verantwortung.«

Abgesehen von diesen beiden Arten von Unternehmen existiert noch eine dritte Form, wie der Plattenladen Rough Trade, der von Nigel House betrieben wird. Er tut das, was er liebt: seinen Kunden großartige Musik nahezubringen. Sein erstes Geschäft hat er 1976 eröffnet, und heute sind es vier: zwei in London, eines in Nottingham und eines in Brooklyn, New York. Es ist noch immer ein kleines Unternehmen, aber es wächst; Nigel hat dreißig Angestellte. Mittlerweile interessieren sich Investoren für ihn. Er erzählte mir, ein Investor habe zu ihm gesagt: »Rough Trade ist kein Unternehmen; es ist eine Leidenschaft.« Es ist nicht die Sorte von Geschäft wie ein Laden für Büromöbel – dennoch muss Nigel sich wie ein Geschäftsmann verhalten.

Man kann nicht gerade behaupten, Nigel habe mit dem, was er tut, ein Vermögen verdient. Das könnte in Zukunft durchaus noch geschehen, auch wenn er sagt: »Meine Frau findet, ich würde sie ständig auf morgen vertrösten.« Aber er liebt eben Musik, und seinen Arbeitsalltag mag er auch. Er steht gerne hinter dem Ladentisch, um Platten zu empfehlen und zu verkaufen. Sein Leben hat Sinn und Bedeutung, und das ist ihm viel wichtiger, als haufenweise Geld zu verdienen. Und deshalb ist er immer noch immer da, in einem Thrasher-T-Shirt und mit einem Bleistift hinter dem Ohr, und zieht morgens die Rollläden seines Ladens nahe der Portobello Road hoch.

Das ist es, was alle, die ich erwähnt habe, gemeinsam haben. Sie tun das, was sie tun wollen. Sie haben Verantwortung übernommen. Sie sind keine Sklaven. Ihre Freiheit ist ihnen wichtiger als das Geld. Diese Unternehmer haben die Kontrolle über ihr Leben übernommen und sich – oft nach vielen Jahren des Herumprobierens – ein System geschaffen, das zu ihnen passt.

Wie gut kennen Sie sich selbst?

Möglicherweise haben Sie ja nicht die richtige Persönlichkeit, um ein Geschäftsführer zu werden. Schließlich ist das auch kein so toller Job. Man sitzt da und wird den ganzen Tag mit Problemen bombardiert.

Diese Tatsache zu akzeptieren heißt nicht, dass man gescheitert ist. Tatsächlich liegt hier der Schlüssel, um herauszufinden, worin das gute Leben für einen selbst besteht. Sie müssen herausfinden, wer Sie sind und auf der Basis dieser Erkenntnis weitermachen. Jeder in der Geschäftswelt wird Ihnen immer wieder sagen, dass es keinen Zweck hat, etwas zu tun, das einem gegen den Strich geht. Wenn Sie später Ihr Unternehmen vergrößern wollen, werden Sie Profis finden, die die Dinge erledigen können, in denen Sie nicht so gut sind. »Ist es nun nicht klar«, sagte Sokrates (seinem Freund Xenophon zufolge), »dass Selbstkenntnis den Menschen zum größten Vorteil gereicht, Selbsttäuschung dagegen zum größten Nachteil? Wer sich selbst kennt, weiß, was für ihn gut ist, und unterscheidet genau, was seine Kräfte vermögen und was nicht, und indem er nur das treibt, was er versteht, verschafft er sich das, was er nötig hat, und lebt glücklich; indem er aber das sein lässt, was er nicht versteht, vermeidet er Fehlgriffe und wird vor Unglück bewahrt.«

Was den Idler betrifft, habe ich mittlerweile den Ehrgeiz, mehr als ein Lifestyle-Unternehmen daraus zu machen. Ich würde unsere Ideen gerne mit der ganzen Welt kommunizieren. Ich will wachsen. Ich möchte einen zuverlässigen Anbieter von skurrilen britischen Bildungsressourcen und Unterhaltung aufbauen. Ich will ein Unternehmen erschaffen, das das Leben der Menschen verbessert und Profit abwirft. Das eigentliche Vergnügen besteht für mich darin, zu sehen, welche Auswirkungen das Idler-Unternehmen auf das Leben unserer Leser, Kunden und Fans hat. Sie finden es toll, dass es uns gibt. Wir helfen ihnen dabei, Zufriedenheit zu erlangen. Und darum geht es doch letztendlich.

Was meinen Alltag angeht, möchte ich einfach so weitermachen wie bisher. Mein idealer Tag sieht folgendermaßen aus: Morgens arbeite ich gern allein und mache kreative Dinge – schreiben, redigieren, mir neue Produkte ausdenken. Das kann man in der Bibliothek, zu Hause oder in einem Café tun. Und nachmittags hänge ich gern in meinem Büro herum und arbeite mit meinem Team. Abends möchte ich um sieben nach Hause gehen, Bier trinken, mit meiner Familie plaudern und Bücher lesen. Und ich will keine Schulden haben und mir keine Sorgen über Geld machen müssen.

Das ist so ziemlich alles. Autos, Skiferien, große Häuser, Klamotten oder anderer Schnickschnack sind mir egal. Ich bin glücklich, wenn ich etwas mache. Wenn ich ordentlich verdienen würde, würde ich das Geld dazu ausgeben, Leute in Restaurants einzuladen oder um etwas zu »erleben«, wie man heute so sagt, nicht für materielle Dinge.

Bohemiens und Müßiggänger haben paradoxerweise eins gemeinsam: Ihre Arbeit ist das Wichtigste in ihrem Leben. Das galt für Picasso, und es trifft auch auf Richard Branson zu. Und auf mich. Ich werde nie in den Ruhestand gehen. Ich werde weiterhin lesen und schreiben, bis zu dem Tag, an dem ich sterbe.

Der grundlegende Unterschied zwischen einem Lifestyle-Unternehmen und der »echten« Geschäftswelt ist die Rechenschaftspflicht. Wenn Ihr Lifestyle-Unternehmen sich zu etwas Größerem entwickelt, dann sind Sie anderen gegenüber verantwortlich. Sie müssen Gehälter zahlen und Ihren leitenden Direktoren und Gesellschaftern Bericht erstatten. Sie können nicht plötzlich beschließen, abzuhauen und sechs Monate lang auf einer schottischen Insel zu leben. Denn es gibt da so eine Sache, die sich Unternehmensführung nennt und den Prozess bezeichnet, der nötig ist, um etwas zu bewegen. Sie halten Meetings ab, delegieren Aufgaben, stehen in der Verantwortung.

Diese Art von Verantwortlichkeit und das Gefühl, sich selbst zu verkaufen, das mit ihr einhergeht, gefällt nicht allen Bohemiens. Neulich interviewte ich die Sängerin und Songwriterin Cerys Matthews, die in den Neunzigerjahren großen Erfolg mit der Band Catatonia hatte. Nach ein paar Jahren, erzählte sie mir, musste sie dem Musikbusiness den Rücken kehren, weil sie sich nicht mehr frei fühlte.

Cerys: Die Kehrseite des Erfolgs ist, dass er zu einem Geschäft, einem kommerziellen Unternehmen wird, und Verantwortlichkeiten mit sich bringt. Es gibt Leute, deren Gehälter davon abhängen, dass du erfolgreich bist.

TH: Also haben Sie sich wegen der kreativen Freiheit für das Musikgeschäft entschieden, um keinen Job oder Chef haben zu müssen, und dann haben Sie erkannt, dass Sie in der Falle sitzen.

Cerys: Man ist nur ein Rädchen im System.

Vermutlich war es das, was Amy Winehouse und Kurt Cobain in den Selbstmord getrieben hat. Sie konnten nicht damit umgehen, nur ein Rädchen zu sein. Sie konnten nicht damit umgehen, ihre Botschaft zu Geld zu machen. Das war nicht der Grund, warum sie Bohemiens und Sänger geworden sind. Ein herumziehender Musiker ist vielleicht vom Temperament her nicht für die Geschäftswelt geeignet. Andere Bands – sagen wir Coldplay oder U2 – sind höchst zufrieden damit, Geschäftsführer zu sein. Damien Hirst ist ein weiteres Beispiel für einen glücklichen Künstler/Geschäftsführer: Ihm gefällt es, für jede Menge Angestellte verantwortlich zu sein.

Wenn Sie also kein Geschäftsführer sein wollen und auf die ganze Verantwortung gut verzichten können, dann sollten Sie sich dazu entscheiden, ein Kleinunternehmer zu bleiben.

Oder einen Schritt nach dem anderen zu machen: Erst arbeiten Sie allein, dann suchen Sie sich einen Partner, dann einen Mitarbeiter … und so weiter.

An Wachstum gibt es nichts auszusetzen

Wenn Sie, wie ich, ein aufrechter Bohemien sind und eine Schwäche für die freundliche, ethische Ökonomie haben, die von Leuten wie E. F. Schumacher vertreten wird, dem Autor von Small is beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß, dann haben Sie vermutlich schon einmal davon gehört, dass Wachstum etwas Schlechtes ist. Die Argumentation lautet etwa folgendermaßen: Wachstum als Selbstzweck anzustreben, ist falsch. Diese Vorstellung basiert auf einer irreführenden Logik, weil man nicht immerzu weiterwachsen kann. Aktiengesellschaften sind dazu gezwungen zu wachsen, weil ihre Aktionäre wollen, dass die Aktien im Wert steigen. Andernfalls würden sie sie nicht kaufen. Und das verwandelt das Unternehmen in ein gieriges Monster, dem die Aktienkurse wichtiger sind als Kunden, Qualität, Ethik und Schönheit. Die Anhänger der ethischen Ökonomie inszenieren sich als Gegner der Chicagoer Schule, die Milton Friedman begründet hat.

Offensichtlich ist viel Wahres daran, dass es natürliche Grenzen für Wachstum gibt. Das Problem besteht darin, dass man sich schuldig fühlen soll, wenn man zugibt, dass man selbst auch gerne ein prosperierendes Unternehmen hätte. Man befürchtet, dass ein Ökoaktivist wie George Monbiot einem mit erhobenem Finger drohen und vorwerfen wird, man würde natürliche Ressourcen vergeuden.

Doch Wachstum ist etwas Natürliches. Schließlich verwandelt sich ein Samenkorn in einen Setzling, der in die Höhe schießt und neue Samenkörner produziert, und wenn sie verteilt sind, geht die Pflanze ein. Tiere und Menschen wachsen. Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, ein Unternehmen zu gründen, das mehr als nur ein Lifestyle ist, könnte man es als eine wachsende und lebendige Pflanze betrachten, die Sie versorgen, bewässern und kultivieren. Tatsächlich wäre »Kultivierung« wohl ein treffenderes Wort als »Wachstum«, um den Prozess zu beschreiben, um den es hier geht: die Kultivierung eines kleinen Unternehmens.

Wachstum ist etwas Positives. Natürlich will ich »meinen Besitz mehren«, wie man in früheren Zeiten sagte. Ich denke, es kommt dabei vor allem auf das Tempo an, in dem man vorgeht. Investoren sind an einer schnellen Wachstumsrate interessiert: Eine steil aufsteigende Kurve begeistert sie. Sie bezeichnen das als »Hockey-Stick-Effekt«. Ich glaube, es kommt nur ziemlich selten vor, und das, wonach wir suchen, ist eine Idee für ein »nachhaltiges Unternehmen«. Wir wollen eine vernünftige Unternehmensphilosophie kreieren, sodass Sie zwar Profit machen, aber nicht vor lauter Druck in den Wahnsinn getrieben werden. Jeden Tag ein kleiner Schritt. In der Geschäftswelt versuchen die Leute Sie ständig zu schnellen Entscheidungen zu drängen. Nehmen Sie sich Zeit. Schlafen Sie darüber.

Schreiben Sie es auf

Jetzt rate ich Ihnen, einen langen Spaziergang zu machen und über Ihr Leben nachzudenken. Wenn Sie wieder nach Hause kommen, setzen Sie sich mit einem Notizblock hin und schreiben auf, was Sie tun möchten und wie Sie leben wollen. Was macht Ihnen Spaß und was verschafft Ihnen Befriedigung? Wie würde Ihr idealer Tag aussehen? Das ist der erste Schritt. Sobald Sie das getan haben, lesen Sie das zweite Kapitel, das Sie mit den Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Unternehmen bekannt machen wird.

ALLES ÜBER GELD

Reiche Bohemiens haben mehr Spaß als arme Bohemiens.

CHARLES HANDY, IM INTERVIEW MIT DEM IDLER

Bohemiens tun gern so, als würden sie den Mammon verachten. Sie leben für die Kunst und das Leben, sagen sie. Doch wenn Sie mit finanziellen Problemen nicht vernünftig umgehen, werden Sie in Armut enden, was ganz und gar nicht komisch ist. Sie werden absurd hohe Bußgelder und Zinsen an die Banken, Gerichtsvollzieher und Steuereintreiber zahlen. Sie werden vielleicht nicht Ihre Strohhütte niederbrennen, aber sie werden an Ihre Tür klopfen. Das ist uns passiert. Von Ihrem Chaos werden nur Ihre Unterdrücker profitieren.

Also sollten Sie sich zunächst mit dem Gedanken anfreunden, dass Sie Geld verdienen sollten. Respekt ist etwas Schönes, aber wie der Punk-Poet John Cooper Clarke einst zu mir sagte: »Respekt zahlt dir nicht deine Miete.« Profit zu machen ist etwas Gutes. Es bedeutet, dass Sie dabei sind, ein tragfähiges Unternehmen aufzubauen, das viele Jahre überdauern, Menschen Jobs verschaffen und Freude verbreiten kann.

Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen kein Geld machen, dann müssen Sie das Unternehmen mit fremder Finanzierung retten, oder Sie gehen bankrott. Und in jedem Fall werden Sie damit einen Haufen Stress haben. Ich höre immer wieder, dass 50 Prozent der neuen Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre scheitern. Es ist wie beim Grand National: Die Hürden sind hoch.

Erstens werden Sie sehr wahrscheinlich einiges an Geld brauchen, um Ihr Geschäft zu gründen. Wenn Sie vorhaben, als Berater oder als Journalist zu arbeiten, und keine Betriebskosten haben, dann brauchen Sie nur eine kleine Summe: genug, um vielleicht einen Computer zu kaufen. Als ich mit meinem Freund Gav eine Werbeagentur gegründet habe, entstanden uns abgesehen von der Ausstattung keinerlei Anlaufkosten. Und im ersten Jahr mussten wir keine Miete zahlen, weil wir uns in einer Ecke eines Büros von jemand anderem niederlassen durften, dem wir gelegentlich etwas aushalfen. Wenn Sie ein Unternehmen starten, ist es vernünftig, die Betriebskosten auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Das bedeutet, äußerst sparsam und genügsam zu sein: Arbeiten Sie zu Hause oder in einem Café; kaufen Sie keine Klamotten und machen Sie sich ein Lunchpaket.

Der große Management-Guru Charles Handy sagt, wenn es um Geld geht, sei man auf sich selbst angewiesen. Er geht davon aus, dass Sie neben Ihrem »Herzensprojekt« vermutlich noch etwas anderes tun müssen, um Geld zu verdienen, besonders wenn Ihr Unternehmen sich noch im Anfangsstadium befindet. Er schreibt, man könne das Leben aufteilen in Interessen, Pflichten und Geld:

Interessen, Pflichten und Geld sind drei Aspekte, die zu einem kontinuierlichen Portfolio gehören. Und im Lauf der Zeit verändert sich ihre Gewichtung. Zu einem Zeitpunkt dominiert das Geld, die Pflichten und die Interessen sind nachgeordnet. Und Ihre Interessen werden vielleicht in den Hintergrund treten müssen, weil Ihre Kinder größer werden und Sie Geld brauchen. Mit der Zeit können Sie das ändern. Doch diese drei Komponenten werden immer eine wesentliche Rolle spielen.

Mein Fehler war es, dass ich mich häufig bevorzugt meinen Interessen gewidmet habe, auf Kosten von Pflichten und Geld. Was die Arbeit angeht, habe ich immer das getan, was ich wollte, und mich nie verkauft. Das ist allerdings keine besonders gute Idee, und es kann dazu führen, dass man so bescheiden leben muss, dass es unangenehm wird. »Warum gibt es bei uns nie Frühstücksflocken wie bei anderen Familien?«, fragten meine Kinder. Und sie schämten sich immer für unsere alte Klapperkiste.

Aus diesem Grund möchte ich alle Bohemiens und Geschäftsleute dazu ermutigen, sorgfältig über Geld nachzudenken. Sie wollen es vermeiden, in eine Situation zu geraten, in der Sie sich finanziell ständig nur im Kreis drehen. Und das könnte bedeuten, dass Sie eine angemessene Summe Geld in Ihre Idee investieren sollten. Wenn Sie jedoch kein Geld besitzen, dann kann es ganz schön schwierig werden. Wie Dr. Samuel Johnson einst bemerkte:

Die triste Wahrheit lässt sich nicht verschweigen,

Wo Armut drückt, kann nichts von Wert gedeihen.

Mitgliedschaften und Abonnements

Sie könnten beispielsweise so etwas wie ein Subskriptionsmodell in Betracht ziehen. Abonnement- und Mitgliedschaften sind im Moment total angesagt. Die Leute sind gerne Mitglied eines coolen Clubs, von dem sie Post bekommen. Es gibt sogar ein neues Buch zum Thema, es heißt The Membership Economy: Find Your Super Users, Master the Forever Transaction, and Build Recurring Revenue. Das ist ein schöner und geradezu poetischer Titel, finde ich. Er hat einen stark existenzialistischen Anklang. Die Autorin Robbie Kellman Baxter ist der Ansicht, dass Subskriptionsmodelle die Zukunft sind. Ich bin der Überzeugung, dass sie sich gut für einen Bohemien eignen, der hochwertige Services für eine relativ kleine Gruppe von Menschen anbietet und nicht darauf aus ist, mit Amazon oder Asos zu konkurrieren.

Firmen wie Graze (ich kann ihre pseudo-hippiemäßige Werbung nicht ausstehen), Riverford Organic (ein genialer Food-Box-Lieferservice) und Patreon (eine Crowdfunding-Plattform, auf der man Künstler und Musiker unterstützen kann) überzeugen ihre Kunden davon, sich bei ihnen anzumelden und regelmäßige Zahlungen zu leisten. Wenn Sie diese Art von Service anbieten, müssen Sie sicherstellen, dass Sie das, was Sie anbieten, auch liefern können. Man lässt sich leicht dazu verleiten, seinen potenziellen Unterstützern fantastische Belohnungen in Aussicht zu stellen, nur um anschließend herauszufinden, dass es sehr lästig sein kann, diese Versprechen auch einzulösen. Planen Sie voraus: Werden Sie es bereuen, dass Sie jedem Einzelnen Ihrer Unterstützer ein selbstverfasstes Gedicht angeboten haben, in dem sein individuelles Loblied gesungen wird? Werden Sie tatsächlich eine in Leder gebundene Ausgabe Ihres Buches verschicken?

Was uns betrifft, so haben wir den Idler 2016 als vierteljährlich erscheinendes Printmagazin neu aufgelegt. In den drei Monaten, die dem Erscheinen der ersten Ausgabe vorausgingen, habe ich etwa sechshundert Abonnements an Leute von unserer Mailing-Liste verkauft. Auf diese Weise gelang es uns, 20000 Pfund zusammenzubringen, bevor die erste Ausgabe überhaupt in den Druck ging.

Zusätzlich verkaufen wir Jahresmitgliedschaften. Bei diesem System erhalten unsere Mitglieder Zugang zu speziellen Bereichen auf unserer Website sowie Rabatte auf die Bücher und Online-Kurse, die wir anbieten.

Wenn man ein kleines Unternehmen hat, ist es praktisch, wenn die Kunden per Lastschriftverfahren bezahlen können. Das Problem dabei ist, dass keine Bank einem jungen Kleinunternehmen einen Lastschriftservice anbieten wird. Ich weiß das; ich bin unzählige Male abgelehnt worden. Sie werden Ihnen sagen, das Risiko sei zu groß, und die Bank könne Ihnen einen Lastschriftservice nur dann anbieten, wenn Sie einen Haufen Geld als Sicherheit hinterlegen. Damit befinden Sie sich in einer Zwickmühle.

Doch es gibt Möglichkeiten, um das zu umgehen. Sie können einen Service wie Shopify nutzen, der es Ihnen gestattet, regelmäßige Zahlungen zu empfangen. Oder Sie können Gocardless kontaktieren, die das Ganze für Sie erledigen. Mein Ratschlag: Wenden Sie sich erst gar nicht an eine Bank, die werden Sie nämlich nur auslachen.

Außerdem können Sie PayPals Zahlungssystem für Abonnements verwenden, um das Geld einzutreiben. PayPal verlangt eine happige Provision, wie die meisten Kredit- und Debit-Karten-Firmen, aber Sie bekommen das Geld umgehend überwiesen. In unseren ersten drei Jahren im Geschäftsleben nutzten wir ausschließlich PayPal, und es war eine großartige Möglichkeit, um den Ball ins Rollen zu bringen, bevor wir es uns leisten konnten, andere Optionen zu prüfen.

Subskriptionsmodelle sind allerdings nicht für jeden geeignet. Womöglich passt dieses System nicht zu dem, was Sie tun. Lassen Sie uns nach weiteren Geldquellen Ausschau halten.

Geld von der Bank

Als wir den Idler 1993 gründeten, gelang es mir, 800 Pfund von Freunden und Verwandten aufzubringen. Ich verkaufte sechsmonatige, zwölfmonatige und lebenslange Abonnements. Einige wohlhabende Freunde steuerten einen Hunderter bei. Damit hatten wir genug Geld, um eintausend Exemplare der ersten Ausgabe drucken zu lassen. Wir hatten eine Zeitschrift.

Das war ein guter Ausgangspunkt, und es könnte auch für Sie funktionieren, doch es gibt dabei natürlich auch einen Nachteil. Freunde und Verwandte können als Investoren ziemlich heikel sein, weil Sie Ihnen Ratschläge geben wollen und weil sie ihre Meinung darüber ändern können, ob sie Sie weiterhin unterstützen wollen (mehr dazu in Kapitel 13). Die Banken wiederum sammeln nur die Zinsen ein und lassen Sie in Ruhe.

Charles Handy meint, die Bank sei immer noch die beste Finanzquelle, selbst wenn das Ihren Überzeugungen als Bohemien widersprechen sollte. Mir ist es gelungen, ein Darlehen von der Bank zu bekommen. Bereits vor einigen Jahren habe ich ein Geschäftskonto für den Idler eröffnet, auf dem damals jährlich nur etwa 25000 Pfund Umsatz eingingen. Glücklicherweise bin ich mit diesem Konto vernünftig umgegangen, und die Bank lieh uns 13000 Pfund zu einer Laufzeit von fünf Jahren.