Cattle Valley: Eine letzte Blume - Carol Lynne - E-Book

Cattle Valley: Eine letzte Blume E-Book

Carol Lynne

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Beschreibung

Woche für Woche kommt Hearn Sutherland in Tyler Mannings Blumenladen, um einen Strauß für das Grab seines verstorbenen Partners zu kaufen. Mitanzusehen, wie Hearn einem Mistkerl wie Mitch nachtrauert, bricht Tyler beinahe das Herz. Als dann auch noch mehr unschöne Dinge über Mitch ans Licht kommen, findet Hearn schließlich bei Tyler Halt und Trost. Doch sind diese Gefühle echt und können sie dem Schatten des Toten trotzen, der Hearn immer noch heimsucht? Band 10 der "Cattle Valley"-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 168

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Deutsche Erstausgabe (ePub)März 2019

Für die Originalausgabe:

Copyright © Carol Lynne 2009

Originally published in the English language as

»Cattle Valley: The Last Bouquet«

by Totally Entwined Group Limited, UK

The moral rights of the author have been asserted.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Lektorat: Susanne Scholze

ISBN-13 (Print): 978-3-95823-743-8

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Jilan Greyfould

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

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Klappentext:

Woche für Woche kommt Hearn Sutherland in Tyler Mannings Blumenladen, um einen Strauß für das Grab seines verstorbenen Partners zu kaufen. Mitanzusehen, wie Hearn einem Mistkerl wie Mitch nachtrauert, bricht Tyler beinahe das Herz. Als dann auch noch mehr unschöne Dinge über Mitch ans Licht kommen, findet Hearn schließlich bei Tyler Halt und Trost. Doch sind diese Gefühle echt und können sie dem Schatten des Toten trotzen, der Hearn immer noch heimsucht?

Widmung

Für meine Freunde Chel, Chris, Kelly und Deb.

Kapitel 1

Während Puccini im Hintergrund dudelte, starrte Tyler Manning auf das Herz in seinen Händen. Anders als die meisten Blumenläden hatte Tyler bis zur ersten Februarwoche gewartet, bevor er die Schaufenster seines Geschäfts für den Valentinstag schmückte.

Die selbst gemachte Dekoration war nichts Ausgefallenes, er hatte nur roten Samt vorne und hinten auf ein großes Stück Pappe geklebt. In Sheridan hatte er absolut hochwertige Spitze gefunden und sie am Rand des etwas über einen Meter großen Herzens angebracht.

Weil er plötzlich den Drang verspürte, das Herz in der Mitte durchzureißen, legte Tyler es beiseite. Vielleicht war es keine so gute Idee, mit einem gebrochenen Herzen zu dekorieren. Bilder von Hearn tauchten vor seinem inneren Auge auf. Tyler starrte den Kühlbehälter an, der den Strauß enthielt, den er wie jede Woche für Mitchs Grab zusammengestellt hatte.

Wie hatte er es nur geschafft, sich in einen Mann zu verlieben, der schon vergeben war? »Fuck!«, schrie er und trat gegen das Herz zu seinen Füßen.

Tyler sank zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. In letzter Zeit war Weinen zu einer regelmäßigen Angewohnheit geworden. Seit dem Unfall, bei dem Hearns Partner Mitch ums Leben gekommen war, hatte sein Freund ihn links liegen gelassen. Wenn es den Dauerauftrag für einen Blumenstrauß die Woche nicht gäbe, würde er Hearn wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen. Warum? Das leuchtete ihm immer noch nicht ganz ein.

Vor dem Unglück waren Hearn und er beinahe unzertrennlich gewesen. Dann war Mitch umgekommen und… nichts. Zuerst war Tyler besorgt gewesen, dass Hearn seine mehr als freundschaftlichen Gefühle bemerkt haben könnte, doch er glaubte nicht länger, dass das der Fall war. Nicht nur Tyler wurde die kalte Schulter gezeigt. Hearn hatte sich so tief in sich selbst und seine Wohltätigkeitsarbeit in Sheridan zurückgezogen, dass niemand ihn mehr sah.

Eine Hand auf seiner Schulter erschreckte Tyler und ließ ihn zusammenfahren. »Ruhig Blut«, beschwichtigte ihn Hearns sanfte Stimme.

Tyler blickte hinauf in dieselben braunen Augen, die er jede Nacht in seinen Träumen sah. Hearns besorgter Gesichtsausdruck, als er neben ihm in die Knie ging, ließ Tyler an Ort und Stelle schmelzen.

»Geht es dir gut?«, fragte Hearn über die laute Musik hinweg.

Tyler kam sich wie ein Dummkopf vor, nickte und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Ja. Entschuldige.« Er stand auf und ging hinter den Tresen, um La Bohème leiser zu drehen. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, drehte er sich um, nur um zu entdecken, dass Hearn direkt hinter ihm stand.

»Was ist los?«, fragte Hearn.

In dem Bewusstsein, dass er den Mann, den er liebte, nicht einfach dreist belügen konnte, deutete Tyler auf den Laden. »Valentinstag.« Er zuckte mit den Schultern. »Deprimiert mich jedes Jahr.«

Hearns Mundwinkel hob sich kaum merklich. »Dann hast du irgendwie den falschen Beruf, oder?«

Tyler konnte diesem sexy Grinsen, das er so gerne sah, nicht widerstehen und lächelte. »Ja. Ich schätze, du hast recht.«

Hearn legte beide Hände auf Tylers Schultern und drückte sie. »Du wirst schon jemanden finden.«

»Das habe ich schon«, gab Tyler zu.

Düstere Emotionen zeichneten sich flüchtig auf Hearns Gesicht ab, bevor sie wieder verschwanden. »Das ist schön, Ty, wirklich schön.« Er ließ Tyler los. »Aber wenn du immer noch so unglücklich bist, dass du weinen musst, ist der Kerl vielleicht nicht der Richtige für dich.«

»Das ist er. Er weiß es bloß noch nicht.« Tyler schaute weg und ging zum Kühlbehälter. »Deine Blumen sind fertig«, verkündete er und zog den großen Strauß aus Gänseblümchen und Rosen hervor.

Hearn nahm die Blumen entgegen und wie jede Woche hielt er sie unter seine Nase und atmete tief ein. Das war der Moment, den Tyler jedes Mal genauso liebte wie hasste. In diesen wenigen kurzen Sekunden schienen Hearns Probleme in den Hintergrund zu rücken und ließen den zärtlichen, friedfertigen Mann zurück, in den sich Tyler verliebt hatte.

»Auf Rechnung?«, fragte Hearn und öffnete die Augen.

»Natürlich«, stimmte Tyler zu. In dem Versuch, noch etwas mehr Zeit in Hearns Gesellschaft verbringen zu können, suchte Tyler nach etwas, das er sagen konnte. »Hast du das von Quade gehört?«

Hearn hielt auf seinem Weg zur Tür inne und drehte sich um. »Nein. Ist etwas passiert?«

»Das kann man wohl sagen. Er ist zurückgetreten. Es wurde vorhin bekannt gegeben. Ich schätze, mein Cousin George wird für ihn einspringen, bis eine Nachwahl abgehalten wird.«

Hearn pfiff durch die Zähne. »Wow. Warum zum Teufel habe ich das nicht kommen sehen?«

»Das hat niemand. Quade hat beschlossen, nach Oahu zu ziehen, um mit Kai zusammen zu sein, diesem Typen, den er letztes Jahr kennengelernt hat.« Tyler trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe nachgedacht. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit für dich.«

»Hm?«

»Na ja, du beschwerst dich doch immer, dass diese Stadt nicht genügend Aktivitäten anbietet, um die Kinder während der Sommermonate zu beschäftigen. Vielleicht ist das deine Chance, daran etwas zu ändern?«

»Was? Ich soll für das Amt des Bürgermeisters kandidieren?«, fragte Hearn und seine dunkelbraunen Augen wurden groß.

»Ja.«

»Ich weiß doch überhaupt nichts darüber, wie man eine Stadt am Laufen hält.« Hearn kam ein paar Schritte näher, um auf der anderen Seite des Tresens gegenüber von Tyler stehen zu bleiben.

»Doch, tust du«, widersprach Tyler. »Du hast einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Die gesamte Parkanlage läuft unter deiner Führung wie eine gut geölte Maschine. Du kannst das«, beschwor er ihn und griff nach Hearns Hand.

»Kann ich nicht. Einen Zeitplan für die Sportplätze zu erstellen und dafür zu sorgen, dass die Pavillons sauber sind, ist nicht mit der Leitung einer ganzen Stadt vergleichbar«, sagte Hearn kopfschüttelnd.

Tylers Aufmerksamkeit wurde von den dunkelbraunen Locken gefesselt, während sie wieder an ihren Platz fielen. Hearn hatte seine Haare wachsen lassen. Er wusste nicht, ob das freiwillig geschehen war oder ob es ihn schlichtweg nicht scherte, doch Hearns Haare reichten in einer wirren Kaskade bis knapp über seine Schultern.

»Tyler?«

»Ja?«

»Es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass du an mich glaubst, aber ich bin wirklich nicht dafür qualifiziert.« Hearn löste seine Hand aus Tylers Griff und hielt die Blumen in die Höhe. »Wir sehen uns in einer Woche.«

Tyler beobachtete, wie Hearn zur Tür hinausging, und schlug mit der Faust auf den Tresen. »Verdammt!« Warum konnte Hearn nicht das sehen, was Tyler in ihm sah? Die Antwort ging mit einem bitteren Geschmack in seinem Mund einher. »Mitch.« Das Arschloch, das Hearn immer und immer wieder beschimpft hatte, er würde seinen Collegeabschluss verschwenden, indem er als besserer Platzwart arbeitete. Warum konnte Hearn nicht sehen, dass er für Cattle Valley so viel mehr war als das?

Tyler stieß sich vom Tresen ab, drehte die Musik wieder auf und fuhr mit der Arbeit an seinem Schaufenster fort. Er würde einen Weg finden, den Schaden zu beheben, den ein jahrelanges Leben mit Mitch bei Hearn angerichtet hatte.

Hearn brachte seinen Pick-up am üblichen Platz zum Stehen und ließ seinen Blick über den kleinen Friedhof schweifen. Er bekam die Dinge, die Tyler erwähnt hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Bürgermeister? Hearn schüttelte den abstrusen Gedanken ab und griff nach dem Blumenstrauß neben sich.

Nachdem er den Reißverschluss seiner Jacke hochgezogen hatte, öffnete er die Tür und trat auf den immer noch gefrorenen Boden. Es war ein weiterer bedeckter, düsterer Tag, doch das schien perfekt zu Hearns Stimmung zu passen. Er hatte an diesem Morgen getan, was er jeden Morgen tat, und war nach Sheridan gefahren, um ein paar Stunden ehrenamtlich im Kinderheim zu arbeiten.

Obwohl er es liebte, Zeit mit den Kindern zu verbringen, schienen ihre traurigen Blicke ihn jeden Tag nach Hause zu verfolgen, besonders an diesem Tag. Gracie hatte es geschafft, ihr einziges Spielzeug zu verlieren, eine Puppe, die Hearn ihr geschenkt hatte. Sie beide hatten beinahe zwei Stunden gebraucht, um die kleine blonde Babypuppe wiederzufinden. Die Freude auf Gracies Gesicht zu sehen, war die Mühe wert gewesen, hatte aber auch sein Bedürfnis verstärkt, eine Familie für das süße Mädchen zu finden.

Bevor er wusste, wie ihm geschah, stand Hearn schon am Fuße von Mitchs Grab. Er beugte sich hinunter, sammelte das verwelkte Gesteck auf und tauschte es durch ein neues aus. Was würden die Bürger der Stadt von ihm halten, wenn sie wüssten, dass er aus Schuldgefühlen und nicht aus Liebe Blumen brachte?

Auf dem Rückweg vom Grab zum Pick-up warf Hearn den verwelkten Strauß in den Müll. Zum Teufel mit der Stadt. Was würde Tyler von ihm halten, wenn er die Wahrheit kennen würde? Das Wissen, dass der Streit, den er an diesem Abend mit Mitch gehabt hatte, nicht nur zu Mitchs Tod geführt, sondern auch Tylers Leben in Gefahr gebracht hatte, erfüllte ihn immer noch mit Scham.

Hearn schüttelte den Kopf, als er erstaunt feststellte, dass er in seinem Pick-up saß und der Motor bereits lief. Sein Kopf wurde so von Tyler Manning eingenommen, dass er kaum Zeit hatte, an etwas anderes zu denken. Vorhin die Tränen in diesen braunen Welpenaugen zu sehen, hatte ihn beinahe wahnsinnig gemacht. In diesem Moment hatte er nichts mehr gewollt, als Tyler vom Boden hochzuziehen und ihn vor der Welt zu beschützen. Die Neuigkeit, dass Tyler an jemandem interessiert war, war ein Schock gewesen.

Er wusste nicht, warum. Tyler war der liebenswerteste Mann, den er je kennengelernt hatte, die Art von Mann, die es verdiente, Liebe zu finden. Warum also tat es so weh? Weil ich dieser Mann sein will.

Als Tyler das Brewster′s betrat, entdeckte er eine Gruppe seiner Freunde und bahnte sich einen Weg durch den Raum. »Darf ich mich zu euch gesellen?«, fragte er die Truppe von der EZ Does It.

»Aber klar«, erwiderte Wyn und deutete auf einen freien Stuhl.

Tyler lächelte und setzte sich. »Dich und Ezra habe ich ja schon seit Monaten nicht mehr hier gesehen«, stellte er fest.

Wyn zeigte auf die Bar. »Wir mögen den neuen Besitzer. Er war schon ein-, zweimal in der Grizzly Bar, also dachten wir uns, dass wir den Gefallen erwidern.«

»Tja, ihr werdet nicht enttäuscht sein. Sean macht hervorragende Burger.« Er gab der Kellnerin ein Handzeichen. »Kannst du mir bei Gelegenheit eine Tasse Kaffee organisieren?«

»Aber sicher«, sagte Kitty.

»Also, wie läuft's bei dir?«, fragte Wyn.

Tyler hatte Palmer Wynfield von Anfang an gemocht. Der ältere Mann hatte ihn unter seine Fittiche genommen und jedem Ladenbesitzer an der Hauptstraße vorgestellt. »Ganz gut. Ich hoffe, das Geschäft zieht ab dem Vierzehnten etwas an.«

»Das wird es.« Wyn nickte. »Aber ich habe nach dir gefragt, nicht nach dem Laden.«

»Oh.« Tyler hob die Schultern und senkte den Blick auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen. Wyn war einer der wenigen, die über seine Gefühle für Hearn Bescheid wussten. »Keine Veränderung in diesem Bereich. Hearn legt noch immer jede Woche Blumen auf Mitchs Grab und ich werde immer noch im Regen stehen gelassen.«

»Ich kann nicht glauben, dass Hearn diesem Mistkerl immer noch hinterherweint«, ließ Ezra mürrisch dreinblickend verlauten.

Tyler sah auf und bemerkte, dass mehrere Leute ihn anstarrten. Offenbar hatte er lauter gesprochen, als ihm klar gewesen war. Die mitleidsvollen Mienen seiner Freunde brachten ihn zum Stöhnen. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«, fragte er und wich ihren Blicken aus.

Logans tätowierter Unterarm schob sich über den Tisch und er hob Tylers Kinn an. »Es ist nichts falsch daran, jemanden gernzuhaben.«

»Stimmt. Außer, wenn derjenige, den man gernhat, immer noch in einen toten Mann verliebt ist.«

Jax überraschte ihn damit, dass er seinen Stuhl zurückrückte und die Runde am Tisch verließ. Tyler folgte dem Rücken des Mannes mit seinem Blick, bis der auf der Toilette verschwand. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er Logan.

»Nein. Du könntest gerade genau das Richtige gesagt haben.« Logan erhob sich. »Wenn ihr mich entschuldigen würdet.«

Tyler sah zu, wie Logan Jax folgte. »Haben die beiden Probleme?«, fragte er Wyn und Ezra.

»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Wyn.

Tyler hatte seinen Hamburger beinahe aufgegessen, als er beobachtete, wie ein offensichtlich aufgewühlter Jax an Logans Arm aus der Toilette kam. Statt wieder an den Tisch und zu ihrem mittlerweile kalten Abendessen zurückzukommen, führte Logan Jax aus der Bar hinaus.

Tyler bemerkte Ezras Gesichtsausdruck, als dessen Vorarbeiter ging. Was auch immer da vor sich ging, Ezra wusste darüber Bescheid. Tyler sah zu Wyn hinüber, der sich der Besorgnis seines Partners noch immer nicht bewusst zu sein schien. Ezra begegnete Tylers Blick und hielt ihm stand. »Ich glaube, wir müssen reden.«

Während sein Wagen im Leerlauf in der kalten Winternacht stand, wartete Tyler darauf, dass Jax und Logan aus Hearns Haus herauskamen. Er wusste, wenn er mutiger gewesen wäre, wäre er direkt zur Vordertür gegangen und hätte angeklopft, während die zwei Besucher noch drinnen waren, doch er war ein Feigling.

Zum Teufel, er scheute sich immer vor Konfrontationen. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er zugelassen hatte, dass so viele Männer ihn in seiner Vergangenheit ausgenutzt hatten. Sieh es ein, Manning, du bist ein Weichei. Als Kind war er von praktisch jedem in seiner Klasse irgendwann verprügelt worden, sowohl von den Jungs als auch von den Mädchen. Sein Vater hatte mehrmals versucht, ihm beizubringen, wie man sich verteidigte, doch Tyler hatte es nie über sich gebracht, sich zu wehren.

Es lag nicht daran, dass er Angst davor hatte, geschlagen zu werden. Es war die Wut, die er nicht ausstehen konnte. Wann immer jemand anfing zu schreien, begann Tylers Magen sofort zu krampfen. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte er sich tatsächlich übergeben, bevor ihn der erste Schlag zu Boden schickte.

Also saß er hier, ganze einhundertfünfundsechzig Zentimeter groß, und wartete darauf, dass Jax und Logan wieder gingen. Er wusste nicht, was er Hearn sagen würde, wenn die beiden Männer erst weg waren, doch tief im Herzen wusste er, dass er für seinen Freund da sein musste.

Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, als er sah, wie die Vordertür geöffnet wurde und die beiden Männer in ihren Pick-up stiegen. Als er die beiden schemenhaften Gestalten anstarrte, während sie sich umarmten, fühlte sich Tyler wie ein Eindringling. Er wusste, dass es für Jax nicht leicht gewesen war, Hearn über seine Affäre mit Mitch die Wahrheit zu sagen, doch jetzt gerade war ihm Jax vollkommen egal. Die Männer sollten einfach abhauen, damit er nach Hearn sehen konnte.

Endlich, nach weiteren zehn Minuten, lenkte Logan den Pick-up aus Hearns Einfahrt. Tyler wartete, bis die Rücklichter hinter der nächsten Ecke verschwunden waren, bevor er aus seinem fünf Jahre alten Civic stieg.

Als er die Straße überquert hatte und die Verandastufen hinaufging, war Tylers Magen ein einziger Knoten. Vielleicht war das doch keine gute Idee? Was, wenn Hearn ihn nicht brauchte?

Tyler atmete tief durch, um seine Ängste von sich zu schieben, und klopfte an die Tür. Als Hearn nicht reagierte, lehnte sich Tyler zur Seite und spähte durch das Wohnzimmerfenster. Hearn saß auf der Couch, hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte einfach nur geradeaus.

»Hearn?«, rief er schließlich und klopfte gegen das Glas.

Der viel größere Mann blinzelte mehrmals, bevor er Tylers Blick durch das Fenster begegnete.

»Darf ich reinkommen?«

Hearn blickte ihn eine Weile nur an, bevor er aufstand. Tyler straffte sich und stellte sich vor die Tür. Hearns Gesichtsausdruck, als er die Tür öffnete, jagte Tyler Angst ein. Er spürte, wie ihm Galle aus seinem Magen in die Kehle stieg.

»Was willst du, Ty?«, fragte Hearn und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

»Darf ich reinkommen?«

Hearn trat zurück und Tyler drängte sich an ihm vorbei und ging ins Wohnzimmer. Er wusste nicht, wie er Hearn mitteilen sollte, dass er wusste, was Mitch getan hatte. »Ich… ich war im Brewster′s, als Jax und Logan gegangen sind.« Er zog sich die Mütze vom Kopf und stopfte sie in seine Manteltasche. »Ezra hat mir das mit Mitch erzählt.«

»Dazu hatte er kein Recht!«, explodierte Hearn.

Mit einer Hand über seinem flauen Magen nickte Tyler. »Ezra hat sich Sorgen um dich gemacht. Er dachte, du würdest vielleicht einen Freund brauchen.«

Hearns Blick begegnete Tylers zum ersten Mal, seit er die Tür geöffnet hatte. »Lachen sie mich aus?«

»Nein!«, rief Tyler aus und eilte an Hearns Seite. »Ich sagte doch, sie machen sich Sorgen. Die Nachricht, dass der Mann, den du geliebt hast, dir nicht treu war… das würde jeden am Boden zerstören.«

Dass Hearn zu glucksen begann, verwirrte Tyler. Als das Glucksen zu einem ausgewachsenen, dröhnenden Lachen wurde, begann Tyler, um die geistige Gesundheit des Mannes zu fürchten, den er liebte.

»Ich habe Mitch seit Jahren schon nicht mehr geliebt«, gestand Hearn und fegte eine Vase von dem Tisch neben sich.

Diese Tat ließ Tyler zusammenzucken. Die deutlich sichtbare Wut, die in Hearn tobte, war mehr, als Tylers Magen ertragen konnte. Mit einer Hand über dem Mund stürmte Tyler zum Badezimmer. Er schaffte es gerade so, die Klobrille anzuheben, bevor er sein gesamtes Abendessen in die Schüssel entleerte.

Dann lehnte er seinen Kopf gegen das kühle Porzellan und versuchte, sich zu beruhigen. Er wusste, dass Hearn nicht sauer auf ihn war, dass es Mitch war, den Hearn gerade hasste.

Eine große Hand legte sich auf seinen Rücken. »Geht es dir gut?«, fragte Hearn ohne die geringste Spur von Wut.

Gott, er fühlte sich wie ein Idiot. Er war hergekommen, um Hearn zu trösten, und jetzt war er derjenige, der getröstet wurde. »Alles in Ordnung«, log er und betätigte die Spülung. »Ich konnte noch nie gut mit Zorn umgehen. Dämlich, ich weiß.«

Von ihrem Sitzplatz auf dem Boden aus griff Hearn nach oben und befeuchtete einen Lappen. Nachdem er ihn mit einer Hand ausgewrungen hatte, begann er, damit über Tylers Gesicht zu streichen. »Daran ist nichts dämlich. Ich habe zugelassen, dass ich die Kontrolle verliere, und es tut mir leid, dass du darunter leiden musstest.«

»Du hast jedes Recht, die Kontrolle zu verlieren.«