1,99 €
Weil die Auswurffunktion des alten Toasters mal wieder klemmt, nimmt Hanna ein Messer und stochert damit im Gerät herum. Wenn ich das nächste Mal in die Stadt fahre, kaufe ich endlich eine neuen, nimmt sie sich vor - als sie einen heftigen Stromschlag bekommt. Für ein paar Augenblicke fürchtet sie, ohnmächtig zu werden. Der Schmerz in der Brust ist unerträglich. Mit beiden Händen klammert sie sich an der Arbeitsplatte fest und atmet heftig.
Tatsächlich lassen die Schmerzen allmählich nach, die Panik weicht. Nur ein kleiner Stromschlag, denkt sie, den stecke ich weg. Alles ist gut ...
Doch beim festlichen Abendessen mit Gästen fällt Hanna plötzlich das Sprechen schwer. Sie beginnt zu lallen, als wenn sie zu viel getrunken hätte, und sackt im nächsten Moment bewusstlos zusammen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Nie wieder ohne dich!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/MEDIAIMAG
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5199-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Nie wieder ohne dich!
Dramatischer Rettungseinsatz nach einem Herzstillstand
Von Katrin Kastell
Weil die Auswurffunktion des alten Toasters mal wieder klemmt, nimmt Hanna ein Messer und stochert damit im Gerät herum. Wenn ich das nächste Mal in die Stadt fahre, kaufe ich endlich eine neuen, nimmt sie sich vor – als sie einen heftigen Stromschlag bekommt. Für ein paar Augenblicke fürchtet sie, ohnmächtig zu werden. Der Schmerz in der Brust ist unerträglich. Mit beiden Händen klammert sie sich an der Arbeitsplatte fest und atmet heftig.
Tatsächlich lassen die Schmerzen allmählich nach, die Panik weicht. Nur ein kleiner Stromschlag, denkt sie, den stecke ich weg. Alles ist gut …
Doch beim festlichen Abendessen mit Gästen fällt Hanna plötzlich das Sprechen schwer. Sie beginnt zu lallen, als wenn sie zu viel getrunken hätte, und sackt im nächsten Moment bewusstlos zusammen …
„Liebste Hanna, willst du mich heiraten?“
Die Hände von Dr. Richard Lenz umfassten fest, aber zärtlich die Schultern seiner Angebeteten. Er hätte sich auch niedergekniet, aber wegen des nicht eben sauberen Betonbodens schonte er lieber seine neue cremefarbene Sommerhose.
Noch bevor sich ihr schöner Mund zu einer Antwort öffnete, forschte er in ihren meerblauen Augen ungeduldig nach dem Ja, das ihm die bevorstehende Trennung ein wenig erträglicher machen würde.
Das Paar stand auf dem Bahnsteig des Münchener Ostbahnhofs. Hannas Zug ging in wenigen Minuten. Schon längst hatte er sie fragen wollen, ob sie sich vorstellen könne, mit ihm zu leben. Doch wegen der vielen Überstunden in der Klinik hatte sich kaum eine gute Gelegenheit ergeben. Jetzt musste es sein, denn bald war sie für eine Weile weg.
„Heiraten?“ Hanna sprach die drei Silben so verwundert aus, als sei das für sie ein völlig unbekanntes Fremdwort, dessen Bedeutung sie erst noch herausfinden musste.
„Ich möchte, dass du meine Frau wirst“, wandelte Richard seine Worte ab. „Ja, und ich möchte deine Zustimmung, bevor du fährst. Damit ich mich freuen kann. Wenn du wiederkommst, werden wir unsere Verlobung zünftig feiern. Ach Schatz, du wirst mir fehlen.“
„Du mir auch, aber ich habe keine andere Wahl. Und außerdem ist Wasserburg nicht das Ende der Welt.“
„Stimmt, aber zum täglichen Pendeln ist es doch ein bisschen zu weit“, stellte er fest. „Also, was ist? Du hast immer noch nicht Ja gesagt.“
Hanna atmete etwas schneller. Ihr Lächeln wirkte ratlos.
„Du meinst also, wir sollten heiraten? So richtig offiziell mit Standesamt und Kirche?“
„Aber ja, ich will mein Leben mit dir verbringen. Nur mit dir, denn wie du weißt, liebe ich dich von ganzem Herzen.“
„Ich liebe dich auch“, sagte sie und streichelte seine rechte Wange mit den Fingerspitzen. „Aber müssen wir deswegen gleich heiraten? Wir sind doch auch ohne Trauschein glücklich miteinander …“
„Genau darum möchte dich zur Frau, zur rechtmäßigen Ehefrau …“
„Aber die Ehe kann auch ein Glückskiller sein.“ Hanna schob sich ein wenig von ihm weg und betrachtete ihn kritisch. „Hast du daran gedacht? Immer mehr Paare lassen sich wieder scheiden. Vielen bekommt die Ehe einfach nicht.“
„Bei uns wird das anders sein.“ Richard kniff die Brauen zusammen. Wie selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass Hanna über seinen Antrag vor Freude in die Luft springen würde, bildlich gesprochen. Und nun tat sie so, als sähe sie sich mit einer unangenehmen Überraschung konfrontiert.
Er war etwas verwirrt.
„Willst du mich denn nicht?“
„Natürlich will ich dich. Du bist meine große Liebe. Wir haben uns gesucht und gefunden. Wir stehen füreinander ein. Gerade deswegen müssen wir doch nicht heiraten. Die Ehe ist etwas Altmodisches und darum eigentlich überflüssig. Ich dachte immer, du siehst das wie ich. Und jetzt plötzlich kommt dein verrückter Vorschlag …“ Sie lächelte unsicher. „Wir müssen das ja nicht übers Knie brechen.“
„Übers Knie brechen?“, wiederholte er. Seine Stirnfalten wurden tiefer und zahlreicher. „Aber davon kann ja nun keine Rede sein. Wir sind jetzt über zwei Jahre zusammen. Darum will ich wissen, ob du dir vorstellen kannst, ganz lange mit mir zu leben.“ Er räusperte sich. „Für immer“, fügte er dann fast ein wenig grimmig hinzu.
„Aber das tun wir doch schon – oder so gut wie. Wenn wir eine größere Wohnung gefunden haben, ziehen wir zusammen. Wir werden schon noch genug Gelegenheit finden, übers Heiraten zu reden.“
„Ja, klar“, sagte er. „Ich will aber nicht nur darüber reden, sondern es tun.“
Richard bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. Er hatte ja nur ein kleines, glückliches Ja hören wollen, aber offensichtlich waren Zeit und Ort ausgesprochen schlecht gewählt.
„Bitte einsteigen!“, dröhnte es mahnend aus dem Lautsprecher. „Vorsicht bei der Abfahrt!“
Hanna stand schon auf der ersten Stufe des Einstiegs. Er reichte ihr den Rollkoffer.
„Und jetzt?“
Sie beugte sich hastig vor und drückte ihm einen schnellen Kuss auf den Mund.
„Mach dir keine Sorgen, ich werde in Gedanken immer bei dir sein. Und wir haben noch Zeit genug, über alles nachzudenken. Wenn du wieder ein paar Tage frei hast, besuchst du mich. Wasserburg ist eine charmante, kleine Stadt, auch zum Wohnen. Ich möchte dir dort alles zeigen. Es wird dir gefallen.“
Was meinte sie denn damit? In seinem Kopf formierte sich ein großes Fragezeichen.
„Grüß deine Tante unbekannterweise von mir. Und denk über meinen Vorschlag nach.“
„Mach ich …“
Die Tür schloss sich. Hanna hob die Hand, winkte und warf ihm so lange Luftküsse zu, bis sie außer Sicht war.
Einigermaßen betreten schaute Richard der sich langsam aus dem Bahnhof schiebenden Regionalbahn nach. Er ärgerte sich über sich selbst. Warum musste er unbedingt im letzten Augenblick vor der Abfahrt ein so wichtiges Thema anschneiden, noch dazu in dieser wenig romantischen Umgebung? Er fühlte sich blamiert. Aber nun war es passiert. Er hatte es versaut.
Selbst schuld, sagte eine spöttische Stimme in seinem Kopf.
Aber eine andere beruhigte ihn. Sie wird schon Ja sagen. Jede Frau freut sich über einen Heiratsantrag. Auch Hanna ist da keine Ausnahme. Oder doch?
Seine Hand umfasste das kleine Kästchen in seiner Jackentasche. Es enthielt ein mit Brillanten besetztes Herz an einem schmalen Gold-Collier, eine erhebliche Ausgabe für sein Budget, aber die war es ihm wert gewesen. Nun hatte er vor lauter Verstimmung vergessen, es ihr zu geben.
Er hatte den Abschied romantisch gestalten wollen, aber alles, auch wirklich alles war schiefgegangen. Am besten nicht mehr daran denken, sagte er sich.
Aber das war leichter gedacht als getan.
***
Eine gute halbe Stunde später traf Dr. Richard Lenz wieder in der Berling-Klinik ein. Schwester Kirstin winkte ihm schon im Näherkommen zu.
„Da bist du ja endlich!“, sagte sie. „Wo warst du denn? Doktor Holl hat nach dir gefragt.“
„Ich habe doch gesagt, dass ich meine Verlobte zum Bahnhof bringe …“
„Deine Verlobte?“ Kirstin, eine attraktive Frau mit feuerroten Haaren, die immer aussah, als ginge sie gerade auf eine Party, musterte ihn anzüglich. „Seit wann bist du denn verlobt?“
„Seit gerade eben“, erwiderte er eine Spur zu bissig. Und im Weggehen musste er noch eine spitze Bemerkung loswerden. „Im Übrigen wüsste ich nicht, was dich das angeht.“
Ihm war klar, dass Kirstin sich für unwiderstehlich hielt. Zugegeben, sie war ein Hingucker, aber sein Herz gehörte nun mal einer anderen.
Ob Kirstin auch so ablehnend reagiert hätte? Oder würde sie bei einem Heiratsantrag gleich zugreifen? Wahrscheinlich käme es ihr auch auf die materiellen Möglichkeiten des Kandidaten an. Zwar wusste er das nicht so genau, glaubte es aber aus einigen ihrer Bemerkungen herausgehört zu haben.
Dr. Holl sprach gerade mit seiner Sekretärin Moni Wolfram, als Richard das Vorzimmer betrat.
„Ich hatte mir einen halben Tag freigenommen“, sagte er, nachdem er die beiden gegrüßt hatte. „Das war mit dem Kollegen Falk so abgesprochen. Gab es ein Problem? Meine Überstunden …“
„Schon gut.“ Dr. Holl winkte ab, um dem Kollegen Lenz weitere Erklärungen zu ersparen. „Das, was ich mit Ihnen besprechen wollte, hat auch Zeit bis morgen. Aber was machen Sie dann überhaupt hier, wenn Sie doch dabei sind, Ihre Überstunden abzufeiern?“
„Die Macht der Gewohnheit. Ich habe meine Verlobte zum Zug gebracht und bin nun Strohwitwer. Niemand wartet auf mich. Da dachte ich, ich schau noch mal in der Klinik vorbei.“
„Kommen Sie doch mit zu mir nach Hause“, schlug Stefan Holl spontan vor. „Ich wollte gerade aufbrechen. Wir essen eine Kleinigkeit im Garten. Und Sie lernen meine Familie kennen.“
„Ja gern“, erwiderte Stefans junger Kollege, erfreut darüber, dass er den Rest des Tages nicht allein verbringen musste.
„Gute Entscheidung“, mischte sich jetzt Moni Wolfram gut gelaunt ein. „Bei unserem verehrten Chef steht eine Super-Köchin am Herd. Sie werden Ihre Zusage nicht bereuen.“
„Ich denke, heute an diesem warmen Tag wird es eher kalte Platten geben“, vermutete Dr. Holl. „Genaues weiß ich allerdings nicht. Also dann, auf in den Feierabend. Sind Sie mit dem Auto da?“
„Nein, das ist heute in der Werkstatt.“
„Dann kommen Sie. Meins steht auf dem Parkplatz.“
Sie kamen erstaunlich gut durch den städtischen Verkehr. Zwanzig Minuten später bog der Chefarzt auf die Zufahrt seines Grundstücks ein.
Und dann endlich lernte Richard die ganze Familie kennen. Dr. Holls charmante Frau Julia begrüßte ihn herzlich. Die Zwillinge Marc und Dani, zwei junge Erwachsene, hießen ihn mit einem flotten „hey“ willkommen. Der mittlere Sohn Chris lächelte schräg und sagte Hallo.
Die Jüngste, ein aufgeschlossenes Mädchen, das er auf zehn oder elf Jahre schätzte, nahm ihn gleich bei der Hand, um mit ihm eine kurze Gartenführung zu unternehmen.
Juju deutete auf den Swimmingpool.
„Möchten Sie mal reinspringen?“
„Danke für dein Angebot, aber ich bin wasserscheu.“
Juju schaute neugierig zu ihm hoch.
„Aber schwimmen können Sie schon, oder?“
„Eher wie eine bleierne Ente“, erwiderte Richard todernst.
„Sie machen sich lustig über mich“, stellte Juju lässig fest.
„Entschuldige, meine Ausrede war dumm.“
„Macht nichts, ich habe Sie durchschaut“, gab Juju schlagfertig zurück.
„So ein Bad wäre wirklich eine angenehme Abkühlung, aber natürlich möchte ich euch keine Umstände machen.“
„Wir können essen!“, rief Mutter Julia nach den beiden. „Der Tisch ist gedeckt.“
„Na, dann wollen wir mal. Darf ich bitten?“ Richard reichte Juju die Hand, und beide kamen schnellen Schrittes dem Ruf der Hausherrin nach.
Es gab verschiedene Salate, eine beachtliche Käseplatte und frisches Brot.
„Greifen Sie zu, lieber Kollege“, forderte Stefan Holl seinen Mitarbeiter auf.
„Noch mal vielen Dank für die Einladung“, sagte Richard. Jetzt erst merkte er, wie hungrig er war. Dennoch nahm er sich nur dezente Portionen. Schließlich wollte er nicht für einen Vielfraß gehalten werden.
„Haben Sie auch Kinder?“, erkundigte sich Juju zwischen zwei Bissen.
„Noch nicht, aber irgendwann später sicher“, teilte er ihr mit.
„Das Kinderkriegen sollte man nicht auf die lange Bank schieben“, erklärte die Elfjährige den Anwesenden. „Wenn die Frauen älter sind, spielt ganz oft die Natur nicht mehr mit.“
„Unser kluges Kind.“ Julia verdrehte die Augen. „Wo hast du denn das schon wieder gelesen?“
„In Papas Zeitschrift“, gab Juju bereitwillig Auskunft. „Stimmt das etwa nicht?“
„Völlig richtig, Schatz.“ Stefan zwinkerte seiner Jüngsten zu. „Aber ich glaube, Herr Doktor Lenz weiß das auch. Er ist ja Arzt.“
Doch die Holl-Tochter ließ sich von ihrer Befragung nicht abhalten.
„Sind Sie schon verheiratet?“, wollte sie wissen.
„Noch nicht, aber bald wird es so weit sein.“
„Und was macht Ihre Freundin?“
„Jetzt ist es aber genug“, mahnte Julia Holl leise. „Sei nicht so neugierig. Du fragst unserem Gast ja Löcher in den Bauch.“
„Aber das macht doch nichts“, beschwichtigte Richard sie und wandte sich wieder dem Kind zu. „Sie ist Lehrerin.“
„An welcher Schule?“
„An der Europäischen Schule. Sie unterrichtet Deutsch und Philosophie.“
„An unserer Schule!“, rief Juju aus. „Wie heißt sie denn?“
„Hanna Brunner.“
„Die kenne ich!“
„Hast du etwa Unterricht bei ihr?“, wollte Julia wissen.
„Nein, sie unterrichtet die höheren Klassen, aber irgendwann bekommen wir sie sicher auch.“ Juju legte den Kopf auf die linke Seite. „Und Sie wollen heiraten?“
Fast hätte Dr. Lenz dem Drang nachgegeben, auch noch von seinem Reinfall auf dem Bahnsteig zu erzählen, doch er sah davon ab, dieser liebenswürdigen Familie, die er gerade erst kennengelernt hatte, seine Enttäuschung aufzutischen. Damit musste er schon alleine fertig werden.
„Ja, das wollen wir“, sagte er betont munter. „Wir müssen nur noch einen passenden Termin finden.“
„Noch in den Sommerferien?“, hakte Juju nach.
„Vermutlich nicht. Das wird wohl etwas knapp werden, aber bis zu den Herbstferien sollte es schon klappen.“
Er erfuhr noch, dass die Holls bald einige Tage in Rottach am Tegernsee verbringen wollten. Einen genauen Termin gab es noch nicht, denn bis Mitte September waren noch Schulferien. Man wollte sich dort mit Dr. Holls Schwester und deren Familie treffen.
Nach dem Essen zogen sich die Kinder so nach und nach zurück. Richard genoss die Gastfreundschaft der Holls. Sein Chef hatte eine Flasche Wein geöffnet. Man unterhielt sich angeregt. Hin und wieder zirpten die Grillen. Es war ein rundum angenehmer Abend. Fast hatte er seine Niederlage im Ostbahnhof schon vergessen.
Als er wie zufällig auf seine Uhr schaute, erschrak er.
„So spät schon! Ich bin viel zu lange geblieben.“
Die Dame des Hauses beruhigte ihn.
„Aber nein!“, sagte sie. „Sie waren mir willkommen. Und ich würde mich freuen, wenn wir wieder mal zusammenkämen.“
Richard bedankte sich für das Essen und die Zeit, die er mit Dr. Holl und seiner Frau verbracht hatte.
„Ich weiß, dass Sie auch Ärztin sind“, sagte er beim Abschied. „Hätten Sie nicht Lust, wieder einzusteigen?“
„In der Tat spiele ich immer öfter mit diesem Gedanken“, antwortete Julia. „Die Kinder werden immer selbstständiger. Aber ein wenig Zeit lasse ich mir noch.“
Dr. Lenz bedankte sich noch einmal.
„Es war ein wunderbarer Abend. Ich habe mich bei Ihnen sehr wohlgefühlt.“
Mit einem Taxi ließ er sich nach Hause bringen. Und unterwegs dachte er, dass er sich auch so eine Familie wünschte. Es mussten ja nicht gleich vier Kinder sein, aber zwei wären schon ganz in seinem Sinne.
Ob Hanna noch mal über alles nachdachte, um dann seinen Antrag gnädig anzunehmen? Er hoffte es von ganzem Herzen.
***
„Ich habe nicht mehr lange zu leben“, sagte Adelheid Brunner, wobei sie sich bemühte, sich in einer Tonlage zu äußern, die ihrer Ansicht nach einer Grabesstimme gleichkam.
Ihre Nichte wollte gerade den Tisch abräumen, doch nun setzte sie sich wieder hin.
„Was redest du denn da?“ Hanna griff nach Adelheids Hand und strich beruhigend über die dünne Haut, durch die viele blaue Adern schimmerten.
Eines Tages würde sie auch so alt sein, wenn sie achtzig Jahre überhaupt schaffte. So vieles konnte dazwischenkommen und das Leben abrupt verkürzen, ein Unfall, eine schwere Krankheit und der unglückliche Umstand, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
„Ich spüre es einfach.“ Adelheid griff sich ans Herz.
„Du bist doch nicht krank“, widersprach Hanna, die schon ahnte, worauf die Bemerkung ihrer Tante zielte.
„Aber müde, sehr müde sogar. Ich möchte dich häufiger um mich haben. Und darum bitte ich dich, bis zu meinem Lebensende bei mir zu bleiben. Es wird ein überschaubarer Zeitraum sein.“ Sie seufzte.
„Du weißt genau, dass das nicht geht. Eine Versetzung nach Wasserburg wird nur genehmigt, wenn es hier an den Schulen Bedarf für mich und meine Fächer gibt. Und das ist nicht der Fall.“