Chasing Dani Brown - Talia Hibbert - E-Book
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Chasing Dani Brown E-Book

Talia Hibbert

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Beschreibung

Band 2 der Liebesroman-Reihe zum Herzensthema Diversity von USA-Today-Bestseller-Autorin Talia Hibbert Danika Brown weiß, was sie will: sich auf ihre Arbeit konzentrieren, erfolgreich sein und hin und wieder ein wenig Spaß mit einem Mann haben. Aber bloß keine Romanze! Beziehungen sind für sie nur eine Ablenkung. Deshalb bittet Dani das Universum um einen Freund mit gewissen Vorzügen. Als der gutaussehende Securitymann Zafir sie während eines Feueralarms aus ihrem Arbeitsgebäude rettet, ist Dani sich sicher: Der Ex-Rugbyspieler ist der perfekte Mann für eine heiße Affäre. Doch dann geht ein Video von seiner heroischen Rettungsaktion viral und die beiden bekommen plötzlich mehr Aufmerksamkeit, als ihnen lieb ist … Der Roman kann auch unabhängig von Band 1 gelesen werden.

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Seitenzahl: 504

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Chasing Dani Brown

Die Autorin

TALIA HIBBERT ist eine britische Autorin, die in einem Schlafzimmer voller Bücher lebt. Sie schreibt Sexy Diverse Romances, weil sie findet, dass auch Minderheiten und Randgruppen ehrlich und positiv dargestellt werden sollten. Talia liebt Junkfood, Make-up und Sarkasmus.

Das Buch

Dani Brown hat einen Plan, aber das Universum weiß es besser 

Dani Brown weiß, was sie will: sich auf ihre Arbeit konzentrieren, erfolgreich sein und hin und wieder ein wenig Spaß mit einem Mann haben. Beziehungen sind für sie nur eine Ablenkung. Also bittet Dani das Universum um einen Freund mit gewissen Vorzügen.Als der gut aussehende Securitymann Zafir sie während eines Feueralarms rettet, ist Dani sich sicher: Er ist der perfekte Mann für eine heiße Affäre. Als Zafir Dani bittet, für den guten Zweck seine Freundin zu spielen, erscheint ihr das als ideale Chance, ihn zu verführen – solange sie keine Gefühle für ihn entwickelt …

Talia Hibbert

Chasing Dani Brown

Roman

Aus dem Englischen von Christiane Bowien-Böll

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Februar 2022© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022© 2020 by Talia Hibbert© 2020 Avon, HarperCollinsPublishersDie amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel: Take a Hint, Dani BrownUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, MünchenE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-506-7

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Epilog

Leseprobe: Love is on Air

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Der Mond war voll und stand hoch am Himmel, die Nacht war reif für ein bisschen Hexerei, und Danika Brown hatte Honig auf ihrer Brust. Auf der linken, genauer gesagt.

»Verflixt noch mal«, brummte sie und wischte ihn ab.

»Du träumst während der Zeremonie? Ts, ts.« Danis beste Freundin Sorcha – glänzende braune Augen, dichtes, dunkles Haar, schiefes Lächeln – saß ihr gegenüber an dem winzigen Tisch, der ihnen als Altar diente.

»Von wegen«, erwiderte Dani unwirsch, obwohl Sorcha völlig recht hatte. »Mein Busen steckt seine Nase einfach überall rein.«

»Nicht schon wieder.« Sorcha verdrehte die Augen und ahmte in unerträglicher Perfektion Danis vornehmen Akzent nach. »Oh, ich Arme, ich habe diesen Wahnsinnsbusen, von dem ich allerdings niemals etwas abgeben würde …«

»Ich glaube nicht, dass wir mein Brustgewebe unter uns aufteilen können, Sorch.«

Sorcha sah sie erbost an. »Hm, aber wenn es möglich wäre, würdest du mir etwas abgeben?«

»Nein. Wie du schon sagtest, mein Busen ist der Wahnsinn. Und jetzt halt den Mund, und konzentrier dich.«

»Böses, egoistisches Weib. Eitel, mit dem Verstand eines Butterblümchens …« Sorcha war Autorin, und ihr Vorrat an kreativen Beleidigungen erschöpfte sich nie. Ihr hämisches Gemurmel wurde leiser, als Dani ihr Honigglas zur Seite schob und die Schale, die sie gefüllt hatte, zur Tischmitte hinrückte. Hinter dieser Schale, Rücken an Rücken mit Sorchas Schwarzer Madonna, stand eine kleine goldene Statue der Göttin Oshun.

Wie jede anständige Göttin der Liebe, der Schönheit und des Luxus war Oshun bedeckt mit Schmuck und sonst nicht viel – es sei denn, man zählte die Bienen und ihre gigantische Haartracht mit. Dani selbst hatte wenig Haar, keine einzige Biene und auch nicht die Angewohnheit, sich öffentlich nackt zu zeigen. Außerdem gab sie nicht viel auf romantische Liebe, schließlich ließ sich empirisch nachweisen, dass dies reine Zeitverschwendung war, die Dani nur von ihren beruflichen Zielen ablenken würde. Aber die Tatsache, dass Dani und Oshun bei diesem einen Thema nicht einer Meinung waren, war nebensächlich. Die goldene Statue war ein Erbstück von ihrer geliebten verstorbenen Nana, der Frau, die einmal Folgendes zu ihr gesagt hatte: »In dem Wissen, das von einer Generation an die andere weitergegeben wird, steckt eine große Kraft, egal, ob es aus einem deiner Bücher kommt oder aus dem Mund einer älteren Person.«

Dem stimmte Danika zu. Außerdem machte es Spaß und fühlte sich ganz natürlich an, in die hexenhaften Fußstapfen ihrer Nana zu treten. Das musste wohl an den nächtlichen Ritualen und einem vererbten weiblichen Eigensinn liegen.

»Komm schon«, drängte Sorcha, die offenbar mit ihrer Aufzählung von Danis Charakterfehlern fertig war. Also griff Danika an diesem Tisch mit den zwei verschiedenen Göttinnen, während Kerzenlicht und Vollmondschein sich lasziv miteinander verbanden, nach der Hand ihrer Freundin und schloss damit den Kreis.

»Du zuerst«, flüsterte Sorcha.

»Oh, Sweetheart, bist du sicher?«

»Ach, komm. Ich weiß, du kannst deine Beschwörung kaum abwarten.«

Verdammt, ja. In dem einen Monat, seit Danis letztes Beziehungsdings vorüber war, hatten sich in ihrer Vagina Spinnweben gebildet (ihre Vagina neigte leider zum Dramatisieren), und diese Beschwörung würde diesem grässlichen Zustand hoffentlich ein Ende setzen.

Sie holte also tief Luft und legte los. »Hallo, Oshun. Ich hoffe, deinen Zwillingen geht es gut. Diesen Monat habe ich ein Ziel, von dem ich glaube, dass du es unterstützen wirst: Ich brauche einen neuen Fickfreund.«

Sorcha riss die Augen auf. »Moment mal. Ist das eine gute Idee?«

»Sei still«, sagte Dani streng. »Ich bin beschäftigt.«

Aber Sorcha konnte nun mal nicht anders und war keineswegs still. »Ich dachte, du bist immer noch total fertig wegen Jo?«

Dani bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. »Ich war nie total fertig wegen Jo. Total fertig zu sein, gehört zu der Sorte von sinnlosen, zeitraubenden Gefühlen, die ich mit aller Kraft zu vermeiden versuche.«

»Aha.« Sarkasmus triefte von Sorchas Stimme wie das Wachs von den Kerzen um sie herum. »Ich hätte nämlich schwören können, dass, als sie mit dir Schluss gemacht hat …«

»Sie hat nicht mit mir Schluss gemacht. Wir hatten keine feste Beziehung, und sie wollte das ändern, ich aber nicht.«

»Als sie mit dir Schluss gemacht hat …«, fuhr Sorcha fort, denn Sorcha war eine blöde Kuh, »… hast du eine Backmischung gekauft, ein Ei hineingeschlagen und den Matsch gegessen, so wie er war, direkt aus einer großen alten Rührschüssel …«

»Ich steh einfach auf Süßes«, erklärte Dani kühl, und das stimmte wirklich.

Sorcha seufzte. »Dir ist schon klar, dass es nicht gut ist für eine Hexe, wenn sie so wenig Zugang zu ihren eigenen Gefühlen hat, oder?«

»Blödsinn. Ich bin völlig im Einklang mit meinen Gefühlen, danke, Sorcha.«

»Außer dann, wenn du mal wieder nicht damit klarkommst, dass jemand, mit dem du geschlafen hast, sich in dich verliebt. Dann kriegst du einen Betty-Crocker-Fressanfall.«

»Das war nicht wegen Josephine«, wiederholte Dani. »Das muss irgendwie prämenstruell oder so gewesen sein.« Danika Brown blies niemals Trübsal – jedenfalls nicht wegen zwischenmenschlicher Beziehungen. Das hatte sie nicht mehr getan, seit sie ihre erste Liebe beim fröhlichen Vögeln mit jemand anderem ertappt hatte. Und sie würde es auch niemals wieder tun. Jo wollte Romantik, und Dani fiel nichts ein, wozu sie noch weniger begabt war. Also hatten sie ihre Freundschaft Plus beendet und waren jede ihres Weges gegangen, und alles war in bester Ordnung.

Bis auf die Tatsache, dass sie nicht mehr miteinander redeten.

Bis auf das.

»Hör auf, mich zu demotivieren«, sagte Dani entschlossen – offenbar war Entschlossenheit das Einzige, womit sie diesem wirklich nervigen Gespräch ein Ende setzen konnte. »Ich weiß, was ich tue, und ich weiß, was ich will. Ich bin eine erwachsene Frau mit angemessenen intellektuellen Fähigkeiten, werde innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre Professorin werden und habe ein starkes Bedürfnis nach Oralsex und sonst nichts. Also halt den Mund und lass mich darum bitten.«

»Ach, was soll’s«, murmelte Sorcha. »Also gut. Leg los.« Und ein Wunder geschah: Sorcha verdrehte zwar noch die Augen und stieß einen missbilligenden Seufzer aus, hielt jedoch tatsächlich den Mund.

Nun denn, man musste ausnutzen, was einem die Götter anboten.

Dani schloss die Augen und begann von vorne. »Oshun, ich brauche eine regelmäßige Orgasmusquelle.« Sie dachte an Jo und fügte hinzu: »Jemand, der nicht mehr von mir erwartet, als ich geben kann. Am besten jemand mit kühlem Kopf und hübschem Hintern, der oder die sich um seinen oder ihren eigenen Kram kümmert. Ich hatte bis jetzt nicht viel Glück, falls du also jemanden kennst, der oder die diese Kriterien erfüllt … dann … weise mich einfach darauf hin. Gib mir ein Zeichen.« Als sie fertig war, wurde Dani von einem Gefühl der Wärme und des Friedens durchströmt, so als würde sie in den Wellen eines von der Sonne geküssten Flusses untertauchen; als hätte die Göttin sie erhört und versprochen, ihr Bestes zu tun. Sie lächelte vorsichtig und genoss die wohlige Stille.

Eine Stille, die prompt von Sorcha gestört wurde. »Oh je, du bist ja so ein Wassermann.«

»Mord. Ich werde einen Mord begehen.« Dani öffnete die Augen, richtete sich auf den Knien auf und blickte ruhig auf den Tisch. Sollte sie ihrer besten Freundin eine der religiösen Ikonen auf den Kopf hauen – was vielleicht respektlos wäre – oder lieber eine Wachskerze? Die Kerze brannte, also doch lieber eine Statue. Das Dumme war nur, als sie danach griff, fiel etwas aus einer der vielen Taschen ihres Kleids und landete auf dem Altar.

Direkt zu Oshuns Füßen, genau in der mit Honig gefüllten Schale.

Das musste ein Zeichen sein. Wahrscheinlich bedeutete es: Bitte töte Sorcha nicht, du wirst es am Ende bereuen, und ich bezweifle, dass es dir im Gefängnis gefallen würde.

Sorcha blinzelte im Kerzenlicht, offenbar völlig unberührt davon, dass sie nur knapp dem Tod entronnen war. »Moment mal, ist das ein Müsliriegel? Ich sterbe vor Hunger.«

»Es ist ein Proteinriegel«, korrigierte Dani und gab ihr das klebrige Ding.

»Seit wann isst du Proteinriegel?«, wollte Sorcha wissen. Krümel flogen durch die Gegend, als sie den Riegel – typisch schlecht erzogene Ungläubige – mit den Fingern zerbröselte.

»Tu ich gar nicht. Jemand hat ihn mir gegeben. O Mann, Sorch, was machst du hier für eine Schweinerei, dabei sind wir noch nicht einmal fertig mit unserer Beschwörung. Wolltest du nicht um Hilfe bitten für diesen kreativen Schreibwettbewerb, bei dem du dich angemeldet hast?«

»Bezweifle, dass es etwas bringt.« Sorcha kicherte. »Wir sind total mies als Hexen.«

Dani schnaubte. »Du vielleicht. Ich bin ganz auf diesen Augenblick konzentriert und auf die Magie, die nun Teil meiner Realität ist.«

»Seit wann?«

»Seit ich diese Beschwörung durchgeführt habe, und jetzt warte ich auf ein Zeichen!«

Sorcha warf die leere Verpackung des Proteinriegels auf den Tisch. »Wie ich uns kenne, wirst du es wahrscheinlich übersehen.«

1. Kapitel

Fünf Monate später

Der Coffeeshop der Studentengewerkschaft war wie ein schlechter Popsong: unerträglich monoton und unnatürlich fröhlich. Dani war auf dem Weg zur Arbeit und spät dran, die Morgensonne strahlte unverschämt hell, und das Mahlen der Kaffeebohnen lieferte die Hintergrundmusik, während Dani plante, wie sie die Menschen um sie herum ermorden würde.

Eigentlich dachte sie in letzter Zeit ganz schön oft an Mord. Vielleicht sollte sie einmal mit jemandem darüber reden, oder vielleicht waren diese Gedanken auch ganz normal, wenn man auf dem Planeten Erde lebte.

»Verdammt«, brummte Sorcha, die gerade ein halbes Kilo Zucker in ihren Kaffee Latte rührte. »Sind Menschen immer so laut?«

»Es ist April. Das Ende des Semesters ist in Sicht. Die sind …« Dani ließ den Blick über die viel zu munteren Studenten gleiten, die den Raum bevölkerten. »Voller Hoffnung.«

»Jemand sollte ihnen das abgewöhnen. Das ist respektlos an einem Montagmorgen.«

Bevor Dani von ganzem Herzen zustimmen konnte, knallte ein Barista zwei Mitnehm-Becher auf den Tresen. »Grüner Tee und schwarzer Kaffee für Danika?«

»Danke.« Dani nahm die Becher und beeilte sich wegzukommen.

»Schwarzer Kaffee«, murmelte Sorcha, als sie sich einen Weg zwischen den vielen Leibern hindurch bahnten. »Der ist für deinen heißen Typen von der Security, stimmt’s?«

»Er hat einen Namen.«

»Und ich würde ihn am liebsten laut herausschreien.«

Dani verschluckte sich fast an ihrem eigenen Lachen. »Sorcha, du bist lesbisch.«

»Danke, dass du mich erinnerst. Also wirklich, Dan, das ist doch nur Coffeeshop-Geplänkel. Mädels unter sich! Da wir gerade dabei sind, jetzt bist du an der Reihe zuzugeben, was für schmutzige Dinge du am liebsten mit deinem sogenannten Kumpel Zafir tun würdest.«

Dani setzte rasch ein brummiges Gesicht auf – vor allem aus Sorge, dass sie sonst womöglich lächeln könnte und Sorcha das bestimmt falsch auffassen würde. »Ich würde niemals schmutzige Dinge tun mit Zafir. Er ist ein netter Kerl.«

»Nett?«, kreischte Sorcha fassungslos. »Zaf? Zafir Ansari? Der große mürrische Arsch, der das halbe Gebäude in Angst und Schrecken versetzt?«

Dani nippte an ihrem grünen Tee. »Er ist total lieb, wenn man ihn erst einmal besser kennt.«

»Lieb?« Sorchas Stimme erreichte fast eine Höhe, bei der Gläser bersten.

Vielleicht hatte Sorcha recht, lieb war möglicherweise übertrieben. Aber Zaf war freundlich, nahm seinen Job sehr ernst und vermied es mit herkulischer Konzentration, auf Danis Brüste zu starren, was entweder auf Desinteresse oder übertriebene Ritterlichkeit schließen ließ. Ritterlichkeit konnte Dani bei einem Mann leider nicht ausstehen; sie führte oft dazu, dass selbiger unkluge Entscheidungen traf, wie zum Beispiel, sie vor dem Sex zum Dinner einzuladen oder nach dem Sex noch eine Weile zu bleiben, um sich mit ihr zu unterhalten. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb das Universum Danis Blick nicht in Zafs Richtung gelenkt hatte.

»Auch wenn er ein prachtvolles Exemplar ist, er kommt nicht infrage. Ich warte auf ein Zeichen«, ermahnte sie Sorcha. »Bis dahin denke ich einfach an seinen Bart, wenn ich es mir selbst mache.«

Sorcha überlegte einen Moment und zuckte dann mit den Achseln. »Auch gut. Da wir gerade von nicht infrage kommenden Prachtexemplaren reden, hast du Lust, später mit mir in der Pizzeria zu essen, wo diese heiße Hetero-Frau bedient?«

»Kann nicht. Muss arbeiten.«

»Du bist immer so verdammt …«

Bevor Sorcha ihre zweifelsohne korrekte Feststellung vollenden konnte, tauchte plötzlich ein Mann vor ihnen auf, wie ein Maulwurf aus der Erde. Dani blinzelte und blieb abrupt stehen. »Oh. Entschuldigung.«

Der Mann schien sie nicht zu hören. Er war hochgewachsen und blond und hatte ein entspanntes, attraktives Lächeln im Gesicht, das sagte, dass ihm noch nie ein Hindernis begegnet war, das er nicht hätte platt walzen können. So offenbar auch jetzt. »Guten Morgen«, raunte er, und seine Augen richteten sich auf Danis Brüste wie zwei automatisch gesteuerte Marschflugkörper. »Ich will dich nicht belästigen …«

»Und schon ist es passiert«, seufzte Sorcha.

Mr Groß-und-Blond-und-Doof ignorierte sie wacker. »Aber wenn ich eine Frau sehe, die vor neun Uhr morgens schon roten Lippenstift aufgelegt hat …«, er zwinkerte, »Nun ja. Die muss ich einfach belohnen.«

Dani sah ihn an. »Mich belohnen? Womit? Ich nehme nur Bücher oder etwas zu essen.«

Die kurz aufflackernde Irritation in seinem Blick verriet, dass es nicht in seinen brillanten Plan passte, dass Danika tatsächlich etwas sagte. Er erholte sich jedoch schnell. »Etwas zu essen kannst du haben.« Er lächelte. »Jedenfalls wenn du mir erlaubst, dich zum Dinner auszuführen.«

Dani schüttelte traurig den Kopf und drehte sich zu Sorcha um. »Glaubst du, dass das jemals funktioniert? Es muss wohl so sein, nicht wahr, denn sie hören einfach nicht damit auf.«

Sorcha brachte es fertig, eine ganze Wagenladung von Abscheu in einem einzigen Seufzer unterzubringen, eine Fähigkeit, um die Dani sie beneidete. »Kann sein. Oder vielleicht sind sie einfach zu blöd, um den Zusammenhang zu erkennen zwischen Frauen belästigen und nie, niemals freiwillig von einer angefasst werden.«

Der Mann blinzelte, und ein Ausdruck von Unmut umwölkte seine glatte Stirn. »Moment mal«, blaffte er. »Redet ihr über mich?«

»Das tun wir ganz offensichtlich«, erklärte Dani ihm sanft.

Der Blonde gab ein wütendes Gestammel von sich, das in einem »blöde, fette Schlampe« gipfelte, und stürmte davon.

»Ach, du liebe Güte«, seufzte Dani. »Er findet, ich bin eine fette Schlampe. Ich glaube, ich sterbe an gebrochenem Herzen.«

Sorcha verdrehte die Augen.

Die Stimme an Zafir Ansaris Ohr murmelte: »Woran denkst du gerade?«

»Wie sehr ich dich will.«

»Dann nimm m…«

Zaf seufzte und drückte auf Pause. Aus seinem Kopfhörer kam kein Geräusch mehr. Manchmal konnte er während der Arbeit sein Hörbuch »weiterlesen«. Diese Szene allerdings nicht.

Er zog den Stecker heraus, wickelte die Kopfhörer um sein Handy und schob alles zusammen in die Hosentasche. Dabei beobachtete er genau den Eingangsbereich des Echo-Gebäudes. Seine Miene verfinsterte sich, als ein magerer, junger Mann, der unter seinem Hoodie etwas trug, das aussah wie ein Pyjama, versuchte, an ihm vorbeizukommen, ohne wie alle anderen seine ID-Karte hochzuhalten.

»Hey. Du da.« Wie fast alles, was Zaf von sich gab, hörte sich das an wie wütendes Donnergrollen. »Komm mal her.«

Der Junge blieb stehen und hielt die Hände hoch, in denen er ein Handy … und einen Bagel hielt. »Ich kann meine ID-Karte nicht rausholen«, entschuldigte er sich und machte Anstalten weiterzugehen, als ob das total okay wäre.

»Komm. Mal. Her«, wiederholte Zaf. Dann stand er auf. Das bewirkte meistens, dass man auf ihn hörte, denn er war ein ehemaliger Flügelspieler der Rugby Union.

Der Junge machte große Augen, schluckte und näherte sich dem hohen Security-Tresen wie ein kleines Hündchen, das man getadelt hatte.

»Und jetzt«, sagte Zaf geduldig, »leg deinen Kram auf den Tresen.«

Handy und Bagel wurden widerstrebend abgelegt.

»Na, sieh mal an. Beide Hände sind frei.« Während er mit einem Auge immer noch zum Eingang blickte, wo der morgendliche Ansturm sich mittlerweile zu einem Rinnsal verdünnt hatte, forderte Zaf: »ID-Karte!«

Der Junge schnaubte und schniefte und suchte in ungefähr tausend Taschen, bevor er schließlich seinen Studentenausweis zutage förderte, der bestätigen sollte, dass sein Besitzer wahrscheinlich nicht hier war, um eine Leiche zu entwenden oder eine hochexplosive Gasflasche zu stehlen oder was auch immer. »Ich komme zu spät«, murmelte der Junge.

»Nicht mein Problem.« Zaf nahm den Ausweis und hielt ihn an das automatische Kontrollgerät auf seinem Tresen. »Weißt du, was ich tun könnte? Ich könnte jeden Einzelnen von euch hier anstehen lassen, während ich eure ID-Karten durchs System laufen lasse. Aber ich bin ein netter Kerl.« Das stimmte nicht ganz, aber er war auch kein Arschloch. »Also verlasse ich mich stattdessen auf meine Augen. Einfacher für euch, einfacher für mich. Es sei denn, ihr haltet mir nicht eure Ausweise vor die Nase. Dann ist es weniger einfach, ich habe nämlich keinen Röntgenblick. Pass auf, ich zeig dir was.« Nachdem Zaf den Ausweis überprüft hatte, hielt er ihn an dem blauen mit dem Universitätslogo bedruckten Umhängeband hoch. »Weißt du, wo das hingehört? Um deinen Hals. Dann brauchst du nicht zu überlegen, ob du einen Bagel in der Hand halten und mich verärgern willst. Klingt das gut?«

»Ich kann mir das Ding nicht umhängen«, stammelte der Junge. »Damit sieht man aus wie ein Idiot.«

»Du gehst mit einem Adventure-Time-Pyjama ins Labor, Mann. Du siehst bereits aus wie ein Idiot, und in fünf Minuten wird dir dein Prof genau das sagen.«

»Ich … was?« Er blickte an sich herab. »Oh, verdammte Scheiße.«

»Komm her.« Zaf schob das Band über den verstrubbelten Kopf des Jungen. »Und jetzt schleich dich.«

Mit erbostem Blick und wütend vor sich hin murmelnd ging der Student davon.

Rechts von Zaf begann jemand ironisch und langsam zu applaudieren. Sofort wusste er, dass seine Nichte das Gebäude betreten hatte. Er drehte sich zu ihr um. Seine übliche schlechte Laune verflüchtigte sich. »Fluffy! Was machst du denn hier?«

Warnend riss sie die mit Kajal umrandeten Augen auf und deutete mit dem Kopf unmissverständlich auf die Gruppe junger Frauen hinter ihr.

Zafir räusperte sich und kämpfte dagegen an, dass sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. »Tut mir leid, ich meine Fatima.« Er winkte den anderen Frauen kurz zu. »Hallo, Fatimas Freundinnen.«

»Entspann dich, Mann«, flüsterte sie. »Du bist so peinlich.«

»Ich hatte gehofft, du sagst ›krass beschämend‹. Ich muss mich mehr anstrengen.«

Sie brummte wütend wie eine kleine Löwin, drehte sich um und verabschiedete ihre Freundinnen mit einem Winken. »Jetzt ist mir klar, warum du dir diesen Job ausgesucht hast. Du kannst ganz offiziell Leute herumschubsen.«

»Ein Traum wurde wahr«, sagte Zaf trocken und setzte sich. Sorgfältig hinter dem Tresen versteckt, stand der Schreibtisch, den er eigentlich zum Arbeiten benutzte. Er tippte auf die Tastatur seines Computers, um die aktuelle Uhrzeit zu sehen.

Nicht, dass er die Uhr wegen einer bestimmten Person im Blick behalten würde. Dafür hatte er absolut keinen Grund.

»Du siehst müde aus«, hörte er Fluff sagen. »Mum meint, du arbeitest dich kaputt und wirst es bereuen, wenn du älter bist.«

»Setz es mit auf die Liste. Außerdem sehe ich nicht müde aus, sondern geheimnisvoll.«

»Geheimnisvoll wie ein Zombie«, erwiderte Fatima.

»Du bist so ein unhöfliches Ding. Etwas mehr Respekt vor dem Alter.«

Sie kniff die Augen zusammen, neigte spöttisch den Kopf und lächelte gekünstelt. »Bitte, liebster Chachu, schlaf acht Stunden pro Nacht, anstatt Briefe für karitative Zwecke zu schreiben oder was auch immer du tust. Vielleicht siehst du dann bei der Arbeit nicht aus wie ein Untoter, Inshallah.«

Sie war genau wie ihr Vater. Der Gedanke war bittersüß. »Ich werde darüber nachdenken. Warum bist du hier? Es ist doch nichts passiert, oder?« In den Monaten seit Fatima sich eingeschrieben hatte, hatte Zaf sie auf dem Campus immer nur kurz und von Weitem gesehen. Normalerweise mimte er dann so gut er konnte den peinlichen Onkel, und sie trollte sich, nicht ohne mit den Augen Blitze nach ihm zu schleudern. Aber jetzt war sie hier, in seinem Gebäude. Ein kleiner Angstfunke flammte in seiner Brust auf, jederzeit bereit zu explodieren. Seine Beschützender-Onkel-Nummer war noch intensiver als die Peinlicher-Onkel-Nummer.

Doch Fatima verdrehte die Augen – sie war der Augenverdreh-Sucht etwas verfallen – und seufzte. »Nein, Chachu. Nichts ist passiert. Ich habe nur einen Kurs verschoben, damit Punjabi-Anfängerkurs in meinen Stundenplan passt.«

Zaf zog die Brauen hoch. »Dein Punjabi ist gut.«

»Genau. Ich freue mich darauf, gut dazustehen. Natürlich habe ich nicht damit gerechnet, dass mein verschobenes Literaturseminar jetzt …«, sie rümpfte die Nase und blickte sich mit offensichtlicher Abscheu im Foyer um, »hier stattfinden würde.«

Das Echo war ein quaderförmiger, grauer Bau aus einer anderen Zeit in der Mitte der University Road, in dem Medizinstudenten mit toten Körpern und tierischen Organen merkwürdige Dinge taten.

»Ach, so schlimm ist es nicht«, sagte Zaf fröhlich. »Wenigstens siehst du jetzt öfter deinen Lieblingsonkel.«

»Ich sehe dich fast jeden Tag, und du bist mein einziger Onkel«, brummte sie und nahm ihre Handtasche vom linken auf den rechten Arm. Er hatte ihr immer wieder gesagt, sie solle einen Rucksack benutzen wegen der gleichmäßigen Gewichtsverteilung, aber sie war eine kleine Modepuppe wie ihre Mutter.

»Schmoll, soviel du willst, Fluff. Ich weiß, dass du mich liebst. Jetzt beeil dich, sonst kommst du zu spät zu deinem Kurs.«

»Nag, nag, nag. Das bekomme ich also dafür, dass ich nach dir sehe?« Mit einem weiteren dramatischen Augenrollen drehte sie sich um und ging los.

»Nichte«, rief er ihr nach. »Sei lieb und bring mir nächstes Mal Frühstück.«

Sie ignorierte ihn und beschleunigte ihre Schritte.

»Wenigstens einen Snack. Fluffball! Hörst du mich?«

Sie warf den Zipfel ihres Kopftuchs über die Schulter, was so viel bedeutete wie Du kannst mich mal.

Dann war Fatima fort und Zaf wieder allein. Bei der Erkenntnis tippte er erneut auf seine Tastatur. Wäre er der Typ gewesen, der sich wegen Frauen verrückt macht, hätte er registriert, dass eine bestimmte Person spät dran war, aber er war nicht so ein Typ, also tat er es nicht. Stattdessen rieb er sich den kurzen Bart, schnalzte mit der Zunge gegen die Zähne und checkte seine E-Mails. Da war eine Erinnerungsmail vom Teamchef wegen der für heute geplanten Brandschutzübung. Dieses Gebäude beherbergte nämlich nicht nur merkwürdige Organe, sondern auch eine Tonne gefährlicher Gase. Wieder einmal eine E-Mail vom Rugbyteam des Universitätspersonals, in der zum Mitspielen aufgefordert wurde, aber das war zu gefährlich, so gern Zaf der Einladung gefolgt wäre. Er wurde heutzutage kaum noch erkannt, er hatte ja mittlerweile einen Bart, und es war fast ein Jahrzehnt her, seit er das letzte Mal als Profi gespielt hatte. Aber wenn er sich doch auf ein Spielfeld begab, könnte das Erinnerungen bei den lokalen Rugbyfans wecken, und wenn dann jemand zu ihm sagen würde: »Hey, bist du nicht der, dessen Familie bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist?«, könnte er denjenigen womöglich mit der Faust ins Gesicht schlagen.

Während er die E-Mail mit einem Seufzer in den Papierkorb verschob, öffnete sich langsam die automatische Eingangstür. Aus dem Augenwinkel nahm Zaf eine vertraute Gestalt wahr, und etwas in ihm wurde ganz still. Wachsam. Hungrig.

Er drehte sich um, und da war Danika Brown.

Verdammt faszinierend, wie immer. Sie ging, als wäre sie noch niemals gestolpert, und blickte sich mit ihren Katzenaugen, in denen Zaf sich zu gerne verlor, im Foyer um. Ihre dunkle Haut schimmerte wundervoll unter den fluoreszierenden Lampen, unter denen andere wie Gespenster aussahen oder einen gelblichen oder grauen Teint bekamen. Und obwohl er sich tausendmal ermahnt hatte, dass es geschmacklos, um nicht zu sagen abscheulich war, eine gute Freundin – eine gute Freundin von der Arbeit, eine gute Freundin von der Arbeit, die vielleicht lesbisch war – zu begehren, wurde er gerade zum Opfer eines illegalen Angriffs heftiger Begierde.

»Ich bin spät dran«, verkündete Dani, denn sie sagte selten »Hallo« oder »Bis bald«. Ihr langes schwarzes Kleid wirbelte um ihre Beine, als sie auf ihn zuschritt, der dünne Stoff schmiegte sich abwechselnd an ihre Hüften, Taille oder Schenkel. Nicht, dass Zaf direkt hingeguckt hätte, das wäre unangemessen gewesen. »Hier«, sagte Danika und schob einen Becher über den Tresen, der sie voneinander trennte. »Ein extra heißer, extra schwarzer, extra bitterer Kaffee für unseren amtierenden Prinz der Dunkelheit.«

»Auf dein Wohl, Prinzessin«, gab er zurück und erntete ein Millionen-Dollar-Lächeln von diesem süßen, roten Mund. Der Anblick elektrisierte ihn und ließ seinen Puls schneller schlagen. »In letzter Zeit mit deinem Gothic-Style irgendwelche Teenies aus dem Feld geschlagen?«, gab er zurück.

»Irgendwelche alten Damen zu Tode erschreckt?«, erwiderte sie zuckersüß.

»Alte Damen lieben mich.«

»Wow, du heißer Typ.«

Er wurde rot, aber sein Teint und sein Bart verbargen das hoffentlich. »Ähm … weil ich ihnen den Rasen mähe und so weiter. Das habe ich gemeint.«

Danika grinste. »Es wird immer besser.«

»Verschwinde.«

Normalerweise würde sie jetzt selbstzufrieden lächeln und tun, was er sagte, denn sie war stets in Eile, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Heute jedoch lachte sie kurz auf und strich mit der Hand über ihr pinkes Haar, von den rasierten Rändern bis zu den längeren, gelockten Haaren auf dem Oberkopf. Dieses Haar war noch am Freitag schwarz gewesen. Letzten Monat grün. Rot an dem Tag, als er sie das erste Mal gesehen hatte.

Und er sollte wahrscheinlich seine Energie nicht dafür verwenden, die Haarfarben dieser Frau zu katalogisieren, sondern für … ihr wisst schon, für wichtigere Dinge. Es war nicht so, als ob er keine anderen Ziele verfolgt hätte – Workshops konzipieren, Non-Profit-Projekte starten.

Aber dann stieß Danika einen Seufzer aus, und sein gesunder Menschenverstand verließ ihn wieder einmal. Um ehrlich zu sein, war es ein verdammt tiefer Seufzer. Sie verengte die Lider, blickte aber dabei ins Leere. Dann fummelte sie an einem ihrer zahlreichen silbernen Miniohrstecker herum. Zaf sah zu und wartete geduldig. Er hatte kein Problem mit dem Schweigen, denn das Verursachen unangenehmer Gesprächspausen gehörte tatsächlich zu seinen Hobbys. Was war besser, als persönliche Fragen durch grimmiges Fixieren des Gesprächspartners abzuwehren, bis dieser sich davonschlich. Nur diesmal war er derjenige mit den persönlichen Fragen, denn, wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, Dani sei … aufgewühlt. Und das beunruhigte ihn.

Einen Moment lang blickte er sie forschend an. Wenn sie gerade wütend gewesen wäre wegen kulturell gefärbter Forschung oder zweidimensionalem Feminismus, dann hätte er das sofort erfahren, kaum dass sie das Gebäude betreten hätte. Ja, die ganze Welt hätte es erfahren, kaum dass sie das Gebäude betreten hätte, denn wenn es eines gab, was Danika gesprächig machte, dann war das ihre Arbeit. Also musste es etwas anderes sein, was sie beschäftigte. Aber sie hatte nichts erwähnt. Wahrscheinlich ging es ihn nichts an. Ja. Bestimmt. Es ging ihn überhaupt nichts an.

»Alles in Ordnung?« Sein verflixtes großes Mundwerk arbeitete ohne Erlaubnis.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. »Ich sollte wirklich hinaufgehen. Ich ziehe es vor, bei meinen Kursen als Erste im Raum zu sein, um einen Eindruck von Allwissenheit zu vermitteln.«

Sie benahm sich lächerlich, wie immer. Unbekümmert, wie immer. Wollte ihn zum Grinsen bringen, wie immer.

Er widerstand dem Versuch, wie immer.

»Ich weiß«, sagte er. »Aber du bist sowieso schon spät dran.«

Was ein weiterer Grund für sie hätte sein sollen zu verschwinden, und doch tat sie es nicht. Stattdessen schenkte sie ihm ein winziges Lächeln. »Stimmt.« Dann seufzte sie dramatisch. »Es ist nur … du wirst nicht glauben, was mir gerade im Coffeeshop passiert ist.«

Zaf nippte an seinem Kaffee, als ob er nicht ganz verrückt danach wäre, es zu erfahren. »Was ist passiert?«

»Irgend so ein Arschloch hat versucht, mich zum Essen einzuladen.«

Der nächste Schluck schien brennend heiß zu sein. »Ich hoffe, du hast ihm gesagt, er soll sich verpissen.«

»Na klar. Habe ich.« Seine Antwort musste ihr gefallen haben, denn ihr Blick war auf einmal warm und süß wie Honig.

»Gut.«

Gut, denn Frauen verdienten es, sich in Ruhe um ihren Kram kümmern zu können, ohne sich in aller Herrgottsfrühe anmachen lassen zu müssen; und nicht etwa gut, weil er nicht wollte, dass überhaupt irgendjemand Danika zum Dinner ausführte. Denn das wäre peinlich und besitzergreifend und sinnlos gewesen, schließlich war sie absolut nicht Zafs Angelegenheit. Manchmal hatte er dieses dringende Bedürfnis, sie zu seiner Angelegenheit zu machen, aber er war ziemlich gut darin, solche Gedanken zu unterdrücken, bevor sie außer Kontrolle geraten konnten.

Was Zaf wirklich wollte, war glücklich werden, und er hatte genug Liebesromane gelesen, um zu wissen, wie man das bewerkstelligte. Erst erreichte man seine eigenen Ziele und so weiter. Daran arbeitete er gerade. Dann suchte man sich eine gute Frau, die einen auf schmutzige Gedanken brachte, und lebte glücklich mit ihr für alle Zeiten.

Dani war eine gute Frau, die ihn auf richtig schmutzige Gedanken brachte, aber er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass es mit ihr kein Glücklich-für-alle-Zeiten geben würde. Sie würden es nicht einmal bis zum Es-war-einmal bringen. Zum einen redete sie oft über Sex mit Janelle Monate, und als er sie gefragt hatte, wie sie Idris Elba fand (wer auf Männer stand, stand auch auf Idris Elba, oder etwa nicht?), hatte sie lediglich gesagt: »Super. Ich fand Luther gut.« Und dann war da noch die Tatsache, dass Dani laut Kollegentratsch die Königin der One-Night-Stands war (nicht, dass Zaf Kollegentratsch okay gefunden hätte, das tat er wirklich nicht, absolut nicht). Zaf hätte nur absolut nicht gewusst, wie er mit einer Frau für eine Nacht umgehen sollte, selbst wenn sie eine fünfzigseitige Bedienungsanleitung mitgebracht und nach seinem Penis gegrapscht hätte.

Dani war also nichts für ihn, und er war nichts für sie, und sie waren befreundet, er sollte also nicht einmal an so etwas denken. Deshalb schluckte er seine lächerliche Eifersucht hinunter und scherzte: »Hoffentlich stürzt der Kerl in eine Baugrube oder so.«

»Dein Wort in den Ohren des Universums«, schnurrte Dani und funkelte ihn an. Anders hätte er es nicht beschreiben können. Sie sah ihn an und sie … sie funkelte. Plötzlich wurde ihm heiß und ein bisschen schwindlig, und er fühlte sich viel zu erregt für einen Montagmorgen bei der Arbeit.

Er räusperte sich und riss sich zusammen. Für heute war seine Dosis Danika eindeutig mehr als erreicht. »Jedenfalls bist du spät dran, vergessen?«

Sie blinzelte ein paarmal wie ein verträumtes Kätzchen. »Oh. Oh, verdammt! Ja.«

»Warte.« Er fischte in seiner Hosentasche nach ihrem morgendlichen Proteinriegel. Das war nur fair, weil sie ihm immer Kaffee brachte. Und weil sie nie Zeit hatte zu frühstücken, das war ihm klar geworden, nachdem er beobachtet hatte, wie sie um neun Uhr morgens eine Tüte Skittles verschlang. Und weil sie mit Leib und Seele Vegetarierin war und ohne ihn an Mangelernährung sterben könnte. Und da er ohnehin immer selbst Proteinriegel aß, war es kein Problem, einen zusätzlich für sie mitzubringen.

»Danke, Papi.« Sie kicherte und streckte die Hand aus, denn sie kannte ja die Routine.

Zaf schnaubte. Aber was er in seiner Hosentasche fand, war hart und kalt und definitiv kein Proteinriegel: sein Handy. Falsche Hosentasche. Als er das Handy losließ und die Hand herauszog, war auf einmal der Sound an.

»Dann nimm mich. Ich bin verrückt nach dir, das weißt du doch.«

Oh, verdammt.

Verdammt, verdammt, verdammt.

Natürlich hatte er es fertiggebracht, auf Play zu drücken, sodass sein aktuelles Hörbuch weiterlief. Zaf zog das Handy heraus und nestelte an den darum herumgewickelten Kopfhörern – denselben Kopfhörern, die ihn nicht daran gehindert hatten, auf Play zu drücken, jetzt aber als eine Art undurchdringlicher Schutzmechanismus für den Pause-Knopf fungierten. Er musste sich mitten in einem seiner Teenager-Albträume befinden, denn seine Hände bewegten sich viel langsamer und ungeschickter als normalerweise. Die Erzählerstimme des Hörbuchs warnte: »Wenn ich dich heute Nacht berühre, dann gehörst du mir.« Auf der anderen Seite des Tresens gab Danika einen erstickten Laut von sich – einen entsetzten Laut? Ja. Bestimmt war sie entsetzt – und sie drückte die Hand vor den Mund.

»Zaf.« Sie unterdrückte ein Kreischen. »Ist das ein Porno?«

»Nein!« Das Wort kam ein bisschen zu laut heraus, um ehrlich zu klingen. »Nein«, wiederholte er zähneknirschend und versuchte, wie ein ruhiger, vernünftiger Mann zu wirken und nicht wie ein rasender Perverser. Endlich gelang es ihm, die App abzustellen. Er öffnete eine Schreibtischschublade, versenkte das Handy darin (Technik! Wie den meisten scheinbar angenehmen Dingen im Leben konnte man auch ihr nicht trauen.) und knallte sie zu.

»Das war eindeutig ein Porno«, sagte Dani, und Zaf war so damit beschäftigt, sich nach einer Brücke zu sehnen, von der er springen konnte, dass es einen Moment dauerte, bis er ihr Lachen bemerkte. Eine Hand bedeckte immer noch ihren Mund, aber zwischen den einzelnen Worten entfuhr ihr immer wieder ein Kichern. In ihren Augenwinkeln bildeten sich kleine Fältchen, was eindeutig bewies, dass sie lächelte. Das Gefühl der Erleichterung, das ihn überwältigte, war so verdammt intensiv, dass er fast in Ohnmacht fiel. Mit jedem gutmütigen Kichern rückte er von seiner Angewohnheit, immer das Schlimmste anzunehmen, ein Stück ab.

»Das ist kein Porno«, wiederholte er, und diesmal musste er nicht schreien, um sein panisches Herzklopfen oder das stöhnende Flehen seines Handys zu übertönen. »Das ist ein Hörbuch.«

»Aber was für ein unmögliches Hörbuch?« Sie stellte die Frage mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

»Das spielt keine Rolle«, brummte Zaf, nicht, weil es ihm peinlich gewesen wäre, dass er Liebesromane mochte, sondern weil es nicht der beste Augenblick war, um das zu erklären. »Hör zu, ich wollte wirklich nicht, dass das …«

»Schon klar«, erwiderte Dani zum Glück, ohne zu zögern. Hätte sie nämlich dieses Fiasko als gruseliges – in Anführungsstrichen – Versehen aufgefasst, dann hätte Zaf nach Guatemala fliehen müssen, um dort als Ziegenhirte sein Dasein zu fristen. Dabei hatte er noch nie gut mit Tieren umgehen können.

Seine Wangen brannten immer noch – danke, an wen auch immer, dass es dichte Bärte gab und dunkle Haut –, als Zaf die Hand in seine andere Hosentasche schob, den Proteinriegel fand und Dani überreichte. »Hier. Und jetzt hau ab.«

»Unhöflich«, sagte sie, doch sie lächelte, als sie davonging.

»Sieh zu, dass du ihn auch isst!«, motzte er.

»Viel Spaß mit deinem Sexbuch!«, rief sie zurück. Dann zog sie die Tür zum Treppenhaus auf und verschwand.

Zaf atmete aus und stützte das Kinn auf die Hände. »Tötet mich«, murmelte er zu niemand Bestimmtem. »Tötet mich einfach.«

2. Kapitel

Es war schon irgendwie typisch, dass Danis erstes Jahr als Nachwuchsdozentin – eine gute Sache – zusammenfiel mit dem unglückseligen Umzug in dieses grauenvolle Gebäude mit der Bezeichnung Echo – keine gute Sache. Sie sollte eigentlich Tür an Tür mit ihrer Doktormutter unterrichten, in dem winzigen, gemütlichen Gebäude auf dem Campus, das zur Abteilung Literatur und Frauenforschung gehörte. Aber letzten Oktober war es zu einem bedauerlichen Zwischenfall mit einer Gruppe von Erstsemestern, Clown-Kostümen, einer Piñata und einer überraschend große Menge Asbest gekommen. In dem Chaos der Verlegung von Unterrichtsveranstaltungen hatte Dani dummerweise freiwillig einen Klassenraum übernommen, mit dem sonst niemand etwas zu tun haben wollte. Schließlich arbeitete auch Jo im Echo, wie schlimm konnte es also werden?

Aber jetzt, da Jo nicht mehr ihre gute Freundin und regelmäßige Bettgespielin war, lautete die Antwort: ziemlich schlimm.

Selbst das Allerbeste an diesem Gebäude – dieser recht unterhaltsame Sicherheitsmann – brachte sie dazu, dass sie sich verspätete. Oder zumindest später dran war als normalerweise.

»Okay!« Dani klatschte in die Hände, als sie ihren temporären Klassenraum betrat. »Hier bin ich. Ruhe bitte! Ich hoffe, ihr habt euer Lesepensum erfüllt, denn falls nicht, habt ihr ein Problem.« Vorsichtig zog sie ihren Laptop aus ihrem Rucksack, legte ihn auf den Tisch und ließ die Tasche kurzerhand auf den harten, kalten Boden fallen. Sie nahm die Kappe von ihrem Whiteboard-Stift und deutete auf die Studenten und Studentinnen, die wartend vor ihr saßen. Alle wirkten leicht nervös – so wie sie das mochte. »Christina Rosetti. Goblin Market. Lasst uns darüber diskutieren. Emily, fang an.«

Die verschlafen wirkende junge Frau schlang eine Strähne ihres langen blauen Haars um den Finger und antwortete prompt. »Es geht bloß um Sex.«

Dani trat an die Tafel, schrieb Goblin Market und zog einen Kreis darum. Traditionalisten mochten das An-die-Tafel-Schreiben unnötig finden, aber nicht alle Studierenden waren auditive Lerntypen, egal, in welchem Stadium ihrer Ausbildung sie sich befanden. Also zeichnete Dani einen kleinen Pfeil, der aus dem Kreis heraus auf das nächste Wort deutete: SEX.

Dann drehte sie sich wieder zu Emily um und sagte fröhlich: »Bitte erklär das.«

»Nun ja«, erwiderte Emily ausweichend. »Ich meine, es geht entweder um Sex oder um die Christen. Eines von beidem. Vielleicht auch um beides.«

»Ich glaube, es ist beides«, fügte ihr Sitznachbar Will hinzu.

Dani nickte, zeichnete einen weiteren Pfeil und schrieb: TITTEN AUSPACKEN FÜR CHRISTUS? Dann fragte sie: »Noch etwas Konkreteres?«

»Titten einpacken für Christus«, korrigierte Will.

»Titten wo auch immer für Christus«, sagte Emily energisch, »er wird dir nämlich auf jeden Fall verzeihen. Es ist nur eine Allegorie. Lizzie leidet, richtig? Für Lauras Sünde?«

»Jetzt fängt es an, interessant zu werden.« Dani grinste, nahm einen Schwamm und wischte TITTEN AUSPACKEN FÜR CHRISTUS weg, um es durch ALLEGORIE: ERBSÜNDE, LEIDEN DES HEILANDS zu ersetzen. »Okay, jemand anders …« Ihr Blick landete auf einem unbekannten Gesicht – das musste die neue Studentin sein. Dani hatte dazu eine E-Mail vom Sekretariat erhalten. »Fatima, nicht wahr?«

Die junge Frau nickte, sie sah ernst aus, war zierlich und beunruhigend gut gekleidet. »Ja.«

»Hattest du Zeit, den Text zu lesen?«

»Ja, hatte ich.«

»Dann sag etwas dazu.«

Fatima räusperte sich. »Ich denke auch, dass es um Christus geht. Und ich finde, die Kobolde sind antisemitisch dargestellt.«

Die Studentin neben ihr, Pelumi, schnippte mit den Fingern. »Wie in Harry Potter.«

»Hey«, rief jemand quer über den Tisch. »Lästere nicht über Harry Potter.«

»Es ist kein Lästern, wenn es der Wahrheit entspricht.«

Dani klatschte in die Hände. »Eine lebhafte Diskussion ist genau das, was ich von euch will, aber solange ihr keine solidere Verbindung zwischen Harry Potter und Rosettis Thema findet, verlange ich, dass das vom Tisch kommt.«

Es entstand eine Pause, schließlich sagte Pelumi: »Exzessive Sinnlichkeit und der Preis, der dafür zu zahlen ist. In Hogwarts füllen sich die Schüsseln auf den Tischen wie durch Magie ständig wieder dank unterirdischer Sklavenarbeit; das Mädchen in dem Gedicht stirbt an zu vielen Orgasmen oder so, weil sie von einem Penis, ich meine, von einer Frucht gekostet hat.«

Dani nickte ernst. »Das lasse ich durchgehen, schon allein, weil das ein sehr kreativer Gedanke ist.«

Die Diskussion erwachte zum Leben.

Der Rest der Stunde verging damit, dass Dani einer Mischung aus messerscharfen Erkenntnissen und reproduzierten Memes lauschte, die Diskussion in eine andere Richtung lenkte, wenn es angebracht schien, und ansonsten einfach den Mund hielt. Die Zeit verging wie im Flug, und schon war das Seminar zu Ende, Notizbücher wurden in Taschen gestopft, und die Cupcakes im Union-Verkaufsstand begannen, Danis Namen zu rufen.

Während die Studierenden unter Winken und Abschiedsrufen den Raum verließen, klappte Dani ihren Laptop auf und warf einen kurzen Blick auf ihren Posteingang. Man musste in dieser Hinsicht immer auf dem Laufenden sein. Jemand könnte sie brauchen, um …

Ah.

Da war etwas Neues in ihrer Inbox, mit einer fett gedruckten Betreffzeile, die ihr ein Zwicken im Bauch verursachte. War es freudige Erregung, die dieses Zwicken verursachte, oder eher der Vorbote einer nervösen Magenverstimmung? Schwer zu sagen. Letztendlich konnte es beides sein.

TÖCHTER DER DEKADENZ, DAMALS UND HEUTE; ÖFFENTLICHE TAGUNG

Hi, Dani … war in der Vorschau zu lesen, zweifellos folgte ein Text wie … wir benötigen nur deine endgültige Bestätigung re: Themen für die Podiumsdiskussion mit Inez und Co!

Diese Podiumsdiskussion war eine öffentliche Veranstaltung, zu der Dani zugesagt hatte, als sie wahrscheinlich high gewesen war von den (damals noch nicht bekannten) Asbestausdünstungen letztes Jahr.

Nun, es war keine vollkommen verrückte Entscheidung gewesen. Nicht einmal größtenteils verrückt. Diese Veranstaltung würde sie in akademischen Kreisen bekannter machen, ihren Erfahrungsschatz vergrößern, ihr Profil vertiefen und sie in ihrem Interessengebiet als eine der anerkannten Stimmen etablieren. Daran teilzunehmen, war eine Ehre und passte absolut zu ihren ausgefeilten Plänen, denn sie wollte mit zweiundvierzig Professorin sein. Spätestens mit fünfundvierzig, falls es ihr nicht gelänge, alles, was sie vorhatte, in den nächsten fünfzehn Jahren unterzubringen.

Der einzige Grund, weshalb sie sich fast in die Hose machte, war, dass sie bei dieser Podiumsdiskussion zusammen mit Inez Holly auftreten würde. Ihr wisst schon: eine der weniger als dreißig schwarzen Professorinnen im Vereinigten Königreich, die Frau, die die feministische Literaturtheorie zu ihrem Ding gemacht hatte, Danis größtes Idol, gleichwertig mit Beyoncé und so weiter, und so weiter. Die eine Frau, vor der sie sich auf keinen Fall blamieren wollte, lieber würde sie sterben – ja, sie würde buchstäblich lieber sterben.

Nicht dass Dani sich bei der Arbeit oft blamiert hätte. Ihre Arbeit war unkompliziert und überschaubar und erforderte Fähigkeiten, die sie besaß – wie etwa Laser-artige Konzentrationsfähigkeit und eine Vorliebe für genaues Lesen und Textanalyse –, und keine Fähigkeiten, über die sie nicht verfügte – wie etwa das Analysieren und Ausdrücken von kurzlebigem Quatsch wie Gefühlen. Eine Blamage bei der Arbeit war also wenig wahrscheinlich. Und trotzdem, es waren schon die merkwürdigsten Dinge geschehen.

Sie legte eine Hand auf die Brust, berührte den Mondstein, der unter ihrem Kleid an einer Kette hing, und ließ eine tiefe Gelassenheit wellenförmig in sich aufsteigen. Dann atmete sie aus, tippte eine sorgfältig formulierte Antwort und klappte den Laptop zu.

»Alles ist unter Kontrolle«, sagte sie zu sich selbst. »Das ist dein Job. Dein Ding. Es ist die Art von Druck, mit der du klarkommst.«

Ein paar Minuten später, als sie das Labor verließ und sich plötzlich ihrer Ex-Freundin Plus gegenüber fand, wiederholte sie dieses Mantra immer noch.

Hm, Scheiße.

»Dani«, platzte Jo heraus, die gerade noch rechtzeitig stehen blieb, um einen absolut peinlichen Zusammenstoß zu vermeiden.

»Jo«, gelang es Dani zu sagen. Sie legte den Kopf schief in der Hoffnung, damit unglaublich cool zu wirken, so als würde diese unangenehme Situation ihr nicht das Geringste ausmachen. Nur dass sie das unter ihrem Kleid verborgene Edelsteintrio umklammerte, was ziemlich fragwürdig aussehen musste. Sie ließ die Hand sinken.

Aber sie konnte die drei Steine immer noch spüren. Mondstein für Schicksal, roter Granat für Erfolg, Rosenquarz für Entschlossenheit – und für Romantik, wie manche Leute sagen würden.

Aber in all den Jahren, in denen Dani gelernt hatte, wie wenig sie für Romantik taugte, hatte sie ebendiesen Rosenquarz an sich getragen. Er war also offenbar kaputt.

»Wie geht es dir?«, fragte Jo steif und strich sich über ihren seidig glatten schwarzen Bob.

Dani blinzelte überrascht. »Wie es mir geht? Fragst du mich das echt?« Sie war wirklich neugierig. Die Frage erschien ihr entweder schmerzhaft nichtssagend oder auf gemeine Weise ironisch.

Jos angespanntes Lächeln erlosch. »Man nennt das Höflichkeit.«

»Höflichkeit? Das letzte Mal, als wir miteinander geredet haben, hast du mir gesagt, ich wäre emotional verkrüppelt und angstgesteuert.« Beides total lächerliche Anschuldigungen und, vor allem, ziemlich unhöflich. »Im Ernst, es ist nicht anständig von dir, mit mir Konversation machen zu wollen, nachdem du mir das Herz gebrochen hast.« Nun ja, das war vielleicht übertrieben. »Nachdem du meine Milz gereizt hast«, verbesserte sie sich selbst.

Jo sah sie an. »Deine Milz?«

»Ja. Das ist ein weniger emotionales Zentrum im Körper.«

»Nein, ist es nicht. Es ist ein Immun… – ach, verdammt noch mal, was soll’s.« Jos Bob wirkte nun etwas weniger glatt, ihre Wangen waren gerötet, ihr Blick grimmig. »Hör auf, so verletzt und deprimiert zu tun«, zischte sie im Flüsterton, als ob die Wände Ohren hätten. »Wenn es nach dir geht, hatten wir nicht einmal eine Beziehung.«

»Wenn es nach uns beiden geht«, gab Dani zurück. »Darüber waren wir uns von Anfang an einig. Du warst es, die ihre Meinung geändert hat.« Die auf einmal Verabredungen wollte und Zuneigung und Hingabe, alles Dinge, die Dani gelernt hatte zu vermeiden, denn sie machte dabei immer alles falsch. Nicht, dass ihr das etwas ausmachte. Ihr System war sowieso effizienter.

Wenn sie auch nur versucht hätte, Jo das zu geben, was sie sich wünschte, dann wäre Danis Effizienz der erste Grund zur Beschwerde gewesen. »Trägst du mich etwa in deinen Terminkalender ein? Was? Bin ich für dich einfach nur ein weiterer Termin?«

Sie kannte das Muster. Und sie wusste, wie sie diesem Muster entkommen konnte, so wie dem Zahnarzt.

»Hör zu.« Dani blickte in Jos stahlgraue Augen und versuchte, die ungezwungene Freundschaft heraufzubeschwören, die sie geteilt hatten. Diese Freundschaft hätte niemals sterben dürfen. »Du weißt, dass ich dieses Beziehungszeug einfach nicht mache – und glaub mir, du würdest nicht wollen, dass ich es versuche. Das wäre für uns beide Zeitverschwendung.«

Der frustrierte Ausdruck in Jos Gesicht flackerte, verschwand und wurde ersetzt durch etwas, das Mitleid beunruhigend ähnlich sah. »Das glaubst du tatsächlich, nicht wahr?«

Dani schluckte. »Kann es nicht einfach wie früher sein? Ich …« Ich vermisse dich als Freundin, wollte sie sagen. Aber das wäre beschämend.

Jo wartete ab, bis Danis Schweigen sich zu einem tiefen Abgrund ausdehnte. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«

Tja. Tja. »Na schön.« Und das war es.

Dani straffte die Schultern und eilte den Flur mit so viel theatralischer Verachtung hinab, wie sie nur aufbringen konnte. Was, ihrer Einschätzung nach, ziemlich viel war. Da Jo auf dem Weg zur Treppe und Dani auf der Flucht vor ihr war, ging sie zu den Aufzügen, wo sie hektisch auf den Knopf drückte und jeden Blick zurück vermied. Sie schaute auf die leicht eingedellten Chromtüren, während sie wartete und Jos Worte in ihrem Kopf kreisten wie ein Kinderkarussell. Kein Wunder, dass sie sich ein bisschen seekrank fühlte.

Der ramponierte alte Aufzug kam ächzend zum Stehen, und Dani schlüpfte dankbar hinein. Als sich die Türen schlossen, lehnte sie sich gegen die Rückwand der Kabine und stieß einen schweren Seufzer aus. Was für ein verdammtes Chaos. Wenn das so weiterginge, würde sie ihren Cupcake noch mit ein paar Skittles aufpeppen müssen, nur um ihre Nerven zu beruhigen.

»Um ehrlich zu sein«, brummte sie und warf einen ironischen Blick hoch zur Decke, »weißt du, was jetzt wirklich meine Nerven beruhigen würde? Sex. Damit das mal klar ist. Aber keine Eile, meine Liebe, eins nach dem anderen. Ich warte immer noch auf das Zeichen.«

Die Beleuchtung flackerte und ging aus, und ein ohrenbetäubendes Heulen erfüllte die Kabine.

»Oh, verdammt noch mal«, schrie Dani und hielt sich die Ohren zu. »Schon gut! Ich verstehe zwar nicht, wieso irgendeine vernunftbegabte höhere Macht von mir erwarten sollte, es so lange ohne Oralsex auszuhalten, aber wenn es dir so viel bedeutet, dann werde ich geduldig sein.«

Offenbar war das nicht der richtige Zauberspruch, denn es herrschte immer noch Dunkelheit, die Sirene heulte noch immer, und Dani war immer noch gierig auf einen Snack, ohne dass sich irgendein Weg zu einer netten Packung Süßigkeiten geöffnet hätte. Alles in allem eine schreckliche Situation.

»Na schön«, brummte sie. »Kein Licht und ein total ätzender, unnötig schriller Alarm, der Aufzug funktioniert nicht mehr und …« Sie zog ihr Handy heraus, das kein Signal empfing, nutzte die Taschenlampenfunktion, um die Knöpfe des Aufzugs sehen zu können, und drückte auf den mit der Aufschrift »Notfall«. Nichts passierte. »Der Aufzug funktioniert nicht mehr«, wiederholte sie ruhig. »Und der Notfallknopf auch nicht. Ich schätze, ich habe ein Problem.« Was bedeutete die Sirene im Echo-Gebäude noch mal? Vielleicht Feuer oder Gasaustritt. Nichts davon klang besonders positiv.

Dani biss sich auf die Unterlippe und versuchte, nicht an tragische Todesfälle zu denken, denn Nana hatte ihr immer wieder gesagt, dass man mit seinen Gedanken sein Schicksal beeinflusste. Und Dani war viel zu großartig, als dass ihr Schicksal den Tod durch Einatmen giftiger Dämpfe in einem verdammten Fahrstuhl für sie bereithalten könnte.

Also setzte sie – nach einigen Minuten des Abwägens ihrer Optionen – einen höchst anspruchsvollen Zwei-Schritte-Plan um. Schritt eins bestand darin, dass sie ihre Fingerspitzen in den Spalt zwischen den geschlossenen Aufzugtüren schob und mit aller Kraft versuchte, sie auseinanderzudrücken. Schritt zwei bestand darin, dass sie ihr Zwerchfell einsetzte, tief Luft holte und aus Leibeskräften schrie: »Hilfe!«

Die Gasalarm-Sirene war schrill genug, um die Glasscheiben an Zafs innerem Adrenalinvorratsschrank zerspringen zu lassen, der eigentlich für Extremsituationen reserviert war. Früher einmal hatte er dieses Gefühl äußerster Konzentration und Anspannung vor jedem Spiel gehabt, wenn in seinen Ohren das Grölen der Menge mit dem Rauschen seines Bluts gewetteifert hatte. Aber jetzt lag das hinter ihm, und er holte sich seine Kicks, wann immer sich eine Gelegenheit bot. Und wenn das bedeutete, dass er eine routinemäßig alle zwei Jahre stattfindende Alarmübung so managte, als wäre er Jason Bourne, dann war ihm das nur recht.

George, der zweite Verantwortliche im Echo, kam aus einem der Flure, musterte Zaf und schnaubte: »Du weißt schon, dass das nur eine Übung ist, oder? Warum machst du auf Terminator?«

Zaf erhob sich zu seiner vollen Größe, machte noch mehr auf Terminator und erwiderte grimmig: »Halt den Mund, George.«

George hielt den Mund.

»Okay. Wie besprochen, ich bin dein Kontakt, der Timer ist gestellt, los geht’s.« Sie trennten sich und gingen die Sache an. Während George die wichtigsten Wege abschritt, öffnete Zaf sämtliche Ausgänge, bevor er sich auf die Suche nach Personen machte, die nicht offiziell registrierte Mobilitätseinschränkungen hatten. Er hatte eine Datenbank mit allen Angestellten und Studenten, die in einer solchen Situation Unterstützung benötigten, aber von denen befand sich im Moment niemand im Gebäude. Trotzdem, es konnte jemand hier sein, der sich gerade erst letzte Woche ein Bein gebrochen hatte, oder jemand, dessen Knie nicht funktionierte, wenn es regnete, oder so. Es war Zafs Job, nach solchen Personen Ausschau zu halten, denn wie hatte es sein Vorgesetzter formuliert? »Ich schätze, du könntest jeden hochheben, wenn es sein muss.«

Ein bisschen übertrieben, aber auch nicht direkt falsch: Zaf konnte alles, wenn er musste. Wie zum Beispiel eine Uniformjacke tragen, deren Ärmel nicht einmal seine Handgelenke bedeckte, weil es sie nicht in seiner Größe gab.

Nachdem Zaf überprüft hatte, dass die Evakuierung der Angestellten und Studierenden reibungslos ablief, ging er wieder nach unten, um sich mit den Professoren bei der Kontrolle der Klassenlisten abzustimmen. Er stellte fest, dass auf dem Gehweg vor dem Gebäude totales Chaos herrschte. Routineübung hin oder her, Menschen machten einfach gerne viel Lärm um nichts. Und sie checkten zu selten ihre verdammten E-Mails, wie er feststellen musste. Vor allem die Studierenden riefen sich gegenseitig sinnlose Fragen zu, stießen einander an wie eingesperrte Tiere und befeuerten die ewig schwelende Glut von Zafs Angst.

Nun ja, vielleicht waren an Letzterem doch nicht die Studierenden schuld. Vielleicht kam die Angst eher daher, dass er Danika noch nicht hatte aus dem Gebäude kommen sehen, obwohl er genau wusste, dass sie es eine Stunde zuvor nicht zusammen mit ihrer Klasse verlassen hatte. Als George wieder auftauchte, stand Zaf draußen und suchte die Menschenmenge nach einem Kopf mit kurz geschnittenem pinkfarbenem Haar ab. Er benutzte das gleichen Brüllen wie auf dem Rugby-Spielfeld, um sicherzustellen, dass es jeder in diesem Getümmel mitbekam: »Das ist nur eine Übung! Ihr seid in Sicherheit, es gibt keinen Grund zur Panik. Es gibt keine Gefährdung, aber wir dürfen nicht erlauben, dass jemand hineingeht, bevor das Gebäude nicht sicher ist.«

»Aber Sie haben doch gerade gesagt, dass es ungefährlich ist!«, beschwerte sich ein junger Mann. Offenbar einer von denen, die ihre E-Mails nicht lasen. Gib mir Kraft!

Zaf seufzte. »Ich weiß. Das gehört zur Übung.«

»Aber wenn doch alles nur vorgetäuscht ist, verstehe ich nicht, warum Sie nicht …«

Zaf durchbohrte den Mann mit seinem allerkältesten Blick, für den ihn seine Mutter Haifisch nannte und ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab. »Weißt du, was das Wort Übung bedeutet, Mann?«

Der junge Mann schluckte, zuckte mit den Achseln und trollte sich.

George stellte sich neben Zaf und murmelte: »Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du starke Superschurken-Vibes sendest?«

»Sei still. Letzter Rundgang?«

»Alles klar.«

Zaf blickte wieder suchend über die Menge hinweg. »Hast du Danika gesehen? Ich nämlich nicht.«

»Äh, nein.« George kratzte sich am Ohr und runzelte die Stirn. »Hat wahrscheinlich einen der Notausgänge benutzt.«

Wahrscheinlich sollte ausreichen in einer solchen Situation, oder nicht? Offenbar reichte es für George, denn der wirkte verdächtig unbesorgt. Aber Dani könnte von einer fiesen akademischen Rivalin, deren Theorien sie als ›beklagenswert uninformiert‹ bezeichnet hatte, in einen Vorratsschrank eingesperrt worden sein. Oder vielleicht hatte eine Sekte, die Dani anbetete, in diesem Chaos ihre Chance erkannt, und die Anhänger waren ins Gebäude eingedrungen, um sie zu entführen. Oder … oder …

»Alles klar«, hörte er George sagen. »Ich glaube, das ist gut gelaufen. Lass es uns abbrechen.«

»Nein.«

Langsames Blinzeln. »Äh … wie bitte?«

»Nein«, wiederholte Zaf. »Ich gehe noch mal rein.« Ja, er war paranoid, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen ging, und ja, es war ihm egal. Wenn jeder so paranoid gewesen wäre, dann wären sein Dad und sein Bruder vielleicht nicht vor sieben Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Und wenn das ein absurder Gedanke war, dann Scheiß drauf. Er war eben nicht perfekt.

»Noch mal rein? Wieso das?«

Zaf drängte sich durch die Menge hindurch, ohne auf Georges offenkundige Verwirrung zu achten. »Danika Brown«, wiederholte er so laut, dass er das Stimmengewirr und die vorbeifahrenden Autos übertönte. »Wer hat sie gesehen? Pinke Haare, lehrt Englische Literatur, ungefähr so groß …«

»Ich kenne Dani!«, meldete sich in der Nähe ein blauhaariges Mädchen. »Ich hatte gerade ein Seminar bei ihr.«

Eine Welle der Erleichterung spülte über ihn hinweg. »Ist sie mit dir hinausgegangen?«

»Äh, nein.« Die junge Frau zwirbelte ihren Pferdeschwanz um den Finger. »Sie hat noch an ihrem Laptop gesessen, glaube ich. Aber es ist bestimmt alles in Ordnung – es ist doch nur eine Übung, richtig?«

»Ja«, erwiderte Zaf ruhig. »Es ist nur eine Übung. Welches Stockwerk?«

»Drittes. Moment mal, geht es Ihnen gut? Sie sehen aus, als …«

»Mir geht’s gut«, rief Zafir, bereits im Laufschritt, über die Schulter zurück. »Bleibt ruhig«, rief er, während er zum Eingang zurückrannte. Er riss die elektrische Tür so energisch auf, dass sie gegen die Wand knallte. Hatte er damit den Elektroantrieb zerstört? Egal. Er drehte sich noch einmal zu der Menschenmenge um und ermahnte alle: »Das ist eine Übung!«

Dann sprintete er los und nahm drei Stufen auf einmal.

3. Kapitel

Nachdem sie eine gefühlte Stunde an den Aufzugtüren gezerrt und so viel Lärm wie möglich veranstaltet hatte, begann Dani, sich doch ein ganz klein wenig Sorgen zu machen. Ihr war der Gedanke gekommen – etwa vor zwanzig Minuten –, dass sie für ihre Hilfeschreie besser nicht so tief Luft holen sollte, falls das Gebäude tatsächlich wegen gefährlicher Gase evakuiert wurde. Also war sie dazu übergegangen, mit den Händen gegen die Türen zu schlagen und möglichst gar nicht zu atmen, was nicht sehr effektiv zu sein schien, aber möglicherweise auch ihre bevorstehende Kohlenmonoxidvergiftung etwas hinauszögerte. Jetzt versuchte sie gerade festzustellen, ob ihr schwindlig war, weil die Vergiftung bereits eingesetzt hatte oder weil sie verdammt noch mal nicht richtig atmete.

Es konnte auch beides zugleich der Fall sein.

Als sie durch die Türen hindurch eine Stimme hörte, die ihren Namen rief, fragte sie sich einen Moment lang, ob sie halluzinierte, weil ihr Körper langsam an Rizin erstickte. Dann nahm sie sich zusammen, tätschelte das Dreiergespann aus Edelsteinen unter ihrem Kleid und rief zurück: »Hallo?« Bum, bum, bum. Ihre Hände schlugen wieder gegen die Türen, ihr linkes Handgelenk schmerzte und schwoll an, weil sie wohl beim Versuch, die Türen zu öffnen, einen Muskel gezerrt hatte. »HALLO?«

»Danika!« Die Stimme war jetzt näher, viel näher und fast vertraut, sie übertönte den schrillen Ton des Alarmsignals.

Dani zögerte. »Zaf?«

Keine Antwort. Aber dann ertönte ein eigenartiges, metallisches Wimmern, als ob ein eiserner Elefant niedergeschlagen worden wäre, und dann ein schrilles Kreischen. Danika zuckte instinktiv von den Türen zurück. Eine Sekunde später erschien ein winziger Streifen Licht in der Mitte. Danika sah ein einzelnes dunkles Auge und brach fast zusammen vor Erleichterung.

»Einen Moment noch«, rief Zaf durch den Spalt, und dann erfolgte noch einmal das wimmernde Geräusch. Die Türen glitten noch etwas weiter auseinander. Danika sah Zafs kräftige Fingerspitzen an den verchromten Kanten und stellte fest, dass ihm tatsächlich gelang, wobei sie so kläglich versagt hatte.

»Du kannst nicht einfach die Türen auseinanderziehen! Du wirst dich verle…«

Die Sirene hörte abrupt auf, und die Stille danach war ohrenbetäubend. Dani schluckte den Rest ihres Satzes hinunter und hielt sich die klingelnden Ohren zu, als müsste sie sich gegen den Angriff der Stille schützen. Dann wurde ihr bewusst, wie albern das war, und sie ließ die Hände wieder sinken. Zaf kämpfte weiterhin übermenschlich, vollbrachte das technisch Unmögliche – es sollte unmöglich sein, oder? – und zwang die Aufzugtüren auseinander. Natürlich war das sinnlos; sie war schon so lange hier drin, dass ihr Tod durch Gasvergiftung unausweichlich war, und Zaf hatte sich wahrscheinlich auch selbst zum Tod verurteilt, indem er sie zu retten versuchte. Aus irgendeinem Grund regte sie das unwahrscheinlich auf, und sie hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen.

Das kam wohl davon, dass sie Formaldehyd eingeatmet hatte.

Zaf unternahm eine letzte Anstrengung, und dann waren die Türen offen. Danika hatte einen Moment Zeit, seinen Anblick in sich aufzunehmen: hochgewachsen, breitschultrig, stark. Sein üblicher strenger Gesichtsausdruck war nun fast zornig, der warme Blick seiner braunen Augen war jedoch freundlich genug, um diesen Effekt zu neutralisieren. Aus irgendeinem Grund ließ dieser Kontrast Dani erschauern – die harten Gesichtszüge und der weiche Glanz in seinen Augen. Das Licht verpasste ihm einen Glorienschein, und er wirkte noch größer als sonst. Da traf Dani die Erkenntnis wie der Hieb einer gigantischen kosmischen Faust: Diese ganze heldenmutige Rettungsaktion war höchstwahrscheinlich ein Zeichen. Ja, genau. Ein Zeichen. Das Timing und die Dramatik waren zu bedeutungsvoll, um ignoriert zu werden. Das Universum hätte genauso gut mit blinkendem Neonlicht in Form von Pfeilen auf Zafs herrliche Schultern deuten und schreien können: Dann eben der hier, wenn du es nicht abwarten kannst!

Dani blinzelte. Wirklich? Er? Bist du sicher? Schließlich hatte Sex mit einer lieben Freundin das letzte Mal nicht gut für sie geendet. Außerdem konnte Zaf ziemlich verklemmt sein, und dann war da noch dieses galante Getue und die Angewohnheit bestimmter Männer, in einfachen Sex etwas Tiefergehendes hineinzuinterpretieren … Sie öffnete den Mund, um Zaf zu fragen, ob er, ungeachtet ihrer bisherigen intuitiven Einschätzung, für unverbindlichen Sex zu haben wäre. Dann fiel ihr ein, dass sie ja im Begriff waren zu sterben, wodurch das alles bedeutungslos wurde. Außerdem schien Zaf in ziemlich mieser Stimmung zu sein. Seine Kiefermuskeln unter dem kurzen schwarzen Bart waren angespannt, sein sinnlicher Mund bildete eine harte Linie und sein dichtes Haar war ein hoffnungsloses Durcheinander, vielleicht weil er gerade mit bloßen Händen gewaltsam eine Aufzugskabine geöffnet hatte.