Cercamon - Der letzte Herrscher der Drachen - Christine Engel - E-Book

Cercamon - Der letzte Herrscher der Drachen E-Book

Christine Engel

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Beschreibung

Cercamon, der zukünftige Herrscher der Drachen, wird von der Hexe Deike mit einem Zauber belegt und glaubt sie zu lieben. Sie verführt ihn dazu gegen die heiligen Gesetze seines Volkes zu verstoßen, unter ihrem Einfluss begeht er schreckliche Verbrechen. Als der Bann bricht wird Cercamon klar, was er getan hat. Er verliert jeden Glauben an die Liebe und die Kälte seines Herzens lässt den mächtigen Krieger zu Eis erstarren. Jahrhunderte später rutscht die BWL-Studentin Regina in Cercamons Eishöhle und der Drache erwacht ...

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Cercamon - Der letzte Herrscher der Drachen
Impressum
Teil 1 – Noch vor der Zeitrechnung
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Teil 2 – GEGENWART
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Christine Engel

Cercamon - Der letzte Herrscher der Drachen

Der Wesenrat 2

Fantasy

XOXO Verlag

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-209-9

E-Book-ISBN: 978-3-96752-707-0

Copyright (2023) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 548461690

von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Alte Heerstraße 29

27330 Asendorf

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Teil 1 – Noch vor der Zeitrechnung

1

Eine junge dunkelhaarige Frau Anfang zwanzig stand am offenen Fenster einer Burg und sah in die Nacht hinaus. Die leichte Brise, die durch die Öffnung hinein wehte, bewegte ihre langen, offenen, dunklen Haare leicht spielerisch im Wind. Draußen war alles dunkel und sie konnte nichts erkennen, aber sie versuchte es trotzdem, bis sie schließlich doch seufzend aufgab und sich zum Tisch herumdrehte.

Der ganze Raum war erlesen eingerichtet. An den Wänden hingen Gemälde und silberne Kerzenhalter mit brennenden weißen Kerzen. Das Kerzenlicht erhellte den Raum und erschwerte der jungen Frau zudem in der Dunkelheit draußen etwas zu erkennen. Neben der Kunst hingen handgeknüpfte Wandteppiche und der gesamte Boden war mit dicken wärmenden Teppichen bedeckt. Auf dem langen Tisch in der Mitte des Raumes lag eine weiße Tischdecke. Es standen Stühle für zwölf Personen links und rechts an den langen Seiten des Tisches. Diese Stühle waren mit dunklem Leder bezogen, auf denen Felle von weißen Schafen lagen.

Sie wanderte über den Boden und die Teppiche schluckten jedes Geräusch. Dann fuhr sie mit der Hand über die Tischdecke und strich nicht vorhandene Falten glatt. Deike liebte den verschwenderischen Reichtum hier in der Burg, der auch in diesem Raum zu erkennen war. Auch die Tafel war festlich gedeckt. Drei silberne Kerzenlüster erhellten den Tisch, auf dem zwei Kristallgläser standen. Neben dem einen stand auch ein silberner Teller mit Speisen darauf. Diese dampften jedoch nicht mehr, denn sie warteten bereits seit fast einer Stunde darauf, gegessen zu werden. Deike atmete noch einmal aus und wandte sich wieder zum Fenster um. Wo blieb er nur?

Da sah sie Ruslan Gestalt annehmen. Seine große, schlanke Gestalt stand nur ein Stück von ihr entfernt und er sah sie aus seinen dunklen Augen an.

Sofort breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Du bist endlich zurück. Ich hatte begonnen, mir Sorgen zu machen.«

Mit einem leichten Lächeln in den Mundwinkeln kam er auf sie zu. »Das war unnötig. Du kennst mich doch, mir passiert so schnell nichts. Außerdem war ich nur beim Rat der Wesen. Was können die mir schon tun? Außer mich mit Fremdwörtern beschimpfen.«

Tadelnd schüttelte Deike den Kopf. »Ruslan, unterschätze niemals die Macht des Wissens. Mit Wissen kann man Entscheidungen fällen, die lukrativ sind. Schließlich warst du auch aus diesem Grund zu ihnen gegangen.«

»Mit Geld hatte der Besuch nichts zu tun. Ich bin nur zum Rat gegangen, weil du mir geraten hast, sie zu konsultieren.«

»Aus gutem Grund.« Sie trat dichter auf ihn zu. »Dein Bruder gewinnt immer mehr Anhänger hier, es kann sein, dass er dir die Macht streitig macht. Du musst auf so etwas vorbereitet sein, sonst sind wir bald nicht mehr die Herrscher, hier.«

»Wir? Deike, meine Schöne. Ich bin der Herrscher der Vampire. Du bist nur meine Geliebte, solange ich es gut finde.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie.

Aber sie schob ihn zurück, als seine Lippen, die ihren berührten. »Was soll denn das heißen? Du sagtest doch, du heiratest mich und machst mich zu einem Vampir, damit wir die Ewigkeit gemeinsam verbringen können. Hast du deine Meinung geändert? Dann kann ich schnell gehen.« Sie drehte sich herum und ging zur Tür.

Aber Ruslan griff ihre Hand und hielt sie zurück. »Deike, so war das doch nicht gemeint. Selbstverständlich machen wir es so. Aber du darfst nicht vergessen, dass ich hier der Herrscher bin und dass ich mächtiger bin als du. Das darfst du niemals vergessen.«

Aber sie drehte ihm weiterhin den Rücken zu und weigerte sich, ihn anzusehen.

Er packte ihre Schultern von hinten und drückte zu. Er ließ sie seine Kraft spüren, bis sie doch schmerzhaft Luft holte.

»Ruslan, du tust mir weh.«

»Vergiss niemals, wer ich bin!«

»Das werde ich nicht vergessen. Das weißt du auch. Bitte, es tut weh!«

Da erst lockerte er den Griff und streichelte über die Stelle.

Deike drehte sich zu ihm herum. »Ruslan, ich liebe dich! Ich werde alles für dich tun. Du musst deine Macht mir gegenüber nicht immer beweisen.«

»Ist das so?«

Sie nickte heftig.

Da lächelte er leicht. »Das ist gut, denn es würde mich traurig machen, dich zu töten.« Er strich ihr über das Gesicht. »Die Situation macht mich ganz kribbelig. Bitte entschuldige, wenn ich dir wehgetan habe. Ich ertrage es nicht, wenn ich nicht alles kontrollieren kann.«

Sie lächelte ihn liebevoll an. »Ich liebe dich so, wie du bist.«

»Ich weiß!«

»Du wirst deine Macht sichern, da bin ich mir sichern.«

»Ja, das werde ich. Und wenn sie sicher ist, werden wir uns vereinen, wie ich es dir versprochen habe.«

Deike sah ihn an und versuchte zu erkennen, ob er es ernst meinte. »Was hat der Rat dir geraten? Sollst du deinen Bruder töten?« Sie trat von ihm weg zur Fensteröffnung und sah hinaus.

Entsetzt sah er sie an. »Das war nie eine Option. Außerdem würde mein Bruder Adrian mir nie die Macht streitig machen. Er ist mir treu ergeben.«

Jetzt drehte sie sich wieder zu ihm herum. »Noch mag das zutreffen, aber vergiss nie: Macht korrumpiert jeden. Auch den treusten Anhänger.«

Ruslan machte sich gerade und sah sie fest an. »Er ist von meinem Blut. Adrian würde sich niemals ändern und mir die Treue abschwören.«

»Ich hoffe, du hast da recht. Und das meine ich ehrlich! Aber das Volk könnte sich zusammentun, wenn sie dich nicht mehr als den machtvollen Herrscher ansehen und dich durch ihn ersetzen. Dann ist es egal, was er will.«

Ruslan runzelte die Stirn. Das waren seine Ängste. Andere könnten seinen Bruder benutzen, um ihn zu ersetzen. Als Deike ihm zum ersten Mal diese Idee erzählt hatte, hatte er gelacht. Aber jetzt lachte er nicht mehr. Die Angst war gewachsen, mittlerweile allgegenwärtig und tief in ihm verwurzelt.

Deike kam wieder auf ihn zu und strich ihm über den Arm. »Mach dir nicht solche Sorgen. Zum Glück habe ich die Zeichen rechtzeitig erkannt und du kannst noch etwas dagegen tun. Noch ist es nicht zu spät, um dir deinen Thron zu sichern. Also, was sollst du tun, wenn du Adrian nicht töten sollst?« Aufgeregt trat sie noch dichter und strich ihm über die Brust. »Was hat der Rat der Wesen zu dir gesagt, mein Geliebter? Hatten sie einen guten Plan, oder haben sie es gewagt, dich nicht zu empfangen?«

»Nein, sie haben mich angehört und hatten auch einen Plan. Allerdings nicht so, wie wir gedacht haben.«

»Nicht?«

»Nein«, Ruslan schüttelte den Kopf. »Ihre Idee war, eine andere mächtige Wesenart zu schwächen, damit die Vampire auf diese Weise in der Hierarchie der Wesen weiter aufsteigen.«

Deike zog verwirrt die Augen zusammen. »Das verstehe ich nicht!«

»Ich konnte es zuerst auch nicht ganz verstehen. Aber dann haben sie mich überzeugen können. Wir können die Macht der Drachen schwächen.«

»Die Drachen? Bist du wahnsinnig.« Deike wich vor Ruslan zurück. Sie war weiß geworden im Gesicht. »Drachen sind aggressiv, kriegerisch und absolut tödlich, wenn sie jemandem den Krieg erklären, dann bis derjenige tot ist. Aufgeben gibt es in ihrer Sprache nicht. Dadurch sind sie fast die gefährlichsten Wesen, die unsere Welt jemals hervorgebracht hat.«

»Da stimme ich dir zu. Aber genau das machen wir uns zunutze. Sieh mal, die Drachen sind neben den Engeln nun einmal die mächtigsten Wesen und …«

»Du vergisst die Zentauren und Dämonen«, ergänzte ihn Deike.

»Ja nun…« Ruslan runzelte die Stirn. »Verdammt, lass mich ausreden. Die Drachen sind nun einmal sehr mächtig. Stimmst du mir da zu?«

Deike nickte. »Aber sicher stimme ich da zu, deshalb ist es Selbstmord, wenn die Vampire versuchen würden, sie anzugreifen. Ruslan, das kann doch nicht …«

Genervt nickte Ruslan und unterbrach seine Geliebte. »Ja doch! Hör mir bitte erst einmal zu, ehe du urteilst.«

Deike schloss den Mund wieder.

»Der Plan wird dir nicht sonderlich gut gefallen, denn mir gefällt es auch nicht.« Ruslan strich sich mit der Hand über die Stirn. »Aber der Rat hat mich überzeugt. Mit dem Plan könnte die Macht der Drachen geschwächt werden und die der Vampire steigen. Und das ohne, dass die Vampire Schaden nehmen oder auch nur damit in Verbindung gebracht werden. So sind wir auch vor der Rache der Drachen oder deren Verbündeten sicher. Aber wir würden in der Hierarchie steigen und damit wäre mein Thron gesichert.«

»Das klingt doch verlockend. Was genau gefällt dir daran nicht?«

»Du hast ja noch nicht alle Details gehört. Der Plan betrifft dich. Wir könnten auch jemand anderen nehmen, aber dem würde ich nicht vertrauen.«

Deike legte den Kopf leicht schief. »Erkläre mir das«, verlangte sie. »Was genau haben sie geplant?«

»Also, die Idee des Rats und mir war nicht, die Drachen anzugreifen, denn das würden die Vampire nicht überstehen.«

»So weit waren wir schon!«

»Zuerst überlegten wir, wie wir die Drachen irgendwie auf die Engel hetzen könnten, oder die Engel auf die Drachen. Aber da konnten wir keinen Ansatz finden, der einen solchen Krieg auslösen könnte. Außerdem wäre der Ausgang nicht vorhersehbar. Deshalb erschien es uns sinnvoller, die Drachen von innen heraus zu schwächen. Und genau da kommst du ins Spiel.«

Deike riss die Augen auf. »Was könnte ich denn dazu tun? Ich habe mit den Drachen doch nichts zu tun.«

»Noch nicht. Aber das können wir ändern. Du wirst dich mit einem von ihnen anfreunden. Ich habe da auch schon einen speziellen im Blick. Ihn wirst du dazu bringen, gegen die anderen vorzugehen und einen Krieg unter den Drachen anzuzetteln.«

»Ihr wollt einen Bürgerkrieg unter den Drachen!«

»Ja, sie sind in ihrer Gesetzgebung so rückständig und veraltet wie ihr Ehrbegriff. Wenn wir einen Drachen davon überzeugen, sich gegen die anderen zu erheben und einen Umsturz in der Herrschaft der Drachen anzuzetteln, dann wird das Ehrgefühl der Drachen sie in zwei Lager spalten und sie werden aufeinander losgehen. Das wird die Drachen schwächen und das Ansehen der Vampire wird steigen.«

»Ich soll mich mit einem Drachen einlassen?«

»Ja, du bist dafür genau die Richtige. Drachen dürfen sich nur Drachen verbinden, das sagt ihr Gesetz. Was, wenn du einen der Drachen so umgarnst, dass er alles andere vergisst und nur noch mit dir zusammen sein will. Das schaffst du doch, oder?« Er grinste sie an und strich ihr mit der Hand über die Wange. Einmal mehr bemerkte er ihre Schönheit, aber auch ihre Intelligenz.

Deike dachte über seine Worte nach. »Du hältst es für möglich, bei einem Drachen?«

»Allerdings. Mit einem kleinen Zauber würde es sogar sicher sein, meine kleine Hexe. Deine Cousine im Rat war sich sicher, du könntest das.«

»Shirin war auch da?«

»Ja, sie sagte, du könntest das sicher schaffen und wärst für den Plan die Richtige, da kein Mann dir widerstehen könnte, wenn du es darauf anlegst.«

Deike nickte langsam und lächelte dann vor sich hin. »In Ordnung! Ich mache es. Wie genau sieht dein Plan aus?«

Sein Lächeln verblasste. »Du bist aber schnell einverstanden damit, einen anderen Mann zu umgarnen. Muss ich mir Gedanken machen?« Er runzelte die Stirn und senkte den Kopf, so dass seine dunkle Harre in seine Stirn fielen.

Deike schmiegte sich dichter an den Prinzen der Vampire und hob ihm das Gesicht entgegen. »Dann bist du nicht der Mann, für den ich dich halte.«

»Stimmt! Ich bin einzigartig. Kein Mann kann es mit mir aufnehmen.« Ruslan senkte den Kopf und küsste sie innig, wobei er sie noch dichter an sich zog und ihren verlockenden Duft in sich aufnahm. Wenn er sie zum Vampir machte, würde dieser Duft sterben. Daran wollte er jetzt nicht denken. Sein Hunger war erwacht.

Deike beendete den Kuss und sah ihn nachdenklich an. »Dabei überrascht mich der Rat der Wesen jedoch etwas. Der Rat geht bei diesem Plan gegen die Drachen vor. Sie stellen sich deutlich auf die Seite der Vampire und schaden den Drachen. Das dürfen sie als Beratungsgremium gar nicht. Warum tun sie das? Welchen Vorteil haben sie davon?«

»Nun, zunächst einmal, soll ihre Beteiligung an dem Bürgerkrieg der Drachen nicht bekannt werden und wenn der Plan klappt und die Vampire im Ansehen der Wesen steigen, erwarten sie die Unterstützung der Vampire gegen die anderen Wesen.«

»Wie das denn?«

»Nun, wir sollen den Wesenrat offiziell anerkennen und uns ihren Gesetzen unterwerfen. Was ich ihnen selbstverständlich zugesagt habe.« Er grinste verschlagen.

Deike erkannte sofort, dass er nicht gedachte Wort zu halten. Sie grinste zurück und dachte dabei in keiner Weise an ihre Cousine Shirin. »Selbstverständlich! Aber du hast es nicht wirklich vor.«

Darauf erwiderte Ruslan nichts, sondern lächelte sie nur weiter an.

Deike nickte. »Wie genau sieht jetzt der Plan aus? Wie soll ich genau tun, um einen Drachen so zu faszinieren, dass er gegen seine eigene Art vorgeht?«

»Das schaffst du ganz leicht, meine Hübsche. Und wie gesagt, ein Zauber wäre in diesem Fall wahrscheinlich auch sinnvoll.«

»Ja, da gibt es einen brauchbaren Zauber. Aber dazu muss er mich küssen. Das wäre dafür die Voraussetzung.«

»Das solltest du auf jeden Fall hinbekommen. Der Drache, den ich im Sinn habe, ist so von sich überzeugt und arrogant, dass er dir nicht widerstehen kann. Dein Zauber wird den Rest erledigen.«

»Aber wo soll ich ihn denn treffen? Ich verkehre nicht mit Drachen, wie du sehr gut weißt.« Sie schüttelte sich leicht. »Sie sind mir zu brutal.«

»Ich dachte, es wäre mal wieder an der Zeit, ein Turnier auszurichten. Das ist schon lange überfällig. Alles Weitere erkläre ich dir alles in Ruhe nach dem Essen.« Er strich verlangend über ihren Hals.

»Mein Essen ist bereits kalt«, sagte sie und wies auf den Tisch.

»Oh, das ist blöd! Meines ist gerade wärmer geworden. Hast du wirklich Hunger?«

2

Drei Monate später

Ein leichter Wind bewegte die lilafarbenen, länglichen Blätter an den Bäumen, die vor der Hauptstadt Dragon in einer kleinen Senke wuchsen. Die olivfarbene Rinde hob sich von dem gelblichrot schimmernden Lavafluss ab, der sich durch die Senke schlängelte. Doch auch diese Brise brachte keine wirkliche Abkühlung.

Am Rand des Flusses saß Deike und wartete. Immer wieder hob sie ein Tuffgestein auf und warf es in die Lava. Dabei beobachtete sie, wie der Stein ein Stück mitgeführt wurde, ehe er von in dem rot glühenden Gestein versank.

Blubb, schon wieder einer weg.

Deike seufzte und strich sich über die Stirn. Ihr war schrecklich warm hier auf Dracon, der Heimatwelt der Drachen. Sie mochte diesen Gluthaufen überhaupt nicht und auch der Glanz und der Prunk der Hauptstadt Dragon konnte sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Obwohl es ihr den Atem verschlagen hatte, als Cercamon ihr die Stadt das erste Mal gezeigt hatte. Die Fassaden waren mit Stuck versehen, der an vielen Stellen vergoldet war. Die Säule bestanden aus purem Gold und auch die Dachziegel waren meisten vergoldet. Die Drachen protzten scheinbar gerne mit ihrem Reichtum. Auch Cercamon war stolz gewesen, als er ihr seine Stadt zeigen konnte und sie über die breite Straße auf den monströsen Palast zugeführt hatte. Hexen hatten die Tore des Palastes mit Zaubern belegt, so dass sie sich öffneten, wenn jemand hineinwollte. Im Inneren des Palastes war es auch angenehm kühl gewesen. Auch dort zeigte sich der Reichtum der Drachen. Die Räume waren zwar nicht so erlesen eingerichtet, wie die Burg der Vampire, aber es ließ dort leben. Doch in dem schönen, kühlen Palast traf sie Cercamon schon seit Wochen nicht mehr. Als den anderen Drachen deutlich wurde, dass er mehr in ihr sah als seine üblichen Gespielinnen, wurde ihm dringend angeraten, sich von ihr zu trennen. Das war zwar ganz nach ihrem Plan, aber sie war jetzt die Leidtragende. Denn er traf sie weiterhin, nur eben nicht mehr im Palast, oder dort wo sie gesehen wurden. Deshalb saß sie jetzt hier und litt in der Hitze, während der kühle Palast ein Stück entfernt lag. Aber der Plan hing von ihr ab und sie hatte ihm zugestimmt. Nur fiel es ihr in letzter Zeit immer schwerer, daran weiter mitzuwirken. Erstens gefiel ihr, wie schon gesagt, dieser Planet überhaupt nicht und hier sein zu müssen, war die reinste Qual und dann war da Cercamon. Zugegeben, er war eine Augenweide eines Mannes, wenn man kräftige und große Männer mochte. Auch war er ihr gegenüber treu und ehrlich. Aber genau das stieß sie ab. Sie brauchte Intrigen, Hinterhältigkeit und Männer, die sie nicht halb zerdrückten, wenn sie sie in den Arm nahmen. Cercamon war nichts von dem. Er war viel zu groß, so leicht durchschaubar und so fürchterlich naiv. Sie verachtete ihn schon fast dafür, wie leicht sie ihn hatte dazu bringen können, sie zu küssen, ihr zu verfallen und ihn gegen die Drachengesetze aufzubringen.

Kopfschüttelnd sah sie in die andere Richtung, aber Cercamon, ihre Verabredung, kam immer noch nicht. Erneut lief ein Schweißtropfen über ihre Wange. Hastig wischte sie ihn weg, ehe er ihre Schminke verwischte. Schließlich musste sie immer aussehen, als sei sie gerade erst geschminkt worden und das in dieser unerträglichen Hitze. Wie konnte man nur hier auf diesem Gluthaufen leben? Ärgerlich, weil sie warten musste, hob sie einen weiteren Stein auf und wog sein leichtes Gewicht in der Hand, ehe sie ihn in den Lavastrom warf.

Da war ein Geräusch hinter ihr und Deike fuhr rasch herum.

Schon schlangen sich zwei starke Arme von hinten um ihren Oberkörper und zogen sie an eine harte Brust.

Deike holte erschreckt und mühsam Luft. Ehe sie sich zwang, ihre Rolle zu spielen. »Cercamon?« Deike drehte sich in seinen Armen um und sah nach oben.

Eine von Cercamons dunklen, geschwungenen Augenbrauen hob sich ironisch, als er mit fast schwarzen Augen auf sie hinunterblickte. »Sicher! Hattest du dich mit noch jemandem hier verabredet?«

»Sehr witzig. Wo warst du so lange? Ich warte hier bereits eine halbe Ewigkeit auf dich und du weißt doch, wie sehr ich es hasse, warten zu müssen.« Angewidert versuchte sie sich, seinen nackten Armen zu entziehen. Warum nur mussten diese Drachen sich so kleiden? Ein Hemd ohne Ärmel! Zum Glück steckten wenigstens seine Beine in einer lederartigen, dunklen Hose.

Cercamon zog sie vom Stein hoch und strich ihr mit dem Zeigefinger unter dem Kinn entlang, wobei er ihren Körper noch mehr an seinen drückte.

Deike sah nun deutlich verärgert zu ihm auf. »Warum bist du so spät?«

»Ich musste mich aus dem Palast schleichen. Wenn mein Vater mich erwischt hätte, dann hätte ich zur Versammlung des Drachenrates gemusst.«

Entsetzt riss Deike die Augen auf. »Warum zum Drachenrat? Hast du etwas ausgefressen?« Das würde ihren Plan ruinieren.

Er grinste sie an. »Ich doch nicht. Ich bin seit Wochen nicht mehr mit meinen Freunden losgezogen. Wie du sehr wohl weißt. Denn dann hätte ich mich nicht mit dir treffen können und das war gut so. Thyr hat sie alle wieder einmal in Schwierigkeiten gebracht.« Er küsste sie liebevoll auf die Stirn.

Erleichtert lächelte sie nun. »Das hast du früher auch getan. Du hast deine Interessen vertreten und dich nicht darum gekümmert, was der Drachenrat sagte.«

»So ist es! Aber du hast mich verändert. Die Liebe zu dir hat mich verändert. Ich kann nur noch an dich denken. Deshalb bin ich froh, dich zu haben, auch weil meine Freunde für ihre Tat vom Rat weggesperrt worden sind.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe versucht, den Rat umzustimmen, aber sie wollten nicht auf mich hören.«

»Wie weggesperrt? Was hat er denn getan?«

»Thyr hat irgendetwas sehr Dummes getan und gegen die Gesetze der heiligen Drachen verstoßen. Seinetwegen würde heftig diskutiert. Aber was genau vorgefallen ist, weiß ich nicht. Zum Glück war ich bei dir, sonst wäre ich jetzt bei ihnen in Gefangenschaft. Denn ich hätte ihm sicherlich geholfen.«

Deike lächelte ihn liebevoll an und war innerlich froh. Nicht auszudenken, wenn sie das hier alles noch einmal mit einem anderen Drachen durchmachen musste. »Dann habe ich dich also schon vor einer Strafe bewahrt!«

»So ist es. Deshalb wollte ich heute so schnell zu dir kommen. Ich muss dingend mit dir reden.«

»Das kann ja nichts Wichtiges sein, immerhin warte ich heute hier bereits sehr lange auf dich.« Sie machte einen enttäuschten Schmollmund.

»Doch es ist sogar sehr wichtig. Ich habe vor, meinem Vater zu erzählen, dass ich nicht, wie befohlen, die Beziehung zu dir aufgegeben habe, sondern dass wir uns weiter getroffen haben und dass ich darüber hinaus auch nicht vorhabe, die Beziehung zu dir aufzugeben. Ich kann es nicht länger verheimlichen.«

»Du willst Jilocasin, dem Herrscher der Drachen mitteilen, dass sein Sohn und Nachfolger in der Herrschaft sich gegen seine Anordnung weiterhin mit einer Hexe trifft. Dann bist du heute aber mutiger als sonst.« Aufgeregt sah sie ihn an.

Cercamon seufzte. »Ich weiß ja, was ich dir hier zugemutet habe, diese heimlichen Treffen, meine ich. Außerdem liebe ich dich so sehr, dass es mir egal ist, was der Drachenrat und mein Vater sagen. Ich will mit dir zusammen sein.«

Deike stand auf und drehte ihm unter dem Vorwand, den Fluss zu betrachten, den Rücken zu. Er sollte nicht sehen, wie sie erfreut grinste. Endlich war es geschafft. Endlich hatte sie ihn so weit, dass er sich zu ihr bekennen wollte. So hatte sie es mit Ruslan geplant. »Du weißt schon, dass sie nicht erfreut sein werden«, sagte sie mit gespieltem Ernst.

»Sicher, deshalb will ich dich dabeihaben, wenn ich es ihnen sage. Falls sie etwas dagegen haben, werden wir gemeinsam diese Welt verlassen.«

Sie drehte sich wieder herum. »Aber Cercamon Dracon ist deine Heimat, dein Erbe. Das willst du für mich aufgeben?« Ein unbekanntes Gefühl stieg in ihr auf.

Er nickte. »So groß ist meine Liebe zu dir. Du bist mir wichtiger als Dracon, wichtiger als die Herrschaft über die Drachen. Ich will nur mit dir zusammen glücklich sein.«

»Aber die heiligen Drachen verbieten es, dass Drachen mit anderen Wesen eine Verbindung eingehen, mein Sohn.« Die dunkle, kratzende Stimme klang hinter ihnen auf.

Erschreckt fuhren die beiden Liebenden herum und starrten Jilocasin an.

Der Herrscher der Drachen stand unter einem der Bäume im Schatten der Baumkrone und hatte das Gespräch verfolgt. Er hatte auch gesehen, wie sich Deikes Gesicht eben verändert hatte und es passte zu dem, was er über sie in Erfahrung gebracht hatte. »Cercamon, mein Sohn, du bist jung und hast dich das erste Mal verliebt. Das Gefühl wird wieder vergehen.«

»Nein Vater. Ich liebe Deike. Sie ist die einzige Frau, mit der ich mein Leben verbringen will.«

»Dass du das glaubst, verstehe ich und mir ging es genauso, als ich jung war. Jede Frau, in die ich mich verliebte, war immer die Einzige für mich. Ich konnte mir jedes Mal wieder nicht vorstellen, sie aufzugeben oder zu verlassen, denn ich dachte, es sei die Liebe meines Lebens. Aber dann traf ich deine Mutter und ich erkannte, was wahre Liebe ist. Das hier, mein Sohn, ist allenfalls eine Verliebtheit und ich verstehe dich. Sie ist eine Schönheit mit ihren dunklen, langen Haaren wie eine Drachenfrau. Auch ihr Körperbau ist athletisch und anmutig. Alles, was Drachenfrauen ausmacht. Auch wenn sie mir zu klein wäre. Außerdem kann sie dein Feuer nicht ertragen.«

Deike lächelte ihn an. Sie erkannte, was Jilocasin versuchte. Aber es war vergebene Liebesmüh, ihr Zauber wirkte und eben als er sie geküsst hatte, hatte sie ihn erneuert. Sie strich mit ihrer Hand über den Arm von Cercamon. Damit er sie ansah. »Cercamon, er will uns auseinanderbringen. Lass das nicht zu.«

Er beugte sich zu ihr und küsste ihre Stirn. »Keine Sorge! Das werde ich nicht zulassen, mein Liebling.« Nun hob er den Kopf und sah seinen Vater an. »Vater, das alles mag bei dir so gewesen sein. Aber ich bin nicht du und hier liegst du falsch. Wir beide lieben uns. Das Schicksal hat uns füreinander bestimmt. Du kannst dir alle weiteren Worte sparen, ich werde Deike nicht aufgeben.«

Jilocasin nickte. »Dann zwingst du mich dazu. Eigentlich wollte ich dir diesen Schmerz ersparen, aber jetzt muss ich es sagen. Sie hintergeht dich, Cercamon. Sie liebt einen anderen.«

Cercamon starrte seinen Vater entgeistert an und schüttelte den Kopf. »Vater, das ist deiner nicht würdig. Nur damit ich die Gesetze ehre, beschmutzt du deine eigene Ehre, indem du mich anlügst?!«

»Nein, das habe ich nicht nötig. Ich weiß, dass ich recht habe. Aber du bist verblendet und siehst die Wahrheit nicht.« Er drehte sich zu den Bäumen herum und rief: »Thyzon.«

Schon trat das Ratsmitglied zwischen den Bäumen hervor. Er war etwas kleiner als Vater und Sohn, aber genauso dunkelhaarig und kräftig wie sie.

Deike sah sich überrascht um. »Wer verbirgt sich denn noch dort in den Schatten der Bäume?«

»Niemand mehr«, sagte Jilocasin und sah dem Mann vom Drachenrat entgegen, als er auf sie zukam. »Noch mehr müssen nicht Zeugen der Leichtgläubigkeit meines Sohnes werden.«

»Vater, ich bin nicht leichtgläubig. Ich bin verliebt.«

»Und genau deshalb bist du so leichtgläubig. Du glaubst ihr alles, weil dein Herz dir sagt, sie könnte dich nicht hintergehen. Aber mein Sohn«, er sah ihn eindringlich an, »sie hintergeht dich. Sie liebt dich nicht wirklich. Du machst einen Fehler, wenn du für sie alles aufgibst.«

»Selbst, wenn du recht hast, ist das meine Entscheidung.«

Jilocasin schüttelte bekümmert den Kopf. »Das lasse ich nicht zu, Cercamon. Für die Drachen steht zu viel auf dem Spiel. Du bist der zukünftige Herrscher der Drachen.« Er drehte sich zu dem Ratsmitglied um. »Thyzon, wir werden Deike in Gewahrsam nehmen, bis mein Sohn wieder bei klarem Verstand ist. Die Hexe hat ihn behext.«

Thyzon trat vor und griff nach Deikes Arm.

Verwirrt starrte Cercamon seinen Vater kurz an, dann aber schüttelte er seine Ungläubigkeit ab und trat energisch vor.

Deike versuchte Thyzon ihren Arm zu entziehen und zurückzuweichen. Sie sah Thyzon genau an. »Ich habe das nicht getan. So etwas habe ich nicht nötig.« Sie sah zu Cercamon. »Alles, was zwischen uns ist, ist echt«, widersprach Deike heftig und versuchte sich weiter dem Zugriff von Thyzon zu entziehen. Das hier hatte sie nicht vorhergesehen. Hier auf diesem heißen Planeten wollte sie bestimmt nicht festgehalten werden. So konnte der Plan nicht aufgehen. »Cercamon, lass das nicht zu.« Die Verzweiflung in ihrer Stimme war echt.

Erst jetzt griff Cercamon nach Thyzons Arm und knurrte bedrohlich.

»Cercamon, wage es ja nicht, dich gegen ein Ratsmitglied des Drachenrates zu stellen. Darauf steht eine hohe Strafe.« Thyzon sah Hilfe suchend zu Jilocasin.

»Mein Sohn kennt die Gesetze und wird dich sicherlich nicht angreifen. Cercamon beruhige dich, wir finden eine Lösung.«

Cercamon ließ daraufhin Thyzons Arm los und griff nach Deikes freiem Arm. »Dann lass sie los. Wir reden darüber, aber lass sie los! Sie hat Angst.«

Thyzon schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht tun. Dein Vater hat es befohlen.«

Cercamon sah zu Jilocasin. »Vater, sag ihm, er soll sie loslassen.«

»Das kann ich nicht tun«, wiederholte er die Worte von Thyzon, dabei schüttelte er energisch den Kopf. »Nein, mein Sohn. Sie behext dich und hintergeht dich. Sie schadet dir und trübt deine Urteilskraft. Wir werden ihr nichts tun, sondern trennen sie nur für einige Zeit von dir, damit du wieder klar denken kannst. Es ist nur zu deinem Besten. Versteh doch!« Er sah von Cercamon zu Thyzon und befahl: »Bring die Frau weg. Sofort!«

Thyzon zerrte Deike weiter zur Seite.

»Nein«, schrie sie. »Cercamon, hilf mir!«

Cercamon zog an ihrem anderen Arm. »Lass sie los, Thyzon. Du willst nicht wissen, was sonst passiert.« Rauch quoll aus seiner Nase und er begann sich zu verwandeln.

Thyzon erstarrte, ließ Deike aber nicht los. »Jilocsin, tue etwas!«

»Cercamon, bei den heiligen Drachen! Was machst du denn? Kontrolliere dich!« Entsetzt sah Jilocasin, wie sein Sohn sich vor seinen Augen zu verwandeln begann. »Auch dir ist es verboten, ein Ratsmitglied des Drachenrates anzugreifen und in Drachengestalt erst recht.« Er streckte die Hand nach ihm aus.

Cercamon beachtete seinen Vater nicht weiter. Er nahm nur Thyzon wahr, und wie er Deike festhielt. »Loslassen, sagte ich!« Nach und nach nahm sein Körper immer weiter die große Drachengestalt an. Cercamon war ein großer hellweißer Drache. Sein dreieckiger Kopf hatte eine spitze Schnauze und zwei gebogene Hörner an den Schläfen und der Stirn. Der schlanke, lange Hals war mit hellsilbernen Platten belegt, sie dachziegelartig übereinander lagen. Beim Übergang zur Brust weitete sich die Gestalt. Er stand auf seinen Hinterbeinen und wich keinen Zentimeter zurück. Cercamon war ein schlanker, kraftvoller Drache, der einen schmalen Schwanz besaß, welcher an dem Ende mit drei spitzen Dornen bewehrt war. Diesen schwenkte Cercamon nun angriffslustig hin und her.

Deike starrte ihn entsetzt an.

Thyzon wich langsam zurück und ließ Deike los. »Cercamon, beruhige dich, wir können darüber reden.«

Jilocasin legte Cercamon die Hand gegen das Hinterbein.

Reflexartig wischte Cercamon ihn mit dem Flügel zur Seite und der alte Drache flog rückwärts durch die Luft und landete hart auf der Erde.

Während Cercamon die rechte Pranke ausstreckte und die junge Frau packte. Seine Krallen zerfetzten ihre Kleidung und durchdrangen ihre Haut.

Deike schrie auf.

Aber Cercamon achtete nicht darauf, sondern erhob sich, ohne weiter zu warten, mit Deike in die Luft.

Panisch schrie sie auf und krallte sich an Cercamons Armen fest.

3

Thyzon stand ungläubig da und schaute Cercamon hinterher, wie er davonflog. »Das glaube ich jetzt nicht. Er hat gerade alles verloren. Das wird ihm kein Drache verzeihen. Er hat sich offiziell gegen den Drachenrat gestellt und auch gegen dich, Jilocasin.«

Wütend stand Jilocasin auf und sah seinem Sohn ebenfalls hinterher. »Ja, das war ein Fehler.«

»Ich werde den Rat informieren.«

»Nein, warte damit noch. Ich hoffe, er kommt zur Besinnung.«

Entgeistert drehte sich Thyzon zu seinem Herrscher um. »Das ist nicht dein Ernst. Er hat mich angegriffen. Er hat dich angegriffen. Er hat mich bedroht. Das ist bei Todesstrafe verboten, auch wenn er dein Sohn ist. Er ist zu weit gegangen und muss dafür bestraft werden. Das ist nicht wie sonst, wenn er gegen andere Regeln verstieß.«

»Thyzon, ich bitte dich. Du bist mein Freund. Cercamon ist ein guter Mann. Er ist nur verblendet. Sie hintergeht ihn und er erkennt es nicht. Er wird aufwachen, denn er ist kein Dummkopf. Gib ihm etwas Zeit!«

Thyzon dachte kurz nach. »Für dich Jilocasin hoffe ich, du hast recht. Und für dich werde ich warten, aber nicht allzu lange, denn seine Tat muss geahndet werden.«

Jilocasin nickte sorgenschwer. »Ich weiß!«

Cercamon trug Deike durch die Luft in Sicherheit. Der Gedanke, dass sie auf Dracon festgehalten worden wäre, gefiel ihm gar nicht. Er wusste, was er getan hatte, war schlimm. Der Drachenrat war unantastbar. Aber Thyzon hatte Deike angefasst, da konnte er nicht mehr klar denken. Nun hörte er sie wimmern und sah besorgt zu seinen Füßen. Hatte er sie doch nicht so vorsichtig gefasst, wie er gedacht hatte? Aber er konnte kein Blut riechen und auch nichts sehen. Er sah wieder nach vorne und suchte einen geeigneten Platz für die Landung. Aber er wollte nicht jetzt schon runter gehen. Dann konnten die anderen beiden ihn vielleicht doch noch erwischen. Wenn er flog, war er schneller als die meisten Drachen. Also konnte er sie abhängen, wenn sie ihm folgten.

Erneut wimmerte Deike.

Cercamon drehte den Kopf wieder zu ihr und hätte ihr gerne gesagt, dass alles gut werden würde, aber in Drachengestalt konnte er nicht sprechen, also stupste er sie aufmunternd mit dem Kopf an.

Deike schrie entsetzt auf und versuchte sich seinem Griff zu entziehen, wodurch die Krallen tiefer in ihre Haut eindrangen.

Rasch drehte Cercamon den Kopf wieder nach vorne und suchte nun noch intensiver nach einem sicheren Landeplatz. Am besten in der Nähe eines Portals.

Immer wieder hörte er Deike schluchzen und wollte ihr so gerne helfen, doch es ging einfach nicht. Das hier war das kleinere Übel. Sie musste durchhalten.

Erst in sicherer Entfernung von seinem Vater und Thyzon setzte er Deike vorsichtig ab und landet flügelschlagend dann neben ihr. Augenblicklich verwandelte er sich wieder.

Deike hielt entsetzt die Arme über den Kopf, als er sie absetzte und funkelte ihn nun wütend an. »Verdammt Cercamon! Du hast mich einfach gepackt.« Wütend starrte sie ihn an und hielt ihre Hand auf ihre Seite. Dort hatten seine Krallen ihr Kleid zerfetzt und etwas Blut war aus den Stichwunden der Krallen ausgetreten.

Jetzt konnte Cercamon das Blut riechen. »Ich habe dich verletzt!« Er trat dichter auf sie zu und wollte die Wunde ansehen, aber sie entzog sich ihm.

»Wage es nicht, mich erneut anzurühren.«

»Es tut mir leid, Deike. Aber es ging nicht anders. Oder hättest du in Gewahrsam genommen werden wollen?«

»Nein, sicherlich nicht.« Sie nahm vorsichtig die Hände weg und besah sich den Schaden.

»Siehst du, du hast mein Kleid ganz kaputt gemacht und ich blute. Das Kleid kann ich nicht mehr retten und der Wind beim Fliegen hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Wie sehe ich denn jetzt aus?«

»Für mich bist du immer die schönste Frau, die es gibt.« Er lächelte sie an und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange.

Deike aber stieß seine Hand zurück. »Du hast mich verletzt, du Trampel.«

»Das tut mir sehr leid. Zeig es mir bitte.«

Sie schob den Stoff zur Seite. »Hier!«

Die Haut unter dem zerrissenen Kleid war an drei Stellen blutig, aber es war nicht tief. Die Blutung hatte bereits wieder aufgehört.

»So schlimm ist es doch gar nicht.«

»Wie bitte!« Entgeistert sah sie ihn an und brach in Tränen aus. »Ich wurde fast gefangen genommen, nur weil ich mit dir zusammen bin. Du wolltest dich mit mir hier treffen und ich habe mich darauf eingelassen und was habe ich davon? Eine fast Gefangennahme und eine Flucht durch die Luft, bei der ich verletzt werde und meine Kleidung ruiniert wird.«

Cercamon trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. Er wollte ihr zeigen, dass er für sie da war. Er wollte sie trösten.

Aber Deike schlug ihn abermals weg. »Nimm deine Finger von mir.«

Er blieb stehen und breitete die Arme aus. »Deike, wir finden einen Weg.«

»Was willst du denn tun? Der Drachenrat ist gegen dich und dein Vater, der Herrscher der Drachen, ebenfalls. Was können wir denn jetzt machen?«

»Wir werden uns wehren. Es gibt genügend Drachen, die gegen die Gesetze des Rates sind. Ich werde sie zusammenbringen und dann werden wir sehen, wer gewinnt.«

»Du willst gegen deinen Vater vorgehen?«

»Ich liebe dich und um mit dir zusammen zu sein, werde ich alles tun.« Unsicher trat er wieder auf sie zu.

Diesmal ließ sie es geschehen, dass er sie in den Arm nahm. Endlich war es so weit. Endlich ging es voran. Sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt.

Er lächelte auf sie hinab. Das, was kam, gefiel ihm nicht, aber seine Gefühle sagten ihm, dass das, was er tun wollte, richtig war. »Wir müssen noch ein Versteck finden. Hier können wir nicht bleiben.«

»Dann lass uns zu mir gehen. Dort sind wir sicher.«

»Zu den Hexen? Die Drachen frühstücken die Hexen, ohne nachzudenken. Das wird nicht gehen, außerdem erwarten sie uns dort.«

»Aber wohin sollen wir denn dann gehen?« Verzweifelt sah sie sich um. Sie wollte hier dringend weg. Sie hasste diesen Planeten immer mehr.

»Als ich dich kennenlernte, traf ich Ruslan. Er ist der Vampirprinz.«

Deike lächelte, als sie an ihren Geliebten dachte, dann tat sie so, als müsste sie nachdenken. »Ja, ich erinnere mich. Das war bei dem Turnier, wo wir uns kennengelernt haben. Er war auch beim Turnier.«

Cercamon lächelte in Erinnerung. »Ja, eigentlich wurden die Drachen zu den Turnieren der Wesen nicht eingeladen. Sie fürchten wohl, dass wir alle Wettkämpfe gewinnen. Ich war nur durch Zufall dort. Meine Freunde und ich erfuhren von dem Turnier und konnten dann nicht widerstehen, es uns anzusehen.«

Deike lächelte weiter zu ihm auf. Sie wusste, dass es kein Zufall war, dass Cercamon von dem Turnier erfahren hatte. Ruslan hatte seinen Freunden die Information zukommen lassen und das Turnier als besonders begehrenswert ausgeschmückt. Sodass sie gekommen waren. Aber das verriet sie Cercamon natürlich nicht.

»Ruslan hatte seine Gruppe zusammengestellt und diese Gruppe hatte bereits alle Wettkämpfe für sich entscheiden können, aber dann verunglückte einer seiner Mitstreiter und jeder in der Gruppe durfte nur zweimal antreten. So fehlte ihm jemand für einen Wettkampf.«

»Du bist für ihn angetreten und hast den Wettkampf mit Bravour gewonnen.«

Überrascht sah er sie an. »Ich wusste nicht, dass du das mitbekommen hast. Ich dachte, du seist erst zur Siegerehrung gekommen.«

»Was? Nein, ich war schon vorher dort.«

»Aber du hattest mir doch erzählt, dass du gerade erst dort angekommen warst.«

»Nein, das musst du falsch verstanden haben. Ich habe deinen Wettkampf gesehen. Dadurch bist du mir aufgefallen. Welcher Krieger springt schon schnell ein und hilft jemandem, den er nicht weiter kennt? Außerdem hat es mir gefallen, wie du deine Gegner besiegt hast. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance.«

»Es ging schließlich darum, die Dämonen nicht gewinnen zu lassen. Dämonen konnte ich noch nie leiden! Wie dem auch sei, damals sagte Ruslan, wenn ich einmal Schwierigkeiten hätte, könnte ich immer zu ihm kommen. Dorthin gehen wir und von dort werden wir gegen die Drachen vorgehen.«

»Zu den Vampiren? Bist du sicher? Ist das nicht gefährlich?«

»Nicht, wenn man bei ihrem Anführer etwas guthat. Deshalb brauchst du keine Angst zu haben. Außerdem werde ich nicht zulassen, dass dir jemand etwas tut.« Er zog sie in die Arme und sie ließ es geschehen. Dabei lächelte sie hinterhältig. Endlich konnte sie zu Ruslan und musste sich nicht mehr heimlich mit ihm treffen.

4

Cercamon trat vor Deike aus dem Nebel des Portals. Er drehte sich um und streckte Deike die Hand entgegen. »Es wird schon alles gut gehen«, ermunterte er sie.

Langsam folgte sie ihm. »Ich bin nur unsicher. Es sind immerhin Vampire. Und es ist Nacht.« Aber das war nicht der wirkliche Grund, warum sie zögerte. Immerhin hatte sie bis vor Kurzem hier mit Ruslan gelebt. Alle in der Burg kannten sie. Was, wenn sich jemand verplapperte und alles herauskam? Aber diese Ängste konnte sie Cercamon wohl kaum mitteilen, doch er war wieder so überaufmerksam gewesen und hatte genau gesehen, dass sie etwas beschäftigte. Dieser Plan wurde immer anstrengender. Auch wenn sie hier deutlich lieber war als auf Dracon.

»Aber Ruslan hat uns eingeladen. Uns passiert nichts und wie ich dir schon sagte, ich werde hier bei dir sein und dich beschützen.«

Gemeinsam gingen sie auf die Burg zu und überquerten die steinerne Zugangsbrücke. Cercamon sah hinunter in das dunkelschimmernde Wasser. Nur gelegentlich reflektierte sich etwas Mondlicht darin und hellte den düsteren Eindruck etwas auf.

Die zwei Wachen am Eingang der Burg traten augenblicklich vor und hielten die beiden Ankommenden zurück. Dabei sahen sie Deike fragend an.

Deikes Augen weiteten sich kaum merklich und schüttelte den Kopf.

Sofort blieben die Wachen stehen und schwiegen.

»Wir möchten gerne zu Ruslan«, sagte Cercamon, der nichts mitbekommen hatte.

Einer der beiden Wachmänner nickte. »Dann folgt uns bitte in das Audienzzimmer. Ich werde Ruslan dann über eure Ankunft informieren.«

Die andere Wache blieb am Eingang stehen, während der Sprecher vor den beiden Ankommenden her durch die Gänge der Burg ging.

Fackeln hingen in eisernen Halterungen der weiß gestrichenen Wände und erleuchteten die Gänge fast taghell. Ihre Schritte klangen dumpf auf dem hölzernen Boden und hallten von den Wänden wider durch die Gänge. Sie gingen gemeinsam durch ein Labyrinth von Gängen, bis der Wachmann schließlich vor einer Tür stehen blieb, sie öffnete und die beiden Gäste mit einer Geste hineinbat.

»Wartet hier. Ich werde Ruslan informieren.«

Cercamon nickte ihm zu.

Deike trat vor ihm in den Raum. Zum Glück war kein Bekannter hier, der sie verraten konnte. Sie hätten den Plan besser absprechen müssen.

Cercamon stellte sich neben sie und nahm sie in die Arme. »Es ist doch gar nicht so schlimm, oder?«

»Das wird sich noch zeigen.« Und sie meinte nicht die Anwesenheit der Vampire.

Zum Glück kam Ruslan schnell. Freudestrahlend öffnete er die Tür und trat auf Cercamon zu. »Cercamon, die Wache berichtete mir, dass du nun doch noch meiner Einladung gefolgt bist und mich besuchst. Wie schön, dich wiederzusehen.«

Cercamon drehte sich bei den Worten zu dem Gastgeber herum.

Auch Deike drehte sich schnell um.

»Ruslan«, sagte Cercamon zur Begrüßung und nickte ihm zu. »Ich wusste ja gar nicht, dass die Wache mich erkannt hat.«

»Äh, doch. Du warst ja zum Turnier hier.«

»Deine Wachen haben ein gutes Erinnerungsvermögen.«

»Ja, das haben Vampire. Schön, dass du gekommen bist. Wen hast du denn mitgebracht?«

»Das ist Deike. Ich bin ihr hier bei deinem Turnier begegnet und seitdem kann ich nicht mehr ohne sie sein.«

Ruslan nickte Deike zu. »Das verstehe ich gut.«

Deike senkte schnell die Augen.

»Ruslan, ich bin dir sehr dankbar für deine Einladung«, sagte Cercamon. »Ehrlich gesagt hätten Deike und ich nicht gewusst, wo wir sonst hätten hingehen sollen.«

»Was ist denn passiert?« Ruslan deutete auf einen Stuhl, der in der Mitte des Raumes mit anderen um einen Tisch herumstand. »Aber ich vergesse meine Manieren. Setzt euch doch erst einmal.«

Alle gingen zum Tisch und Cercamon zog Deike den Stuhl zurecht.

Als alle saßen, sah Ruslan zu Cercamon.

»Deike und ich stecken in einer Zwickmühle und würden dich gerne bitten, uns zu helfen.«

»Selbstverständlich helfe ich dir, wenn es in meiner Macht steht, Cercamon. Du hast, ohne zu zögern, beim Turnier ausgeholfen. Ich stehe in deiner Schuld. Sag mir, was kann ich für euch tun.«

»Beim Turnier sagtest du, wenn ich einmal Schwierigkeiten hätte, könnte ich immer zu ihm kommen.«

Ruslan nickte. »Sicher, das sagte ich. Was für Schwierigkeiten hast du denn?«

»Ich habe mich in Deike verliebt und sie in mich.« Er unterbrach sich und lächelte Deike an, die das Lächeln erwiderte. »Aber Drachen dürfen sich nur mit Drachen verbinden. Doch das kommt für mich nicht mehr infrage. Allerdings will mein Vater davon nichts wissen und hat den Drachenrat gebeten, Deike festzuhalten. Also sind wir geflohen. Damit sie in Sicherheit ist.«

»Hier seid ihr sicher. Allerdings könnt ihr euch nicht immer hier verstecken und ich kann die Vampire nicht in einen Krieg mit den Drachen führen. Das musst du verstehen.«

Cercamon nickte. »Sicher. Auch ich will keinen Krieg zwischen den Vampiren und Drachen heraufbeschwören. Ich möchte aber gegen die Drachengesetze vorgehen und die Drachen zum Umdenken bewegen. Das sollte nicht allzu lange dauern und hoffentlich auch keinen Krieg auslösen. Die Drachen, die hinter den Gesetzen stehen, sind eher die Alten und die kämpfen nicht mehr.«

Ruslan runzelte leicht die Stirn. »Du willst mit ihnen verhandeln?«

»Ja, das werde ich versuchen. Aber die alten Drachen sind leider auch sehr stur. Ich hoffe, ich kann sie umstimmen.«

Daran zweifelte Ruslan sehr. Denn Cercamon hatte recht, die Drachen waren wirklich sehr stur. Aber darauf beruhte ja auch der Plan. Zufrieden nickte er. »Du wirst es schon richtig machen! Hier werdet ihr erst einmal sicher sein. Ich werde euch gleich zwei Zimmer geben lassen.«

»Ein Zimmer wird reichen, werter Freund.«

Ruslan schüttelte den Kopf. »Noch seid ihr nicht verheiratet. Wir sind hier sehr streng, was Moral angeht.«

Deike hustet plötzlich.

Beide Männer sahen sie besorgt an und Cercamon legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ist es dir recht, wenn du ein eigenes Zimmer hast?«

Sie nickte.

Cercamon sah Ruslan an. »Sie war etwas ängstlich, herzukommen. Aber ich habe ihr versichert, als deine Gäste sind wir hier völlig sicher!«

Ruslan nickte. »Du hast hier nichts zu befürchten und stehst unter meinem Schutz. Ich werde dir das Zimmer neben meinem geben und Cercamon erhält das auf deiner anderen Seite. Dann müsste ein Angreifer schon lebensmüde sein, wenn er dir etwas zuleide tun wollte.«

Erneut nickte sie nur und schwankte dann leicht.

»Alles in Ordnung, Liebes?«, erkundigte sich Cercamon sofort und stand auf und zog sie in seine Arme.

»Ach, es war etwas viel Aufregung für mich. Ich würde mich gerne etwas ausruhen.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Ruslan nickte. »Die Zimmer sind sofort fertig.« Er klingelte nach einem Bediensteten und befahl ihm, die Zimmer zu richten.

Da öffnete sich die Tür und Adrian, Ruslans Bruder, kam herein. »Ruslan ich habe gehört, du hast einen Gast?« Adrian trat lächelnd auf Cercamon zu und streckte ihm die Hand hin.

Cercamon stand auf, erwiderte das Lächeln und schüttelte seine Hand.

»Nein, lieber Bruder, es sind zwei Gäste«, sagte Ruslan schnell, ehe Adrian noch etwas Falsches sagte.

Adrian hob fragend eine Augenbraue und sah seinen Bruder an.

Aber Ruslan schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ach ja?« Fragend sah Adrian von seinem Bruder zu Deike.

»Ja, Cercamon hat eine Freundin mitgebracht. Ihr Name ist Deike.«

Adrian zögerte nur kurz, dann trat er auf Deike zu, die Cercamon noch immer im Arm hielt und reichte auch ihr die Hand. »Warst du nicht schon einmal hier?«

»Doch, beim Turnier. Da sind wir uns begegnet«, sagte Deike hastig.

»Ja, richtig«, sagte Adrian und sah Ruslan seltsam an, schwieg aber weiter.

»Cercamon, du erinnerst dich an meinen Bruder Adrian?«

»Natürlich. Wir haben zusammen gekämpft. Schön, dich wiederzusehen, Adrian.«

»Ganz meinerseits, Cercamon. Was führt euch zwei hier her?«

»Sie werden einige Zeit hier bei uns bleiben«, antwortete Ruslan schnell. »Aber jetzt seid ihr sicherlich müde von der Reise und wollt euch vor dem Abendessen etwas ausruhen. Die Räume müssten vorbereitet sein.« Er winkte einen Diener heran. »Bringe sie bitte in die vorbereiteten Räume!«

Der Diener nickte und ging vor den beiden Gästen aus dem Raum.

Cercamon nickte beiden Vampiren zu und verließ dann hinter Deike das Audienzzimmer.

Adrian stand neben Ruslan und sah Cercamon und Deike nach, wie sie den Raum verließen. »Was soll das hier?«

»Ich hatte Cercamon damals angeboten, hierherzukommen, nachdem wir durch seine spontane Hilfe damals gewonnen hatten.«

»Ja, daran kann ich mich erinnern, aber das meinte ich nicht. Ruslan, bitte entschuldige die Frage, denn eigentlich geht es mich nichts an, aber ich wundere mich. Warum ist Deike bei dem Drachenkrieger? Habt ihr euch getrennt? Und warum hat sie so getan, als würde sie mich und dich nicht kennen? Ich meine, sie hat ja bis vor Kurzem hier gewohnt.«

»Nun ja, eigentlich haben wir uns nicht wirklich getrennt.«

»Was soll das denn heißen?«

»Adrian, ich will die Macht der Vampire bei den Wesen wieder verbessern. Dazu will ich aber keine Vampire in Gefahr bringen.«

»Aha«, sagte Adrian, dann aber schüttelte er den Kopf. »Ich habe kein Wort verstanden.«

»Die Macht der Vampire steigt, wenn die der Drachen abnimmt.«

»Aber wie soll das gehen. Er ist doch nur ein Drache und was soll Deike dabei.«

»Cercamon mag nur ein Drache sein, aber er ist einer mit Einfluss. Er ist der Sohn von Jilocasin und soll einmal der Herrscher der Drachen werden.«

»Du willst über ihn die Drachen schwächen, das verstehe ich noch einigermaßen, aber wieso spielt Deike seine Freundin?«

»Das gehört zum Plan. Also verplappere dich bloß nicht. Alle anderen im Schloss müssen es auch noch erfahren. So weit war ich noch nicht. Sie kamen schneller als erwartet.«

»Was?«

»Also gut, hör zu. Cercamon muss sich mit einem Drachen verbinden, so will es das Gesetz der Drachen. Aber er will plötzlich eine Hexe zur Frau haben.«

Adrian verstand langsam. »Dafür ist Deike sicher die Richtige. Sie soll ihm also als Lockvogel dienen.«

»Genau! Er soll sie so wollen, dass er einen Aufstand unter den Drachen auslöst. Wenn die Drachen aufeinander losgehen, dezimieren sie sich und verlieren an Macht. Das wird dann den Vampiren zugutekommen.«

Adrian nickte. »Er soll sich für Deike gegen seinen Vater auflehnen.«

»Genauso ist es gedacht.«

»Das Ehrgefühl der Drachen wird dann seine Freunde dazu bringen, ihm zu folgen und schon kommt es zum Bürgerkrieg unter den Drachen. Wenn die mächtigen Drachen mit sich selbst beschäftigt sind, sinkt ihre Macht automatisch.« Er lächelte. »Kein schlechter Plan. Auch wenn mir so etwas nicht gut gefällt, könnte es funktionieren. Hat Deike einen Zauber bei Cercamon angewendet?«

»Glaubst du, sie würde es nicht ohne schaffen, dass er sich für sie interessiert? Immerhin ist er nur ein muskelbepackter, dummer Krieger.«

»Also kein Zauber.« Adrian runzelte die Stirn. Er stimmte nicht so ganz mit Ruslans Einschätzung über den Drachen überein. Beim Turnier hatte er gesehen, wie strategisch Cercamon gekämpft hatte. Dumm war der Drache bestimmt nicht.

»Doch! Zur Sicherheit hat sie auch einen Zauber angewendet!« Er sah zur Tür und grinste. »Und es funktioniert, er ist verrückt nach ihr und hat sie gegen seinen Vater und den Drachenrat verteidigt.«

Adrian hob alarmiert beide Augenbrauen. »Er hat bereits die Drachen gegen sich aufgebracht und versteckt sich hier? Das hat er dir eben gesagt?«

»Ja, so ungefähr.«

»Eben sagtest du doch, dass du für deinen Plan keine Vampire in Gefahr bringen willst. Allerdings erscheint es mir gefährlich für die Vampire, wenn du einen Drachen hier versteckst, der sich gegen den Drachenrat aufgelehnt hat«, meinte Adrian nachdenklich. »Was, wenn die Drachen ihn hier angreifen? Dann müsstest du für deinen Gast Partei ergreifen und schon sind die Vampire involviert.«

»Sie wissen ja nicht, dass sie hier sind und wenn sie es erfahren, wird es zu spät sein.«

Adrian brauchte einige Zeit, das Gehörte zu verarbeiten. Dann sah er seinen Bruder wieder an, der mittlerweile ganz ruhig wieder Platz genommen hatte. »Wie kannst du so ruhig sein, wenn deine Freundin mit dem Drachen gerade auf das Zimmer geht?«

»Sie bekommt das Zimmer neben meinem und Cercamon das auf der anderen Seite, damit sie zwischen uns sicher ist.« Ruslan grinste intensiver.

»Lass mich raten, du öffnest nachts die Zwischentür.«

Ruslan grinste weiter, antwortete aber nicht. Das war auch nicht nötig, denn Adrian verstand. »Aber was tust du, wenn er auch in der Nacht zu ihr gehen will und dabei merkt, was vor sich geht?«

»Das wird nicht passieren, denn sie haben nichts miteinander.«

»Häh? Ich dachte, er legt sich mit der Hälfte aller Drachen ihretwegen an.«

»Genau. Ich sage doch, er ist verliebt und dumm!«

»Du glaubst Deike, dass Cercamon die Hände von ihr lässt? Das kann ich mir kaum vorstellen. Sie küssen sich doch, oder nicht?«

»Ich weiß nicht.« Er verzog nachdenklich den Mund. »Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht«, nun nickte Ruslan. »Aber ich denke schon. Das wird sie nicht verhindern können.«

»Und du denkst, seine Küsse gefallen ihr nicht und sie hält ihn zurück, sodass bisher nichts zwischen ihnen gelaufen ist?«

Ruslan nickte aber jetzt deutlich langsamer.

»Bist du sicher?« Adrian sah seinen Bruder zweifelnd an. »Das soll Deike tun? Die Deike, die es kaum aushielt, bis sie dich endlich im Bett hatte.«

Ruslan wurde ernst und sagte nichts.

»Ich bin sicher, sie hasst jeden Moment mit dem Drachenkrieger.« Kopfschüttelnd ging Adrian aus dem Zimmer.

Ruslan sah ihm nach.

5

Deike saß in ihrem Zimmer in der Burg auf dem Bett und starrte missmutig vor sich hin. Dabei knetete sie eines der Kissen ärgerlich. Jetzt war sie wieder hier und hatte Ruslan bisher immer nur kurz gesehen, da immer, wenn er bei ihr auftauchte, Cercamon plötzlich an der Tür klopfte und Ruslan musste verschwinden. Es war, als wüsste er, wann sie versuchten, sich heimlich hinter seinem Rücken zu treffen. Es war zum verrückt werden. Konnte dieser dumme Krieger nicht etwas einfühlsamer sein und ihr Zeit mit ihrem Geliebten lassen? Sie sehnte sich bereits schmerzhaft nach seinem Biss. Aber nein, dieser dumme Krieger musste auftauchen und sich nach ihrem Befinden erkundigen, immer im falschen Moment. Er war so widerlich!

Wütend warf sie das Kissen durch den Raum und warf sich bäuchlings auf die Matratze. Mit beiden Händen trommelte sie auf die Matratze ein und vergrub ihr Gesicht im Stoff, um nicht zu schreien.

»Na na, wer wird denn so wütend sein.«

Deike drehte sich rasch herum und bemühte sich eine plausible Ausrede zu finden für ihr Verhalten. Aber es war Ruslan der im Zimmer stand und nicht Cercamon.

Sofort sprang sie auf und eilte auf ihn zu. »Ruslan, du bist es. Ich dachte, Cercamon will schon wieder wissen, wie ich mich fühle.«

Schon schlossen sich seine Arme um sie und er zog sie an sich. »Cercamon macht genau das, was ich von ihm will. Du auch?«

Deike nickte. »Sicher, mein Geliebter, du brauchst es nur zu sagen.«

»Hast du ihm heute die verabredetet Extradosis deines Zaubers gegeben?«

»Ja. Gleich nachdem du es mir aufgetragen hast, habe ich es erledigt. Das weißt du doch. Deine Wünsche sind mir Befehl.«

»Das war auch ein Befehl!«

Sie nickte. »Ich habe es getan. Doch es scheint mir zu viel Zauber zu sein. Er will immer bei mir sein. Eben dachte ich auch, er kommt wieder und fragt mich, wie es mir geht.«

»Cercamon ist auf nach Dracon, um sich mit den anderen aufständischen Drachen zu treffen. Sie bereiten sich darauf vor, mit dem Rat zu reden.«

»Was? Er ist weg?«

»Ja!«

»Für wie lange?«

»Es wird schon einige Zeit dauern.«

Sie beugte sich vor und wollte ihn küssen, aber er umfasste ihre Oberarme und hielt sie zurück. »Du bist oft mit ihm allein, habe ich festgestellt. Bist du mir noch treu, oder hast du dich ihm hingegeben? Da er dich so umgarnt.«

Deike kniff die Augen zusammen. »Es war dein Plan. Ich habe mir das nicht ausgesucht. Schon vergessen?«

Seine Hand um ihre Oberarme drückte fest zu.

Deike begann zu wimmern.

»Wie redest du mit mir? Beantworte gefälligst die Frage.«

»Ich habe nichts mit ihm«, sagte sie und versuchte ihm auszuweichen.

»Aber er küsst dich und fasst dich immer wieder an.« Sein Griff wurde noch fester.

Sie stöhnte vor Scherzen auf. »Ja, er küsst mich. Aber sonst ist da nichts Sexuelles zwischen uns. Ich glaube, er weiß nicht einmal, wie das geht.«

»Und das reizt dich?«

»Sicherlich nicht! Ich will nur dich und es macht mich wahnsinnig, dass er immer im falschen Moment kommt und uns stört.«

»Ja, das nervt ungemein.« Er lockerte den Griff und küsste sie. Dann hob er den Kopf. »Aber jetzt ist er erst einmal weg. Das können wir ausnutzen.«

Cercamon schlich, mit einem Umhang verkleidet durch die Straßen von Dragon. Tief atmete er den typischen Geruch nach Hitze und geschmolzenem Gestein in sich auf. Das hatte er vermisst, dabei war er erst ein paar Tage fort von hier. Er liebte die Stadt und er liebte seine Welt. Bei den Vampiren war es kalt und irgendwie ungemütlich. Er konnte nicht sagen, woran es lag, aber er fühlte sich dort nicht wohl. Dabei waren alle nett und freundlich, teilweise schon zu sehr zuvorkommend. Vielleicht war es das, was ihm nicht gefiel. Er hatte versucht, seine guten Freunde zu erreichen. Aber Thyr war nach seiner letzten Tat vom Drachenrat verurteilt worden und er hatte noch nicht herausfinden können, wo sie festgehalten wurde. Doch auch ohne diesen Krieger hatte er eine große Anzahl an Anhängern, die gegen die veralteten Gesetze der Drachen vorgehen wollten. Es dauerte nur ein paar Tage, bis sie alle informiert hatten und auch diejenigen, die ihm treu ergeben waren, zusammengerufen hatte. Heute trafen sich einige Anführer und wollten das weitere Vorgehen besprechen. Einen Kampf mit den ratstreuen Drachen wollten sie vermeiden, denn das würde die Drachen schwächen. Aber es musste etwas geschehen. Heute wollten sie sich vor der Stadt in der Nähe eines Portals treffen, denn einige seiner Anhänger waren Drachen, die auf anderen Welten lebten.

Cercamon erreichte den Versammlungsplatz und war überrascht, so viele Drachen dort vorzufinden.

Als er sich näherte, wurde er freudig begrüßt. Viele hatten aus unterschiedlichen Gründen genug von den veralteten Gesetzen und sie waren alle nur zu gerne bereit, dagegen vorzugehen. Besonders, da es Cercamon war, Jilocasins Sohn, der sie anführte.

Plötzlich erschienen jedoch Soldaten. Sie kamen von der Seite der Stadt dazu. Allen voran Jilocasin selbst. Er überblickte die Gruppe, die sich um seinen Sohn versammelt hatten.

»Ihr wisst, dass das, was ihr hier macht, einem Verrat an dem eigenen Volk gleichkommt?«, fragte er, als es ruhig wurde.

»Vielleicht sollte man nicht immer nur auf die Gesetze pochen, sondern auch einmal nach den Bedürfnissen des Volkes gehen, Vater. Sieh dich um. Es sind viele, die mit den alten Gesetzen der heiligen Drachen nicht einverstanden sind. Solltet ihr euch nicht lieber darum Gedanken machen? Wir wollen keinen Aufstand oder gar einen Krieg. Aber wir wollen uns auch nicht weiter von euch und euren asbachuralten Gesetzen unterdrücken lassen? Wird wollen Veränderung.«

Zustimmende Rufe wurden laut.

»Wir wollen bestimmen, wo wir leben und beerdigt werden«, rief einer. »Die Beerdigungen hier kosten zu viel!«

»Wir wollen bestimmen, wen wir heiraten«, rief ein anderer.

»Es geht nicht an, dass das Land hier auf Dracon immer nur einigen wenigen verkauft wird, wir anderen wollen auch solche Rechte haben.«

»Wir wollen ein Wahlrecht haben.«

»Mitbestimmen.«

»Die Gesetze sind aus der Steinzeit. Es wird Zeit, dass es Reformen gibt und die Gesetze den Drachen angepasst werden.«

Jilocasin hob beide Arme. »Freunde! Drachen! Beruhigt euch. Hier geht es nicht um Veränderung der Gesetze, hier geht es um einen dummen Jungen, dem der Vater verboten hat, ein Mädchen zu heiraten. Aber mal ehrlich, Cercamon, ich hätte dich für klüger gehalten. Du bringst alle Drachen gegen den Rat auf. Wenn du so weiter machst, wird es Blutvergießen geben.«

»Das wollen wir nicht, Vater. Aber es liegt nicht nur an mir. Auch die anderen sind unzufrieden und ich habe mit ihnen geredet und ihnen zugehört. Die Gesetze sind veralten und gehören verändert. Dass es dir und dem Drachenrat nicht gefällt, verstehe ich, aber es ist wichtig. So kann es nicht weiter gehen.«

Jilocasin nickte den Soldaten zu. Sie verteilten sich um die Gruppe der Drachen um Cercamon. »Diese Versammlung ist Hochverrat und wird hiermit aufgelöst, wer sich nicht daran hält, wird festgenommen.«

»Vater, du machst einen Fehler.«

»Nein, mein Sohn. Das hier ist notwendig, so wie die Gesetze. Du weißt noch nicht alles über Dracon und kannst deshalb auch nicht die Notwendigkeit der Beerdigungszeremonien und der Landverkäufe erkennen. Auch die Gesetze zur Heirat sind deshalb einzuhalten.«

»Dann erkläre es uns jetzt und hier, damit wir verstehen, was uns unsinnig erscheint. Dann können wir es vielleicht akzeptieren.«

»Ich werde nicht die Geheimnisse unserer Welt vor euch Aufrührern enthüllen. Das erfahren nur treue und zuverlässige Drachen.«

»Vater, hörst du eigentlich, was du da sprichst.«

»Ja, aber es hilft nicht. Cercamon du schadest dem Drachenreich. Du als mein Sohn und zukünftiger Herrscher führst hier einen Aufstand an. Du bist nicht mehr mein Sohn.« Er sah die Soldaten an. »Ergreift die Aufrührer und macht keine Ausnahme.«

Die Soldaten eilten vor und nahmen die ersten Drachen fest.

Cercamon wich entsetzt zurück.

Viele Drachen um ihn herum taten es ihm gleich, aber einige wenige begannen sich zu verwandeln und griffen die Soldaten an.

Es kam zu einem kurzen Kampf. Die aufständischen Drachen gingen gegen die Soldaten vor.

Aber Cercamon wollte keinen Krieg. Er wollte dem Reich nicht schaden, sondern nur Veränderungen und Fortschritt. »Stopp«, brüllte er.

Die Männer um Cercamon zogen sich knurrend zurück.

»Wir wollen keinen Kampf!« Cercamon sah seinen Vater eindringlich an.

Jilocasin schüttelte den Kopf. »Ihr seid hier nicht mehr willkommen.« Er verwandelte sich und flog zur Hauptstadt zurück. Die Soldaten folgten ihm.

Auch Cercamon und seine Gefolgsleute zerstreuten sich, nach einiger Zeit wieder.

6

Cercamon kehrte nach Poienari zur Welt der Vampire und deren Festung von Hunedora zurück. Sein Herz war zerrissen. Er liebte sein Reich, er liebte seinen Vater, aber er liebte auch Deike. Es zog ihn zu ihr zurück. Er musste sie sehen, musste sie berühren und ihr nahe sein. Es war wie ein innerer Zwang, er konnte nicht ohne sie sein.

Rasch schritt er durch die Gänge zu ihrem Zimmer, aber das war durchwühlt und leer. Wo war sie hin? Er klopfte bei Ruslan, der ließ sich gerade einen Verband anlegen.

»Ruslan, was ist passiert?«