Centering Prayer - Maria Reichel - E-Book

Centering Prayer E-Book

Maria Reichel

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Beschreibung

Centering Prayer oder das "Gebet der Sammlung" ist eine in Deutschland immer bekannter und beliebter werdende Gebetsform, die auf den amerikanischen Trappistenmönch Thomas Keating zurückgeht. Dieser kontemplative Weg besteht im Kern darin, sich eine Zeit der Stille einzurichten und sich aus der Tiefe des Herzens heraus voraussetzungslos auf das Geheimnis des Lebens auszurichten. Voraussetzungslos bedeutet: Es gilt zuerst einmal alles, was man von "Gott" gehört, gedacht, gelesen hat, zurückzulassen und sich von allen Vorstellungen freizumachen. Das Einzige, was man als Betender mitbringt, ist die offene Erwartung: der Wunsch, dass Gott gegenwärtig sein möge und an einem wirkt. Es geht um einfaches Da-Sein, in Beziehung-Sein, ohne etwas zu tun, nur schauend, hörend aufzunehmen, was ist. Maria Reichel zeigt in diesem Buch, dass die Einübung in diese Gebetsform nicht nur ein privates Bedürfnis nach Kontemplation und Rückzug befriedigt. Ganz im Gegenteil geht es darum, bewusst eine Haltung einzuüben, die sich der Welt und den Menschen zuwendet. Denn wer sich der heilsamen Dimension des Centering Prayers öffnet, wird spüren, dass wir auf dieser tiefsten Ebene unseres Menschseins mit allem und allen eins sind.

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EPUB
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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2025

ISBN 978-3-7365-0692-3

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2025

ISBN 978-3-7365-0706-7

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher

Lektorat: Antonie Hertlein

Covergestaltung: Wunderlichundweigand

Covermotiv: bürosüd, München

www.vier-tuerme-verlag.de

Maria Reichel

Centering Prayer

Ein Weg für Gottferne, Zweifler und andere gute Christen

Vier-Türme-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Vor-Wort

Von Wegen und Umwegen

Offenes Herz – offener Sinn

Das Centering Prayer nach Thomas Keating

Sich Gott öffnen – ohne Konzept

Kontemplation –Die lebendige Quelle in uns

Gott im Verborgenen suchen

Gebet als Beziehung

Vom vielen zum einen – der kontemplative Weg

Die vier Leitlinien des Centering Prayer

Gott wirken lassen – einwilligen

Turbulenzen im Kopf

Wie finde ich Gott?

Die Ebenen des Bewusstseins und die vier Entwicklungsschritte des Centering Prayer

Federleicht beten

Nichts als Gott suchen

Die »Wolke des Nichtwissens«

Gedanken wie Schiffe auf einem Fluss

Verbunden mit Gott im Denken und Tun

Absicht und Einwilligung

Die Wolke durchbohren mit liebender Sehnsucht

Zielgerichtet und federleicht

Hellwache Empfänglichkeit

Eine Schale will ich sein

Alles »sein lassen«

Beten ohne Bewerten

Seelenmüll loswerden

Göttliche Therapie – Mental Health

Typisch Mensch – The Human Condition

Wahres Selbst und »homemade self«

Destruktive Muster lösen sich

Kontemplation ist Transformation

Das Willkommens-Gebet

Neue Freiheiten gewinnen

Gedanken zulassen und ziehen lassen

Inkarnation des Glaubens – Gelassenheit

Ein Abgrund durchlitten – überwunden

Die Dunkle Nacht

Die dunkle Nacht der Seele

Mutig, stark, beherzt – vom Beten zum Tun

Selbstverwirklichung und Hingabe

Gesundes Selbst-Bewusstsein – Dag Hammarskjöld

Gewaltlosigkeit hat ihren Preis – Mahatma Gandhi

Hass und Gewalt überwinden – Franz Jalics

American Mother – dem Täter die Hand reichen

Eine Bischöfin liest Trump die Leviten

Geist-voll leben – »wahre Selbst-Verwirklichung«

Der Raum des Geistes

Jesu Vollmacht – Wirken aus dem Sein

Geist-volles Gotteskind

Der Geist führt in die Wüste

Handeln aus der Gegenwart Gottes

Geheimnisvolle Gegenwart

Die gottferne Frau – auf Augenhöhe mit Jesus

Die kanaanäische Frau – eine Palästinenserin

Die erste Sprache Gottes ist das Schweigen

Der Glaube der gottfernen Frau

Das Gleichnis von den Zugvögeln

Wir können Gott nicht halten

Drei Bilder in der Klosterkirche am Schwanberg

Wo sich Göttliches verfestigt, stimmt etwas nicht

Nicht »über Gott« reden – verkörpern

Die »non-possessive attitude«

Der römische Brunnen

Was ist Wahrheit?

Das Jesus-Koan

Ein Bischof denkt Gott unpersonal

Gegenübergott und Reines Bewusstsein

Die Seele muss wandern

Den Weg gehen

Das Besondere am Centering Prayer

Vom Lesen zum Üben – vom Sein zum Werden

Vergegenwärtigung Gottes

Du brauchst Gott nicht zu suchen

Eine Tür öffnet sich in mir

Nach Hause kommen

Was die Menschheit braucht

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Thomas Keating

Weiterführende Literatur

Über Thomas Keating

Contemplative Outreach

12-Schritte-Gruppen / 12-Step Outreach

Centering Prayer – Orte der Praxis

Infos zum Centering Prayer und Kontakt

Orientierungsmarken

Cover

Impressum

Buchtitel

VOR-WORT

Es könnte sein …

... dass Zweifel, Fremdheit und das Gefühl von Gottferne keine Defizite sind, sondern sinnvolle Wegzeichen, die uns in ein erfüllteres Leben leiten.

Wie könnte ein Weg aussehen, der zu tieferer Gewissheit, Vertrauen ins Leben und innerer Freiheit führt?

Genau darum geht es in diesem Buch.

Von Wegen und Umwegen

Mein persönlicher Weg begann in der Geborgenheit eines christlichen Elternhauses. Verbundenheit mit »Gott« und das Vertrauen, dass ich behütet bin, habe ich sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Beides schien unerschütterlich zu sein. Den Mann, den ich einmal heiraten würde, gab es auch schon irgendwo, ich brauchte ihn nur noch zu finden, und so würde sich Familienglück als Erfüllung meines Lebens als Frau sicherlich einstellen.

Doch als Teenager wurden mir diese Gewissheiten fragwürdig. Tief in mir wusste ich intuitiv, dass ich reich beschenkt war und dass ich diese Fülle auch an andere weitergeben wollte – aber nicht so! Das war mir ebenso gewiss. Seither lebe ich mit einem »Ziehen« in der Seele, das mich bis heute unbeirrbar leitet. In einem Adventskalender fand ich ein Bild, das wunderbar beschreibt, wie ich mich fühlte:

Eine Schnecke spürt ein Ziehen in ihrem Fuß. Sie geht dem Impuls nach und erlebt dadurch viele bewegende Begegnungen, spaßig und ernst, aber immer wieder merkt sie: Das ist es noch nicht. Auf dieses innere Ziehen hörend muss sie weiterziehen – bis sie zuletzt beim Christuskind ankommt. So ähnlich folgte ich einem inneren Impuls, um meinen Platz im Leben zu finden. Und so hat es mich unablässig weiter gezogen, immer näher zu Gott und zu mir selbst.

Pfarrerin werden und christliche Wahrheiten von der Kanzel verkündigen, das wollte ich in jener Zeit auf keinen Fall, wusste ich doch selbst nicht, woran ich glaubte. Und schon als braves Pfarrerskind durchzuckte mich der Gedanke: Wenn ich zu dem Schluss komme, dass ich das, was unter Christen üblich ist, nicht glauben kann, dann muss ich eben aus der Kirche austreten – damals eine ziemlich unmögliche Möglichkeit.

Ein anderer Berufsweg fiel mir allerdings auch nicht ein. Dazu war mein Lebensthema zu deutlich. Und so studierte ich Theologie, in der Hoffnung, dass ich auf diese Weise meine tiefen Fragen klären könnte.

Oje – welche Enttäuschung! Anfangs dachte ich noch, ich sei zu dumm. Aber die Noten erklärten mir, dass es daran nicht liegen konnte. Wie komme ich zu dem, wovon Kirchenmenschen und schlaue »Schrift-Belesene« reden? Das war die Frage, die mich existenziell umtrieb. All diese Menschen, die so überzeugt von Gott reden konnten, schienen auf einem anderen Stern zu leben. Ich gehörte nicht dazu. Ein naher Mensch riet mir, es trotz meiner Bedenken mit dem Vikariat zu versuchen: Die Praxis könne deutlicher zeigen, ob mir der Pfarrberuf liege oder nicht. Eine gute Idee. Doch sogleich kam ich erneut in existenzielle Not: Ich wurde erst mal krank und fiel aus.

Im Predigerseminar sollten wir dann ein steiles Bekenntnis zum Evangelium unterschreiben, das wir »unverfälscht und unverkürzt« verkündigen sollten. – »Das kann ich nicht! Schicken Sie mich nach Hause. Ich bin falsch hier«, sagte ich zu meinem Ausbilder. Das war die Situation, in der ich zum ersten Mal so etwas wie »geistliche Begleitung« erfuhr: eine menschliche Begegnung, in der ich in meiner Not ernst genommen wurde, respektvoll und ohne Bewertung. Ich begegnete mir selbst, wurde konfrontiert mit meinen ungelösten Themen, aber nicht allein gelassen. Ich war herausgefordert, begleitet, entlastet – und willkommen.

Mit wenigen Sätzen weitete mein Begleiter meinen Blick. Wo ich darauf fixiert war, die stimmige dogmatische Theorie im Kopf zu finden, fragte er mich nach Lebens-Vollzügen: Könnte ich mit den anderen gemeinsam singen, beten, Gott feiern …? Ja, klar!

Diese neue Blickrichtung half mir, meinen Weg weiter zu suchen und zu gehen, zwischen lauter Menschen, die glaubensfester schienen. Ich hatte begriffen, dass es beim »Bekenntnis« nicht um Theorie, sondern um mein Leben ging, also um Beziehung. Dieses Gespräch werde ich nie vergessen.

Gerade verlief mein Lebensweg nicht. Er führte mich durch Höhen und Tiefen, schmerzliche Brüche und ans andere Ende der Welt. In Venezuela lernte ich Exerzitien kennen. Das war eine nächste, entscheidende Wendung in meinem Leben: Nicht von höherer Warte aus »über Gott reden«, sondern persönlich begleitet werden in guten und auch sehr schwierigen Zeiten; still werden und hinhören, Impulse bekommen und wahrnehmen, was sich im Inneren regt; heilsame Handlungsimpulse unterscheiden lernen von destruktiven Mustern; ein Weg in einer Gruppe von Suchenden, in einer Gemeinschaft, die trägt.

Das war’s, so wollte ich gerne leben und Leben teilen. Ich war dabei, ganz intensiv. In einer besonders stressigen Lebensphase, mit vier kleinen Kindern und einer ersten Teilstelle, habe ich täglich eine halbe Stunde meditiert – ohne das hätte ich es nicht geschafft.

Je intensiver ich hörend und tastend den Weg gehe, desto stimmiger wird er, desto klarer werde ich. Schwierige Entscheidungen kann ich inzwischen leichter treffen, Schmerzliches annehmen und im Vertrauen weitergehen – nicht, weil mir nichts Schlimmes passieren könnte, sondern weil gerade die heftigsten Erfahrungen mir die Augen geöffnet haben für bis dahin ungeahnte Facetten des Lebens. So erfüllt mich der Weg, indem ich ihn gehe, er vertieft sich und wird zum geliebten buckeligen Lebensweg.

Das Tiefste und Beglückendste, was ich auf diesem Weg gefunden habe, ist das kontemplative Beten, besonders in der Weise des Centering Prayer nach Thomas Keating.

Die Wirkung des Centering Prayer lässt sich nur schwer erklären. Man muss es selbst erfahren. Für mich ist es immer wieder das Gefühl, dass sich mir eine neue, bisher nicht gekannte Dimension des Lebens öffnet. Als wäre ich lange Zeit im Nebel unterwegs gewesen – und auf einmal reißen die Wolken auf und geben den Blick frei auf eine Welt, die ich bis dahin nicht sehen konnte. Sie war die ganze Zeit da, aber erst jetzt bin ich dafür empfänglich.

OFFENES HERZ – OFFENER SINN

Das Centering Prayer nach Thomas Keating

Die Erfahrung der Liebe Gottes in die gesamte Menschheitsfamilie zu bringen, war das Herzensanliegen von Thomas Keating (1923–2018), der als Schweigemönch und Abt in einem Trappistenkloster an der Ostküste der USA lebte. Damit Menschen leichter zur Gottesnähe finden, entwickelte er den Übungsweg des Centering Prayer, auch »Zentrierendes Gebet« oder »Gebet der Sammlung« genannt. Der Titel seines grundlegenden Buches »Open Mind – Open Heart«1 beschreibt seinen Ansatz im Kern. Ich würde dies am ehesten übersetzen mit »Offen für Gott mit Herz und Verstand«.

Dieser kontemplative Weg besteht im Wesentlichen darin, sich täglich Zeit für Stille freizuhalten und sich aus der Tiefe des Herzens heraus voraussetzungslos auszurichten auf das Geheimnis des Lebens, das wir Gott nennen und das größer ist, als wir bruchstückhaft ahnen.

Voraussetzungslos bedeutet: Es gilt, alles was man über Gott gehört, gedacht und gelesen hat, für den Augenblick zurückzulassen und sich von allen Vorstellungen »über Gott« frei zu machen. Es braucht ein zeitweises Verlernen dessen, was man sich im Lauf seines Lebens dazu so angeeignet oder angesammelt hat. Denn dies hindert uns oft daran, uns schlicht und einfach für diese Dimension zu öffnen.

Das Einzige, was wir zu diesem Beten mitbringen, ist eine offene Haltung, in der wir uns üben: der Wunsch, dass Gott gegenwärtig sein und an mir wirken möge. Und wir stimmen dem zu, was geschieht, ohne zu bewerten, unabhängig davon, ob wir es gut finden oder nicht. Ich lasse Gott sich zeigen und ihn wirken, nicht wie ich es mir »vor-stelle«, sondern wie »er« will, wie er ist.

Eine sehr kurze, prägnante Beschreibung der kontemplativen Übung sagt schlicht: »Gott schaut mich an und ich schaue Gott an.«

Einfach Da-Sein, in Beziehung, ohne etwas zu machen, nur schauend, hörend aufnehmen, was ist und geschieht. Empfänglich werden und warten – bis mir Herz und Sinn von der anderen Seite her geöffnet werden – ein Geschenk. Das ist Kontemplation im tiefsten Sinn: zum Tempel Gottes, zum Raum des Geistes werden.

Sich Gott öffnen – ohne Konzept

Wir haben ja vielerlei Vorstellungen, wie Gott ist und sein müsste: barmherzig, allmächtig usw. Mit solchen konkreten Vorgaben verhindern wir, dass wir voraussetzungslos da sein und erwarten können, wie Gott sich uns jetzt zeigt.

In der biblischen Tradition wird vielfältig von Gott erzählt, in Geschichten und Bildern. Schon die Menge an Widersprüchen zeigt: Diese Bilder sind einzelne Aspekte von Gott, Eindrücke und Erfahrungssplitter, die Menschen von ihm aufgenommen haben. Sie sind also nicht Gott.

Mehrfach wird die Gegenwart Gottes in der Bibel ausgedrückt in verhüllenden Bildern einer Wolke: Es ist eine Wolke, die vor dem Gottesvolk hergeht, die den Tempel erfüllt oder in der Gott Mose auf dem Berg nahekommt.

Als Mose am Rande der Wüste, am brennenden Dornbusch, eine besonders intensive Erfahrung mit Gott macht (vgl. Exodus / 2. Mose 3), versucht er, dies in Worte zu fassen: Er fragt nach dem Namen, den er den Gläubigen nennen kann. Die Antwort Gottes liefert nichts, was man schwarz auf weiß nach Hause tragen könnte:

Gott stellt sich vor als »Ich bin, der ich bin«. Im Hebräischen kann das auch übersetzt werden mit »Ich werde sein, der ich sein werde«. Er spricht nur von einem Sein, ohne feste Bestimmung, ein Sein, das sich in der Begegnung enthüllt. Die Buchstaben sind einfach nur ein hörbares Ein- und Ausatmen: »Jahwe« – Ich bin da.

Und ganz wichtig ist dem, der sich so zeigt: »Mach dir kein Bild davon, wer oder wie ich bin!« – jedes Abbild von Gott wäre falsch. Nur der Mensch ist ursprünglich in seinem tiefsten Wesen Gottes Bild. Und die Buchstaben, die für den unaussprechlichen Gott stehen, sind so geschrieben, dass man sie gar nicht aussprechen kann. Nur ein Seufzer, ein Atemhauch bleibt: »Jah-weh« – Ich bin.

Gott wird sich zeigen – wenn wir es zulassen. Im Centering Prayer üben wir uns ein in eine Haltung, die es Gott freistellt, sich zu zeigen – nicht, wie wir es erwarten oder es uns vorstellen, sondern wie es seinem Wesen entspricht.

Biblische Texte können uns eine Ahnung davon geben, wie andere Menschen Gott erlebt haben, wie er also sein könnte, auch für uns. Es sind Erfahrungen »aus zweiter Hand«, eine Art Spiegelbild, in dem man einen Ausschnitt der Wirklichkeit sieht – sie sind nicht diese Wirklichkeit selbst. Sie können uns neugierig machen auf mehr. Centering Prayer möchte uns dazu motivieren, uns selbst noch tiefer einzulassen auf diese unerschöpfliche Wirklichkeit jenseits von allem und in allem, was ist. Wir brauchen nichts zu machen, Gott ist schon da. Wir lassen nur los, was uns hindert zu ihm.

Gott ist der »Ich bin da« – und ich sage schlicht: »Hier bin ich!«

Kontemplation –Die lebendige Quelle in uns

Kontemplation ist der höchste Ausdruck des intellektuellen und spirituellen Lebens des Menschen.

Sie ist dieses Leben selbst, vollkommen wach, vollkommen aktiv, vollkommen bewusst seiner Lebendigkeit.

Sie ist spirituelles Sich-Wundern, spontanes ehrfürchtiges Staunen vor der Heiligkeit des Lebens, des Seins.

Sie ist Dankbarkeit für das Leben, für Bewusstheit und Sein.

Kontemplation ist eine lebendige Wahrnehmung der Tatsache, dass das Leben und Sein in uns einer unsichtbaren, transzendenten und unendlich überfließenden Quelle entspringen.

Kontemplation ist vor allem Wahrnehmung der Wirklichkeit dieser Quelle. Sie kennt diese Quelle, dunkel und unaussprechlich, aber mit einer Gewissheit, die weit über den Verstand und einfachen Glauben hinausgeht.

Thomas Merton

New Seeds of Contemplation, Gethsemani 1961, 1972, S. 1 (Übersetzung Maria Reichel)

Gott im Verborgenen suchen

Gebet als Beziehung

Im Centering Prayer wenden wir uns nicht an Gott, um etwas zu bekommen. Wir suchen Gemeinschaft mit Gott – ohne Worte, jenseits von Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen – und erlauben ihm einfach, mit uns zu sein.

Wie im Zusammensein von Menschen vertieft sich die Beziehung, je mehr Zeit wir miteinander verbringen. Dabei entwickeln sich verschiedene Weisen von Gemeinschaft unterschiedlicher Intensität:

Bekanntschaftfreundliche ZugewandtheitFreundschaft Intimität

Eine ähnliche Entwicklung erleben wir in der Beziehung zu Gott: Auch hier gibt es eine flüchtige Bekanntschaft und gelegentliche Begegnung; durch wiederholtes Zusammensein kann sich eine intensivere Beziehung entwickeln.

Je näher man sich kommt, desto vertrauter wird man sich. Irgendwann braucht man nicht mehr viele Worte zu machen, um sich zu verstehen. Wo man sich zeitweise aus den Augen verliert, fehlt einem etwas: Die Sehnsucht wächst mit der Beziehung. Und in der tiefsten Intimität fallen die Worte weg, man liebt es, einfach nur noch still beieinander zu sein.

Vom vielen zum einen – der kontemplative Weg

Es geht im Centering Prayer also darum, in der Zuneigung immer einfacher zu werden. Dazu hat schon Jesus die Menschen in seiner Umgebung angeleitet. Die Bibel erzählt dazu eine Geschichte:

Als Jesus bei den Schwestern Maria und Marta zu Gast ist, reagieren beide sehr unterschiedlich auf seinen Besuch: Marta ist eifrig darum bemüht, ihn zu bewirten, während Maria sich einfach zu seinen Füßen setzt und ihm zuhört. Das stört die tüchtige Schafferin Marta. Sie fordert Jesus auf, Maria zur Mitarbeit zu bewegen. Doch Jesus sagt zu ihr: »Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt.« Besser als ihm viel anzubieten oder sich in Aktivität zu stürzen, erscheint Jesus die Haltung der Maria: Sie setzt sich still hin, ist einfach da, um in seiner Nähe zu sein und seine Gegenwart auszukosten (vgl. Lukas 10,38–42).

Und als Jesus mit seinen Jüngern über das Beten spricht, empfiehlt er ihnen, nicht viele Worte zu machen, sondern sich einfach an einen stillen Platz zurückzuziehen, für Ruhe zu sorgen und dann »im Verborgenen« zu Gott zu beten:

Wenn du aber betest,so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist;

und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

Matthäus 6,6

Für Thomas Keating ist dieses Wort Jesu ein Schlüssel zur kontemplativen Dimension des Evangeliums. Er erkennt darin die Anleitung zu einem Weg in immer tieferes Schweigen: Das »Kämmerlein« meint den äußeren Ort der Stille; »die Tür zuschließen« bedeutet, sich aus dem beständigen Strom von Gedanken und inneren Dialogen zu lösen, wie man bei Straßenlärm ein Fenster schließt, um sich einem Menschen ungestört zuwenden zu können. Und mit dem Beten zum Vater »im Verborgenen« deutet Jesus einen sich vertiefenden Prozess an, der in immer tiefere Beziehung führt, letztlich in die Kontemplation, in das einfache »Ruhen in Gott«.

Die vier Leitlinien des Centering Prayer

Die Übung des Centering Prayer lädt ein, sich auf diesen Weg des immer einfacheren Betens ohne Worte einzulassen. Dazu hat Thomas Keating eine leicht zugängliche Methode entwickelt. Sie ist von jedem Menschen praktizierbar. Jeder hat die Möglichkeit, die Verbundenheit mit Gott aufzusuchen, denn sie ist tief in uns angelegt.

Die Gegenwart Gottes ist immer da. Wir brauchen und können nichts dazu tun, um sie herbeizuführen. Sie ist gegeben. Was wir tun können, ist, alles loszulassen, was uns daran hindert, die Verbundenheit mit Gott zu (er-)leben.

Die vier Leitlinien beschreiben das Wesentliche der Methode:

Wähle ein Gebetswort als Symbol deiner Absicht, in Gottes Gegenwart und Gottes Wirken in dir einzuwilligen. Finde eine Sitzposition, in der du entspannt und wach sitzen kannst. Schließe die Augen und sammle dich. Nun sprich das Gebetswort als Zeichen deiner Zustimmung zu Gottes Wirken in dir still in dich hinein.Bemerkst du, dass du deinen Gedanken nachgehst, kehre so sanft wie möglich zu deinem Wort zurück.Am Ende der Gebetszeit verweile ein paar Minuten mit geschlossenen Augen in der Stille.

Gott wirken lassen – einwilligen