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Mit Sanitätshäusern verhält es sich wie mit Zahnärzten, man vermisst sie nicht, aber irgendwann muss jeder mal hin. Für die meisten Menschen ist das Sanitätshaus ein Laden, den man nur betritt, wenn man ein Problem hat. Und wer will das schon? Aber was bedeutet ein Sanitätshaus für die Menschen, die dort arbeiten und was sind das überhaupt für Menschen? Ich habe mein ganzes berufliches Leben in Sanitätshäusern zugebracht. Ich habe in großen, in kleinen und in ganz kleinen Betrieben gearbeitet. Ich war Arbeiterin, Angestellte, Filialleiterin, und ein paar Jahre sogar selbstständig. Aber überall war es der gleiche Menschenschlag, der mir begegnete: Menschenfreundliche, hilfsbereite Zeitgenossen mit viel Geduld und einem ganz eigenen, zugegebenermaßen etwas schrägen, Humor. Und den braucht man, wenn man den täglichen Wahnsinn überleben will. In den letzten 13 Jahren meiner Berufstätigkeit habe ich immer mal wieder das Bedürfnis verspürt, das eine oder andere Erlebnis aufzuschreiben. So sind sie entstanden, die vollkommen verrückten, lustigen, denkwürdigen Geschichten aus dem Sanitätshausalltag. Geschichten über Kunden, die so unterschiedlich sind, wie Menschen nur sein können und so immer mal wieder für Heiterkeit sorgen. Geschichten über Kollegen, die mit den kleineren und größeren Missgeschicken des Alltags zu kämpfen haben. Geschichten über unseren Chef, der mit seiner Kölner Mentalität, ( „Et kütt, wie et kütt un et hätt noch immer jot jejange“), unsere Lachmuskeln (und manchmal auch unsere Nerven), gehörig strapaziert. Und nicht zuletzt Geschichten über mich, meine eigene Chaosbewältigung, meine zeitweilige geistige Umnachtung und alle anderen möglichen und unmöglichen, alltäglichen Widrigkeiten.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Montag - oder so!
Ich glaube, für jeden arbeitenden Menschen ist der Montag der gruseligste Tag der Woche. Man befindet sich noch im Wochenend-Modus, das frühe Aufstehen ist schon Strafe genug. Man muss sich zunächst mal orientieren: Sind alle Kollegen da? Sind alle gesund? Und im Sanitätshaus werden Wetten entgegengenommen: Welches Hilfsmittel bei welchem Kunden hat das Wochenende überlebt und welches nicht?
An diesem Montag war es eine Wechseldruckmatratze. Das sind gekammerte, luft-gefüllte Matratzensysteme, die bei bettlägerigen, bewegungsunfähigen Menschen eingesetzt werden, um das Wundliegen zu verhindern. Ein Steuergerät reguliert den wechselnden Luftdruck in den einzelnen Kammern.
Meine Kollegin hat sich den Atlaswirbel einrenken lassen – eine langwierige und komplizierte Prozedur zur Korrektur des 1. Halswirbels, die, obwohl sie nur von speziell ausgebildeten Physiotherapeuten vorgenommen werden darf, häufig mit gravierenden Nebenwirkungen einhergeht. Rena ist jedenfalls seitdem zu nix mehr zu gebrauchen. Sie verkauft einer Kundin mit einer Kleidergröße 36 ein Nackenkissen für Herren Gr. 50/52, schreibt nur halbe Telefonnummern auf und weiß plötzlich nicht mehr, wo wir die zu bezahlenden Rechnungen sammeln (seit 6 Jahren). Kurz – sie steht neben sich.
Zu allem Überfluss hat sie sich jetzt auch noch krankschreiben lassen. Obwohl – na ja, dann macht sie wenigstens keinen Schaden.
Trotzdem, jetzt hocke ich wieder ganz allein auf dem ganzen Mist und kann zusehen, wie ich damit fertig werde.
Ich habe schlecht geschlafen, letzte Nacht (ob das noch die Vollmondreste sind?) und als Chef niesend und prustend zur Tür hereinschleicht kann ich mir schon denken, was mich erwartet. Kranke Männer sind ein Elend, kranke Chefs sind eine Katastrophe.
Dann ruft auch noch meine Lieblingssachbearbeiterin (mit der führe ich seit Jahren einen Kleinkrieg) einer Krankenkasse an. Ein Anti-Dekubitus-System in einer 30 km entfernten Kleinstadt ist platt. Das muss schnell gehen. Ich eröffne Chef seine Aufgabe und rufe bei dem Kunden an, um sein Kommen anzumelden:
„Guten Tag, Frau B. Bei Ihnen ist die Matratze defekt?“
„Wie bitte, ich höre Sie nicht!“
Ich schreie meine Frage ein zweites Mal ins Telefon, während sich auf Chefs verschwiemeltem Grippegesicht ein Grinsen breit macht.
„Ich mach mal Fernsehen aus – so, jetzt höre ich Sie!“
Aller guten Dinge sind drei, aber jetzt hat sie mich verstanden. „Ja, die ist platt!“
„Das ist nicht gut, wie lange liegt Ihr Mann denn jetzt schon auf dem defekten System?“
„Drei Jahre!“
Mich wirft es um: „Drei Jahre ist das System schon kaputt?“
„Nein, mein Mann liegt seit drei Jahren drauf, kaputtgegangen ist das erst gestern – und dann hat sich mein Enkel drum gekümmert!“
„Ach, was hat er denn gemacht?“
„Er hat was aus dem Internet ausgedruckt!“
Aha! „Konnte er denn helfen?“
„Nein, er hat das Ausgedruckte mit nach Hause genommen!“
Ach so! „ Macht das Steuergerät denn lautere Geräusche als sonst?“
„Das weiß ich nicht, wissen Sie, ich hab das Fernsehen immer recht laut, ich hör sonst nix!“
Ach ja, da war doch was. Chef sitzt an seinem Schreibtisch und kringelt sich schon vor Lachen.
„Wissen Sie denn, welches System Ihr Mann hat?“ (Natürlich stand in Chefs Computer mal wieder nur AD-System Grad 3!)
„Nein, das weiß ich nicht, so ein dickes mit Luft drin!“
Klasse! Das ist mir auch klar! „Was für ein Firmenname steht denn auf dem Steuergerät?“
„Moment, ich gucke mal nach! Ja, ich hab´s – da steht drauf: ON – OFF.“
Jetzt kann ich nicht mehr, ich beende relativ eilig das Gespräch, verspreche ihr noch, dass Chef in einer Stunde kommt, lege auf – und pruste erst mal los. Chef wischt sich eine Mischung aus Erkältungs- und Lachtränen aus dem Gesicht: „Hab schon verstanden, ich nehme mal besser ein Austauschsystem für Grad 3 mit und schaue mir das mal an!“ – spricht´s und verschwindet mit seiner Riesentasche im Auto.
Da sag noch mal einer was gegen Montage!
Toilettenstühle – Toilettenstühle……………
Das ist so eine Sache mit den Versorgungspauschalen. Das heißt, für diverse Hilfsmittel bekommt man von den Krankenkassen eine Pauschale, dafür stellt das Sanitätshaus den Patienten das Hilfsmittel für eine gewisse Zeit zur Verfügung und übernimmt in dieser Zeit Wartung und Reparaturen. Wird es nicht mehr benötigt, geht es zurück zum Sanitätshaus, wird gereinigt, desinfiziert, repariert und wieder eingesetzt. Zu diesen Hilfsmitteln gehören u.a. Pflegebetten, Rollatoren – und auch Toilettenstühle.
Unser Umzug in einen neuen Laden war erst ein paar Wochen her. In der Umzugsphase waren die Hilfsmittel aus Zeitmangel nur vorgereinigt und dann ins Lager gestellt worden. Was gebraucht wurde, kramte man sich hervor, es wurde gereinigt und eingesetzt.
Und dann kam dieser Tag………
Seit einer Woche ist unser Chef in Urlaub, blauäugig hat er uns liebevoll die Verantwortung für den Laden übertragen. Für die einfachen Hilfsmittel, die keine großartige Beratung erfordern, hat er uns seinen 19-jährigen Sohn Tom da gelassen, der auch brav alles durch die Gegend karrt, was wir ihm ins Auto packen.
Heute Morgen, ich bin natürlich mal wieder alleine, stelle ich fest, wir haben mehr Aufträge, als fertige Toilettenstühle. Voller Hoffnung schaue ich ins Lager, ziemlich sicher, noch das eine oder andere fertige Stück vorzufinden. Schon auf den ersten Blick sehe ich – reicht, Toilettenstühle bis zum Abwinken.