Chefarzt Dr. Holl 1827 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1827 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Zornig bläst sich die hübsche Dana Baumann eine Locke aus der Stirn. Oh, dieser Kotzbrocken!, denkt sie wenig damenhaft. Tag für Tag lässt Dr. Martin Kramer sie spüren, dass er der erfahrenere Mediziner von ihnen beiden ist. Und doch muss Dana zugeben, dass sie sich trotz aller Unfreundlichkeiten seinerseits auf seltsame Weise zu dem gut aussehenden Neurologen hingezogen fühlt ...

Dana kann nicht ahnen, dass Martins Kälte nur eine verzweifelte Schutzmaßnahme ist. In Wahrheit hat er sich Hals über Kopf in die junge Ärztin verliebt. Aber seit vielen Jahren hält er alle Gefühle eisern hinter einer hohen Mauer verborgen - wie die Erinnerungen an den kleinen einsamen Jungen, der er einst gewesen ist.

Nein, Martin Kramer scheint das Trauma seiner Kindheit einfach nicht überwinden zu können! Wird es für ihn nie Liebe und Glück geben können?

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EPUB

Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Holl und die verletzte Seele

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: GaudiLab/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5999-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dr. Holl und die verletzte Seele

Die Schatten der Vergangenheit bedrohen ihr Glück

Von Katrin Kastell

Zornig bläst sich die hübsche Dana Baumann eine Locke aus der Stirn. Oh, dieser Kotzbrocken!, denkt sie wenig damenhaft. Tag für Tag lässt Dr. Martin Kramer sie spüren, dass er der erfahrenere Mediziner von ihnen beiden ist. Und doch muss Dana zugeben, dass sie sich trotz aller Unfreundlichkeiten seinerseits auf seltsame Weise zu dem gut aussehenden Neurologen hingezogen fühlt …

Dana kann nicht ahnen, dass Martins Kälte nur eine verzweifelte Schutzmaßnahme ist. In Wahrheit hat er sich Hals über Kopf in die junge Ärztin verliebt. Aber seit vielen Jahren hält er alle Gefühle eisern hinter einer hohen Mauer verborgen – wie die Erinnerungen an den kleinen einsamen Jungen, der er einst gewesen ist.

Nein, Martin Kramer scheint das Trauma seiner Kindheit einfach nicht überwinden zu können! Wird es für ihn nie Liebe und Glück geben können?

Auf dem Tablett befanden sich eine Semmel mit Leberkäs, ein Erdbeerjoghurt und ein großer Milchkaffee. Vorsichtig bahnte sich die dunkelhaarige Frau im weißen Kittel einen Weg zwischen den schwatzenden und essenden Kollegen auf Dr. Kramer zu, der im Gegensatz zu allen anderen allein am Tisch saß.

„Ist hier noch frei?“, fragte sie lächelnd.

„Das sehen Sie doch“, kam postwendend die knurrige Antwort zurück. Der Blick aus den stahlblauen Augen war voller Ironie. Dana Baumann ärgerte sich. Sie wollte ja nur höflich sein und fand seine Worte höchst unpassend.

„Entschuldigung, ich wollte nicht stören.“ Immer noch stand sie unschlüssig neben dem Stuhl und schaute sich suchend nach einem anderen Platz um. Nicht, weil sie eingeschüchtert war, sondern weil sie fürchtete, dass ihr neben diesem bärbeißigen Kollegen der Appetit verging.

„Nun setzen Sie sich schon, um Himmels willen! Sie stören nicht. Und beißen tu ich auch nicht. Wollte ohnehin gerade gehen.“ Er warf einen kurzen Blick auf ihren Imbiss. „Na, dann wünsche ich mal guten Appetit“, sagte er und verdrehte in gespielter Entrüstung die Augen. „Dass Ihnen so was schmeckt … gesund ist das nicht. Sollten Sie als Ärztin eigentlich wissen.“

„Danke, dass Sie sich um meine Ernährung sorgen, aber das ist nicht nötig.“ Sie lächelte ihn offen an. „Warum sind Sie so giftig? Hab ich Ihnen was getan?“

Sie sah ihm an, dass ihm eine heftige Erwiderung auf der Zunge lag, doch er beherrschte sich und schlug einen sachlichen Ton an.

„Ich erwarte Sie in einer halben Stunde im Arztzimmer. Bis dahin werden Sie diesen Fraß ja wohl verputzt haben.“

Bevor sie noch etwas sagen konnte, stand er hastig auf und eilte davon. Ohne sich umzuschauen oder gar jemanden zu grüßen, bahnte er sich seinen Weg zum Ausgang der Kantine.

Danas Blicke folgten dem Arzt, dessen Dominanz spürbar wurde, sobald er einen Raum betrat. Aber leider war er nur ein gut aussehendes, arrogantes Scheusal, von Charme keine Spur. Er schnauzte die Pflegekräfte an, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot, und gab sich ansonsten ruppig und unnahbar.

Was mochte wohl Chefarzt Dr. Holl von den weniger angenehmen Seiten seines hochqualifizierten Oberarztes halten? Dana hätte es gern gewusst.

Als junge Ärztin hatte sie natürlich nicht viele Möglichkeiten, sich beim Chef über Dr. Kramer zu beschweren. Freundlichkeit konnte man nicht einfordern. Und rein fachlich stand der Oberarzt völlig unangefochten da.

Also tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass sie immerhin viel von ihm lernen konnte. Sie musste einfach versuchen, den Kotzbrocken in ihm auszublenden.

Mach eine Faust in der Tasche, pflegte Tante Ingrid immer zu sagen. Und diesen Rat befolgte Dana oft. In einigen Jahren würde sie selbst eine gute Neurologin sein und das hochmütige Gebaren Dr. Kramers längst vergessen haben – oder nur noch darüber lachen.

Nachdem die Semmel gut im Magen gelandet war, schickte sie noch das Joghurt hinterher und spülte mit Kaffee nach.

Sie verließ die Kantine und begegnete auf dem Weg zur Neurologie dem Kollegen Jordan, den sie viel sympathischer fand als ihren direkten Vorgesetzten.

„Gehen Sie mal gleich zum Oberarzt“, sagte Dr. Jan Jordan. „Er hat schon nach Ihnen suchen lassen.“

Merkwürdig, dachte Dana. Der Kollege Kramer muss doch wissen, dass ich noch in der Kantine war. Oder hatte er das schon wieder vergessen?

Als sie ihm gegenüberstand, wollte sie ihm sagen, dass auch eine junge Ärztin wie sie hin und wieder mal etwas essen musste. Doch Martin Kramer ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. Als sie an die Tür seines Büros klopfte und eintrat, kam er ihr gleich entgegen, als wollte er ihr den weiteren Zutritt verwehren.

„Ah, Frau Doktor Baumann! Wir haben einen Neuzugang, ein achtundvierzigjähriger Patient, zeigt etliche Symptome, die eine Parkinson-Krankheit vermuten lassen. Was muss ich tun, um eine sichere Diagnose zu bekommen?“

Aha, er wollte sie also prüfen. Vielleicht aus Rache, weil sie es gewagt hatte, sich an seinen Tisch zu setzen?

Dana reagierte zu ihrer eigenen Überraschung emotionslos und präzise.

„Wenn schon vor dem fünfzigsten Lebensjahr die typischen Krankheitszeichen wie die Beeinträchtigung der Motorik, vielleicht auch Persönlichkeitsveränderungen, Ermüdbarkeit und Ungeschicklichkeit auftreten, sollte auf jeden Fall der Kupferhaushalt überprüft werden, um Parkinson gegen die Wilson-Krankheit abzugrenzen.“

Er betrachtete sie sekundenlang mit schmalen Lippen und deutlichem Argwohn in den Augen. Als könnte sie von irgendwoher heimlich Informationen empfangen haben. Informationen, die außerhalb seiner Kontrollmöglichkeiten lagen.

„Geraten oder gewusst?“, hakte er nach.

„Gewusst natürlich“, erwiderte sie mit vorgerecktem Kinn. „So was kann man nicht erraten. Meine Doktorarbeit befasst sich unter anderem mit den Proteinen, die beim Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose beteiligt sind.“

„Sehr interessant“, musste Martin Kramer widerwillig zugeben. Seine Augen schienen sie zu durchbohren. „Und? Wie haben Sie abgeschlossen?“

„Noch gar nicht. Die Arbeit wurde angenommen, aber das Rigorosum steht noch aus.“

„Sind Sie schon nervös?“

Diese Frage ging Dana zu weit. Warum wollte er das alles wissen? Sie kam sich vor wie bei einem Kreuzverhör. Doch dann hörte sie sich zu ihrer eigenen Überraschung zustimmen. „Ja, ein bisschen schon. Aber ich werde mich gut vorbereiten.“

„Wenn Sie so weit sind, können Sie mir schon mal die Ergebnisse vortragen und dann auch den fachlichen Zusammenhang erläutern. Ich sage Ihnen dann, ob Sie sich gut und flüssig ausdrücken und ob die medizinischen Zusammenhänge klar sind. Aber erwarten Sie nicht, dass Sie von mir Schmeicheleien hören. Ich bin ein harter Kritiker.“

„Daran zweifle ich keine Sekunde.“ Dana hob eine Augenbraue. „Ihr Charme ist mir bekannt.“

Sie wusste nicht so recht, ob sie dieses Angebot annehmen oder ablehnen sollte. Eigentlich verspürte sie wenig Lust, mit dem unfreundlichen Oberarzt mehr Zeit als nötig zu verbringen. Andererseits konnte er ihr sicher wertvolle Tipps für die mündliche Prüfung geben.

Dr. Kramer wurde ungeduldig.

„Denken Sie darüber nach. Und geben Sie mir Bescheid, wenn Sie sich entschieden haben.“

„Danke für die Anregung. Ich werde sicher darauf zurück …“

Er wandte sich schon ab, bevor sie ihren Satz beendet hatte. Dana verließ wortlos den Raum.

Sie fühlte sich ein wenig frustriert, aber beim Rundgang durch die Krankenzimmer verflog diese Empfindung rasch wieder. Dennoch fragte sie sich, was Dr. Kramer eigentlich von ihr gewollt hatte. Die an sie gestellte Frage hätte er sich selbst beantworten können.

Um sechzehn Uhr fand sie sich zur allgemeinen Besprechung bei Dr. Holl ein. Dr. Kramer nahm nicht teil, wie sie gleich beim Eintreten feststellte.

Einerseits empfand sie Erleichterung. Andererseits mochte sie seine fundierten Fachkommentare. Die Kollegen Andrea Kellberg, Jan Jordan, Michael Wolfram, Peter Donat und Jochen Hansen saßen schon um den ovalen Konferenztisch. Mit allen kam Dana gut aus.

Während die Ärzte über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der drei neuen Krebspatienten diskutierten, spürte sie immer wieder die Blicke von Jochen Hansen. Allerdings war sie sich nicht ganz sicher, was sie bedeuteten. War es eher ein Zufall, dass er sie anschaute – oder hatte er doch ein besonderes Interesse an ihr?

Sie mochte ihn, weil sie sich auf Augenhöhe begegneten, denn Jochen Hansen verfügte ebenso wie sie erst über wenig Berufserfahrung. Gelegentlich sprachen sie über ihre Erlebnisse in der Klinik und schütteten sich auch gegenseitig das Herz aus, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlten. Aber mehr als einen Kollegen sah sie in ihm nicht.

Nach der Besprechung nahm er sie kurz zur Seite und schlug ein gemeinsames Abendessen vor. Dana hatte keine Einwände. Ihre Tante, mit der sie zusammenlebte, forderte sie ohnehin ständig auf, mehr auszugehen und sich mit jungen Leuten zu treffen.

Aber das war leichter gesagt als getan, denn Dana mochte keine laute Geselligkeit. Bei größeren Menschenansammlungen, wie sie in Discos oder Klubs zu finden waren, fühlte sie sich nicht zugehörig, ja sogar verloren.

„Ich möchte dich gern einladen“, sagte Joachim, um von vornherein zu klären, wer die Rechnung bezahlt, doch damit war Dana nicht einverstanden.

„Kommt nicht infrage“, widersprach Dana. „Jeder zahlt seins. Sonst …“

„Okay, okay“, meinte er lachend. „Akzeptiert. Ganz, wie du willst. Aber es hätte mir schon Freude gemacht.“

***

Chefarzt Dr. Holl kam an diesem Abend später als sonst nach Hause. Seine Frau Julia begrüßte ihn mit einem Kuss und nahm ihm die Tasche ab.

„Eine überraschend schnelle Geburt“, erklärte Stefan, ein hochgewachsener ansehnlicher Mann, der stets offen und herzlich auf die Menschen zuging. „Der kleine Bub hat es ziemlich eilig gehabt, auf die Welt zu kommen. Er wollte seinen Geburtstermin nicht mehr abwarten. Aber die Natur ist nun mal unberechenbar. Mutter und Kind sind wohlauf, und so konnte ich nach getaner Arbeit ruhigen Gewissens Feierabend machen.“

„Hast du Hunger?“, erkundigte sich Julia Holl, eine Kinderärztin, die ihren Beruf jedoch nicht mehr ausübte.

„Und wie!“ Stefan seufzte auf. „Ich hoffe, ihr habt mir was übriggelassen. Mein Magen hängt schon ganz tief.“

„Ich mache dir den Auflauf warm. Gemüse, Kartoffeln und Hühnerfleisch.“

Obwohl Julia schon mit den Kindern gemeinsam gegessen hatte, leistete sie mit einem Glas Johannisbeersaft ihrem Mann am Tisch Gesellschaft.

Trotz seines leeren Magens aß Stefan langsam und bedächtig. Er genoss die Mahlzeit, die Cäcilie, die langjährige Wirtschafterin der Familie, zubereitet hatte.

„Ich habe heute erst erfahren, dass unser Oberarzt Kramer nicht weit von uns entfernt wohnt. Das brachte mich auf die Idee, ihn mal zu uns einzuladen.“

„Von mir aus gern. Wo wohnt er denn?“

„Zwei Querstraßen weiter in der Schubertallee. Dort steht eine große Villa in einem noch größeren Grundstück.“

Julia nickte. „Das Haus kenne ich. Ich glaube, ein Amtsrichter wohnte dort mit seiner Familie.“

„Genau. Und Doktor Martin Kramer ist der einzige Sohn, wenn ich das richtig verstanden habe. Andere Geschwister außer ihm gibt es anscheinend nicht. Vor ein paar Tagen kamen wir ins Gespräch …“ Stefan brach ab. „Er ist ein wenig seltsam“, meinte er. „Ziemlich verschlossen, ist aber ein hervorragender Diagnostiker.“

Stefan schob den letzten Bissen in den Mund.

„Was meinst du mit seltsam?“

„Na ja, man findet keinen Zugang zu ihm. Die Zusammenarbeit mit ihm ist ausgesprochen gut, aber manchmal frage ich mich, was mit ihm los ist. Ich habe ihn noch nie lächeln gesehen.“

„Vielleicht hat er private Probleme“, mutmaßte Julia.

„Möglich. Jedenfalls wollte ich dich mit dieser kurzen Beschreibung vorwarnen. Wollen wir ihn trotzdem einladen?“

„Aber ja. Er wird bei uns schon auftauen“, erwiderte Julia selbstbewusst. „Er soll uns herzlich willkommen sein.“

***

Vor der Schubertallee 2 öffnete sich das elektronische Tor, das den privaten von dem öffentlichen Grund trennte. Ein silbergrauer Wagen fuhr bis vor das Garagentor. Martin Kramer stieg aus, öffnete den Kofferraum, hob zwei gefüllte Tüten heraus und trug sie zur breiten Eingangstür des Hauses.

Er fluchte leise, als er – wie so oft – den Schlüssel nicht sofort fand, und ärgerte sich zum tausendsten Mal über seine Zerstreutheit. Wo war er bloß wieder mit seinen Gedanken? Weder in der linken noch in der rechten Tasche seiner Lederjacke fand er das, was er suchte. Also noch einmal zum Auto zurück. Der Schlüssel lag im Seitenfach der Fahrertür. Das hätte er sich eigentlich denken können.

Nun schloss er auf. Bevor er eintrat, lauschte er kurz, doch aus dem Inneren des Hauses schlug ihm, wie immer, nur hohle Stille entgegen. Wie konnte die Stille nur so laut und aufdringlich sein?

Alles wie jeden Tag, dachte er in einem Anflug von Resignation, als er die Einkäufe einräumte. Viel Raum und wenig Leben. Eine Villa mit acht großen Zimmern, in denen sich ein einzelner Mensch verlief. Manche der Räume hatte er schon seit Wochen nicht mehr betreten, noch nicht einmal zum Lüften.

Natürlich wäre es das Beste, die Immobilie zu verkaufen, doch er scheute den Umzug und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten. Damals, als er mit siebzehn die Eltern verließ, um sein Medizinstudium in Berlin zu beginnen, hätte er selbst nicht gedacht, dass er eines Tages wieder zurückkehren und sogar hier wohnen würde.

Vor zwei Jahren waren seine Eltern durch einen Lawinen-Unfall ums Leben gekommen. Und nun musste er, ob er wollte oder nicht, sich um sein Erbe kümmern. Es gab viel zu regeln, da musste er an Ort und Stelle sein.

Als ihm dann noch an der Berling-Klinik die gut dotierte Stelle eines Oberarztes angeboten wurde, sagte er zu und zog in das Haus, in dem er seine Kindheit und Jugend verbracht hatte.

Nach dem Einzug allerdings erschwerten ihm noch viele Geister der Vergangenheit den Aufenthalt. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt und war gelassener geworden. Die Immobilie besaß einen erheblichen Wert. Irgendwann würde er es schaffen, sie zu verkaufen, und nach einem für ihn passenden Apartment suchen.

Martin öffnete die Kühlschranktür und betrachtete die Lebensmittel, die er erst vor wenigen Minuten hineingelegt hatte. Schließlich entschied er sich für ein Rührei und ein paar Tomaten.

Unwillkürlich musste er an die Leberkäs-Semmel auf Dana Baumanns Tablett denken. Warum hatte er so überheblich reagiert? Dana Baumann konnte doch essen, was sie wollte, das ging ihn ja wirklich nichts an.

Nachmittags hatte er in ihre Personalakte geschaut und auf diese Weise erfahren, dass sie fünfundzwanzig war. Auf ihn wirkte sie wie eine Abiturientin. Eigentlich mochte er sie, doch es würde ihm niemals einfallen, ihr das zu zeigen oder gar zu sagen.

Er verrührte die beiden Eier, schnitt die Tomaten auf, die er mit frischen Basilikumblättern belegte und mit etwas Bio-Olivenöl beträufelte. Das Rührei war schnell zubereitet. Er ließ es kurz stocken und schob es dann von der Pfanne auf den Teller mit den Tomaten. Zum Essen trank er meistens Wasser, aber heute gönnte er sich ein Glas Weißwein.