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Das Schicksal ist nicht fair zu dir - Kann Dr. Holl den Wunsch seiner Patientin erfüllen?
Erst als Dr. Holl ihr Krankenzimmer verlässt, kann die hübsche Tina Verland ihren Tränen freien Lauf lassen. Und die junge Frau weint, wie sie noch nie zuvor geweint hat. Aller Voraussicht nach wird sie die vor ihr liegende, hochkomplizierte Operation nicht überleben! Tina kann nicht fassen, dass nun schon alles zu Ende sein soll: ihr Glück mit Jörg, ihr ganzes Leben - und das mit achtundzwanzig!
Doch in den Tagen, die folgen, wächst in Tina eine selbstlose Überzeugung: Sollte es wirklich zum Schlimmsten kommen, soll ihr Tod noch etwas Gutes für andere bewirken. Sie denkt dabei an die todkranke Mutter eines kleinen Mädchens, dessen Lachen nicht verstummen soll, und an einen jungen Mann, der noch so viele Träume hat. Und beide haben dieselbe seltene Blutgruppe wie Tina! Ihr letzter Wunsch ist es, ihnen und anderen Schwerstkranken ihre Organe zu überlassen, damit sie leben können ...
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Dr. Stefan Holl - ein erfolgreicher Klinikchef, ein liebevoller Ehemann und Vater - eben ein Arzt, der Vertrauen schafft. Mit großer medizinischer Kompetenz und viel Einfühlungsvermögen leitet er die Berling-Klinik, die von seinem Schwiegervater gegründet wurde. Sein Leitspruch lautet: Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung. Danach lebt und handelt er.
Die Authentizität der Patientengeschichten aus der Berling-Klinik fasziniert alle 14 Tage neu das Leserpublikum, und dies schon seit über 30 Jahren.
Tun Sie etwas für Ihr Wohlergehen und genießen Sie mit Chefarzt Dr. Holl Arztromane der Sonderklasse!
Alle Folgen sind in sich abgeschlossen und können unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 119
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Das Schicksal ist nicht fair zu dir
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: wavebreakmedia/iStockphoto
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7161-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Schicksal ist nicht fair zu dir
Kann Dr. Holl den Wunsch seiner Patientin erfüllen?
Von Katrin Kastell
Erst als Dr. Holl ihr Krankenzimmer verlässt, kann die hübsche Tina Verland ihren Tränen freien Lauf lassen. Und die junge Frau weint, wie sie noch nie zuvor geweint hat. Aller Voraussicht nach wird sie die vor ihr liegende, hochkomplizierte Operation nicht überleben! Tina kann nicht fassen, dass nun schon alles zu Ende sein soll: ihr Glück mit Jörg, ihr ganzes Leben – und das mit achtundzwanzig!
Doch in den Tagen, die folgen, wächst in Tina eine selbstlose Überzeugung: Sollte es wirklich zum Schlimmsten kommen, soll ihr Tod noch etwas Gutes für andere bewirken. Sie denkt dabei an die todkranke Mutter eines kleinen Mädchens, dessen Lachen nicht verstummen soll, und an einen jungen Mann, der noch so viele Träume hat. Und beide haben dieselbe seltene Blutgruppe wie Tina! Ihr letzter Wunsch ist es, ihnen und anderen Schwerstkranken ihre Organe zu überlassen, damit sie leben können …
Unauffällig stützte sich Schwester Tina auf das Fußteil des Bettes. Da war schon wieder dieses Schwindelgefühl, von dem sie seit einigen Tagen in unregelmäßigen Abständen gepackt wurde.
„Ach, bitte, Schwester Tina“, sagte die alte Frau Hermes, die nach einer Hüftoperation vorerst ans Bett gefesselt war, „könnten Sie mir mit den Kopfhörern für das Fernsehen helfen? Ich möchte niemanden stören, aber ich komme mit diesen Geräten nicht zurecht.“
„Aber ja, sicher“, erwiderte Tina Verland lächelnd, straffte sich und atmete einmal tief durch, ehe sie zum Nachtschränkchen trat und nach den Kopfhörern griff.
Doch plötzlich hatte sie in den Fingern kein Gefühl. Sie sah nur, dass sie die Kopfhörer in der Hand hielt, spürte es jedoch nicht. Und im nächsten Moment landeten die Kopfhörer auf dem Fußboden.
„Ach, wie ungeschickt von mir!“, sagte sie und versuchte zu lächeln, bückte sich und griff mit der anderen Hand zu.
„Ja, ja, das kenne ich von mir“, meinte die Patientin. „Ich bin allerdings schon achtzig, Kindchen, und Sie sind noch ein kleines Mädchen.“
„Achtundzwanzig“, murmelte Tina.
„Für mich ist das noch ein kleines Mädchen.“ Frau Hermes ließ sich die Kopfhörer geben und noch einmal seine Handhabung erklären.
Tina blieb bei der Patientin, bis sie sicher war, dass sie in Ruhe fernsehen konnte. Dann erst verließ sie das Zimmer und ging zum Aufenthaltsraum für das Personal. Dabei bewegte sie sich, als hätte sie rohe Eier unter den Füßen. Sie fürchtete sich vor einem neuerlichen Schwindelanfall, und die kurze Gefühllosigkeit in der Hand jagte ihr Angst ein.
Behutsam betastete sie der Reihe nach sämtliche Finger an beiden Händen. Nein, jetzt war wieder alles in Ordnung. Trotzdem nahm sie die Vorfälle nicht auf die leichte Schulter. Es war vorhin noch harmlos gewesen. Ein Kopfhörer ging nicht so schnell zu Bruch, und selbst wenn etwas passierte, konnte man ihn ersetzen. Wenn sie jedoch Patienten stützte oder gar auf der Säuglingsstation der Berling-Klinik bei den Neugeborenen eingesetzt wurde, durfte sie sich eine derartige Unsicherheit nicht erlauben.
„Willst du eine Tasse Kaffee?“, fragte Schwester Annegret, als Tina hereinkam.
Als die dienstälteste Schwester der Berling-Klinik keine Antwort erhielt, beobachtete sie die viel jüngere Kollegin schweigend, blieb am Tisch sitzen und wartete, dass Tina von sich aus etwas sagte. Annegret, die schon unter dem Klinikgründer Professor Berling gearbeitet hatte, besaß reiche Erfahrung und eine besonders gute Menschenkenntnis. Sie merkte sofort, wenn etwas nicht stimmte, und sie verstand es, anderen ihre Sorgen zu entlocken.
Tina setzte sich, legte die Hände nebeneinander auf den Tisch, wie man das eigentlich nur noch von alten Fotos braver kleiner Mädchen kannte, und starrte auf ihre Finger.
Annegret seufzte leise, füllte eine Tasse mit Kaffee, tat Milch und Zucker hinein, wie Tina es gern mochte, und schob die Tasse über den Tisch.
„Trink erst einmal einen ordentlichen Schluck“, drängte sie. „Und dann erzählst du mir, was passiert ist.“
Tina griff mit der rechten Hand nach der Tasse, stockte jedoch, als sie den Henkel berührte, biss sich auf die Unterlippe und benutzte die linke Hand. Während sie trank, fühlte sie Annegrets Blick auf sich gerichtet.
Die Tasse war leer und landete mit leichtem Klirren auf der Untertasse. Tina bewegte die Finger, blickte hoch und sah Annegret ängstlich an.
„Ich wollte vorhin Frau Hermes die Kopfhörer geben, hab sie aber fallen lassen.“
Annegret schwieg und wartete. Das allein konnte ihre junge Kollegin nicht dermaßen in Angst und Schrecken versetzt haben.
„Ich hatte gar kein Gefühl in den Fingern.“ Tina hob die rechte Hand. „Ich sah nur, was ich machte, aber ich spürte es nicht. Und dann hatte ich keine Kontrolle mehr über meine Hand.“
Annegret merkte, dass noch mehr kam.
„Seit einigen Tagen wird mir manchmal schwindelig“, gestand Tina. „Ich dachte zuerst an Überarbeitung. Es wäre auch möglich gewesen, dass ich mich zu schnell gebückt und wiederaufgerichtet habe. Es wird aber schlimmer anstatt besser.“
„Das klingt nach Durchblutungsstörungen im weitesten Sinn“, stellte Annegret fest. „Nicht, dass ich dir eine Diagnose stellen will, aber diese Symptome kenne ich von vielen Patienten. Jetzt ist natürlich die Frage, was das auslöst.“
„Ich sollte mit Dr. Falk sprechen“, meinte Tina. Schließlich arbeitete sie zurzeit auf der chirurgischen Station der Berling-Klinik, und Dr. Daniel Falk war der Chefarzt dieser Abteilung und gleichzeitig der Stellvertreter von Chefarzt Dr. Holl.
Annegret nickte. „Das wäre sicher das einzig Richtige“, bestätigte sie. „Hattest du diese Störungen täglich?“
„Nein, und sie kamen auch völlig unregelmäßig“, erwiderte Tina. „Meine Schicht ist in zwei Stunden vorbei. Wenn ich dann zu Dr. Falk …“
„Nein, geh gleich!“, fiel Annegret ihr ins Wort. „So etwas schiebt man nicht auf die lange Bank, schon gar nicht in einem Beruf wie dem unseren. Ich übernehme deine Aufgaben. Nun geh schon“, drängte sie. „Und wenn Dr. Falk keine Zeit haben sollte, wendest du dich gleich an Dr. Holl. Der Chef möchte über Probleme bei seinen Mitarbeitern stets sofort informiert werden, ganz gleich, worum es sich handelt.“
Tina verließ den Aufenthaltsraum und fand Dr. Falk in seinem Büro. Er hörte sich ruhig die Schilderung ihrer Symptome an und lächelte flüchtig, als Tina Verland erwähnte, was Annegret dazu gesagt hatte.
„Ja, unsere stellvertretende Oberärztin“, bemerkte er und wurde sofort wieder ernst. „Ich veranlasse, dass Sie sofort untersucht werden“, entschied er. „Am besten schreibe ich Sie krank.“
„Nein, bitte“, wehrte Tina hastig ab, „es wäre mir lieber, wenn sich das vermeiden lässt. Ich meine, es könnte ja auch ganz harmlos sein, nicht wahr?“, fragte sie zaghaft.
„Nun ja, sagen wir so“, erwiderte Dr. Falk vorsichtig. „Die Ursache könnte relativ harmlos sein, aber die Auswirkungen geben mir schon zu denken. Kopfhörer sind nicht so wichtig, doch wenn Ihre Hand bei anderen Gelegenheiten versagt …“
Er brauchte nicht weiterzusprechen. Der gleiche Gedanke war Tina ja auch schon gekommen.
„Und wenn Sie mich weiter einsetzen und ich darauf achte, dass ich nur harmlose Arbeiten verrichte … Ich meine, wenn ich Essen austeile oder dafür sorge, dass in den Zimmern alles Nötige vorhanden ist, kann nichts passieren. Sollte jemand gehoben oder gestützt werden müssen, ziehe ich eine Kollegin oder einen Kollegin hinzu.“
Dr. Falk betrachtete sie nachdenklich und überlegte.
„Herr Dr. Falk.“ Tina flehte geradezu. „Ich möchte wirklich arbeiten, und ich kann es auch. Ich werde vorsichtig sein. Es kann nichts passieren. Die Arbeit ist mir sehr wichtig.“
Dr. Falk wiegte den Kopf, was weder Zustimmung noch Ablehnung bedeutete.
„Kollege Donat soll Sie erst einmal untersuchen, und dann sehen wir weiter, einverstanden? Bis dahin arbeiten Sie nicht, und ich entscheide, wie es weitergeht.“
Tina stand erleichtert auf. „Danke, Herr Dr. Falk.“
„Gehen Sie in den Untersuchungsraum 3“, forderte der Chefarzt der Chirurgie sie auf und griff zum Telefon. „Ich sage dem Kollegen Donat Bescheid.“
Tina lächelte und verließ das Büro. Erst auf dem Korridor wurde ihr klar, wieso sie darauf gedrängt hatte, weiterhin arbeiten zu dürfen.
Solange sie arbeitete, konnte sie sich daran klammern, dass ihr nur eine Kleinigkeit fehlte. Wurde sie jedoch krankgeschrieben, war das gleichsam eine Bestätigung, dass mit ihr ernsthaft etwas nicht in Ordnung war. Und davor hatte sie Angst.
Zögernd näherte sie sich dem Untersuchungsraum 3. Sie musste es sich eingestehen: Sie hatte Angst, eine tief sitzende Angst, die nur aus einem Gefühl heraus entsprang – dem Gefühl, schwerkrank zu sein.
***
„Mami, bleiben!“, jammerte Hannerl und streckte ihrer Mutter die Ärmchen entgegen.
„Mausi, ich gehe doch nur ganz kurz weg und komme bald wieder“, versicherte Martina Heidenfeld und hatte große Mühe, ihre zweijährige Tochter dermaßen anzulügen. Ihre Mutter stand hinter der Kleinen und presste die Lippen aufeinander. Sie wussten beide, dass von einer baldigen Rückkehr keine Rede sein konnte. Schließlich kannten sie die Diagnose des Spezialisten, den Martina aufgesucht hatte.
„Mami, bleiben!“, flehte Hannerl erneut und beruhigte sich erst, als ihre Mutter sie auf den Arm nahm.
„Mausi, die Oma ist bei dir und spielt mit dir“, redete Martina auf ihre Tochter ein. „Das wird bestimmt lustig. Die Oma geht auch mit dir spazieren.“
Am liebsten hätte sie gesagt, dass Hannerl sie im Krankenhaus besuchen würde, doch sie hatte schon mit ihrer Mutter ausführlich darüber diskutiert. Sie waren sich einig, dass es für die Kleine eine schwere Belastung dargestellt hätte, ihre Mutter ab und zu sehen und dann wieder Abschied nehmen zu müssen. Außerdem blieb abzuwarten, was die Ärzte in der Berling-Klinik unternahmen, um Martina Heidenfelds Leben zu retten – sofern sie überhaupt etwas tun konnten für die junge Frau.
Vera Heidenfeld sah auf die Uhr und nickte ihrer Tochter zu.
„Du musst los. Denk an deinen Termin.“
Es wurde ein tränenreicher Abschied von Klein-Hannerl, und Mutter und Tochter Heidenfeld hatten ebenfalls Mühe, nicht zu weinen.
„Ich besuche dich morgen wie vereinbart“, sagte Vera zum Abschied. „Und du lässt dir ein Telefon ans Bett stellen und rufst mich an.“
„Ich gebe dir sofort meine Nummer in der Berling-Klinik, sobald ich sie kenne, und du kannst dann jederzeit mit mir sprechen“, entgegnete Martina. „Es wird schon, Mutter, ganz sicher. Ich bin doch erst sechsundzwanzig und habe deine Rossnatur geerbt.“
Vera Heidenfeld lächelte unter Tränen. „Ja, natürlich“, erwiderte sie. „Du schaffst das.“
Martina umarmte ihre Mutter. „Und du bist sicher, dass deine Freundin sich um Hannerl kümmert, wenn du zu mir in die Berling-Klinik kommst?“
„Sie hat es mir fest versprochen“, bestätigte Vera Heidenfeld. „Mach dir darüber keine Gedanken. Hannerl kennt und mag sie. Es wird keine Probleme geben.“
Nachdem sie ihre kleine Tochter noch einmal an sich gedrückt hatte, griff Martina Heidenfeld nach ihrer Reisetasche und eilte zu dem Taxi hinunter, das inzwischen vor dem Haus eingetroffen war.
„Ach, die Berling-Klinik kenne ich gut“, meinte der Taxifahrer, ein gemütlicher Münchner, der sich auch durch den dichten Morgenverkehr nicht aus der Ruhe bringen ließ. „Da fahre ich oft Leute hin. Das mache ich schon viele Jahre. Früher waren es vorwiegend werdende Mütter, weil es noch eine Frauenklinik war, aber jetzt behandeln sie dort so gut wie alles.“
Martina nickte nur und verriet nicht, worum es bei ihr ging.
„Ich bin gesund, unberufen“, sagte der Taxifahrer. „Aber sollte ich einmal ins Krankenhaus müssen, würde ich mich auch in die Berling-Klinik legen.“
Martina gab eine nichtssagende Antwort und war froh, als sie endlich vor der Klinik ausstieg. Sie meldete sich in der Ambulanz, wo sie von Dr. Hansen in Empfang genommen wurde. Der junge Assistenzarzt überzeugte sich davon, dass eine Überweisung vorlag, und schickte Martina auf die Chirurgie.
Kaum hatte Martina Heidenfeld die Ambulanz verlassen, als Dr. Jochen Hansen Verstärkung durch den AIP Holger Strackmeier erhielt. Der junge Arzt im Praktikum war der neuen Patientin begegnet und deutete jetzt in die Richtung der Aufzüge, die sie eingeschlagen hatte.
„Ein schwerer Fall?“, fragte er den Assistenzarzt. „Sie wirkte sehr bedrückt.“
Jochen Hansen nickte. „Sofern sich ein geeigneter Spender findet, wird es in der Berling-Klinik bald eine Herztransplantation geben. Und bald muss sie stattfinden“, fügte er hinzu. „Viel Zeit bleibt dieser Patientin nicht mehr.“
„Was hat sie …“, setzte der AIP an, kam jedoch nicht dazu, die Frage ganz auszusprechen, weil ein Notarztwagen vorfuhr. Holger Strackmeier schloss sich Dr. Hansen an, der den neuen Patienten vom Notarzt übernahm.
„Akutes Nierenversagen“, erklärte der Notarzt seinem Kollegen aus dem Krankenhaus. „Fast komatöser Zustand. Ich habe den Blutdruck gesenkt und stabilisiert.“ Er ergänzte noch, dass er den Zustand des Achtzehnjährigen für so kritisch hielt, dass er das nächste Krankenhaus angesteuert hatte.
Dr. Hansen erledigte die Formalitäten, während Pfleger Lucca den jungen Mann in den Behandlungsraum der Ambulanz schaffte, nachdem er ihn zusammen mit den Sanitätern auf eine fahrbare Liege umgebettet hatte.
„Geschwollene Lider.“ Dr. Hansen beugte sich über das Gesicht des jungen Mannes.
Holger Strackmeier deutete auf die Schienbeine, an denen deutlich Gewebewasser zu erkennen war, und Hansen nickte zur Bestätigung, dass der AIP richtig auf die typischen Symptome für akutes Nierenversagen deutete.
„Du misst den Blutdruck, Holger“, ordnete Dr. Hansen an. „Nitrokapseln“, verlangte er von Pfleger Lucca, der sie sofort anstelle einer Infusion besorgte, weil der Patient keine zusätzliche Flüssigkeit mehr erhalten durfte. „Das sieht ganz nach einer Notdialyse aus“, urteilte Jochen Hansen. „Wir schicken den Patienten auf die Innere. Wer hat dort Dienst, Holger?“
Der AIP wusste es nicht, fragte nach und erfuhr, dass Dr. Holl die Notdialyse übernehmen würde. „Der Chef möchte, dass ich dabei bin“, sagte er zu Jochen Hansen. „Wir sehen uns später.“
Dr. Hansen nickte. Es war typisch für Dr. Holl, dass er seinen Arzt im Praktikum nicht bloß für Handreichungen oder andere weniger wichtige Tätigkeiten einsetzte, sondern darauf achtete, dass er so gut wie möglich in der praktischen Arbeit ausgebildet wurde. Er sollte Erfahrung sammeln, und dafür war die Berling-Klinik bestens geeignet.
Dr. Holl legte einen zentralen Zugang unterhalb des rechten Schlüsselbeins des jungen Mannes.
„Achtzehn“, sagte er dabei leise. „Jünger als mein Sohn Marc.“
Holger Strackmeier schloss unter Aufsicht des Chefarztes den Patienten an das Dialysegerät an.
„Wenn er Glück hat, kommt er um die Dauer-Dialyse herum“, bemerkte er.
„Und wenn er Pech hat, braucht er eine Spenderniere und findet keine“, entgegnete Dr. Holl, der ungeniert sprechen konnte, da der junge Patient noch immer nicht richtig bei sich war. „Solche Überlegungen kann man sich sparen, Herr Strackmeier. Sie belasten einen höchstens, bringen aber nichts.“ Er sah auf die Uhr. „Gut, Sie kümmern sich darum, dass hier alles einwandfrei läuft, und Sie melden mir, wenn die Dialyse beendet ist.“