Chaos trifft High Heels - Remy Schoen - E-Book

Chaos trifft High Heels E-Book

Remy Schoen

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Beschreibung

So hat sich das Jenny nicht vorgestellt, endlich wieder zurück in Deutschland, doch statt Partyleben findet sie sich mitten im Beziehungsstress ihrer besten Freundin Sandra wieder. Da kommt der Firmenbonus gerade recht: eine Woche Kreuzfahrt.

Kurzerhand schnappt sich Jenny ihre beste Freundin und verordnet ihnen beiden ein Mädelswochenende auf hoher See. Doch es kommt anders als gedacht, Sandra ist seekrank, und Jenny lernt ihren geheimnisvollen Nachbarn Hannes kennen, in dem sie sofort einen blinden Passagier wittert und fortan in dem Glauben, ihn verstecken zu müssen, mit dem attraktiven Seemann von einem Chaos ins nächste stolpert.

 

Freuen Sie sich auf ein witziges Liebesabenteuer auf hoher See!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Remy Schoen

Chaos trifft High-Heels

Best-Friends 3

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Prolog

 

 

Sein Schiff lief gerade vom Stapel. Noch einmal ging er seine Zahlen durch. Alles war bereit für die Jungfernfahrt nach Schottland. Ein Schiff wie dieses hatte er noch nie gebaut. Es gab keine Innenkabine, jede Koje besaß ein Fenster. Das kostete allerdings auch dementsprechend, aber wer sich keine Reise mit einem Schiff leisten konnte, sollte lieber Urlaub in einer Hütte machen.

Er war sich bewusst, dass es vermutlich nicht jedem gefallen würde, aber konnte man es jedem recht machen? Einer seiner Ingenieure war sofort hellauf begeistert gewesen, als er die Pläne sah, denn er erkannte das Potenzial, was so eine Art Schiff ausmachte. Seine Compagnons allerdings zogen nicht ganz so mit, wie er sich das erhofft hatte, denn das Altbewährte war doch, dass die Mittelklasse-Kabinen als ein Magnet für normalverdienende Menschen besser geeignet waren und auch das Geld reinbrachten. Das sah er ähnlich, nur warum sollte ein Normalverdiener nicht auch ein schöneres Zimmer bekommen, mit Seeblick?

Und letztendlich war auch er kein Unmensch! Er überlegte, wie er es hätte anders machen können, jedoch führte kein Weg dran vorbei denn der Dampfer wollte auch bezahlt werden. Deswegen hatte er sich mit allen angelegt. Speziell mit den Finanziers. Seinen Kommentar zu den Bankleuten war: „Meine Herren, wenn Sie nur auf das Altbewährte setzen, dann werden Sie nie etwas verdienen, denn den Visionären gehört die Welt“, aber leider den Bankiers das Geld, das hatte er allerdings nur gedacht. Aber auch so hatte er am Ende erreicht, was er wollte: Seine Finanzierung stand. Und nur das zählte!

Sein Baby, das er von der ersten bis zur letzten Schraube selbst geplant hatte. Genau wie seine Taurus! Sein erstes selbstentworfenes und -gebautes Holzschiff, das jetzt in seinem Büro in einer Vitrine stand.

Es war alles da, was man für eine angenehme Fahrt brauchte. Die Oberdecks waren mit Liegestühlen ausgestattet, die zum Design des Speisesaals passten. Die Lounge war in denselben Farben gehalten wie alles andere auch. Auch wenn seine Mutter meinte, dass der Blumenteppich, der im Salon gegenüber der Bar hing, nicht wirklich dazu passte, so hatte er sie doch davon überzeugen können, dass es genau dieser sein musste. Er hob das Ambiente von maskulin zu feminin! Ein ausgewogenes Konzept, das nicht nur dem männlichen Geschlecht, sondern auch den Frauen die Atmosphäre bieten sollte, sich rundum wohlzufühlen!

Die meisten seiner Arbeiter kannten ihn gar nicht richtig, bis auf einige wenige, denen er vertraute. Und seine Familie natürlich. Genau die hielt immer zu ihm, egal, wie hochgeschraubt seine Ideen auch waren. Er konnte sich nicht zurückentsinnen, dass sein Vater ihn jemals im Stich gelassen hätte, wenn er einer Vision nachhing. Nein – er hatte die beste Familie auf der Welt.

Und Frauen, tja, die konnten versuchen, was sie wollten, er würde nie heiraten. Warum heiraten …? Die meisten Frauen sahen ihn eben nicht so, wie er wirklich war. Überwiegend dachten die Leute sowieso von ihm, er sei nur ein prunk- und geldliebender Multimillionär-Playboy, der ein wenig zu kurz geraten war. Und dass die Frauen ihm zu Füßen lägen. Wobei sie gar nicht mal so unrecht hatten, was die Frauen betraf. Nur dass solche Frauen, die ihm zu Füßen lagen, nur auf sein Geld aus waren und ihn keinesfalls als Mensch einer ganz und gar nicht reichen Familie sahen. Dass er sein Studium mit harter Arbeit finanziert hatte, davon wussten die Frauen nichts – oder sie trauten ihm das nicht zu. Wie auch immer. Diese Frauen wollten ihn ändern, manche sogar heiraten, aber er wollte weder noch. Bis jetzt fühlte er sich nicht bereit, einer Frau das Zepter zu übergeben. Und ob er jemals dazu in der Lage sein würde, glaubte er eh nicht.

Für jetzt aber hatte er noch genug Arbeit, die auf ihn wartete. Die Crew war sorgfältig ausgesucht worden und stand bereit für die Jungfernfahrt. Es konnte nun endlich losgehen. Der Kapitän war von ihm selbst angeheuert worden. Er kannte ihn persönlich. Und dieser Mann kannte ihn auch schon, seitdem er als kleiner Junge zu seinem Vater an den Pier kam. Ihm vertraute er wie keinem anderen auf dem Schiff. Käpt‘n Blaubart hatte er ihn immer gerufen als Kurzer. Nicht, weil er wirklich so hieß, sondern weil er, als er ihn kennenlernte, einen blauschimmernden Bart trug.

Er lachte in sich hinein. Dass ein Missgeschick seiner Schwester mal zu einem Namen führte … Eines stand jedenfalls fest, für ihn würde dieser Mann immer sein Käpt‘n Blaubart bleiben!

Er blickte zum Fenster hinaus auf den Pier. Früher waren es wesentlich mehr Schiffe gewesen, die dort vor Anker lagen, und jetzt lag da unten sein Baby bereit. Normalerweise hätte er sich sofort auf den Weg gemacht, seinen Koffer gepackt und wäre in seine Luxuskabine eingezogen. Nur diesmal war es anders. Er wollte sein Image verbessern – weg vom Lebemann, der er nicht war, jedenfalls nicht so, wie die Zeitungen schrieben – zu dem, der er in Wirklichkeit war. Er wollte, dass die Menschen sahen, wie sehr er dieses Schiff liebte, und das konnten sie nicht, wenn er als Eigentümer auftrat.

Er brauchte eine Idee!

 

 

 

 

 

 

1

 

 

„Mausi, es ist ja ganz schön und nett bei dir, aber ehrlich, wir brauchen bald eine größere Wohnung“, sagte ich zu Sandra, die mich kritisch ansah, weil ich zum hundertsten Mal wieder ihre Wohnung abging. Wie konnte jemand, der einen guten Job hatte, in so einer schäbigen Gegend wohnen? Und was ich für meinen Teil noch schlimmer fand, war die fünfundsechzig Quadratmeter kleine Wohnung in diesem heruntergekommenen Mietshaus.

„Jenny, die Wohnung reicht mir völlig aus. Warum soll ich unnützes Geld verschwenden?“, lamentierte sie. Himmel, als Lehrerin verdiente man doch nicht schlecht. Ich lebte doch auch nicht wie der letzte Hund! Also warum dann so leben?

„Weil eine größere Wohnung viel schöner ist und ich obendrein Platz habe!“ Es musste doch eine Möglichkeit geben, solange ich noch in Deutschland verweilte, dass Sandra endlich in die Gänge kam und eine neue Wohnung suchte.

„Das kann schon sein, aber ich brauche keine neue Wohnung. Und außerdem dachte ich, bist du eh nur noch ein paar Tage in Deutschland. Oder hast du deinen Chef endlich davon überzeugt, dich hier arbeiten zu lassen?“

„Ich habe meinen Chef noch nicht erreicht. Er hat schließlich viel zu tun. Und außerdem glaube ich nicht, dass wir hier Entwicklungshelfer brauchen. Ich hatte mir echt schon überlegt, ob ich nicht wieder in meinem alten Beruf arbeiten gehe.“ Genau das war es auch. Meinen Chef hatte ich schon erreicht, nur der war wie immer kurz angebunden gewesen. Und als ich auf das Thema zu sprechen kam, dass ich gerne wieder in Deutschland arbeiten würde, hatte er sich taub gestellt. Zeitweise konnte er ein richtiger Kotzbrocken sein!

„Als Lehrerin? Du magst doch keine Kinder!“ Klang sie entsetzt, oder war das ein Vorwurf?

„Das stimmt so nicht ganz. Ich mag schon Kinder, nur ich mag keine kleinen Kinder. Das ist mir zu stressig. Ältere Kinder, da bin ich voll dabei.“ Nachdem Sandra und Lu aus ihrem Mädelswochenende gekommen waren und Lu sich den Fuß verletzt hatte, durfte ich dank Sandra in Luisas Klasse mit Hängen und Würgen einspringen. Aber nur weil die Rektorin an diesem Tag die Klasse nicht übernehmen konnte, da sie selbst eine Unterrichtsstunde hatte. Natürlich ging das nicht problemlos, und ganz ehrlich, wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukam, hätte ich bestimmt nicht Ja gesagt. Es war mit einem Wort – grauenhaft! Die paar Stunden, die ich für Karin eingesprungen war (unbezahlt), waren schon zu viel. Obwohl sie mir versichert hatte, dass in Luisas Klasse nur sehr fleißige und wohlerzogene Kinder wären.

„Wie alt sollen denn die sein? 30?“

„Du bist unverschämt!“, stellte ich fest. „Das sind Erwachsene, obwohl die mir wirklich am liebsten sind. Ich muss euch echt bewundern, wie ihr es schafft, diese Kinder zu erziehen.“ Dieser Thomas aus Lus Klasse war eine reine Plage. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich mit ihm einmal ausgehen wollte. Nicht, wie ich zuvor angenommen hatte – zum Essen – nein, dieser Wicht wollte Sex mit mir! Ein so kleines Kind und solch eine schmutzige Fantasie ... Was hatte der denn für Eltern?

„Du bist doch nur sauer, dass die Jungs dich verarscht haben. Die Mädchen wollten Schminktipps von dir, nichts weiter!“

Warum schmierte sie mir das jetzt aufs Butterbrot? Ich wusste schließlich, dass ich keine kleinen Kinder unterrichten wollte. Wir kamen einfach nicht miteinander aus. Erwachsene Menschen waren erwachsen. Punkt! Man konnte sich unterhalten, man wusste, worauf man sich einließ. Und vor allem – sie hörten einem zu.

„Das stimmt nicht. Ich war nur so entsetzt von dem einen Jungen. Du hast doch keine Ahnung – der wollte Sex haben! Ein bisschen frühreif, findest du nicht?“

„Du meinst Tom? Ja, der Junge ist echt Spitzenklasse …“

Der war nicht Spitzenklasse, der war frech und unverschämt zugleich. Seinen Eltern müsste man endlich mal sagen, was ihr Sprössling so vom Stapel ließ!

„Der Kleine hat einen Aufsatz über Schmetterlinge geschrieben, der so gar nichts mit dem Paarungsverhalten dieser Tiere zu tun hat. Lu hat deswegen schon mit seinen Eltern geredet.“

Aha! „Viel kann dabei aber nicht rausgekommen sein!“

„Nun ja, eigentlich schon. Aber sie konnte erst mit ihnen reden, als ihr Fuß wieder in Ordnung war. Da warst du aber schon nicht mehr da“, führte sie aus. Hervorragend, einfach nur hervorragend!

„Das hat mir aber wenig gebracht.“

„Stimmt, deswegen denke ich auch, dass du nicht für diese Art Job geeignet bist. Warum willst du eigentlich aufhören in der Erwachsenenbildung? Macht es dir keinen Spaß mehr, durch die Welt zu kutschieren?“

Nein, definitiv nicht! Ich wollte endlich wieder einmal zu Hause sein. Mit meinen Freundinnen abhängen, schöne deutsche Filme sehen – nun ja, in deutscher Sprache (und ohne nervige Untertitel) – und das deutsche Essen genießen. So schön es früher einmal war, die Welt zu bereisen, so sehnte ich mich nun nach Beständigkeit und Ruhe.

„Ich werde nicht jünger, Maus. Und ehrlich gesagt, sehne ich mich langsam nach einem festen Partner. In meinem Job kann man das nicht haben. Das geht jedes Mal schief. Ich habe es schon probiert. Sex kann man immer haben, aber … Du weißt, was ich meine!“ Ich brauchte kein Ehegelübde, geschweige denn eine Hochzeit, dazu liebte ich meine Freiheit zu sehr. Aber einen festen Partner, bei dem man sich seinen Sex holte, den man brauchte, und mit dem man Essen gehen konnte, reichte vollkommen aus. Leider hielt in meinem Job so etwas nie.

„Sicher. Dann willst du heiraten?“

„Gott bewahre – nein! Auf keinen Fall! Ich brauche einen Partner, keinen Aufpasser! Einen Mann zum Weggehen, für Sex und, wenn es nicht anders geht, auch mal für Familientreffen. Aber ganz bestimmt nicht zum Heiraten. Wo denkst du nur hin? Ich bin kein Weibchen, das zu Hause bleibt und darauf wartet, dass der Ehemann heimkommt, schnell einen Quickie schiebt und sich anschließend an den Tisch setzt und nach Essen verlangt.“ Hoffentlich blieb mir das erspart.

So eine Ehe kannte ich von meinen Eltern. Mein Vater – Gott möge mir verzeihen – ist ein ausgesprochener Chauvinist. Er kam nach der Arbeit nach Hause, schrie als Erstes: „Jenny, geh in dein Zimmer!“, und dann hörte ich, wie er über meine Mutter herfiel. Das Ganze dauerte gerade mal drei Minuten, danach durfte ich wieder herauskommen, damit er meine Hausaufgaben kontrollieren konnte. Meine Mutter setzte ein Lächeln auf und eilte in die Küche, damit das Essen schnell auf den Tisch kam.

„So was gibt es doch mittlerweile nicht mehr. Die Männer in unserem Alter sind doch ganz anders gepolt als deine Eltern. Wie geht es ihnen denn?“

Das Thema Eltern wollte ich am liebsten totschweigen. Mein Vater fiel noch immer über meine Mom her, aber meine Mutter strahlte nicht mehr nach dem Sex.

„Das weißt du nicht. Den letzten Freund, den ich hatte, der war genauso wie mein Vater. Darauf kann ich echt verzichten. Ich hasse es, wenn man mich fragt, ob ich auch ja treu bin.“

„Mensch, Jenny, das ist doch ganz klar, dass – wie hieß der Letzte noch mal, Maik oder Sam – jedenfalls, er lebt ja in Amerika, und du bist nach Indien.“

Ja, ja! „Na und? Das macht doch keinen Unterschied. Die indischen Männer sind nichts für mich. Was dachte er denn, was ich da tue? Vögeln mit Indern?“ Sie zuckte nichtssagend mit den Schultern. „Ich habe gearbeitet, und sonst nichts.“

„Ich verstehe dich schon, aber versetz dich doch mal in seine Lage.“

„Maus, das habe ich, glaub mir. Deswegen habe ich dann auch Schluss gemacht. Er hatte wesentlich mehr Gelegenheit, fremdzugehen als ich.“ Und ich wusste, dass er es auch tat. Er hatte es mir sogar gebeichtet und geschworen, dass er das nie wieder tun würde. An was glaubte Steve eigentlich – an den Weihnachtsmann? Vermutlich!

„Er hieß übrigens Steve. Bob war der davor. Es gab keinen Maik oder Sam. Der vor Bob hieß Jörgensen. Aber das mit Jörgi hielt gerade mal drei Wochen, danach ging es in die Staaten.“

„Du hast einen Männerverschleiß, das ist der Wahnsinn. Ich kann nur mit ein paar mithalten. Der Letzte geht mir tierisch auf den Keks, aber mit ihm bin ich halt schon länger zusammen.“

Obwohl ich Sandra liebte wie eine Schwester, wunderte ich mich trotzdem, dass sie bei diesem Schmarotzer Jürgen blieb. Schlussendlich war Sandra eine bildhübsche Frau, die ihren Job liebte. Und Jürgen passte so gar nicht zu ihr. Hoffentlich blieb ich noch ein Weilchen hier, denn dieser Mann, das musste sie endlich einsehen, war gut für eine Fußmassage, aber ganz bestimmt nicht für eine Beziehung. Jedenfalls nicht für so eine, wie sie Sandra verdiente.

„Dein Jürgen ist aber auch wirklich kein Mann für dich. Du brauchst etwas Temperamentvolles und keine Schlaftablette. Der einzige Vorzug, den ich bei diesem Mann sehe, ist, dass er dir deine Einkaufstüten hochschleppt und eventuell zum Massieren deiner Füße taugt.“ Natürlich war das nicht gerade feinfühlig von mir, aber anders verstand sie es nicht. Außerdem wusste ich, dass ich mit Sandra so reden durfte, denn sonst hätte sie mich schon vor langer Zeit rausgeschmissen. Genauso wusste sie auch umgekehrt, dass sie mir alles sagen konnte.

„Na, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Er massiert wirklich gut, nur in letzter Zeit reicht mir das einfach nicht mehr. Zumal, wenn ich ihn neben Lus Verlobten sehe. Das ist wirklich ein Schnuckelchen. Was denkst du?“

„Da hast du recht. Mir wäre er allerdings zu anstrengend. Obwohl Lu ja von seinen Fähigkeiten im Bett in den höchsten Tönen schwärmt.“

„Du hast ja gar keine Ahnung, Süße. Der war schon auf der Hütte so hinter ihr her. Ich war dagegen nur Luft, wenn Lu in der Nähe war.“

„Das glaube ich. Der schaut sie aber auch immer so an, als wenn er sie jeden Moment verschlingen will.“

„Hihi. Du hättest Lu sehen sollen nach einer Woche. Sie ging breitbeinig. Sie hat mir erzählt, dass sie diesen Verrückten anbetteln muss, dass er endlich Ruhe gibt.“

„Ich würde sagen, sie ist aus der Übung! Aber mal was anderes …“

„Ja?“

„Du weißt doch sicher, dass ich am Samstag Geburtstag habe. Hast du schon was geplant oder …?“ Übermorgen würde ich 34 Jahre alt werden. Bis jetzt hatten wir das immer auf der Hütte gefeiert, doch dieses Jahr saß ich hier fest. Denn noch einmal auf die Hütte zu fahren, dazu bedurfte es nicht den Willen, das wollte auch vorbereitet werden.

Ein ganzes Wochenende auf die Pauke hauen in Nürnberg? Das war nicht die richtige Stadt, um wirklich einen draufzumachen. Hier klappte man den Bordstein um zwanzig Uhr hoch, und jeder, der danach kam, hatte Pech. Jedenfalls hier in diesem Viertel.

„Oh Shit, das hab ich vergessen. Kannst du mir verzeihen?“

„Klar doch. Kann doch jedem passieren. Was wollen wir denn unternehmen?“

Keine Ahnung“, zuckte sie wieder die Schultern, stand auf und ging zum Herd.

„Was hältst du davon, wenn wir irgendwohin fahren? Vielleicht kommt Lu auch mit?“ Am besten ohne Mick, der würde sie nur ablenken.

„Das glaube ich kaum. Die steckt voll im Stress mit ihrem Schatz, und dann hat Rena auch noch Zwillinge bekommen – wo sie nun Taufpatin werden soll.“

„Ach, Gott, ja. Rena ist vielleicht eine Motte. Die Frau ist echt gut drauf und hat ihren Mann voll unter der Fuchtel.“ Warum bekam ich nicht mal so einen Mann ab? Der gefiel mir weitaus besser als Mick. Aber man sah sofort, dass er seine Frau auf Händen trug. Da war kein Rankommen.

Und grundsätzlich mischte ich mich auch nicht in intakte Beziehungen!

„Hm, ich kenne sie nur ein wenig. Ich mag die Frau, auch ihre Freundin ist echt gut drauf. Also was machen wir?“

Ja, das waren wirklich gute Freundinnen. Genauso wie Sandra und ich. Wir passten zusammen – wie Faust aufs Aug. „Keine Ahnung. Ich würde am liebsten wegfahren, irgendwo in den Norden. Wie wäre es mit St. Pauli?“

„Oh, da war ich noch nie. Aber ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann. Wir waren ja erst weg.“

„Mach dir deswegen keinen Kopf. Ich habe genug auf der hohen Kante. Was machst du da?“ Das war wieder einmal so typisch für Sandra, sie sorgte sich um alles – auch um mich. Lu hatte schon gut auf Sandra abgefärbt, das wurde mir nun bewusst, obwohl ich es schon seit der Fahrt von München nach Nürnberg mitbekommen hatte. Und Luisa mutierte langsam zu Sandra. Wie die Welt sich änderte, wenn man einige Zeit nicht mehr in ihr lebte – bildlich gesprochen.

„Ich dachte, ich stell einen Topf Wasser hin für die Nudeln. Wir brauchen doch was zum essen, außerdem kommt gleich Jürgen. Er bringt die Post mit und meinen allwöchentlichen Sex. Wenn es dir also nichts ausmacht, dann verschwinde ich nach dem Essen mit ihm in der Kiste. Dauert nicht lange.“

Meine Nerven. Genau wie bei meinen Eltern früher – halt, nein, auch jetzt noch. Ich musste Sandra da rausreißen, das war kein Zustand für sie. Vielleicht fanden wir ja einen schnuckeligen Kandidaten in St. Pauli, der sie mal so richtig rannahm. Kopfschüttelnd ging ich ins kleine Wohnzimmer, wo ich seitdem schlief. Irgendwas musste ich unternehmen, so konnte ich meine Freundin nicht mehr weiterleben lassen.

Es läutete.

„Gehst du bitte mal hin? Ich kann hier gerade nicht weg“, rief sie aus der Küche. Klar konnte ich die Tür aufmachen, aber wollte ich das denn?

„Natürlich, Maus. Hat er keinen Schlüssel?“

„Nein, den habe ich ihm abgenommen. Das weiß er aber nicht, denn ich habe ihn in dem Glauben gelassen, er hätte ihn verloren“, antwortete sie. Wow! Na, das verriet so einiges. Wenigstens hatte Sandra geschaltet. Lächelnd öffnete ich die Tür.

„Hi, ihr zwei“, brummte Jürgen und nickte in meine Richtung. Mann konnte förmlich spüren, dass er mich nicht mochte. Wobei … wenn ich so darüber nachdachte, mochte ich diesen Wicht auch nicht. Er behandelte meine beste Freundin einfach nicht gut. Und zum Glück hatte Sandra langsam geschnallt, dass es so nicht weiterging mit ihm.

„Hi, Liebling“, klang sie viel zu hoch. „Ist was im Briefkasten gewesen?“

„Ja, … äääh, ich glaube, das gehört deiner Freundin“, hörte ich ihn sagen. Schnell setzte ich ein Lächeln auf und ging zu ihnen in die Küche.

„Dankeschön. Sehr nett von dir, mir meine Post zu bringen“, grinste ich ihn schwachsinnig an.

„Gerne doch.“ Er gab mir den Brief, den ich sofort aufmachte. Oh! Oh, wie schön. Eine Geburtstagskarte. Zwar noch zu früh, aber …

„Sandra, ich kann heute nicht zum Essen bleiben. Können wir bitte gleich die Nummer schieben? Ich will noch zu Sven, wir wollen Fußball schaun. Du weißt schon, das Länderspiel, weil hier kann ich ja im Moment nicht fernsehen“, grunzte dieser Troll.

Ich bedachte Sandra mit dem wissenden Blick, den ich immer meinen Eltern zuwarf, wenn es zur Sache gehen sollte. Und Sandra sah genauso drein, wie ich dachte. Hoffentlich sagte sie diesem Proleten, er solle seinen schmierigen Arsch raus aus ihrer Wohnung bewegen, und den Sex könnte er sich sonstwohin stecken. Doch dann hörte ich, wie sie sagte: „Na, klar doch. Treiben wir es jetzt wie die Karnickel! Möchtest du, dass Jenny auch mitmacht? Wäre doch mal eine Abwechslung.“ Vor Schreck ließ ich den Brief fallen. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Oder doch? Nein!

„Oh ja, ihr zwei zusammen wär geil. Aber ich hab heut echt keine Zeit. Können wir jetzt gehen?“

Mir blieb die Spucke weg. Dieser Arsch! Hallooo?

Er ging an mir mit den Worten vorbei: „Sorry, Jenny, du schaust schon knackig aus. Vielleicht können wir das am Wochenende machen, was Sandra vorgeschlagen hat, mein ich. Da hab ich mehr Zeit.“ In diesem Moment platzte mir der Kragen.

„Du minderbemitteltes Arschloch! Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mit dir in die Kiste hüpfe? Du bist mir als Prolet zu groß und im Grunde hoffe ich für meine Freundin, dass sie dich bald an die Luft setzt! So geht man doch nicht mit der Frau um, die man liebt!?“ Sandra trat neben mich und legte mir ihre Hand auf den Arm. Ja, zum Donnerwetter, das konnte sie sich doch nicht gefallen lassen. Sie war keine achtzig Jahre alt, wo man darauf hoffte, wenigstens einmal die Woche Sex abzubekommen.

„Beruhige dich bitte, Liebes. Jürgen geht jetzt wieder. Er hat ja sowieso keine Zeit, und wir fahren morgen nach Hamburg und machen das ganze Wochenende einen drauf!“, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich grinste sie verschmitzt an. Endlich, sie hatte es begriffen!

„Aber ich hab doch noch fünf Minuten Zeit. Warum reagierst du auf einmal so komisch? Du hast doch selbst den Vorschlag gemacht – ich war doch nur nett zu deiner Freundin. Ehrlich gesagt, ist die mir der Hungerhaken zu groß“, sagte dieser Mensch unheilschwanger.

„Ich bitte dich, geh jetzt, oder ich vergesse mich wirklich“, sagte Sandra und schob ihn zur Tür hinaus. Widerstandslos wohlgemerkt.

Endlich konnte ich aufatmen.

„Es tut mir leid, Maus, aber du musst wirklich einsehen, dass dieser Mann nichts für dich ist. Denk doch bitte an meine Eltern, bei meiner Mom hat es genauso angefangen.“ Sandra nickte zwar, aber glücklich schien sie nicht zu sein. Es wurde Zeit, mich um sie zu kümmern. Anfangen würde ich mit einer Umarmung und dann mit einem Trip nach St. Pauli.

 

 

 

 

 

2

 

 

Zu dem Trip nach St. Pauli kam es nicht, stattdessen machten wir uns einen Tag später auf den Weg zum Cuxhavener Hafen. Der Brief, den ich fallengelassen hatte, entpuppte sich als Ticket für eine Kreuzfahrt nach Schottland, die mir mein Chef als Dankeschön für meine erwiesenen Dienste und als Geburtstagsgeschenk geschickt hatte. Erwiesene Dienste klang blöd, ich weiß, nun, er wusste, was gut für ihn war, wenn er nicht mit meiner Kündigung rechnen wollte.

„Wie lange dauert der Flug eigentlich? Werden wir abgeholt?“, fragte Sandra in meine Gedanken hinein.

„Äh, keine Ahnung.“ Den Flug hatte ich uns last minute bis Hamburg gebucht, von da an mussten wir mit dem Zug weiterfahren. Eine direkte Flugverbindung gab es leider vom Nürnberger Flughafen nicht. Und eine Autofahrt da hoch hätte zu lange gedauert, denn mit Sandras Fahrstil wären wir ehrlich gesagt erst nächstes Jahr angekommen. Außerdem wollte ich entspannt reisen, denn wann bekam man mal eine Reise von seinem Chef geschenkt!?

„Warum hat dir dein Chef diese Reise geschenkt?“

„Wahrscheinlich, weil ich seiner Sekretärin gesagt habe, wenn er nicht will, dass ich kündige, soll er mich doch bitte nach Deutschland versetzen!“ Tja, das hatte ich wirklich gesagt, nachdem er wieder einmal auflegte. Mit Serena konnte man sich darüber unterhalten, allerdings war ich nicht davon ausgegangen, dass sie ihm das brühwarm unter die Nase rieb. Was sich jetzt im Nachhinein wirklich als super Taktik herausstellte.

„Du hast was? Nicht dein Ernst!“ Sie schaute mich entsetzt an. Was?

„Na, klar. Ich rede gerne mit Serena. Sie versteht einen. Nicht umsonst sitzt sie im Vorzimmer meines Chefs. Wenn sie nicht alles weiß, wer dann?

„Du redest über so was mit der Chefsekretärin? Wow.“

Warum tat sie so überrascht? Das war doch ganz normal. Jeder unterhielt sich mit Serena, sie wusste den neuesten Klatsch, war immer auf dem Laufenden und gerade bei mir, wenn ich anrief zu unchristlichen Zeiten ich sie immer erreichte.

„Redest du nicht mit eurer Sekretärin?“

„Doch schon, aber nur über was, was die Schule angeht, nichts Privates.“

„Genau wie bei mir auch. Privates erzähle ich Serena auch nicht. Da hätte sie was zu tun. Außerdem ist eine Kündigung nicht privat!“

Schulterzuckend sah ich sie an. Manchmal wusste ich echt nicht, wie Sandra dachte. In unserer Studie-Zeit war Sandra meine Verbündete geworden. Wir saßen nächtelang zusammen, hatten über dies und das geredet. Wir lasen dieselben Bücher, hatten den gleichen Filmgeschmack, und auch sonst. Nur mit der Musik haperte es. Ich mochte nicht unbedingt Schlager, aber ich hörte es trotzdem mit an. Meine Stilrichtung damals ging eher in Rock-Pop-Funkie. Jetzt allerdings hörte ich lieber Klassische Musik. Es entspannte mich und brachte mich in meinem stressigen Alltag wieder auf Kurs.

„Okay. Du, ich muss aber Sonntag wieder zurückfahren, meinst du, das könnte was werden? Denn ich muss ja Montag morgens wieder in der Schule sein.“

Ich hätte mich fast an dem Glas Sekt verschluckt, das ich gerade trank. Wie meinte sie das, sie müsse Montag wieder arbeiten? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein? Eine Schiffsreise ging über mehrere Wochen, und ganz bestimmt nicht nur ein Wochenende!“

„Jenny, alles gut?“

„Nichts ist gut. Wieso Sonntag? Du denkst schon daran, dass wir auf einem Schiff sind!“, hüstelte ich.

„Ja, na und? Der macht doch auch mal halt. Ich flieg halt dann von da wieder nach Hause.“

„Nicht der, sondern das – zum Ersten. Zum Zweiten – keine Ahnung. Vielleicht fahren die auch durch. Ich habe noch nicht im Internet nach der Route gesehen. Denn ich war so überrascht gewesen. Und wie du weißt, musste ich auch den Flug buchen, damit wir losfliegen konnten. Schlussendlich müssen wir ja heute Abend an Bord kommen!“ Da hatte nichts weiter gestanden, nur eine Karte mit der Aufschrift – Happy Birthday – mit zwei Schiffskarten für die Taurus. Das Eincheckdatum und die Uhrzeit, bis wann wir spätestens an Bord gehen mussten. Es grenzte an ein Wunder, dass die Karte rechtzeitig bei Sandra angekommen war, denn wenn sie erst morgen den Briefkasten aufgemacht hätte, wäre dieser Trip nicht möglich gewesen.

Da fiel mir ein, ich musste ihrem Trottel-Freund noch Danke sagen, dass er die Post mit hochgebracht hatte.

„Meine Liebe, das heißt der und nicht das. Es heißt auch nicht das Kapitän, sondern der Kapitän! Und nur beim Schiff kannst du das anwenden, aber ein Schiff fährt nicht von alleine! Also der!“

Ich glaubte es nicht, wollte sie mich gerade belehren? Am besten ich sagte dazu nichts weiter. Luisa hatte wieder durchgeschlagen bei Sandra. Stattdessen sah ich zum Bullauge raus und betrachtete den dunkler werdenden Himmel. Hoffentlich kamen wir rechtzeitig an.

 

Der Flug ging reibungslos. Zum Zug mussten wir rennen, um ihn rechtzeitig zu erwischen, und dann stellten wir am Cuxhavener Bahnhof fest, dass wir entweder laufen, Bus oder Taxi fahren konnten, um zum Hafen zu gelangen. Laufen würde zu lange dauern, Bus ging auch nicht – blieb nur noch Taxi. Und das nahmen wir dann auch. Dem Fahrer versprach ich reichlich Trinkgeld, wenn er uns binnen fünfzehn Minuten zum Hafen bringen konnte. Und das tat er dann auch. Dreizehn Minuten und etliche rote Ampeln später übergab ich dem Taxifahrer fünfzig Euro Trinkgeld. Der machte ein Gesicht, als wenn es gerade Weihnachten wurde. Tja, wer konnte, der konnte eben!

Urlaub hieß nicht Sparen für mich. Wenn ich kein Geld hatte, konnte ich nicht wegfahren. Solche Zeiten gab es früher auch bei mir, aber nun, da ich Geld hatte, brauchte ich auch nicht mehr sparen. Für was auch – ich war allein, und außerdem würde ich meinem Chef das als Spesen berechnen. Das Geld kam auf jeden Fall wieder herein, auch wenn mein Chefchen murren würde.

„Oh mein Gott, Jenny, ich kann nicht mehr“, jammerte Sandra und hievte ihren schweren Koffer die Gangway entlang nach oben. Das kam davon, wenn man mit schwerem Gepäck fuhr. Ich hatte zwar auch meinen kleinen weißen Koffer dabei, aber der war wesentlich leichter zu transportieren als Sandras Monstrum.

„Ich versteh dich nicht, wenn du doch nur bis Sonntag bleiben willst, warum schleppst du dann so viel mit dir rum? Da hätte auch ein Rucksack gelangt.“ Auf der Hütte hatte sie doch auch ihren alten verschlissenen Rucksack dabeigehabt. Warum jetzt nicht?

„Da ist ja nicht so viel drin, aber ich wollte nicht meinen alten Rucksack nehmen. Wie hätte das denn ausgesehen, auf so einem teuren Schiff?“

Wo sie recht hatte …

„Stimmt. Hättest du mir etwas gesagt, dann hätte ich dir mein kleineres Köfferchen gegeben, das ich immer für kleine Trips mitnehme.“ Dieser kleine Koffer, der mehr wie eine Handtasche aussah, war mein ständiger Begleiter auf dem Weg zur Arbeit. Da hatte eine Menge drinnen Platz. Ich hasste Beutel oder Tragetaschen, wo meine Akten zwar Platz fänden, jedoch verknittert rauskämen. Das übernahm dann mein Köfferchen. Es sah gut aus, und wie schon gesagt – es hatte genug Platz für alles, was man im Berufsleben oder privat so brauchte.

„Warum hast du mir das nicht vorher gesagt? Ich dachte, du bewahrst da drin deine Schminksachen auf, oder so.“

„Also für einen Kajal, eine Wimperntusche und Lipgloss ist das Ding zu groß“, stellte ich fest. Schminksachen – tzzz. Ich schminkte mich nur sehr spärlich. Ich mochte den Kleister im Gesicht nicht, denn ich hatte eine natürliche Bräune, ohne ins Solarium zu gehen. In Indien war es sehr heiß, auch schon morgens, wenn ich in die Arbeit ging. Im Gegenteil, da musste ich meine Haut noch vor zu arger Sonneneinstrahlung schützen, denn ich bekam schnell Sonnenbrand.

„Woher hätte ich das wissen sollen? Hm?“

„Ist ja schon gut. Komm, ich helf dir.“ Ich griff nach dem Koffergriff, und gemeinsam schafften wir es dann auch pünktlich an Ort und Stelle zu sein. Dem Steward gab ich meine Tickets zum Entwerten.

„Willkommen auf der Taurus!“ Er verbeugte sich nonchalant. „Schön, dass Sie mit uns fahren. Sie sind die Letzten, auf die wir gewartet haben. Ich bringe Sie gleich zu Ihrer Koje“, sagte er freundlich.

„Danke schön, sehr freundlich von Ihnen“, antworteten wir beide gleichzeitig. Der Steward ging nur ein paar Meter mit uns mit und übergab uns dann an einen anderen Steward mit Namen Simon. Ein schnuckeliger Kerl, der ständig lächelte. Nur Sandra entging das irgendwie. Sie sah auch nicht gut aus.

„Geht’s dir gut, Maus?“, fragte ich sie besorgt.

„Nicht wirklich. Ich habe das Gefühl, mir dreht sich gleich der Magen um.“

„Oh weh. Wenn es Sie beruhigt, wir haben einen Schiffsarzt an Bord. Ich hole ihn sofort, nachdem ich Ihnen Ihre Koje gezeigt habe. Dürfte ich bitte Ihre Tickets sehen?“

„Genau, Süße, das wird schon wieder“, versuchte ich sie zu beruhigen. Sandra schien sich jeden Moment abstützen zu müssen.

„Hier schaukelt es aber echt arg“, sagte sie gedämpft.

Schaukeln? Es fühlte sich nicht an wie schaukeln. „Schatz, das glaubst du nur. Es schaukelt nicht. Es ist ganz ruhig, genau wie an Land.“ Ich nahm ihre nasskalte Hand in meine und führte sie. Na, das konnte etwas werden.

„Wann sind wir da?“

„Sie haben ein Zimmer auf dem oberen Deck. Eine unserer fünfzig Luxuskabinen. Am besten wir fahren mit dem Aufzug nach oben, oder möchten Sie lieber laufen?“

„Aufzug klingt hervorragend“, antwortete ich lächelnd. Sandra sah mich vorwurfsvoll an. Was? Wollte sie etwa ihren schweren Koffer nach oben hieven? Sie tat sich ja eh schon schwer.

„Sie haben ein privates Deck mit Swimmingpool und Bar“, erzählte er uns, und noch so einiges mehr freundlich. Nur hörte ich nicht mehr zu. Sandra beunruhigte mich. Hoffentlich ging es ihr morgen besser. Vielleicht musste sie sich nur an das Schiff gewöhnen.

Wir stiegen in den Fahrstuhl ein und fuhren in den vierten Stock. Als die Aufzugtüren aufgingen, traf mich es wie aus heiterem Himmel. WOW! Was für ein Glanz! Mir stockte der Atem bei so viel Prunk – nein, Ausgewogenheit der Farben. Was für ein wunderschönes Schiff!

„Wahnsinn!“ Mir blieb die Spucke weg. Wie angewurzelt stand ich da und schaute auf beiden Seiten den Gang hinunter. Es hingen Bilder an den Wänden. Nicht irgend solche Nullachtfünfzehn-Bildchen. Nein, da hingen Gemälde von Van Gogh, Monet, Gauguin, Degas, Boticelli und der Hase von Dürer. Boah, das war das Paradies. Bei dem Anblick vergaß ich sogar Sandra, die mit dem Steward weitergelaufen war.

„Komm schon, Jenny, der nette Steward wartet auf uns.“

Langsam setzte ich mich in Bewegung. „Ich kann es nicht glauben, Sandra. Siehst du all diese wunderschönen Bilder? Wie weit die wohl gehen? Ich glaube, ich schlage gleich hier mein Lager auf. Da bin ich ja im Himmel“, schwärmte ich. Ich hatte ein Faible für alte Maler. Sie sahen nicht nur das, was sie malten, sondern sie fühlten die Farben, die sie auf die Leinwand brachten. In dem Moment war mir unser Zimmer völlig egal. Ich wollte den Gang erkunden, jedes einzelne Bild betrachten und mir vorstellen, wie es gemalt worden war.

„Du und deine Malerei. Du hättest Kunstlehrerin werden sollen“, lachte Sandra und zog mich mit sich. Der freundliche Steward wartete bereits vor der geöffneten Tür.

„Kann ich den Damen noch etwas bringen, außer einer Reisetablette?“, fragte er lächelnd.

„Die Gemälde bitte. Hängen Sie sie ab und bringen Sie sie mir“, antwortete ich spontan.

„Vergessen Sie’s. Sie ist im Taumel der Farben“, winkte Sandra ab, nahm unsere Schlüsselkarten und gab Simon zwei Euro Trinkgeld. Simons Blick war göttlich, als er in seine Hand schaute. Hier erwartete man kein Kleingeld, sondern Scheine.

„Danke, aber das ist nicht nötig.“

Er gab ihr die zwei Euro wieder zurück. Damit Sandra nicht ganz so schlecht wegkam beim Steward, ging ich noch mal zurück und drückte ihm einen Zwanzig-Euro-Schein in die Hand. Die Reaktion des Stewards blieb gleich. Merkwürdig!

„Ich danke Ihnen. Bitte nehmen Sie das zurück. Wir werden hier wirklich gut bezahlt, und ob Sie mir nun Trinkgeld geben oder nicht, ich werde immer da sein, wenn Sie etwas benötigen“, sagte er und gab mir meinen Schein zurück.

Eigentlich hätte ich beleidigt sein sollen, denn seine Antwort kam sehr arrogant herüber, allerdings war ich zu geflashed von der Ehrlichkeit des Stewards. „Vielen Dank, aber wenn ich Ihnen ein Trinkgeld gebe, dann nehmen Sie es bitte beim nächsten Mal an“, sagte ich und gab ihm den Schein zurück. Lächelnd über seinen Gesichtsausdruck schloss ich die Tür.

Das Zimmer – ein einziger Palast. Wenn ich vorhin schon gedacht hatte, ich wäre im Himmel gelandet, wo war ich dann hier? Gab es denn eine Steigerung von Himmel?

„Wow, Jenny, sieh doch mal! Wir können direkt von unserem Schlafzimmer aus auf die Terrasse gehen.“ Sandra hatte den Vorhang beiseitegeschoben. Das sah nicht wie eine Kabine oder Kajüte im herkömmlichen Sinn aus, wie die, die man im Fernsehen immer zu sehen bekam. Keine Bullaugen, weder kleine noch große. Stattdessen eine Terrassentür mit einfachen schneeweißen Stores und schweren Damast-Vorhängen in Burgundrot. Was für ein Anblick!

Es klopfte an der Tür. Ich riss meinen Blick los und öffnete. Da stand ein gut gekleideter Mann in Uniform, an dessen Hemd ein kleines Schild mit der Aufschrift Schiffsarzt Dr. Halle prangte. Doppel-Wow! Von so einem Arzt träumte man, untersucht zu werden. Grinsend ließ ich ihn eintreten.

„Simon sagt, es wäre jemand von den Damen jetzt schon seekrank?“

Sandra drehte sich schnell um, und mit einem Mal erhellten sich ihre Augen. Hach …