Cannon (Pittsburgh Titans Team Teil 6) - Sawyer Bennett - E-Book

Cannon (Pittsburgh Titans Team Teil 6) E-Book

Sawyer Bennett

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Beschreibung

Cannon West gab seine Karriere als Eishockeyspieler auf, um bei seiner sterbenden Frau zu sein. Seither hat er auf der Trainerbank Erfolg. Nun hofft er, als jüngster Cheftrainer der Liga-Geschichte die Pittsburgh Titans zu einer erfolgreichen Saison zu führen. Das Letzte, wonach er sucht, ist eine Beziehung, aber das Leben führt uns manchmal in eine andere Richtung. Die Pittsburgh Titans arbeiten immer noch daran, das tragische Flugzeugunglück zu verarbeiten. Als Witwer weiß ich alles über Trauer und Schuldgefühle, was mich dazu befähigt, dieses Team auf die nächste Stufe zu heben. Sobald ich das erste Mal das Stadion der Titans betrete, weiß ich, dass ich hierher gehöre. In der mir noch fremden Stadt muss ich alles neu entdecken, aber eines wird schnell zur Routine: Der morgendliche Besuch im Café und meine dortigen Schwätzchen mit der hübschen Geschäftsführerin. Aber egal, wie sehr ich meine - zugegebenermaßen unbeholfenen - Flirtversuche mit Ava Cavanaugh genieße, ist mir bewusst, dass es nie mehr als ein heißes Geplänkel sein darf. Mein Job nimmt meine gesamte Zeit in Anspruch, und ich weiß aus erster Hand, was das für eine Beziehung bedeutet. Das heißt aber nicht, dass ich nicht für ein bisschen Spaß zu haben bin. Meine Karriere steht an erster Stelle, aber Ava akzeptiert meine Grenzen und ich gebe der Versuchung nach. Leider verschwimmen die Grenzen meiner selbst gesetzten Regeln und meine gemischten Signale verletzen Ava tief. Nun muss ich die Kraft finden, meine Ängste zu überwinden - oder ich riskiere, meine zweite Chance auf Liebe mit der Frau zu verlieren, die mein Herz gestohlen hat ... Entdecke die aufregende Welt des Profi-Eishockeys mit dem sechsten Teil der Pittsburgh Titans-Reihe und erlebe die Höhen und Tiefen des Sports und der Liebe. Lass dich von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett in eine Welt voller Leidenschaft und Emotionen entführen. Ein absolutes Muss für alle Fans von packenden Sportromanen und mitreißenden Liebesgeschichten.

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Sawyer Bennett

Pittsburgh Titans Teil 6: Cannon

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Sandra Martin

© 2023 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Cannon: A Pittsburgh Titans Novel“

© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-642-3

ISBN eBook: 978-3-86495-643-0

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig. 

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Autorin

Kapitel 1

Cannon

Spieler.

Trainer in der Minor League.

Trainer der Pittsburgh Titans.

Ich habe einen höllischen Ritt hinter mir, doch endlich bin ich an dem Punkt angelangt, an dem ich sein soll. Dabei ist es völlig egal, was mich dorthin gebracht hat.

Es ist das dritte Spiel der Saison. Das erste Game in Boston haben wir gewonnen, aber gegen Minnesota mussten wir vorgestern zu Hause eine Niederlage einstecken.

So wollte ich meine neue Karriere als Trainer bei den Titans zwar nicht beginnen, aber ich lasse mich davon nicht beirren. Als Führungspersönlichkeit habe ich eine Vorbildfunktion und will durch Motivation und Inspiration andere zu Höchstleistungen beflügeln. Viele Trainer der alten Schule neigen dazu, von den Spielern unmögliche Leistungsstandards zu erwarten und sich dann über ihre Fehler lustig zu machen. Meines Wissens war Matt Keller, der ehemalige Coach dieses Teams, ein Arschloch.

Ich bin das Gegenteil.

Ich vertrete eher die Ansicht, dass man scheitern muss, um sich zu verbessern und um wachsen zu können. Indem ich den Spielern auch Fehler erlaube, können sie daraus lernen, statt sich selbst zu tadeln, weil sie sich ständig an unerreichbaren Standards messen.

Manchen mag dieser Ansatz vielleicht als zu sanftmütig erscheinen, doch niemand kann meine bisherige Bilanz bestreiten. Aus diesem Grund haben Brienne Norcross, die Eigentümerin der Titans, und Callum Derringer, der Geschäftsführer, mich eingestellt.

Die Niederlage gegen Minnesota war zwar schmerzhaft, aber wir haben uns davon nicht unterkriegen lassen. Meine Assistenztrainer haben hart daran gearbeitet, die Leistungen der Spieler zu verbessern, indem sie sie Fünf-gegen-Fünf gegeneinander antreten ließen. Zudem sind sie in Einzelgesprächen auf individuelle Bedürfnisse eingegangen, wobei sie die Videoclips analysierten, die ihnen von den Videocoaches zur Verfügung gestellt wurden.

Wie viele gute Cheftrainer delegiere ich die Arbeit; ich bin im Gegensatz zu manch anderem in der Lage, auch hin und wieder die Kontrolle aus der Hand zu geben. Als ich meine Spielerlaufbahn aufgegeben habe und in den Trainerstab gewechselt bin, habe ich schnell gelernt, dass die Position des Cheftrainers wenig damit zu tun hat, auf Einzelbedürfnisse einzugehen, sondern eher damit, alle Rädchen des monströsen Laufwerks in Bewegung zu halten.

Aus diesem Grund bin ich heute Morgen seit halb sieben im Stadion, um mich auf unser Spiel gegen die Edmonton Grizzlies vorzubereiten. Zuerst habe ich mich mit meinen Assistenztrainern zusammengesetzt, die danach Besprechungen mit dem Zeugwart und dem medizinischen Personal abhielten. Anschließend traf ich mich mit den Mitarbeitern der Medienabteilung, um wichtige Informationen hinsichtlich des heutigen Spiels zu besprechen. Als Nächstes hatte ich eine weitere Sitzung mit den Assistenztrainern, die mich über die verletzten Spieler auf dem Laufenden hielten. Und danach stand ein weiteres Treffen auf der Tagesordnung, um die Strategie für das heutige Spiel zu besprechen, bevor ich noch einige Videoclips und die Zielvorgaben der Special Teams analysierte.

Ich sah zu, als die Assistenztrainer am Vormittag mit den Spielern aufs Eis gingen. Sie konzentrierten sich vor allem auf leichte Geschicklichkeitsübungen und das Training der Special Teams, insbesondere hinsichtlich des Powerplays.

Danach hatten die anderen Trainer ein paar Stunden frei, aber ich blieb im Stadion, sah mir die Fünf-gegen-Fünf-Videos an und überflog erneut die strategischen Berichte für das heutige Spiel, um zu sehen, ob mir dazu noch etwas einfallen würde. Ich notierte Vorschläge für die Assistenztrainer, die diese Informationen wiederum an die verschiedenen Lines, die Special Teams und die einzelnen Spieler weitergaben.

Zwei Stunden vor Spielbeginn hielten wir unsere letzte Besprechung ab, bei der wir uns vor allem auf Powerplays und Penalty Kills konzentrierten. Die Assistenztrainer brachten dem Team die Spielstrategie näher, wobei sie besonderen Wert auf unsere Identität als Gruppe und das Zusammenspiel der Mannschaft legten. Ich hörte zwar zu, doch dies ist eine der wichtigsten Aufgaben, die ich nicht selbst übernehme. Jeder soll wissen, dass ich nicht allein für das Team zuständig bin, sondern dass der gesamte Trainerstab als geschlossene Einheit fungiert.

In wenigen Minuten wird das Spiel beginnen. Die Spieler haben sich aufgewärmt, und nun ist es meine Aufgabe, ihnen noch etwas Inspiration und Begeisterung einzuflößen.

„Das heutige Spiel verspricht eine ausgeglichene Partie zu werden.“ Wir befinden uns in der Umkleidekabine, wobei meine Assistenztrainer Maurice Dupont, Sam Thatcher und Gage Heyward hinter mir stehen und die Männer sich um uns herum versammelt haben. „Vergleicht man unsere Lines, unsere Special Teams und unsere spielerischen Fähigkeiten mit denen des Gegners, würde jedes Wettbüro behaupten, dass wir einander ebenbürtig sind. Doch das bedeutet nicht, dass wir dieser Einschätzung zustimmen.“

Die meisten Männer starren mich aufmerksam an. Einige von ihnen nicken.

„Wir werden es nicht einfach hinnehmen, dass uns jemand sagt, was wir können und was nicht, welches Spiel wir gewinnen und welches wir verlieren.“

„Verdammt richtig“, meldet sich jemand aus der hinteren Reihe.

„Wir werden niemals eine Niederlage akzeptieren, bis die Schlusssirene ertönt. Wenn ihr auf dem Eis steht, dürft ihr nie vergessen, dass ihr etwas habt, was der anderen Mannschaft fehlt.“

„Sie haben nicht dich als Trainer“, ruft jemand, woraufhin alle lachen.

Ich gluckse und schüttle den Kopf. „Nun, vielleicht, aber ich spreche von dem nagenden Hunger, den jeder von euch tief im Inneren verspürt. Ich weiß, dass ihr von dem unstillbaren Verlangen angetrieben werdet, der Welt zu beweisen, dass dieses Team nicht zu unterschätzen ist. Niemand sollte uns wegen unserer Umstände bemitleiden, denn diese Mannschaft ist alles andere als bedauernswert. In dieser Saison habe ich sogar ein wenig Mitleid mit unseren Gegnern, denn ihnen wird es immer an etwas mangeln, was wir haben. Sie können sich nicht einmal ansatzweise das Feuer vorstellen, das in uns brennt, weil wir unsere Größe unter Beweis stellen wollen. Wenn ihr also heute aufs Eis geht, dann seid euch der Tatsache bewusst, dass wir nach außen hin vielleicht gleichauf sind, doch dass der Gegner den Titans in Wahrheit nicht gewachsen ist.“

Die Spieler klatschen in die Hände und jubeln zustimmend. Ich drehe mich um und verlasse mit den anderen Trainern die Umkleidekabine, um mit ihnen unseren Platz auf der Bank einzunehmen. Jetzt ist es an den Spielern, unsere Ratschläge und Informationen anzunehmen und umzusetzen.

Es liegt an ihnen, den Sieg zu holen.

***

Nachdem wir das Spiel gewonnen haben, herrscht in der Umkleidekabine eine ausgelassene Stimmung. Ich warte, bis sich alle beruhigt haben und die Spieler duschen und sich umziehen, um feiern zu gehen. Erst dann betrete ich den Medienraum, um die Pressekonferenz abzuhalten und die Fragen der Reporter zu beantworten, von denen die meisten berechtigt sind. Allerdings fällt einer der Journalisten mit einer dämlichen Frage auf.

„Coach … wenn man bedenkt, dass dieses Team nach dem Absturz vor acht Monaten komplett neu zusammengestellt wurde, glauben Sie, dass der heutige Sieg nur ein Zufall war?“

Die Frage ärgert mich, doch ich behalte ein freundliches Lächeln bei. „Ich weiß es nicht, Tim. War unsere Niederlage gegen Minnesota ein Zufall?“

Ich höre ein paar Sekunden zu, wie er etwas stammelt, bevor ich einen anderen Reporter aufrufe.

Nachdem die Spieler das Stadion verlassen haben – wobei einige von ihnen zur Feier des Tages auf einen Drink zu Mario’s gegangen sind –, setze ich mich an meinen Schreibtisch, um meine Einschätzung zum Spiel aufzuzeichnen.

Während eines Spiels stelle ich Beobachtungen an und mache mir Notizen, doch ich gebe den Spielern nicht viele individuelle Anweisungen. Diese Aufgabe fällt den Assistenztrainern zu, und sie erledigen sie bestens, denn sie kennen die Spielmechanismen und zuvor besprochenen Strategien genauso gut wie ich. Hin und wieder schlage ich eine Änderung in der Aufstellung vor, aber die anderen Trainer setzen sie durch. Und falls sie das Gefühl haben, dass eine andere Vorgehensweise besser ist, dann wenden sie diese an. Ich würde sie dafür nie zur Rede stellen, denn sie sollen wissen, dass ich ihrem Urteil genauso vertraue wie dem der Spieler. Manchmal ist es besser, sich zurückzuhalten, um Vertrauen aufzubauen.

Ich lasse meine Finger über die Tastatur meines Laptops fliegen. In einigen entscheidenden Momenten war die Verteidigung vor dem Tor zu schwach, doch glücklicherweise war unser Torwart Drake McGinn heute Abend in Bestform.

Mein größtes Problem ist unser zweiter Defenseman, Camden Poe. Ich habe mir die Videos von der letzten Saison angesehen und festgestellt, dass er schon damals nicht ganz bei der Sache war. Er scheint nie hundertprozentig dabei zu sein, und ist immer einen halben Schritt zu spät bei einem Breakaway oder eine Sekunde zu spät am Puck. Das Problem ist nur schwer zu bestimmen, doch wenn man ihn Spiel für Spiel beobachtet, kann man sehen, dass er in der Second Line nichts zu suchen hat.

Camden ist einer der drei Spieler, die nicht im Flugzeug der Titans saßen, als es im Februar letzten Jahres verunglückte. Obwohl er das Trauma und die Schuldgefühle gut zu verarbeiten scheint, könnten sie ihn mehr belasten, als wir glauben. Ich werde mit ihm darüber sprechen müssen.

Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe auf und erblicke Gage Heyward. Er ist unser neuer Assistenztrainer und für Bill Perry eingesprungen, der gegen Ende der letzten Saison die Organisation verlassen hat. Gage ist vom Center der First Line zum Trainer gewechselt, nachdem er das neu zusammengestellte Team gefestigt hatte. Es war jedoch nie seine Absicht, lange weiterzuspielen, und als der Trainerposten frei wurde, war es naheliegend, ihn anzuheuern.

„Was gibt’s?“, frage ich und winke ihn herein.

Er tritt jedoch nicht ein, sondern lehnt sich nur gegen den Türrahmen. Während des Spiels trug er einen Anzug, doch jetzt hat er die formelle Kleidung gegen eine Jeans und ein Sweatshirt eingetauscht. „Maurice, Sam und ich wollen noch ein Bier trinken gehen. Kommst du mit?“

Ich weiß, dass ich mich ihnen anschließen sollte. Die Titans sind eine Familie, und dazu gehört auch, den Zusammenhalt abseits des Eises zu stärken. Aber ich bin verdammt erschöpft, denn ich bin seit über sechzehn Stunden auf den Beinen, und brauche eher Schlaf als ein Bier.

„Ein andermal gern, Mann. Ich bin hundemüde.“

Gage grinst. „Ich würde dich einen alten Mann nennen, aber wir sind im Grunde genommen gleich alt und ich bin genauso erschlagen.“

„Vielleicht brauchen wir mental mehr Energie als die Spieler auf dem Eis, und es ist einfach anstrengender.“

„Der Gedanke gefällt mir“, erwidert Gage und stößt sich vom Türrahmen ab. „Deshalb werde ich mir auch nur einen Drink gönnen, bevor ich nach Hause gehe.“

„Nun, ein Bier könnte wohl nicht schaden“, sage ich, klappe meinen Laptop zu und stehe auf.

„Dann lass uns zu Mario’s gehen. Wir werden unsere Solidarität unter Beweis stellen, indem wir uns auf einen Drink beschränken.“

Ich schnaube, während ich nach meiner Jacke greife, da die Temperaturen in der Nacht mittlerweile auf vier Grad abfallen. Ich wünschte, ich hätte ebenfalls daran gedacht, legere Kleidung mitzubringen, doch ich werde mich damit zufriedengeben müssen, den Knoten meiner Krawatte zu lockern.

Das Mario’s ist brechend voll. Soweit ich weiß, war es aufgrund seiner Nähe zum Stadion schon immer ein beliebter Treffpunkt, doch seit dem Wiederaufbau des Teams unterstützen die Fans die neuen Spieler nach besten Kräften. Das gilt auch für die Feierlichkeiten nach einem Spiel.

Glücklicherweise gestatten die Barbesitzer den Spielern, Tische zu reservieren, sodass ihnen immer ein Sitzplatz garantiert ist.

Auf die Trainer trifft das jedoch nicht zu.

Wahrscheinlich könnten wir dasselbe Recht einfordern, doch wir verbringen unsere Freizeit eigentlich nicht mit den Spielern. Dadurch bleibt eine gewisse Professionalität zwischen uns gewahrt und die Grenzen unserer Autorität werden nicht verwischt.

Außerdem glaube ich, dass die Spieler sich zwischendurch einfach gern austoben und uns dabei nicht als Aufpasser in der Nähe haben wollen.

Maurice drängt sich durch die Menge und wir folgen ihm bis zum Ende der Bar. Es gelingt ihm, sich bis zum Tresen vorzuarbeiten und uns eine Runde zu bestellen, dann suchen wir uns einen Platz an der Wand, wo wir uns unterhalten können.

Ich würde gern behaupten, dass wir ungezwungen miteinander geplaudert haben, doch am Ende reden wir natürlich über das Spiel. Wir analysieren die Spielzüge, die uns zum Sieg verholfen haben, und die Dinge, bei denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Schließlich sprechen wir über die beiden bevorstehenden Auswärtsspiele, zu denen wir morgen aufbrechen.

Nachdem ich den letzten Schluck meines Bieres getrunken und Maurice’ Angebot einer weiteren Runde abgelehnt habe, frage ich: „Wie schätzt ihr Camdens Leistung heute Abend ein?“

„Er ist die Schwachstelle in der Second Line“, meldet sich Sam zu Wort, woraufhin die anderen nicken.

„Es scheint, als würde sein Timing nicht ganz passen“, sage ich. „Liegt es an seiner Knieverletzung?“

„Die Berichte des medizinischen Personals geben keinen Hinweis darauf.“ Gage ist schon seit einer Weile die wichtigste Verbindung zwischen dem medizinischen Personal und den Spielern. „Nach allem, was man hört, ist es letzte Saison vollständig ausgeheilt und er hatte keinerlei Beschwerden. Er kühlt es mit Eispackungen, aber er benutzt nicht einmal eine Stützbandage.“

Wegen seines Knies saß Camden nicht im Flugzeug, als es verunglückt ist. Er hatte einen Meniskusanriss, aber es war keine schwere Verletzung. Durch Schonung und die entsprechende Therapie wäre er von selbst geheilt, doch Camden hatte sich für eine schnellere und stabilere Lösung und damit für eine Operation entschieden.

„Soll ich mit ihm reden?“, fragt Gage. „Vielleicht kann er mir erklären, wo das Problem liegt?“

„Das übernehme ich. Möglicherweise hat er nur Schwierigkeiten mit der Line und wir können ihn in einer anderen aufstellen.“

Gage nickt zustimmend.

„Und jetzt werde ich mich auf den Heimweg machen, sonst schlafe ich noch im Stehen ein.“

Die Jungs lachen, aber Gage folgt mir nach draußen, während Maurice und Sam auf einen weiteren Drink bleiben. Wir gehen zurück zum Trainerparkplatz vor dem Stadion und verabschieden uns. Morgen werden wir uns wiedersehen, wenn wir nach Texas fliegen, um den Dallas Mustangs und den Houston Jam gegenüberzutreten.

Ich überquere den Fluss und fahre zu meiner Eigentumswohnung in der Innenstadt. Als ich nach Pittsburgh gezogen bin, entschied ich mich, wie auch in Schweden und Greenville, gegen ein Haus. Ich habe nicht viele Besitztümer und will mich nicht um einen Garten kümmern oder mit den Nachbarn in Kontakt treten müssen. Natürlich bin ich nicht unsozial – ganz im Gegenteil –, aber mein Beruf als Trainer fordert mir mehr ab als meine Karriere als Spieler, und neben der Arbeit bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge. Ich brauche definitiv nicht viel Platz, und eine kleine Eigentumswohnung mit zwei Schlafzimmern ist genau das Richtige für mich.

Zugegebenermaßen befindet sie sich in einem verdammt protzigen Gebäude mit Privatparkplatz und Sicherheitsdienst. Dank der Gehaltserhöhung, die ich nach meinem Wechsel von der Minor Leage in die erste Liga erhalten habe, habe ich mir neue Möbel gekauft. Ansonsten lebe ich jedoch bescheiden.

Als ich nach Hause komme, springe ich kurz unter die Dusche. Obwohl ich körperlich erschöpft bin, bin ich noch nicht müde genug, um ins Bett zu gehen, daher mache ich es mir auf der Couch gemütlich. Ich schalte den Fernseher ein und blättere mit der Fernbedienung durch die Filme auf Netflix. Als ich auf Armageddon stoße, verspüre ich einen Stich im Herzen. Ich denke nicht einmal darüber nach, ihn anzusehen, da er unerwünschte Gefühle in mir wachruft.

Melissa und ich haben uns den Film oft gemeinsam angeschaut. Ich liebte die actiongeladene Spannung und Melissa die Romantik. Es hat mich durchaus gerührt, als Harry am Ende starb, doch Melissa schluchzte an meiner Schulter.

Mein Blick fällt auf die vielen Bilderrahmen in einem der Bücherregale. Ich stehe meiner Familie sehr nahe und habe viele Fotos von uns. Da sind auch noch ein paar von mir und Melissa. Sie ist zwar schon fast neun Jahre tot, aber ich will sie nie vergessen. Manchmal tut es weh, ihr strahlendes Lächeln zu sehen, doch sie war meine Frau und wir waren seit der Highschool ein Paar.

Ich hielt sie im Arm, als sie gestorben ist.

Also ja, es ist ganz natürlich, dass ihr Verlust noch schmerzt, doch ich bin deshalb nicht mehr wie gelähmt. Die meiste Zeit über habe ich sogar ein Lächeln im Gesicht, wenn ich eines dieser Fotos betrachte. Darauf kann man ihre jugendliche Ausstrahlung und Vitalität sehen, bevor sie an Krebs erkrankt ist. Diese Erinnerungen spenden mir Trost.

Der Schmerz wird nie ganz vergehen, doch er hat im Laufe der Jahre deutlich nachgelassen. Ich habe gelernt, mit ihm zu leben.

Kapitel 2

Cannon

Ich mag das Stadtleben. Ich besuche zwar nur selten die schicken Restaurants und angesagten Kneipen, die alle nur ein paar Häuserblocks von meiner Wohnung entfernt liegen, aber mir gefällt die Tatsache, dass ich sie bequem zu Fuß erreichen kann.

Als ich vor eineinhalb Monaten hierherzog, habe ich schon nach kurzer Zeit ein Café gleich um die Ecke gefunden. Ich bin kaffeesüchtig und in dieser Hinsicht etwas wählerisch, und so wurde The Grind die Anlaufstelle für meinen ersten Koffeinschub des Tages.

Wenn ich in der Stadt bin, gehe ich jeden Morgen dort vorbei, denn der Laden öffnet bereits um sechs Uhr.

Als ich an diesem Morgen um sechs Uhr dreißig das Café betrete, fällt mein Blick sofort auf Ava. Sie sitzt an ihrem üblichen Ecktisch vor einem iPad, das über Bluetooth mit einer Tastatur verbunden ist, und hat einen Stapel Papiere neben sich liegen. Wie immer, wenn sie konzentriert arbeitet, kaut sie auf ihrem Stift herum und tippt etwas, nachdem sie eines der Papiere durchgelesen hat.

Vor mir wartet nur ein Mann, der bei der Barista gerade seinen Cappuccino bezahlt und dann beiseitetritt, um auf sein Getränk zu warten.

Das Mädchen schenkt mir ein strahlendes Lächeln. „Hi, Cannon. Das Übliche?“

Ich bin tatsächlich oft hier. „Ja, bitte. Und dazu noch einen kleinen Espresso.“

„Lange Nacht?“, mutmaßt sie mit einem mitfühlenden Blick.

„Nichts, was euer Kaffee nicht beheben könnte.“

Sie stößt ein Lachen aus, und ich stimme mit ein, als ich meine Kreditkarte an das Lesegerät presse.

Dann gehe ich weiter zum Abholschalter. Der Kunde vor mir hat den Kopf über sein Handy gebeugt. Als ich mich neben ihn stelle, sieht er kurz auf und senkt wieder den Blick, nur um erneut den Kopf zu heben und mich mit einem fragenden Ausdruck anzustarren. Offenbar komme ich ihm bekannt vor, doch zugleich ist er sich nicht ganz sicher, wer ich bin.

Als ich als neuer Cheftrainer zu den Titans gestoßen bin, wurde viel über mich berichtet, doch die Gesichter des Trainerstabs sind weniger bekannt als die der Spieler, es sei denn, man ist ein eingefleischter Eishockeyfan. Aber wie immer an einem normalen Arbeitstag, an dem wir kein Spiel haben, trage ich eine Cargohose und ein Poloshirt mit dem Teamlogo. Und wenn es, wie heute, etwas kühler ist, ziehe ich mir zudem eine Jacke oder einen Mantel an, auf dem ebenfalls das Logo der Titans prangt.

Es ist unglaublich, wie viel Mannschaftskleidung ich von den Titans bekomme, doch sie weist mich nicht unbedingt als Mitglied des Teams aus. Mindestens jede fünfte Person, der ich auf der Straße begegne, trägt die Fanbekleidung eines Sportteams aus Pittsburgh, sei es nun ein Baseball-, Football- oder Eishockeyteam. Die ganze Stadt ist sportverrückt.

Ich schenke ihm ein Lächeln, doch bevor er etwas sagen kann, wird sein Name aufgerufen. Er schnappt sich seinen Kaffee und macht sich auf den Weg zum Ausgang, wobei er mir im Vorbeigehen zunickt. Ich wette, später wird er jemandem erzählen: „Alter … ich glaube, ich stand heute neben Cannon West, aber ich bin mir nicht sicher. Er hatte eine Mütze auf, doch er trug eine Jacke der Titans. Möglich, dass er es war.“

Ehrlich gesagt, ziehe ich die Anonymität eines Trainers dem Ruhm eines Spielers vor. Dadurch sind so banale Dinge wie das Bestellen einer Tasse Kaffee wesentlich einfacher.

Ein junger Mann schiebt mir den Kaffee über den Tresen. „Hier bitte, Cannon.“

Ich habe keine Ahnung, ob die Angestellten wissen, wer ich bin. In all den Wochen, in denen ich jetzt schon hier meinen Kaffee hole, haben sie mich nicht einmal danach gefragt. Sie kennen meinen Vornamen nur, weil sie ihn mit schwarzem Filzstift auf meinen Becher schreiben. Sie tuscheln weder miteinander, noch werfen sie einander verschwörerische Blicke zu, wenn sie glauben, dass ich nicht hinsehe, und sie haben mich noch nie um ein Autogramm gebeten. Auch deshalb mag ich diesen Laden, hier kann ich einfach ich selbst sein.

Wie üblich setze ich mich an den Tisch neben Ava und betrachte sie, während sie sich auf ihre Arbeit konzentriert. Sie hat ihr dunkles Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden und trägt die gleiche marineblaue Schirmmütze, auf deren Vorderseite das Firmenlogo prangt, wie die anderen Baristas. Zu ihrer Uniform gehören zudem ein marineblaues Polohemd mit dem Logo über der linken Brust, eine Cargohose und Turnschuhe. Auf der anderen Seite der Brust ist ein Schild mit ihrem Namen angebracht, unter dem in kleinerer Schrift „Assistenzmanager“ steht.

„Sie helfen meinem Ego nicht, wenn Sie mich ignorieren“, sage ich, als ich mich auf meinem Stuhl niederlasse.

Sie hebt zwar nicht den Kopf, um meinem Blick zu begegnen, doch ich kann sehen, wie sie die Lippen zu einem Lächeln verzieht. „Sie haben kein Ego.“

„Das ist wahr, aber Sie könnten mich mit einem ‚Hallo, Cannon, wie geht es Ihnen heute Morgen?‘ begrüßen.“

Ava blickt zu mir auf, und genau wie an jenem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal hier begegnet sind, bin ich für einen Augenblick sprachlos. Sie ist wunderschön, wobei vor allem ihre hellgrünen Augen hervorstechen. Ich habe diese Farbe noch nie bei einem anderen Menschen gesehen. Meine haselnussbraunen Augen haben zwar einen grünen Schimmer, doch sie sind matter und funkeln nicht wie ihre Iriden.

Sie verzieht die Lippen zu einem Lächeln und entblößt ihre geraden weißen Zähne, bevor sie mir die Worte aus dem Mund nimmt: „Hallo, Cannon, wie geht es Ihnen heute Morgen?“

„Gleich viel besser, da Sie mich jetzt beachten und mein Ego streicheln“, scherze ich.

Ava verdreht die Augen und widmet sich wieder ihrer Arbeit. Aber sie ignoriert mich nicht, sondern erwidert: „Wie bereits gesagt, Sie haben kein Ego und wissen verdammt gut, wie charmant Sie sind.“

„Das hört sich schon besser an“, entgegne ich scherzhaft, wobei ich einen Ellbogen auf dem Tisch abstütze und das Kinn in die Handfläche lege, um sie anzustarren „Was sonst noch?“

Ava beginnt zu tippen und hat den Blick auf den Bildschirm geheftet, doch dann lacht sie leise. „Mal sehen … Sie haben Humor – selbst wenn Sie mir damit manchmal auf die Nerven gehen –, Sie sind sympathisch, und hin und wieder machen Sie sogar einen ziemlich intelligenten Eindruck.“

Ich lehne mich mit einem Schnauben zurück, nippe an meinem Kaffee und beobachte sie. Denn ich weiß, dass ich damit auch an ihren Nerven zerre.

Ava und ich haben uns an jenem Tag kennengelernt, an dem ich um halb sieben an einem Dienstagmorgen zum ersten Mal dieses Café betrat. Sie saß an genau demselben Tisch, an dem sie jetzt sitzt, doch ich habe sie anfangs gar nicht wahrgenommen. Ich war gerade mitten in ein Telefongespräch mit Callum Derringer vertieft, als ich mich an den Tisch neben ihr setzte und meinen Becher umkippte. Fluchend sprang ich auf, ehe der Kaffee auf meine Hose rinnen konnte, und im nächsten Moment stand Ava vor mir und wischte den Tisch ab.

Noch bevor ich mein Gespräch mit Callum beendet hatte, hat sie mir einen frischen Kaffee gebracht.

„Geht aufs Haus“, sagte sie und setzte sich mit ihrem iPad zurück an ihren Ecktisch.

Mir war klar, dass sie eine Angestellte war, was man nicht nur an ihrer Uniform erkennen konnte, sondern auch daran, dass sie mir einen Kaffee ausgab. Aber sie war mehr als nur eine Barista, denn sie erledigte Papierkram.

Ich stellte mich vor, wobei wir lediglich unsere Vornamen austauschten, doch das war alles, was wir an jenem Tag gesagt haben.

Irgendwann während der vergangenen Wochen haben wir begonnen, miteinander zu flirten. Hin und wieder lästert sie spielerisch über mich und verzieht dann die Lippen zu einem verschmitzten Grinsen. Unsere Gespräche gehen nie in die Tiefe, doch wir frotzeln jeden Tag miteinander, wenn ich den Laden betrete und sie vor ihrer Arbeit sitzt. Ich muss zugeben, dass ich nicht gerade ein Meister im Flirten bin. Tatsächlich sind meine Fähigkeiten so eingerostet, dass sie schon quietschende Laute von sich geben. Dennoch erwidert Ava mein Geschäker, indem sie mich auf erheiternde Weise aufzieht.

Wir tauschen immer nur ein paar Worte aus, bis ich meinen Kaffee getrunken habe. Ich weiß ihren scharfen Verstand zu schätzen, doch sie ist auch verdammt sexy. Ich frage mich, warum sie hier arbeitet, denn ich habe mich oft genug mit ihr unterhalten, um zu wissen, dass sie zu klug ist, um in einem Café zu arbeiten.

Ava blickt auf und verzieht die Lippen zu einem Grinsen, während ich sie weiterhin anstarre. „Ich habe heute Ihr Ego gestreichelt. Wie wäre es, wenn Sie zur Abwechslung auch meines streicheln?“

„Das wären eine ganze Menge Streicheleinheiten, und ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie gut genug kenne“, entgegne ich.

Sie wirft den Kopf in den Nacken und stößt ein rauchiges Lachen aus, das obendrein verdammt sinnlich ist. Dann verdreht sie die Augen. „Ich habe Ihnen vor etwa sechs Wochen einen Kaffee spendiert. Sie kennen mich gut genug.“

„Also schön.“ Mit einer ausladenden Handbewegung zeige ich auf den Tisch, an dem sie arbeitet. „Sie tippen sehr hübsch.“

Ava verzieht den Mund und schüttelt amüsiert den Kopf, während sie sich wieder ihrem iPad zuwendet. „Sie sind nicht gerade ein Flirtexperte.“

„Einen Moment mal … flirten wir etwa miteinander?“, frage ich mit gespielter Überraschung.

„Sie ganz sicher nicht. Kein Mädchen will von einem Mann hören, dass es hübsch tippt.“

Ich grinse und trinke noch einen Schluck Kaffee. „Wie wäre es, wenn ich Sie irgendwann auf einen Drink einlade? Ich werde versuchen, bis dahin an meinen Fähigkeiten zu arbeiten.“

Ava wendet sich mir ruckartig zu und sieht mich mit einem entgeisterten Funkeln in den Augen an. „Wie bitte?“

Ich bin selbst ein wenig überrascht, denn ich bin nicht mit der Absicht hierhergekommen, mich mit ihr zu verabreden. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ich eine Frau bitte, mit mir auszugehen, aber ich habe kaum Zeit für Rendezvous. Meine Arbeit hält mich viel zu sehr auf Trab und scheint immer wichtiger zu sein als alles andere.

Aber Ava hat definitiv meine Aufmerksamkeit erregt. „Sie haben mich schon verstanden. Ich würde Sie gern auf einen Drink einladen.“

„Äh.“ Mit einem Stirnrunzeln wendet sie sich wieder dem Bildschirm zu, doch einen Moment später sieht sie mich wieder an und fragt verwirrt: „Sie wollen mit mir ausgehen?“

Nun runzle ich die Stirn. „Ist das denn so schwer zu glauben?“

„Nun … Sie sind …“ Sie zeigt mit einer ausladenden Geste auf mich, während sie mühsam nach Worten ringt. „Sie sind … Sie wissen schon …“

Ich schüttle langsam den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.“

„Sie sind …“, setzt sie erneut an und wirft einen Blick zum Tresen, an dem gerade drei Leute auf ihren Kaffee warten. Dann wendet sie sich wieder mir zu und senkt die Stimme. „Sie sind der Trainer der Titans. Ich arbeite in einem Café.“

Langsam verziehe ich die Lippen zu einem Lächeln. „Ich habe mich schon gefragt, ob Sie mich erkannt haben. Sie haben nie den Eindruck erweckt, als wüssten Sie, wer ich bin.“

Ihre Wangen laufen hochrot an. „Ich wusste es nicht. Eine der Baristas hat sie erkannt und es mir erzählt, kurz nachdem Sie das erste Mal hier waren. Ich wollte keine große Sache daraus machen.“

„Darüber bin ich froh“, versichere ich ihr.

„Aber Sie sind eine große Nummer“, wirft sie ein und wendet sich dann wieder ihrer Arbeit zu, als wäre damit das Gespräch für sie beendet.

Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Und Sie haben Vorurteile gegen Leute, die eine große Nummer sind?“

Sie hebt den Kopf und starrt mich mit finsterem Blick an. „Natürlich habe ich keine Vorurteile.“

„Dann können Sie auch mit mir etwas trinken gehen. Es ist ganz einfach.“ Im nächsten Moment kommt mir jedoch ein Gedanken. „Es sei denn, Sie haben einen Freund.“

Ava schnaubt. „Ich habe keinen Freund. Aber ich bin sicher, dass Sie sich noch mehr ins Zeug legen können.“

„Woher wollen Sie wissen, wozu ich fähig bin?“

Sie ignoriert mich und tippt weiter, doch ich lasse mich nicht beirren. „Wie lautet Ihr Nachname?“

Sie horcht auf und wirft mir einen Blick aus dem Augenwinkel zu, bevor sie antwortet: „Cavanaugh.“

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, rufe die Kontakte auf und lege einen neuen an. „Ava Cavanaugh. Und Ihre Telefonnummer?“

Sie begegnet meinem Blick und legt den Kopf schief. „Wirklich?“

„Ja, wirklich. Wir werden zusammen etwas trinken gehen.“

Sie starrt mich nur an.

Ich starre zurück und weigere mich, zu blinzeln. „Ihre Telefonnummer, bitte.“

Sie stößt einen frustrierten Seufzer aus und reißt mir das Telefon aus der Hand. „Also schön.“

Ich beobachte, wie sie ein paar Zahlen eintippt, bevor sie mir das Gerät zurückgibt, doch ich werfe misstrauisch einen Blick darauf. „Sie haben mir nicht gerade eine falsche Nummer gegeben, oder? Ich weiß nämlich, wo Sie arbeiten, daher können Sie mir nur schlecht aus dem Weg gehen.“

Mit einem Lachen schüttelt sie den Kopf und macht dann eine Geste, als wollte sie mich verscheuchen. „Gehen Sie. Sie stören mich bei der Arbeit.“

Es gefällt mir, dass sie sich von meinem Bekanntheitsgrad nicht einschüchtern lässt und mir sagt, ich solle verschwinden. „Ich rufe Sie später an, um mit Ihnen ein Datum zu vereinbaren.“

Sie reagiert nicht, doch ich weiß, dass sie mich nur ärgern will. Allerdings werde ich ihr nicht das letzte Wort gönnen.

Ich baue mich vor ihrem Tisch auf und lehne mich vor, sodass sie den Kopf in den Nacken legen muss, um mich anzusehen. „Ich wollte nur noch einmal in diese wunderschönen Augen blicken, bevor ich gehe.“

Sie reißt besagte Augen auf, und ihre Wangen laufen hochrot an.

Ich zwinkere ihr zu und beuge mich noch ein Stück weiter vor. „So flirtet man richtig. Bis später.“

Dann drehe ich mich um und verlasse das Café, wobei ich mich verdammt gut fühle.

Kapitel 3

Ava

Was zum Teufel tust du nur, Ava?

Diese Frage stelle ich mir immer wieder, seit Cannon mich vorgestern auf einen Drink eingeladen hat.

Der Cheftrainer der Pittsburgh Titans.

Ich starre in den Spiegel in der Damentoilette und betrachte mein Gesicht, das gerötet ist nach einem Dirty Martini zu viel. Ich stelle mir die Frage ein weiteres Mal, doch ich habe immer noch keine Antwort.

Es hat mich verwirrt, dass Cannon mit mir ausgehen wollte. In meinen Augen war unser Geplänkel während der vergangenen Wochen nichts weiter als die Unterhaltungen eines kontaktfreudigen, geselligen Mannes und einer Frau, die ihre Aufgabe als Repräsentantin ihrer Firma ernst nimmt.

Nun, das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Ehrlich gesagt, hat mich der Mann in seinen Bann gezogen, und das nicht nur, weil er berühmt, umwerfend und reich ist. Mit seinen albernen Flirtversuchen hat er mir wirklich geschmeichelt.

Doch abgesehen von der unverblümten Bemerkung, dass er Gefallen an meinen Augen gefunden hat, hatte ich nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass er an mir interessiert ist. Unser Geschäker war nichts weiter als eine vergnügliche Ablenkung von unseren hektischen Morgen.

Aber jetzt bin ich hier, habe seine Einladung angenommen, und bin mehr als angeheitert, wenn nicht sogar leicht angetrunken. Darüber hinaus hatte ich lange nicht mehr so viel Spaß.

Wir wollten uns nur auf einen Drink treffen, denn wir müssen beide morgen schon früh zur Arbeit, also habe ich diese Bar vorgeschlagen. Als stellvertretende Managerin des Grind bin ich diejenige, die den Laden öffnet, und die Titans haben morgen ein Heimspiel, weshalb Cannon in aller Frühe im Stadion sein muss. Ich weiß, dass er in der Nähe des Cafés wohnt, während mein Apartment weiter entfernt und nicht gerade in der schönsten Gegend der Stadt liegt, also wollte ich ihm entgegenkommen.

Zudem wollte ich vermeiden, dass er meine schäbige Wohnung zu Gesicht bekommt.

Ich habe eine Kneipe direkt um die Ecke des Cafés vorgeschlagen. Für mich war das zwar mit einiger Anstrengung verbunden, da ich um fünfzehn Uhr Feierabend hatte und zuerst fünfundvierzig Minuten nach Hause fahren musste. Dann legte ich denselben Weg noch einmal zurück, um mich um neunzehn Uhr mit ihm zu treffen. Aber das machte mir nichts aus.

Eigentlich hatten wir uns nur einen Drink genehmigen wollen, doch aus einem wurden zwei, und weil wir uns so gut amüsierten, aßen wir noch ein paar Appetithäppchen.

Aus zwei Drinks wurden drei, denn wir lachten viel, und je mehr wir tranken, desto ungezwungener flirteten wir miteinander. Aber es waren vor allem unsere tiefgründigen Gespräche, die mich faszinierten.

Erst vor ein paar Minuten hat Cannon einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen und eine Grimasse gezogen. „Es ist fast zweiundzwanzig Uhr. Für die meisten Leute ist es noch früh am Abend, aber nicht für uns Frühaufsteher.“

„Das gilt vielleicht für Sie“, erwiderte ich mit einem Lachen. „Ich habe mein Studium erst vor vier Jahren abgeschlossen, also bin ich noch in einem Alter, in dem ich mir die Nacht um die Ohren schlagen kann und am nächsten Tag trotzdem ausgeschlafen bin.“

Damit verpasste ihm einen Seitenhieb und erinnerte ihn daran, dass er – wie ich heute Abend erfahren habe – sechsunddreißig ist. Es hat mir Spaß gemacht, ihn wegen des Altersunterschieds zu necken, der im Grunde … gar nicht so groß ist. Neun Jahre sind nicht viel. Mein Ex-Freund war sogar ein paar Jahre älter als Cannon.

In seinen Augen blitzte ein herausfordernder Ausdruck auf. „Ich würde noch einen Drink nehmen, falls Sie auch noch einen wollen.“

Und jetzt stehe ich hier.

Mir schwirrt der Kopf, aber auf eine angenehme Art. Ich habe ein albernes Lächeln im Gesicht, weil ich mit einem umwerfenden Mann ausgehe und mir nicht erklären kann, wie es dazu gekommen ist.

Ich überprüfe mein Make-up und trage einen Lippenbalsam auf, statt meinen Lippenstift nachzuziehen. Er würde ohnehin nur auf dem Martiniglas landen.

„Noch einen Drink, und dann nimmst du ein Taxi nach Hause“, erkläre ich meinem Spiegelbild.

Die Ava, die mir grinsend entgegenblickt, sagt mir, dass ich keine Kontrolle darüber habe, wie der Abend enden wird. Mr. Martini hat bereits das Sagen.

Als ich die Damentoilette verlasse und zu unserem Tisch zurückkehre, sehe ich dort ein junges Paar stehen, das sich mit Cannon unterhält. Er unterschreibt auf einer Getränkeserviette und reicht sie dem Mann mit einem Lächeln.

Mein Gott, er hat ein umwerfendes Lächeln, das mir gefährlich werden könnte. Mit seinem Bartschatten, einem Grübchen nur auf der linken Seite und den vollen Lippen sieht er zum Dahinschmelzen aus. Dazu kommen noch sein dunkles Haar, seine haselnussbraunen Augen und seine markanten Gesichtszüge. Wenn er als Trainer keinen Erfolg hätte, könnte er sich ohne Weiteres als Supermodel verdingen. Bei dem Gedanken muss ich innerlich lächeln.

Das Pärchen verabschiedet sich gerade, als ich mich unserem Tisch nähere, und Cannon steht auf, um mir meinen Stuhl hervorzuziehen. Den ganzen Abend über war er ein perfekter Gentleman, hat mir Türen aufgehalten und Stühle herangezogen und ist jedes Mal aufgestanden, wenn ich den Tisch verließ oder zurückkehrte.

„Jemand hat Sie erkannt“, bemerke ich mit einem Grinsen, als ich mich setze und er ebenfalls Platz nimmt. Wir haben uns gerade vorhin darüber unterhalten, dass er als Spieler in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen wurde als jetzt als Trainer. Heutzutage wird er offenbar nicht mehr so oft angesprochen.

„Das kommt vor“, sagt er und wirft einen Blick auf meinen Martini.

Ich erhebe mein Glas, als er seinen Bourbon zur Hand nimmt, dann stoßen wir miteinander an. „Prost.“

„Prost“, erwidert er und lächelt mich an, bevor er einen Schluck trinkt.

Er lächelt auch noch, als wir unsere Gläser wieder absetzen, dann schüttelt er den Kopf.

„Was ist?“, frage ich.

„Ich verstehe das einfach nicht.“

„Was denn?“

„Warum Sie Single sind. Ich meine … Sie sind umwerfend und sexy. Allein deshalb liegen Ihnen die Männer sicher zu Füßen. Aber zudem haben Sie verdammt viel Humor und sind nett und äußerst intelligent. Sie sind die Art von Frau, für die die Männer durchs Feuer gehen würden. Was verheimlichen Sie mir?“

Das Kompliment lässt mich erröten, doch ich verspüre auch einen leichten Stich im Herzen, weil ich weiß, dass nicht alle Männer für mich durchs Feuer gehen würden.

„Sie verheimlichen mir tatsächlich etwas“, stellt Cannon fest, während er mich aufmerksam mustert und wahrscheinlich meine Emotionen in meinem Gesicht ablesen kann.

„Ich verheimliche gar nichts“, versichere ich ihm und zwirble den Zahnstocher mit den drei aufgespießten Oliven zwischen Daumen und Zeigefinger. „Nur eine frühere Beziehung, die Ihre Theorie widerlegen würde.“

Ich zucke zusammen, denn ich habe nicht derart bemitleidenswert klingen wollen, also überspiele ich meine Worte mit einem Lachen. „Das bedeutet, mein letzter Freund war ein Arschloch und wusste nicht, was gut für ihn ist.“

„Haben Sie sich erst kürzlich getrennt?“, will Cannon wissen.

„Nein. Vor über sechs Monaten.“

„Und Sie haben sich seitdem mit niemandem verabredet?“

„Es hat sich nie die Gelegenheit ergeben. Die meiste Zeit über arbeite oder schlafe ich. Dazwischen komme ich kaum zu etwas.“

Cannon lacht leise. „Das Problem kenne ich.“

„Nun, auf uns und darauf, dass wir es geschafft haben, aus unserem Alltag auszubrechen.“ Ich erhebe erneut mein Glas und er stößt mit mir an. „Das war wirklich ein schöner Abend, obwohl ich morgen sicher übermüdet und leicht verkatert sein werde.“

„Darauf trinke ich.“ Cannon stützt die Unterarme auf dem Tisch ab und beugt sich zu mir vor, wobei er mich mit einem Blick durchbohrt. „Also, warum ist Ihr Ex ein Arschloch?“

Mir steigt die Hitze in den Nacken. Das liegt jedoch nicht daran, dass ich seine Frage als aufdringlich empfinde. Ich habe viel zu viel getrunken, um ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Doch der Grund unserer Trennung ist mir peinlich.

Cannon muss mir mein Unbehagen angesehen haben, denn er ergreift meine Hand und drückt sie. „Sie müssen es mir nicht erzählen. Vergessen Sie einfach, dass ich gefragt habe.“

Aber der Alkohol hat meine Zunge gelockert und ich habe keinen Grund, ihn anzulügen. „Nun, zum einen hat er mir vorgeworfen, schlecht im Bett zu sein.“

Cannon reißt die Augen auf. „Das hat er gesagt?“

Ich stoße ein schnaubendes Lachen aus, weil ich nicht fassen kann, dass ich die Worte tatsächlich laut ausgesprochen habe. Damals habe ich Derek geglaubt, und es war wahrscheinlich das Demütigendste, was mir je widerfahren ist. „O mein Gott … ignorieren Sie mich einfach. Das ist definitiv der Alkohol, der aus mir spricht.“

„Was für ein Arschloch würde jemandem so etwas an den Kopf werfen?“, murmelt Cannon.

Ich ziehe die Nase kraus und zucke mit den Schultern. „Ein Kerl, der beim Fremdgehen erwischt wird?“

Cannons Augen blitzen wütend auf, was vielleicht ebenfalls dem Alkohol zuzuschreiben ist. „Er hat Sie betrogen und Ihnen dann die Schuld dafür gegeben?“

Ich mache eine abwinkende Geste und lüge an diesem Abend das erste und einzige Mal. „Ich habe es mir nicht zu Herzen genommen. Er wollte nur seinen Arsch retten. Viel schlimmer war es, als er dafür gesorgt hat, dass ich gefeuert wurde.“

„Wie bitte?“, ruft Cannon aus. Zu meiner Überraschung steht er auf, zückt seine Brieftasche und wirft zwei Hundert-Dollar-Scheine auf den Tisch. Mit der Summe deckt er sowohl die Getränke als auch die Vorspeisen und obendrein ein saftiges Trinkgeld ab. Dann streckt er mir die Hand mit der Handfläche nach oben entgegen. Ich ergreife sie und er zieht mich auf die Füße. „Lassen Sie uns einen Spaziergang machen.“

Die Nacht ist kühl, als wir die Kneipe verlassen. Mein Mantel ist aus dicker Wolle, doch mir ist aus einem anderen Grund warm ums Herz. Sobald wir uns in Bewegung gesetzt haben, ergreift Cannon meinen Arm, um ihn bei sich einzuhaken. Dafür bin ich dankbar, denn ich habe Schwierigkeiten, aufrecht geradeaus zu gehen.

Ich torkle zwar nicht betrunken durch die Gegend, aber ich bin ziemlich beschwipst, aber es ist schön, mich bei ihm anlehnen zu können.

„Also schön … erzählen Sie mir die ganze Geschichte“, ermutigt er mich.

Ich blicke zu ihm auf, und er wendet sich mir zu, um auf mich herabzublicken, denn er überragt mich um einige Zentimeter. „Diese Unterhaltung ist plötzlich sehr ernst geworden“, stelle ich fest.

Cannon zuckt mit den Schultern. „Ich bin ein vielseitiger Typ.“

Mit den Worten bringt er mich zum Lachen und nimmt mir zugleich die Befangenheit, wobei Letzteres auch den Martinis geschuldet ist. „In meiner Heimatstadt Raleigh in North Carolina war ich Personalleiterin bei einer großen Lebensversicherungsgesellschaft.“

„O Gott“, ruft Cannon mit einem dramatischen Stöhnen aus. „Bitte sagen Sie mir nicht, dass Sie ein Fan der Cold Fury sind.“

Mit meiner freien Hand drücke ich lachend seinen Arm. „Meine Familie liebt die Cold Fury zwar, aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht unbedingt ein Eishockeyfan.“

Cannon schlägt die Hand aufs Herz. „Sie machen mich fertig.“

„Aber“, füge ich lachend hinzu, „von jetzt an werde ich die Spiele auf jeden Fall verfolgen.“

„Das macht mich glücklich. Sie sind also Personalleiterin gewesen. Was genau war Ihr Job?“

„Meine Aufgabe bestand hauptsächlich in der Verwaltung von Gehältern, Sozialleistungen und der Bewilligung von Urlaubstagen. Zudem habe ich darauf geachtet, dass die Richtlinien und Geschäftspraktiken eingehalten wurden.“

„Verstehe.“

„Und mein Ex-Freund Derek war Vizepräsident in der Marketingabteilung.“

„War eine Beziehung zwischen zwei Angestellten innerhalb Ihrer Firma erlaubt? Oder hatten Sie eine geheime Affäre?“

Ich schnaube bei dem Gedanken. „Leider muss ich Ihren Sensationshunger zügeln, denn unsere Beziehung war nicht verboten. Ich war ihm nicht direkt unterstellt.“

„Und trotzdem hat er Sie feuern lassen“, bemerkt Cannon.

„Ja, wahrscheinlich war die Klausel im Kleingedruckten vermerkt“, scherze ich und stoße ein humorloses Lachen aus. „Wie dem auch sei, wir waren noch nicht lange ein Paar, als Derek in die Firmenzentrale hier in Pittsburgh versetzt wurde. Er hat dafür gesorgt, dass ich ebenfalls versetzt wurde, und ich bin bei ihm eingezogen.“

„Wie lange ist das her?“

„Ungefähr neun Monate. Meine Eltern waren dagegen. Sie waren der Meinung, dass ich mich zu sehr von Derek abhängig mache und vorschnell handle. Sie können mit ihrer Fürsorge ziemlich erdrückend sein, aber ich weiß, dass sie es nur aus Liebe tun. Der Rest der Geschichte ist nicht besonders aufregend. Ich habe herausgefunden, dass er mich ganz klischeehaft mit seiner Sekretärin betrog. Ich habe ihn damit konfrontiert, er hat mir einige unschöne Dinge an den Kopf geworfen und es war aus zwischen uns.“

„Und dann hat er dafür gesorgt, dass Sie gefeuert wurden“, bemerkt Cannon mit Abscheu in der Stimme.

„Und“, füge ich mit einem dramatischen Unterton hinzu, „er hat mich aus seinem Haus geworfen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden fand ich heraus, dass mein Freund mich betrügt, weil er denkt, ich sei schlecht im Bett, wurde dank ihm gefeuert und zudem obdachlos.“

„Verdammte Scheiße“, knurrt Cannon.

Im nächsten Moment wird mir schwindlig, doch nicht wegen des Alkohols, sondern weil er mitten auf dem Bürgersteig innehält, um mich zu küssen. Mit seinen kühlen Händen umfasst er mein Gesicht, aber die Spannung, die zwischen uns knistert, wärmt mich von innen. Er küsst mich nicht aus Mitleid oder weil er mich trösten will, sondern um mich auf andere Gedanken zu bringen.

Er küsst mich leidenschaftlich und lässt seine Zunge begierig mit der meinen tanzen, wobei er keinen Zweifel daran lässt, dass er mich will. Im nächsten Moment zieht Cannon jedoch den Kopf zurück und durchbohrt mich mit seinem Blick. „Muss ich mich dafür entschuldigen?“

Ich bringe zwar keinen Ton heraus, aber ich schüttle den Kopf, den er immer noch mit beiden Händen umfasst.

Mehr als die Geste scheint er zur Bestätigung nicht zu brauchen, denn im nächsten Moment presst er seine Lippen wieder auf meine. Er dominiert mich mit seiner Zunge, während er seine Hände in mein Haar gleiten lässt. Ich stöhne auf und kralle mich in seinen Pullover unter seinem geöffneten Mantel. Ich werde von einem lustvollen Schauer durchströmt, denn er weiß genau, was er tut, und beherrscht mich gekonnt mit seiner Zunge.

Der Alkohol beflügelt mich, und so erwidere ich den Kuss, wobei ich eine Hand an seine Hose wandern lasse. Ich packe den Bund seiner Jeans und ziehe ihn an mich.

Als unsere Körper aufeinanderprallen, stößt Cannon einen Fluch aus, wirbelt mich herum und presst mich mit dem Rücken gegen die Häuserwand einer Apotheke. Er drückt sich an mich, sodass ich seine harten – und ich meine stahlharten – Muskeln spüren kann.

Im nächsten Moment zieht er ruckartig den Kopf zurück und starrt auf mich herab, während er stoßweise atmet. „Ich weiß nicht, ob ich dich derart stürmisch küssen würde, wenn wir nichts getrunken hätten. Normalerweise bin ich beim ersten Date viel zurückhaltender.“

„Wahrscheinlich hätte ich mich nicht so von dir küssen lassen, wenn wir nichts getrunken hätten“, gestehe ich und wölbe mich ihm entgegen. „Aber ich weiß, dass ich nicht so betrunken bin, dass ich es morgen bereuen werde.“

Cannon stöhnt auf, als ich mein Becken an seinen Lenden reibe. „Ich will ehrlich sein … die Tatsache, dass dein Ex behauptet hat, du seist schlecht im Bett, hat in mir den Wunsch geweckt, ihn Lügen zu strafen. Schon allein dieser Kuss beweist mir, dass er falschliegt. Also werde ich dich warnen und dir eine faire Chance geben.“

Mir läuft ein elektrisierender Schauer über den Rücken, während mir dank des Gins und der in mir aufwallenden Begierde ganz schwindelig wird. „Eine faire Chance, um was zu tun?“

Cannon umfasst wieder mit beiden Händen mein Gesicht, dann beugt er sich vor, um mit seinen Lippen zärtlich über die meinen zu streichen. „Um mir zu sagen, dass ich aufhören soll, weil wir zu viel getrunken haben. Ansonsten werde ich jetzt mit dir in meine Wohnung gehen.“

Er hebt den Kopf und starrt mich an. Ich sollte mich von seinem intensiven Blick erdrückt fühlen, doch auf gewisse Weise bestärkt er mich nur.

Nun, vielleicht ist auch der Alkohol daran schuld.

Dennoch ertappe ich mich dabei, wie ich flüstere: „Dann sollten wir ihn Lügen strafen.“

Kapitel 4

Cannon

Dann sollten wir ihn Lügen strafen.

Die Wirkung, die diese Aussage auf mich hatte, war nicht von der Hand zu weisen. Vor allem wurde mein Schwanz härter. Ich war bereits während des Kusses erregt, doch ihre Worte erinnerten mich daran, warum ich Ava überhaupt geküsst habe.

Ich hatte schon immer ein weiches Herz. Ava hat zwar versucht, die Beleidigung ihres Ex-Freunds herunterzuspielen, doch ich konnte spüren, wie sehr er damit ihr Selbstvertrauen erschüttert hat. Mit dem Kuss habe ich ihr zeigen wollen, wie sexy und begehrenswert sie ist.

Und die Art und Weise, wie sie den Kuss erwidert hat, bestätigte mir, dass der Trottel falschlag. Ihr Mund schmiegte sich perfekt an meinen, wobei sie mir forsch mit ihrer Zunge entgegenkam. Und als sie den Bund meiner Jeans gepackt hat, um sich an mich zu schmiegen, wusste ich, dass sie eine selbstsichere Liebhaberin sein würde. Wahrscheinlich spielte auch der Alkohol eine Rolle, doch es war klar, dass die Frau weiß, was sie tut.

Ich hatte nicht im Sinn, heute Abend mit ihr zu schlafen, als ich sie eingeladen habe. Eigentlich wollte ich nur etwas mit einer Frau trinken, die mich fasziniert. Doch jetzt, da sie mir grünes Licht gegeben hat, will ich mit ihr schlafen.

Spielt der Alkohol eine Rolle? Auf jeden Fall, denn er verstärkt die Anziehungskraft zwischen uns und lässt unsere Hemmungen schwinden.

Für gewöhnlich endet so etwas in einmaligen Abenteuern, doch das scheint mir in diesem Moment völlig egal zu sein. Ich bin viel zu erregt und kann an nichts anderes mehr denken, als Ava zu ficken. Über die Konsequenzen kann ich mir auch morgen noch den Kopf zerbrechen.

Ich beruhige mein Gewissen damit, dass Ava nicht sturzbetrunken ist. Sie ist durchaus in der Lage, zusammenhängende Sätze zu formulieren, und spricht nicht undeutlich, also glaube ich kaum, dass ich die Situation ausnutze.

Ich ergreife Avas Hand und setze mich in Bewegung. Dabei gehe ich so schnell, dass sie in einen Dauerlauf verfällt, um mit mir Schritt zu halten. Ich entschuldige mich und bemühe mich, mein Tempo zu verlangsamen.