Charlottes heißer Sommer - Jaci Burton - E-Book

Charlottes heißer Sommer E-Book

Jaci Burton

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Beschreibung

Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt Charlotte Weston aus New York in den ländlichen Süden zurück, um das Familienerbe anzutreten. Sie möchte Haus und Grundstück so schnell wie möglich verkaufen, um sich endlich ihren Traum zu erfüllen: ein eigenes kleines Theater in New York. Charlotte sieht sich gezwungen, den Handwerker Sam Tanner anzuheuern. Der Haken an der Sache: In der Highschool war Charlotte unsterblich in Sam verliebt, als er der größte Draufgänger der Schule und sie das schüchterne Mädchen aus der Theater-AG war. Sie hatte ihn geküsst und er hatte gelacht - während sie davonlief. Jetzt ist Charlotte erwachsen und hat ihre Gefühle für Sam selbstverständlich hinter sich gelassen. Sie ist eine selbstbewusste Frau und möchte Karriere machen. Sams Charme lässt sie aber nicht kalt - liebevoll kümmert er sich um ihr Haus und scheint mehr Zeit dort zu verbringen, als eigentlich nötig wäre. Nicht nur das Wetter heizt sich langsam auf im kleinen Städtchen Magnolia. Bald gibt sich Charlotte ihren Sehnsüchten hin. Warum soll sie sich nicht ein wenig in Sams Armen vergnügen, wenn es schon nichts anderes zu tun gibt in diesem Kaff? Sobald die Reparaturen beendet sind, wird sie nach New York zurückkehren. Doch Charlottes Herz beginnt, in einem anderen Rhythmus zu schlagen.

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Seitenzahl: 320

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Jaci Burton

Charlottes heißer Sommer

Erotischer Roman

Übersetzt von Malina Sophie Meyer

SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF

INHALT

Widmung

Für Charlie. Ohne Dich hätte ich dieses Buch, das für uns beide auch heute noch etwas ganz Besonderes ist, niemals geschrieben. Ohne Dich hätte ich nie die zauberhafte Liebe gefunden, die mich inspiriert. Du bist der Grund für dieses Buch, und du bist der Grund dafür, dass ich glücklich bin. Ich liebe Dich, Babe.

Kapitel 1

Charlotte Weston holte tief Luft, als sie draußen vor dem Haus stand und nervös auf das Firmenschild an der Eingangstür blickte: »TNT Construction«.

Es war schon schlimm genug, dass sie hier in Magnolia sein musste. Das Einzige, was diese Kleinstadt in ihr auslöste, waren schlechte Erinnerungen, und Charlotte hatte die Absicht, dieses Kaff so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Ihr Leben wartete in New York auf sie. Obwohl sie in South Carolina aufgewachsen war, fühlte sie sich hier nicht mehr zu Hause.

Nur noch eine Sache − eine einzige, große Sache − musste sie noch erledigen, dann würde sie Magnolia für immer hinter sich lassen. Zu dieser großen Sache gehörte allerdings auch, dass sie durch die Tür jenes Gebäudes gehen und sich ihrer Vergangenheit stellen musste. Sie würde alles tun, um endlich ihre schlechten Erinnerungen loszuwerden.

Charlotte nahm ihren Mut zusammen, öffnete die Tür und betrat das Gebäude. Es ging schließlich um ihren großen Traum. Ganz egal, wer der Boss von TNT Construction sein mochte, sie war nun mal auf die Hilfe der Baufirma angewiesen. Und wenn es bedeutete, dass sie dafür Sam Tanner wiedersehen musste, dann sollte es wohl so sein.

Die kühle Luft der Klimaanlage fühlte sich wesentlich angenehmer an als die feuchte Wärme draußen, die so typisch für einen Sommer in South Carolina war. Eine junge, attraktive Blondine hinter einem großen Tresen aus Eichenholz in der Mitte des Büros empfing Charlotte mit einem Lächeln.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau. Die Wimpern über ihren blauen Augen trugen so viel Mascara, dass es eigentlich ein Wunder war, dass sie überhaupt noch etwas sehen konnte.

Die Mode hier im verschlafenen South Carolina unterschied sich doch merklich von der in New York City. Hatte Charlotte damals auch solche Klamotten getragen wie die Frau hinter dem Tresen? Hatte sie auch zu viel Make-up aufgelegt? Es war schon so lange her, dass sie sich nicht mehr erinnern konnte.

Oder besser gesagt: dass sie sich nicht erinnern wollte – wie an so viele Dinge, die Magnolia betrafen.

»Ich möchte gern mit Sam Tanner sprechen.« Charlotte hätte wohl jeden anderen Bewohner Magnolias lieber getroffen, aber sie hatte keine Wahl. Sam war der Einzige, der ihr helfen konnte.

»Haben Sie einen Termin?«

»Nein, tut mir leid. Ich möchte mit ihm über einen Auftrag sprechen.«

Die Frau griff zum Telefonhörer und drückte einen Knopf auf der Tastatur. Ihre langen Fingernägel waren knallrot lackiert. »Ich sage Sam, dass Sie hier sind. Wie lautet Ihr Name?«

»Charlotte Weston.« Er würde sich wahrscheinlich nicht an sie erinnern. 14 Jahre waren eine lange Zeit. Und sie waren nicht einmal ein Paar gewesen. Charlotte war einfach nur ein Name auf der Liste der Mädchen, die Sam aufgerissen und verarscht hatte.

Dabei hatte es diesen einen wundervollen Moment zwischen ihnen gegeben – als er sie geküsst hatte.

Sam hatte das wahrscheinlich absolut nichts bedeutet. Aber damals, im Alter von 16 Jahren, hatte es Charlottes Herz zum Schmelzen gebracht. Sie und Sam, vereinigt in diesem einen Kuss, das war pures Verlangen, es waren ihre ersten richtigen Liebesgefühle. Der Traum eines jeden Mädchens.

Aber ihre erste Liebe, dieser erste Kuss, war schon lange her. Seitdem war viel passiert. Sie hatte sich verändert, und die typischen Probleme eines Teenagers, mit denen sie damals zu kämpfen hatte, waren mittlerweile so gut wie vergessen.

Jetzt ging es darum, das Haus ihrer Großmutter reparieren zu lassen und zu verkaufen, um so schnell wie möglich wieder aus dieser Gegend zu verschwinden.

Die Blondine am Empfangstresen legte den Telefonhörer auf und sagte: »Sam kommt gleich. Nehmen Sie doch so lange Platz.«

Charlotte setzte sich in die Nähe des Fensters und blickte nach draußen. Magnolia hatte sich überhaupt nicht verändert, seitdem sie fortgegangen war. Die altmodischen Familienbetriebe entlang der Main Street versprühten noch immer den Charme einer Kleinstadtidylle.

Sie erinnerte sich an ihre Kindheit und die Ausflüge mit ihrer Großmutter in die Stadt, die sie fast jeden Samstag unternommen hatten, um dort einkaufen zu gehen. Die Ladenbesitzer hatten Charlotte gut gekannt und ihr oftmals Süßigkeiten geschenkt.

Jede Erinnerung an die Zeit, die sie mit ihrer Großmutter verbracht hatte, gehörte zu den guten Erinnerungen. Jetzt, da Grandma nicht mehr lebte, konnte Charlotte sich für immer von diesem Ort lösen.

Charlotte hatte nicht vorgehabt, nach der Beerdigung im vergangenen Monat noch einmal nach Magnolia zurückzukehren. Grandma war ihre letzte Verbindung zu diesem Ort gewesen, sie hatte Charlotte großgezogen, während ihre Mutter immer zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ihr eigenes Leben zu vermasseln, anstatt sich Zeit für ihre Tochter zu nehmen.

Grandma hatte Charlotte immer gesagt, dass sie ihr Leben leben und niemals zurückblicken solle. Genau das hatte Charlotte getan, als sie nach New York gegangen und nur gelegentlich wieder hergekommen war, um ihre Großmutter zu besuchen.

In den vergangenen Jahren war Charlotte immer seltener nach Magnolia gekommen, und zum Schluss hatte sie ihre Besuche ganz eingestellt. Grandma hatte New York geliebt, und so hatte Charlotte dafür gesorgt, dass ihre Großmutter sie einige Male im Jahr besuchen kam und sie sich die neuesten Musicals gemeinsam ansehen konnten.

Irgendwann war Grandma allerdings zu alt und gebrechlich dafür geworden, und Charlotte hatte sich nicht mehr überwinden können, sie in Magnolia zu besuchen. Obwohl Grandma es verstanden hatte, konnte Charlotte es sich nicht verzeihen, ihre Großmutter nicht noch einmal besucht zu haben, bevor diese starb.

Jetzt war Charlotte aber wieder hier. Der Anruf von Grandmas Notar hatte sie zur Rückkehr gezwungen, wenigstens für ein paar Wochen. Und nun hatte sie die Firma TNT Construction aufgesucht und wartete darauf, Sam Tanner wiederzusehen.

Die Doppeltür hinter dem Empfangsbereich öffnete sich. Charlotte konnte die Stimmen zweier Männer hören, ohne sie zu sehen. Sie holte tief Luft und wartete.

Er würde sich nicht an sie erinnern, da war sie sich ganz sicher. Es war ja auch nur ein Kuss gewesen, für ihn alles andere als unvergesslich.

Eine tiefe Stimme war aus dem Flur hinter der Doppeltür zu hören. »Das ist kompletter Schwachsinn, Tony, und das weißt du! Für das Projekt wurde bereits vor sechs Monaten ein Angebot angenommen. Sag den Kunden, dass sie ihre müden Ärsche in Bewegung setzen und nicht weiter versuchen sollen, uns wegen der Kosten über den Tisch zu ziehen. Sieh zu, dass die Sache endlich in Gang kommt!«

»Genau das versuche ich doch die ganze Zeit, Mann! Du brauchst mich deshalb nicht anzuschreien.« Ein großer, gut aussehender Mann mit hellblonden Haaren und braunen Augenbrauen kam lässig durch die Tür geschlendert. »Ich bin nicht taub, okay?« Er hielt kurz am Empfangstresen an und lächelte der Blondine zu. Offensichtlich hatte ihn die vorausgegangene Auseinandersetzung nicht besonders wütend gemacht. »Bis später, Cookie.«

»Bis später, Tony«, hauchte die Blondine zurück, und ihr lüsterner Blick folgte dem attraktiven Mann, als er sich auf den Weg nach draußen machte.

Cookie? Die Blondine hieß Cookie? Charlotte musste sich das Lachen verkneifen.

Bevor Tony das Gebäude verließ, blieb er an der Tür stehen, wo er Charlotte sitzen sah. »Kümmert sich schon jemand um Sie, Schätzchen?«

Charlotte stand auf, um ihm zu antworten, aber bevor sie dazu kam, ertönte hinter Tony eine Stimme: »Ich kümmere mich um sie.«

Tony blickte über seine Schulter, sah dann wieder zu Charlotte und grinste breit. »Ja, da bin ich mir ganz sicher. Schade, Sie hätten sicherlich lieber mit mir zu tun gehabt, Schätzchen.« Er zwinkerte ihr zu und verließ das Gebäude.

Als Tony gegangen war, konnte Charlotte endlich auch den zweiten Mann sehen. In diesem Augenblick hätte sie sich gewünscht, noch zu sitzen, denn was sie erblickte, haute sie beinahe um.

Ein 1,90 Meter großer, umwerfend gut aussehender Mann stand vor ihr. Er trug ein Poloshirt mit der Aufschrift »TNT Construction«, das sich eng an seinen Oberkörper schmiegte, sowie Jeans, die seine muskulösen Oberschenkel wie eine zweite Haut umspannten. Er hatte pechschwarze, kurze glatte Haare. Seine funkelnden türkisblauen Augen erinnerten Charlotte an die Farbe des Meeres, das sie im Urlaub in Mexiko gesehen hatte. In New York hätte dieser Typ sofort einen Job als Model bekommen. Muskelprotze wie er waren in der dortigen Modewelt schwer gefragt.

Er war ganz anders, als Charlotte ihn in Erinnerung hatte − noch attraktiver als damals in der Highschool. Sie hatte erwartet, dass er verdammt alt geworden sei – vielleicht hatte sie das aber auch nur gehofft. Stattdessen hatte er sich von einem gut aussehenden Jungen zu einem atemberaubenden Mann entwickelt.

Er war perfekt.

»Sieh an«, sagte er und schlenderte lässig auf Charlotte zu. Mit ihren 1,70 Metern wirkte sie ihm gegenüber fast winzig. »Charlotte Lee Weston, das Mädchen aus der Großstadt hat es zurück nach Magnolia verschlagen.« Sein umwerfendes Lächeln und sein durchdringender Blick brachten Charlotte völlig durcheinander.

»Sam«, entgegnete sie ihm in einer Stimmlage, die ihr selbst viel zu tief und sexy vorkam, als dass sie von ihr stammen könnte.

Atmen, Charlotte, atmen! Du kommst in New York City mit den Haien der Großstadt klar, also kannst du es auch verdammt noch mal mit diesem Provinzschönling Sam Tanner!

»Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« Seine tiefe, volle Stimme ging ihr durch Mark und Bein und wärmte sie von innen. Die Mauer aus Eis, die sie um sich herum errichtet hatte, schmolz einfach so dahin, und sie spürte, wie ein seit langem schlummerndes Gefühl plötzlich wieder erwachte.

»Ja, da hast du recht.« Er war also immer noch ein heißer Typ – nein, noch viel heißer, als sie ihn in Erinnerung hatte.

Denk ans Geschäft. Denk ans Geld. Denk an alles andere, aber nicht an seinen durchdringenden Blick oder daran, wie er riecht, so maskulin, so überwältigend … potent.

Was war nur los mit ihr? Sie sollte wohl besser etwas sagen, aber in ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Immerhin hatte sie ihre akademische Laufbahn mit magna cum laude vollendet und war normalerweise nicht auf den Mund gefallen. Und jetzt stand sie dem Mann ihrer Mädchenträume sprachlos gegenüber. Der früher schon gut aussehende Kerl hatte sich zu einem sehr großen, irgendwie verstörenden Prachtstück von Mann entwickelt.

»Lass uns in mein Büro gehen«, sagte er. Charlotte war froh, dass er damit ihrer Sprachlosigkeit ein Ende setzte.

Sie folgte Sam durch die Doppeltür und bemerkte, wie Cookie die Augenbrauen hochzog und ihr neugierig nachblickte. Das Getratsche würde also nicht lange auf sich warten lassen. Charlotte konnte sich gut vorstellen, was in diesem Moment im Kopf der jungen Blondine vorging. Sie hätte wetten mögen, dass Cookie gleich zum Telefon greifen würde, um sich Informationen über Charlotte zu beschaffen.

Sam führte sie in sein geräumiges Büro. Ein großer Tisch aus Eichenholz stand mitten im Raum, davor zwei Stühle mit grauem Stoffbezug. Auf der linken Seite des Tisches befand sich ein akkurat sortierter Stapel Papiere und in der Mitte ein Laptop.

Wie ordentlich.

Ein großes Panoramafenster bot einen hervorragenden Blick auf das Treiben auf der Main Street. Sam bat Charlotte, sich zu setzen, während er auf seinem Bürostuhl Platz nahm.

»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte er in einer Stimmlage, die wesentlich tiefer war, als Charlotte sie in Erinnerung hatte, »habe ich dich zuletzt beim Frühjahrsschulball gesehen. Ich war in der zwölften Klasse und du ein Jahrgang unter mir. Wir hatten uns in eine ruhige Ecke verzogen, wo ich dich geküsst habe, und du bist wie ein verschrecktes Kaninchen weggerannt.«

Verdammt. Er konnte sich also doch noch daran erinnern.

»Du wirkst immer noch ein wenig ängstlich, Charlotte. Aber jetzt hast du doch sicherlich keine Angst mehr vor mir, oder?«, sagte er mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. Sie spürte, dass ihr heiß wurde, trotz der kühlen Luft im Büro.

Charlotte hob ihr Kinn. »Ich hatte nie Angst vor dir«, log sie. Allerdings war ihre jetzige Beklemmung nichts im Vergleich zu damals. Sam hatte sie vor all den Jahren dazu gebracht, Dinge zu wollen, die sie sich zuvor nie hatte vorstellen können.

Dinge, an die sie nicht mehr gedacht hatte, seitdem sie Magnolia nach der Highschool verlassen hatte. Dinge, an die sie auch jetzt nicht denken wollte.

»Ich hab mich immer gefragt, warum du nach unserem Kuss weggerannt bist. An dem Kuss selbst konnte es nicht gelegen haben. Kein anderes Mädchen vor oder nach dir hat sich einfach so aus dem Staub gemacht.« Er hielt sich anscheinend für äußerst witzig, weil er die ganze Zeit süffisant grinste. »Die anderen Mädchen haben mir im Gegenteil bestätigt, dass ich verdammt gut küssen könne.«

Sie hätte gern über seine Überheblichkeit gelacht, aber er hatte leider recht. Sam war im Küssen wirklich verdammt gut. Er hatte es schließlich geschafft, in ihr die Lust auf Sex zu wecken, ein Verlangen, das sie nie zuvor verspürt hatte. Genau das hatte sie damals dazu gebracht, in Panik wegzulaufen.

Charlotte gab sich gelassen. »Sam, das ist 14 Jahre her. Ich kann mich an den Kuss kaum noch erinnern.« Na klar – nur, dass sie jedes Mal an ihn denken musste, wenn irgendein anderer sie küsste! Und keiner hatte je das Feuer der Leidenschaft so sehr in ihr entfachen können, wie Sam es damals getan hatte.

Sie konnte sich immer noch genauestens daran erinnern, wie seine Lippen über ihre geglitten waren, fordernd, überwältigend, wie seine Zunge ihre Mundhöhle erforscht hatte, wie Sam in ihr diese unglaubliche Lust geweckt hatte – bis sie plötzlich erkannt hatte, was sie tat, und davongerannt war, als ginge es um ihr Leben.

»Vielleicht kannst du dich nicht daran erinnern, aber ich weiß es noch genau.« Ihre Blicke berührten sich einen Moment lang, und Charlotte glaubte, in seinen Augen ein leichtes Aufflammen von Zuneigung zu sehen, das aber sofort wieder verschwand. »Bist du aus geschäftlichen Gründen hier, Charlotte, oder willst du mit mir nur über die guten alten Zeiten plaudern?« Von seinem sinnlichen Blick war plötzlich nichts mehr zu sehen. Lässig lächelte er sie an.

Wie schnell er seinen Charme ein- und ausschalten konnte! Typisch für Männer wie ihn! »Ich bin hier, weil ich mit dir über Belle Coeur sprechen möchte. Ich habe das Haus geerbt, und es muss dringend repariert werden, um es zu erhalten.«

»Ich habe gehört, dass Lilian verstorben ist. Zu dem Zeitpunkt war ich nicht in der Stadt und konnte deswegen auch nicht zur Beerdigung kommen. Mein Beileid.«

»Danke«, sagte sie und erkannte, dass er es mit dem Mitgefühl ernst meinte. Sie blickte auf den Boden und kämpfte gegen das Gefühl der Trauer an, das sie immer noch verspürte. »Jedenfalls möchte ich TNT den Auftrag erteilen, die Reparaturarbeiten am Haus vorzunehmen.«

Das war ein bisschen gelogen. Charlotte wollte eigentlich nichts mehr mit Sam Tanner zu tun haben, aber sie hatte herausgefunden, dass TNT als einzige Firma vor Ort dazu in der Lage war, die umfangreichen Arbeiten an Belle Coeur durchzuführen.

»Über welche Art von Reparaturen sprechen wir?« Sam schnappte sich einen gelben Notizblock und zog einen Kugelschreiber hervor.

Charlotte verschränkte die Beine und lehnte sich zurück. Jetzt konnte sie sich wenigstens ein wenig entspannen, weil sie sich nun über das Haus unterhielten und nicht mehr von dem Kuss die Rede war. »Ehrlich gesagt, kann ich es nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass das Haus baufällig ist und wahrscheinlich sehr viel daran gemacht werden muss, aber ich habe keine Ahnung, was genau zu tun ist.«

Sams Blick folgte jeder ihrer Bewegungen und glitt kurz auf ihre Beine hinab, bevor er mit einem kleinen Lächeln schnell wieder zu ihr aufblickte. Charlotte zog verlegen am Saum ihres kurzen Rocks. Hätte sie doch bloß eine Hose angezogen!

»Es kommt darauf an, was du mit dem Besitz vorhast.«

»Ich beabsichtige, Belle Coeur zu verkaufen.«

»Verkaufen?« Sam war sichtlich überrascht. »Bist du sicher, dass Lilian das gewollt hätte? Ich dachte, Belle Coeur gehört schon seit Generationen eurer Familie.«

Sie nickte und verdrängte sogleich jegliches Schuldgefühl. »Ja, das stimmt, aber ich habe nicht vor, jemals wieder nach Magnolia zurückzukehren. Mein Leben findet jetzt anderswo statt, und dort will ich auch bleiben. Ich habe Pläne.«

Große Pläne. Mit dem Geld aus dem Verkauf des Hauses könnte sie ihren Traum verwirklichen, ein Theater in New York zu eröffnen. Auch wenn sie es vielleicht einmal zutiefst bereuen würde, ihr Familienhaus verkauft zu haben, schob sie jeglichen Anflug von Sentimentalität beiseite. Dies war eine geschäftliche Entscheidung.

»Ach ja, New York, stimmt’s?« Charlotte nickte bestätigend. »Dort, wo das Theater zu Hause ist. Das passt ja zu deiner dramatischen Ader.« Er wurde sarkastisch, und Charlotte konnte sich genau vorstellen, was er jetzt dachte. Die kleine Leiterin des Highschool-Theaterkurses strebt nach Ruhm und Erfolg im Big Apple.

Sie lächelte und hütete sich davor, ihm zu zeigen, wie sehr seine Kommentare sie ärgerten. »Ja, das ist in der Tat recht passend.«

»Ich dachte, du hättest nach der Highschool die Lust an dieser Theatersache verloren. Anscheinend nicht.«

Charlotte merkte, wie Wut in ihr aufstieg, sie schoss zurück: »Ich dachte, du hättest nach der Highschool die Lust daran verloren, ein sarkastisches Arschloch zu sein. Anscheinend nicht.«

Er formte seine Lippen zu einem gequälten Lachen. »Touché. Das heißt also, du arbeitest immer noch am Theater?«

»Ja, Regieassistenz am Manhattan Community Playhouse.« Jedenfalls momentan noch. Bis sie ihr eigenes Theater eröffnen konnte. Dann würde sie als Leiterin ihre eigenen Stücke aufführen.

»Was? Du bist keine Schauspielerin?«

Die Art, wie er das Wort »Schauspielerin« betonte, hörte sich für sie wie eine Beleidigung an. Jetzt wurde Charlotte wirklich sauer. »Hast du irgendein Problem mit meiner Berufswahl?«

Sein Lächeln wurde immer breiter und Charlotte immer unsicherer. »Würde es dich stören, wenn es so wäre?«, fragte er.

Auch wenn sie ihm jetzt am liebsten sein blödes Grinsen aus dem Gesicht geschlagen hätte, schüttelte sie nur den Kopf und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Nicht im Geringsten. Würde es dich stören, wenn ich dich für einen arroganten Scheißkerl halten würde?«

Er ahmte ihre Antwort nach und sagte sanft: »Nicht im Geringsten.«

Sie erinnerte sich plötzlich wieder daran, wie sehr er ihr in der Highschool das Leben schwer gemacht hatte, indem er sie in peinliche Situationen gebracht und sie ständig nur gehänselt hatte. Er war der einzige Typ, in den sie unsterblich verknallt gewesen war, und er hatte sie stets nur für eine Theaterverrückte gehalten. Offensichtlich tat er das immer noch. Genauso wie Magnolia hatte sich auch Sam überhaupt nicht verändert.

»Ich würde diese Angelegenheit gern auf beruflicher Basis belassen, Sam. Wir haben keine gemeinsame Vergangenheit, wir waren nicht mal Freunde. Bist du nun an meinem Angebot interessiert, oder soll ich zu einer anderen Firma gehen?«

Sam stand auf und kam langsam auf sie zu. Auch Charlotte hatte sich erhoben und kämpfte gegen den Wunsch an, vor ihm zurückzuweichen. Tief im Inneren wollte sie standhaft bleiben und Sam zeigen, dass sie keine Angst davor hatte, in seiner unmittelbaren Nähe zu sein. Auch wenn ihr Herz vor Aufregung raste.

Sams mysteriöse türkisblaue Augen musterten sie. Sie wollte ihren Blick abwenden, konnte aber nicht.

»Sorry, aber du kannst nirgendwo anders hingehen. Dies ist die einzige Baufirma in der Stadt. Daher sieht es wohl so aus, dass du dich mit mir arrangieren musst. Also, wenn du magst, komme ich morgen vorbei, sehe mir das Haus an und mache dir einen Kostenvoranschlag für die Reparaturen.«

Er wollte persönlich vorbeikommen? Hatte er keine Angestellten, die solche Dinge für ihn erledigten? Es passte ihr gar nicht, sich nochmals mit ihm abgeben zu müssen.

»Kannst du nicht jemand anderes schicken?«

Er zog die Mundwinkel leicht nach oben. »Warum? Hast du Angst davor, mit mir allein zu sein?«

Verdammt, warum hatte sie ihn das bloß gefragt? Charlotte sträubte sich dagegen, Angst vor Sam zu haben. Soll er doch vorbeikommen und die Arbeit selber machen!

Schließlich empfand sie gar nichts mehr für ihn. Wenn sie sich das weiterhin einredete, würde sie es vielleicht irgendwann glauben. Schön wär’s.

»Ich habe keine Angst davor, mit dir allein zu sein. Mir gefällt bloß deine Art nicht.«

Sam lachte sie an. »Meine Art? Du meinst mein Interesse, nicht wahr?«

»Interesse? Wohl kaum.« Sam war ganz sicher nicht an ihr interessiert. Genauso wenig wie sie an ihm.

»Ich habe das Gefühl, dass ich dir noch immer Angst mache, Charlotte. Allerdings frage ich mich, ob du nicht generell Angst vor Männern oder vielleicht nur vor dir selbst hast?«

Ihre Blicke trafen sich und ließen nicht mehr voneinander ab. Charlotte hätte gern gewusst, ob er auch nur im Geringsten eine Ahnung davon hatte, wie treffend seine Vermutungen waren, was ihre Ängste betraf.

Als sie nicht antwortete, zuckte er mit den Schultern. »Aber wenn du dich nicht traust, mit mir allein zu sein, schicke ich dir auch gern Tony vorbei.«

Charlotte spürte, dass sie in eine Falle getappt war. Wenn sie ihn bat, Tony zu schicken, würde Sam wissen, dass sie immer noch etwas für ihn empfand. Auf keinen Fall wollte sie sich die Blöße geben und erneut vor ihm wegrennen. Schließlich waren sie nicht mehr in der Highschool! Charlotte hatte keine Angst vor ihm. Sie versuchte, lässig zu bleiben. »Du kannst schicken, wen du willst. Es ist mir egal, wer von deiner Firma vorbeikommt.«

»Dann sehen wir uns morgen. Ich werde früh bei dir auf der Matte stehen!«

»Schön. Bis dann.« Als sie sich umdrehte, um zu gehen, bemerkte sie ein kurzes vergnügliches Grinsen auf seinem Gesicht. Zuerst wollte sie stehen bleiben, um eine Bemerkung zu machen, überlegte es sich dann aber anders. Als sie das Büro verlassen hatte, hielt sie an der Doppeltür zum Empfangsbereich kurz an und atmete tief ein in der Hoffnung, ihre Nerven beruhigen zu können.

Warum beschäftigte er sie nach all diesen Jahren immer noch so sehr?

*

Sam knipste die Schreibtischlampe an und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Er blickte auf seine Armbanduhr und bemerkte, dass es mittlerweile schon neun Uhr abends war. Wieder mal Überstunden. Kein Wunder, dass er schon seit Ewigkeiten keine Frau mehr flachgelegt hatte. Wie sollte er auch eine kennenlernen, wenn sein Leben nur aus Arbeit bestand? Er nahm sich hier und jetzt vor, diesen Zustand zu ändern, sobald sich die Gelegenheit ergeben würde.

Dann müsste er nicht ständig an vergangene Zeiten denken, so wie an diese Frau, die er ja doch niemals haben könnte. Er schüttelte den Kopf. Wie zu Highschoolzeiten! Er konnte sie schon damals nicht haben.

Charlotte Weston. Kein Wunder, dass er jetzt an Sex denken musste. Sie nach all den Jahren wiederzusehen regte schlagartig seine Libido an. Das hatte er nicht erwartet! Er musste sich schon lange nicht mehr mit den Gefühlswallungen eines Teenagers herumschlagen, aber als er Charlotte heute gesehen hatte, war ihm eindeutig heiß und kalt geworden. Ihm kam es vor, als wären all die Jahre nicht verstrichen, als wäre der Frühjahrsschulball erst gestern gewesen. Er konnte sich immer noch genau an den Geschmack ihrer Lippen und den Kuss erinnern. So süß, so unschuldig und dennoch so fordernd.

Damals hatte er sich so sehr danach gesehnt, dass er noch heute spürte, wie es sich angefühlt hatte. Aber das alles lag in der Vergangenheit, und dort sollte die ganze Sache vielleicht auch besser bleiben.

Aus Charlotte war eine attraktive Frau geworden, woran Sam nie gezweifelt hatte. In der Highschool fing ihre Schönheit gerade erst an, sich zu entfalten.

Damals hätten ihn seine Freunde ausgelacht, wenn sie gewusst hätten, dass er etwas für dieses Mädchen empfand. Er hatte sich ihre Reaktionen vorstellen können, wenn sie herausgefunden hätten, dass der Bad Boy der Schule in die Leiterin des Theaterclubs verknallt war.

Deshalb hatte er es auch immer für sich behalten. Nicht mal Charlotte sollte es wissen. Vor allem nicht Charlotte. Sie war so klug und hübsch, so jung und unschuldig gewesen. Die ersten Anzeichen ihrer umwerfenden Schönheit waren damals schon zu erkennen. Aber Sam hatte das getan, was er zu jener Zeit tun musste, um sich vor seinen Freunden nicht zum Idioten zu machen. Er hatte Charlotte gnadenlos gehänselt, verunsichert, er hatte alles getan, um sie von sich fernzuhalten.

Jedes Mal, wenn sie ihn mit ihren funkelnden, smaragdgrünen Augen angesehen hatte, mit einer Mischung aus junger Liebe und Verlangen, hatte es ihm beinahe den Boden unter den Füßen weggerissen. Es war damals schon offensichtlich, dass Charlotte etwas für ihn empfand. Und das durfte er nicht zulassen. Er wäre nicht der Richtige für sie gewesen.

Als jemand an die Tür klopfte, wurde Sam abrupt wieder in die Gegenwart zurückgerissen. Tony betrat den Raum, ging auf Sams Schreibtisch zu und ließ sich auf einen der Stühle davor fallen.

»Und?« Tony sah ihn erwartungsvoll an.

»Was ist?«

»Rück schon raus mit der Sprache – wer war diese heiße Lady mit den dunkelbraunen Haaren, die du heute Morgen empfangen hast? Mann, sah die scharf aus!«

Sam schüttelte den Kopf über das Grinsen im Gesicht seines besten Kumpels und Geschäftspartners.

Tony war überzeugt davon, dass er für den größten Teil der weiblichen Bevölkerung auf der ganzen Welt einfach unwiderstehlich war. Und ein bisschen hatte er damit auch noch recht. Sein Charme und sein sichtliches Interesse am schönen Geschlecht sorgten dafür, dass bei ihm kein Mangel an Dates mit heißen Bräuten herrschte.

»Da gibt es nichts Aufregendes zu berichten. Sie will einige Reparaturen an Lilian Lakes Haus vornehmen lassen. Deshalb war sie hier, um sich einen Kostenvoranschlag geben zu lassen.«

»Und?«

»Und was?«

»Du kennst sie. So viel ist sicher.«

»Wir waren zusammen auf der Highschool. Das ist alles.«

»So, so. Ich hatte den Eindruck, als sei da mehr gewesen.« Tony blickte Sam ernsthaft an und hob eine Augenbraue. Er erwartete offensichtlich schmutzige Details.

Sam schnappte sich verlegen ein paar Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen, und gab vor zu arbeiten. Dabei vermied er jeglichen Augenkontakt mit seinem Kumpel. Tony erkannte immer, wenn Sam ihn anlog. »Nein, da war wirklich nicht mehr. Sie war die Leiterin des Theaterkurses. Wir hatten nichts gemeinsam, außer dass wir zusammen in einigen Kursen waren. Sie war nicht mein Typ. Und das ist sie auch heute nicht.«

»Klar. Atemberaubend schöne Frauen mit dunkelbraunen Haaren, langen Beinen und perfekten Brüsten sind nicht dein Typ.«

Tony hatte ihn wieder mal eiskalt erwischt.

Sam grinste. »Du hast recht. Ich habe gelogen. Sie ist hübsch. Aber trotzdem ist sie nichts für mich. Sie lebt in New York.«

»Oh, ich verstehe. Das Mädchen aus der Großstadt, was?«

»Ja, genau.«

Tony stand auf und streckte sich, dann ging er zur Tür. »Ja, dann ist sie wirklich nicht dein Typ. Vielleicht sollte ich mal mein Glück versuchen.« Sam bemerkte, wie die Augen seines besten Freundes zu funkeln begannen, ein Blick, den Sam schon allzu oft gesehen hatte, wenn Tony die Chance auf eine neue Eroberung witterte.

Allein der Gedanke, dass Tony Charlotte anbaggern, berühren oder sogar küssen könnte, war für Sam wie ein Schlag in die Magengegend.

»Das kannst du dir sparen. Du würdest es nicht mal schaffen, dass sie dich zur Tür hereinlässt.«

Tony sah ihn einen Moment lang verständnislos an. »Okay, wenn du meinst. Schade! Sie ist echt eine Schönheit. Wir sehen uns morgen.«

Sam verabschiedete sich von Tony und wollte sich wieder auf seinen Papierkram konzentrieren. Aber jetzt waren seine Gedanken vollkommen abgelenkt. Er musste ständig an die Frau denken, die doch eigentlich gar nicht sein Typ war.

Sie war genauso hübsch geworden, wie er es sich immer vorgestellt hatte. Charlottes Gesicht konnte Männer dazu verleiten, Gedichte zu verfassen – leicht gebräunte Haut, volle Lippen, die man einfach nur küssen möchte, und eine Stupsnase, auf der zarte Sommersprossen verstreut waren. Ihre smaragdgrünen Augen, heller und klarer als jeder Edelstein, faszinierten ihn. Und dieses wundervolle Gesicht war von glänzendem, langem dunkelbraunen Haar umgeben, das zur Berührung einlud.

Und ihr Körper – was für ein Kunstwerk!

Diese Frau war an den passenden Stellen mit atemberaubenden Kurven ausgestattet, sie hatte einen süßen, runden Arsch und wohlgeformte, feste Brüste, die darum bettelten, berührt, geküsst und geleckt zu werden.

Aber besonders sexy waren ihre langen, schlanken Beine mit den wohlgeformten Waden. Sam stellte sich vor, wie sich diese Beine um seine Hüfte schlangen, während er tief in ihre feuchte Wärme eindrang …

Herrgott noch mal! Während er wie irgendein gottverdammter Poet über Charlottes Schönheit philosophierte, hatte er auch noch einen Ständer bekommen, nur weil er an sie gedacht hatte.

Das hier war nicht mehr die Highschool, und er stand nicht auf Frauen wie sie!

Mittlerweile hatte er die Nase gestrichen voll von Frauen, die dachten, dass in Kleinstädten nur sprechende Heuhaufen und jodelnde Hinterwäldler lebten. Frauen, die auf den Glanz und Glamour einer Großstadt standen, waren einfach nichts für ihn. Er brauchte eine, die mit dem zufrieden war, was er zu bieten hatte. Hier in Magnolia.

Charlotte zählte sicherlich schon die Minuten, bis sie endlich wieder aus dieser Kleinstadt verschwinden konnte. Mit einer Frau wie dieser konnte er ganz bestimmt nichts anfangen.

Nachdem er die Papiere wieder säuberlich auf seinem Schreibtisch gestapelt hatte, erhob er sich und knipste die Lampe aus. Aber anstatt das Büro zu verlassen, blieb er im Dunkeln stehen und starrte aus dem Fenster auf die menschenleere Main Street. Er dachte noch immer an Charlotte.

Was er zu Highschoolzeiten für sie empfunden hatte, spielte keine Rolle mehr, die Dinge waren nun anders. Auch wenn er ein unglaubliches Verlangen spürte, sie zu berühren, ihre vollen Lippen zu küssen und Charlottes süßen Geschmack zu kosten, musste Sam sich der Realität stellen.

Schließlich war er der Bauerntrampel vom Land und sie die heiße Lady aus der Großstadt. Und auf so was wollte er sich nie wieder einlassen, nicht nach alledem, was Penny ihm angetan hatte. Klar, Sam liebte Frauen. Aber es ging ihm hauptsächlich nur um Spaß und Sex. Er wollte keine langfristige Beziehung, jedenfalls nicht, solange er keine Frau fand, die sich mit Magnolia zufrieden geben konnte. Sam wollte sich nicht schon wieder die Finger verbrennen.

Er würde Charlotte einen Kostenvoranschlag für die Arbeiten an Belle Coeur machen, und wenn sie das Angebot annahm, würde er ein Team rausschicken, das den Job erledigte. Das war alles. Eher würde er zur Hölle gehen, als sich mit Charlotte Weston einzulassen.

Kapitel 2

Ein Klingeln irgendwo in der Ferne riss Charlotte aus ihrem tiefen Schlaf. Zuerst dachte sie, es sei das Telefon neben ihrem Bett, aber als sie den Hörer abnahm, ertönte nur das Freizeichen. Mürrisch drehte sie sich auf den Bauch und vergrub ihren Kopf unter dem Kissen, um das Klingeln nicht mehr hören zu müssen.

Als der Lärm nicht aufhörte und sie ihn nicht länger ertragen konnte, richtete sie sich in ihrem Bett auf, strich sich die Haare aus dem Gesicht und bemühte sich, wieder zu Sinnen zu kommen. Die Türklingel, das war es! Wie spät war es überhaupt? Den Lichtverhältnissen im Schlafzimmer nach zu urteilen, musste es noch mitten in der Nacht sein.

Sie sprang aus dem Bett und stieg benommen die Treppe hinunter zur Haustür. Das schreckliche Geräusch hielt immer noch an.

»Bin schon unterwegs! Ja doch!«, rief sie dem Besucher vor der Tür zu, wer immer es auch war. »Eine Sekunde, verdammt, ich komm ja schon!«

Sie riss die Tür auf und erkannte sofort, dass sie es besser nicht getan hätte. Dort stand niemand anderes als Sam, frisch rasiert, hellwach und dämlich grinsend.

»Bist du etwa noch nicht aufgestanden?«

»Doch, jetzt schon«, sagte sie trocken und war noch immer nicht ganz wach. »Was willst du in aller Herrgottsfrühe hier? Wie spät ist es überhaupt? Es ist noch dunkel draußen!«

Sam stand vor ihr, gegen den Türrahmen gelehnt, ihm war es sichtlich egal, dass die Sonne noch nicht aufgegangen war und dass er Charlotte gerade aus den süßesten Träumen gerissen hatte. »Ich bin hier, weil du mich darum gebeten hast. Es ist halb sieben, eine ganz normale Zeit für das arbeitende Volk. Außerdem habe ich dir gesagt, dass ich früh auf der Matte stehen werde.«

Charlotte gähnte. »Halb sieben ist zu früh. Komm bei Tageslicht wieder.« Sie wollte ihm die Haustür vor der Nase zuknallen, aber er hielt seine Hand dagegen.

»Nein, das werde ich nicht tun.« Er schob die Tür wieder auf und betrat den Hausflur. »Erstens bin ich bereits hier, und deshalb werde ich auch bleiben. Zweitens brauchst du einen ordentlichen Kaffee und ein gutes Frühstück, damit du wach wirst.« Er ergriff sie bei den Schultern, drehte sie um und schob sie in Richtung Küche. »Setz dich an den Küchentisch. Wir können uns unterhalten, während ich das Frühstück vorbereite.«

Als sie sich nicht weiter bewegte, schloss Sam die Haustür und ging an Charlotte vorbei den langen Flur entlang. »Ich kenne den Weg zur Küche«, rief er ihr über die Schulter zu.

Charlotte starrte ihm entgeistert hinterher. Was war denn hier los? Schlief sie etwa noch und hatte einen Albtraum? Sie dachte kurz nach und entschied, dass sie definitiv wach sein musste. Ein wahr gewordener Albtraum, das war es!

Sie folgte ihm in die große Küche. Als sie den Raum betrat, sah sie ihren Albtraum, wie er aus einer Dose Kaffeepulver in einen Filter löffelte. Während er Wasser in die Kaffeemaschine goss, blickte er sie an.

»Magst du deinen Kaffee stark? Dann wirst du schneller wach.« Sam wartete auf eine Antwort, aber Charlotte hatte ihm nichts zu sagen. Schulterzuckend sagte er: »Na gut, dann mache ich ihn nach meinem Geschmack, mal sehen, ob du ihn magst.« Er warf ihr ein verschmitztes Lächeln zu. »Ich wette, wir haben in vielen Dingen denselben Geschmack, meinst du nicht?«

Es reichte. Charlotte stand in der Tür, mit den Händen auf ihren Hüften. »Was ich meine, ist, dass ich dich gebeten hatte zu gehen! Was ich meine, ist, dass du unhöflich und unprofessionell bist, indem du einfach in mein Haus gestürmt kommst und so tust, als sei es dein Zuhause! Was ich meine, ist, dass meine ursprüngliche Einladung, dich später hier in meinem Haus zu empfangen, immer noch gilt! Und falls es dir nichts ausmacht – ich bin der Meinung, dass du dich jetzt verziehen solltest!«

Er blickte nicht einmal auf, sondern schnappte sich Eier und Schinkenspeck aus dem Kühlschrank und legte sie auf die Arbeitsplatte neben dem Herd. »Nein, das macht mir gar nichts aus. Ich mache mir mein Frühstück immer selbst, allerdings hatte ich heute Morgen keine Zeit dazu. Ich bin fast am Verhungern, du nicht?«

Charlotte warf verärgert die Hände in die Luft. Sam war offensichtlich zu dämlich, um mitzubekommen, dass sie ihn anbrüllte. Ihre Wut machte sie sprachlos.

Sie starrte ihn einige Minuten lang an in der Hoffnung, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstand und endlich verschwand. Aber das tat er nicht.

Als die Eier und der Speck in der Bratpfanne brutzelten, drehte sich Sam zu Charlotte um und musterte sie von oben bis unten, wobei er vor lauter Erstaunen seine Augenbrauen hochzog. »Meine Güte, Charlotte, du siehst aber verdammt heiß aus, dafür dass du gerade aus dem Bett kommst. Vielleicht sollte ich jetzt immer morgens vorbeikommen und dir Frühstück machen.«

Seine Blicke gaben ihr das Gefühl, als hätte man einen Eimer kaltes Wasser über ihrem Kopf ausgekippt. Erst jetzt wurde ihr klar, dass das alte weiße T-Shirt, das sie zum Schlafen trug, mehr zeigte als verbarg. Schnell setzte sie sich an den Küchentisch, um wenigstens das letzte bisschen Anstand zu wahren.

»Würdest du bitte verschwinden?« Gereizt zeigte sie zur Haustür.

Sam lachte. »Ich ärgere dich doch nur ein bisschen, Charlotte. Unglaublich, wie leicht du dich auf die Palme bringen lässt, bevor du deinen ersten Kaffee getrunken hast.« Er stellte eine dampfende Tasse vor ihr auf den Tisch. »Milch oder Zucker?«

Es war sinnlos, er hörte einfach nicht zu. Vielleicht verstand er ihre Sprache nicht, einfachste Dinge wie »Verschwinde!«, »Verpiss dich!« oder »Hau ab!«. Charlotte gab schließlich auf.

»Danke, ich kann für mich selbst sorgen.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl, erinnerte sich aber sogleich an das weiße Nichts, das sie trug, und setzte sich schnell wieder hin. Da sie nun in der Falle saß, kam sie zu der Überzeugung, dass die einzige Möglichkeit, ihn schnellstens loszuwerden, darin bestand, sich nicht gegen ihn zu wehren. »Etwas Milch, bitte«, antwortete sie kühl. Sam grinste boshaft und stellte die Milch auf den Tisch.

»Du hättest sie dir selber holen sollen«, sagte er mit seinem breiten Grinsen. »Der Anblick hätte mir gefallen!«

Charlotte seufzte, sie hatte bereits jetzt genug von ihm, obwohl er gerade erst zehn Minuten im Haus war. War Sex eigentlich das Einzige, woran Männer wie er denken konnten? Typisch. Gut, dass sie sich nie auf jemanden wie ihn eingelassen hatte. Charmante Kerle wie Sam waren nur an einer Sache interessiert, und sobald sie ihr Ziel erreicht hatten, zogen sie weiter zur nächsten Eroberung. Ihre Mutter war an einen solchen Mann geraten, und diesen Fehler wollte Charlotte nicht auch machen.

Ihr Magen knurrte, als sie den gebratenen Speck roch. Während sie an ihrem Kaffee nippte, sah sie Sam beim Kochen zu. Sie musste zugeben, dass er atemberaubend aussah. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt, sodass sie seine breiten Schultern, seinen kräftigen Rücken und seine muskulösen Beine mustern konnte. Er trug eine verwaschene Levis-Jeans und ein blaues, ärmelloses T-Shirt, das sich eng an seinen Körper schmiegte. Und was für ein Hintern! Wenn sie Interesse an dieser Art von Männern hätte, würde sie ihm wohl sofort alle Kleider vom Leib reißen.

Es war gut, dass Charlotte in ihrem Leben mit so vielen anderen Dingen beschäftigt war, sodass sie weder eine Liebesbeziehung noch fantastischen Sex brauchte. Andererseits würde sie nie wissen, was denn eigentlich fantastischer Sex war, wenn sie nicht danach suchen würde. Es war natürlich ihre eigene Entscheidung, die Finger von jeglichen Abenteuern zu lassen, aber hin und wieder kam sie doch ins Grübeln und bereute ihren Entschluss.

Gedankenverloren sah sie zu, wie Sam die Teller mit dem Frühstück auf den Tisch stellte. Er setzte sich neben sie und fing an zu essen. Auch Charlotte, die fast schon am Verhungern war, nahm ihre Gabel in die Hand und aß. Es schmeckte überraschend gut.

»Wer hat dir das Kochen beigebracht?«, fragte sie kauend.

»Kochen ist nicht schwierig. Ich habe vor langer Zeit gelernt, mich selbst zu versorgen. Richtig kochen gelernt habe ich nach meiner Scheidung.«

»Ich wusste nicht, dass du verheiratet warst. Wann war die Scheidung?« Aus irgendeinem Grund schmerzte sie die Tatsache, dass er geheiratet hatte. Aber warum? Charlotte und er hatten schließlich nie eine Liebesbeziehung gehabt. Im Grunde hatten sie gar keine Beziehung gehabt. Sie waren kein Liebespaar gewesen, hatten sich niemals auf ein Date getroffen, und es hatte schließlich nur einen Kuss gegeben.

Behalte das immer im Hinterkopf, Charlotte.