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Sekundenschlaf bei Tempo 100
Von der Überholspur aufs Abstellgleis des Lebens
Von Katrin Kastell
Julian Liebermann nimmt sich die ernsten Worte von Dr. Holl, einem Freund der Familie, durchaus zu Herzen. Er steuere geradewegs auf ein Burn-out zu, hat der Chefarzt der Berling-Klinik ihm erklärt.
Der junge Mann weiß, dass er mit den Kräften am Ende ist, und er hat sich fest vorgenommen, in Zukunft besser auf sich zu achten. Nur noch diese letzte Fahrt von einem Kunden über die Autobahn nach Hause, und morgen beginnt der ersehnte Urlaub mit seiner Familie.
Julian beschleunigt das Tempo und beginnt zu träumen. Lachend läuft er mit seinem kleinen Sohn Tom an der Hand ins Meer hinein. Doch plötzlich rasen gewaltige Wassermassen auf ihn zu, ein wuchtiger Schlag trifft ihn am Kopf, und dann spürt er nichts mehr ...
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Sekundenschlaf bei Tempo 100
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: milanvirijevic / iStockphoto
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-8674-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Sekundenschlaf bei Tempo 100
Von der Überholspur aufs Abstellgleis des Lebens
Von Katrin Kastell
Julian Liebermann nimmt sich die ernsten Worte von Dr. Holl, einem Freund der Familie, durchaus zu Herzen. Er steuere geradewegs auf ein Burn-out zu, hat der Chefarzt der Berling-Klinik ihm erklärt.
Der junge Mann weiß, dass er mit den Kräften am Ende ist, und er hat sich fest vorgenommen, in Zukunft besser auf sich zu achten. Nur noch diese letzte Fahrt von einem Kunden über die Autobahn nach Hause, und morgen beginnt der ersehnte Urlaub mit seiner Familie.
Julian beschleunigt das Tempo und beginnt zu träumen. Lachend läuft er mit seinem kleinen Sohn Tom an der Hand ins Meer hinein. Doch plötzlich rasen gewaltige Wassermassen auf ihn zu, ein wuchtiger Schlag trifft ihn am Kopf, und dann spürt er nichts mehr …
„Nessy, du siehst wieder einmal umwerfend aus.“ Charmant zwinkerte Dr. Stefan Holl seiner Schwiegermutter zu und ließ sein Sektglas gegen das ihre klirren. „Kein Mensch würde darauf kommen, dass du heute tatsächlich schon fünfundfünfzig wirst.“
„Du wirst ja nicht mal rot, du alter Schmeichler!“ Nessy, die in Wirklichkeit heute ihren sechsundsechzigsten Geburtstag feierte, lachte. „Du übertreibst zwar schamlos, aber über Komplimente von attraktiven Männern freue ich mich trotzdem immer.“
„Ich übertreibe kein bisschen“, erwiderte Stefan Holl aufrichtig. „Du strahlst, Nessy. Neben deiner Tochter bist du wie üblich die schönste Frau im Raum.“
Tatsächlich sah seine Schwiegermutter nicht nur weit jünger aus, als das Datum auf ihrem Personalausweis verriet, sie war auch im Herzen jung geblieben. Das hatte sie nicht nur ihrer beneidenswerten Gesundheit zu verdanken, sondern mindestens ebenso ihrer Lebenseinstellung. Anstatt daheim am Ofen zu hocken und über Zipperlein zu klagen, liebte sie ihr Leben und war offen und neugierig auf alles Neue.
Ihr Taufname lautete Erneste, aber das klang viel zu ernst und gewichtig für die lebenslustige Frau, die überall Nessy gerufen wurde.
Vor ihrer Ehe mit Dr. Walter Berling, dem Begründer der Berling-Klinik, war sie als Modeschöpferin tätig gewesen. Sie hatte ihren Beruf stundenweise wieder aufgenommen, als ihre Tochter Julia – Stefans Frau – aus dem Gröbsten heraus gewesen war. Ihr Gespür für Stil, Farbe, Schnitte und Wirkung merkte man ihr bis heute an.
Das königsblaue Kostüm, das sie zur Feier ihres Geburtstags trug, schmeichelte ihrer inzwischen etwas fülligeren Figur und betonte das Leuchten ihrer Augen.
Ohne Zweifel hatte sie das Ensemble selbst entworfen.
„Vielen Dank, Stefan.“ Nessy sandte ihm ein liebevolles Lächeln. „Ich hatte und habe ein glückliches Leben, eine wundervolle Familie und einen ebenso wundervollen Mann, der mich von vorne bis hinten verwöhnt. Das hält jung. Mit anderen Menschen meint es das Schicksal leider weniger gut.“
Dr. Stefan Holl horchte auf. Als Arzt war er es gewohnt, auf die leisesten Schwingungen zu achten, die ihm verrieten, wie ein Mensch sich fühlte. Bis eben hatte Nessys Stimme heiter und unbeschwert geklungen, wie er sie kannte. Jetzt aber war die Sorge darin unüberhörbar. Etwas bedrückte die Jubilarin und hielt sie davon ab, ihr Fest zu genießen.
„Ist bei euch alles in Ordnung?“, erkundigte sich Stefan nun ebenfalls besorgt.
„Ach, du Guter.“ Nessy tätschelte ihm die Wange. „Was sollte bei Walter und mir denn nicht in Ordnung sein? Wir haben keine finanziellen Sorgen und die besten Kinder und Enkelkinder, die ein Mensch sich wünschen kann. Nein, um mich geht es nicht.“
„Um wen dann?“, fragte er und sandte ihr einen prüfenden Blick.
„Um Julian“, erwiderte Nessy bedrückt. „Renates Sohn.“
Das machte die plötzliche Schwermut verständlich. Renate war Nessys Jugendfreundin gewesen, mit der sie von klein auf durch dick und dünn gegangen war. „Die Unzertrennlichen“ waren die beiden jungen Frauen genannt worden, und ihre Freundschaft hatte auch angedauert, nachdem Nessy geheiratet und eine Tochter zur Welt gebracht hatte.
Renate war Julias Patentante geworden, und als sie zehn Jahre später selbst auch den Mann fürs Leben gefunden hatte, hatte sie Nessy zur Patentante ihres Sohnes gemacht. Als Nachzüglerin war dann noch die kleine Katharina zur Welt gekommen, und das Glück schien perfekt.
Leider aber hatte Nessy mit dem, was sie gerade gesagt hatte, recht. Es gab Menschen, mit denen meinte es das Schicksal nicht gut. Der kleine Julian war gerade acht Jahre alt gewesen, als Renate, die in ihrer Mutterrolle aufgegangen war, bei einem tragischen Verkehrsunfall ihr Leben verloren hatte.
Ihr Mann Wolfgang war daran zerbrochen. Die Trauer um seine geliebte Frau hatte den zuvor so agilen Mann jeglicher Lebenskraft beraubt. Ein Jahr nach Renates Tod hatte er seine Arbeitsstelle verloren, und nach einem weiteren Jahr war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sein schönes Haus mit dem großen Garten zu verkaufen und mit seinen Kindern in eine enge Mietwohnung zu ziehen.
Selbst dafür hatte das Geld meist nicht ausgereicht. Wolfgang war ein lieber Mensch, doch die Tragödie, die ihm widerfahren war, hatte ihn lebensuntüchtig gemacht. Sein Sohn und seine Tochter waren mehr oder weniger sich selbst überlassen geblieben.
Dafür, dass die Miete schließlich doch jeden Monat bezahlt wurde und Katharina ordentlich angezogen zur Schule gegangen war, hatte Julian gesorgt. Sooft Nessy ihm davon erzählt hatte, hatte Stefan Holl den Jungen nur bewundern können.
Julian hatte nach der Schule im Supermarkt Regale aufgefüllt, um zur Haushaltskasse etwas beizusteuern. Er hatte für die kleine Familie eingekauft und war sogar in Katharinas Schule zur Elternversammlung gegangen. Wie er es neben alledem noch geschafft hatte, einen guten Schulabschluss zu erzielen, war dem Leiter der Berling-Klinik ein Rätsel.
„Ich hatte gehofft, dass ich heute mit dir über Julian reden könnte“, rief ihn Nessy in die Gegenwart zurück.
„Selbstverständlich“, beteuerte ihr Schwiegersohn. „Wie geht es ihm denn? Du hast lange nicht mehr von ihm erzählt. War er nicht künstlerisch begabt und ist Maler geworden?“
„Oh ja, künstlerisch begabt war er allerdings, und er ist es noch. Maler ist er aber leider nicht geworden, obwohl sein Kunstlehrer ihn so sehr ermutigt hat. Er hat es nicht gewagt. ‚Ich will lieber einen soliden Beruf ergreifen, damit es meiner Familie später einmal an nichts fehlt’, hat er gesagt, als er gerade erst achtzehn war. Die Schwäche seines Vaters war ihm ein abschreckendes Beispiel. Deshalb hat er sich zum Software-Entwickler ausbilden lassen und arbeitet in seinem Feld mit ziemlichem Erfolg.“
„Software-Entwickler?“ Dr. Holl hatte den jungen Mann lange nicht gesehen, aber dieser Beruf schien ganz und gar nicht zu ihm zu passen.
Julian Liebermann hatte früher kaum ein paar Minuten lang still sitzen können, ohne auf einer Serviette oder einem Bierfilz, der herumlag, rasch eine Skizze zu entwerfen. Und die Zeichnungen, die Stefan von ihm gesehen hatte, waren außergewöhnlich gewesen. Der junge Mann hatte Talent, und zwar eines, wie man es nicht häufig sah.
„Ich weiß, was du denkst.“ Nessy seufzte. „Anfangs habe ich mir wenig Gedanken gemacht. Ich war der Meinung, dass dieser Junge nicht nur malen wollte, sondern einfach malen musste, also würde er eines Tages auch den Weg zurück zur Malerei finden. Inzwischen aber habe ich den Glauben daran verloren.“
„Warum denn das?“ Dr. Holl hob fragend die Brauen.
„Julian macht sich in seinem Beruf kaputt“, antwortete Nessy. „Er hat überhaupt keine Zeit mehr, um mal in Ruhe zu essen oder um genügend zu schlafen, vom Malen ganz zu schweigen. Für die Firma, bei der er beschäftigt ist, muss er Kunden besuchen und häufig reisen. Ich bekomme es jedes Mal mit der Angst zu tun, wenn ich mir vorstelle, wie dieser völlig übermüdete Mann mit hundert Sachen über die Autobahn rast.“
„Dabei bekäme ich es allerdings auch mit der Angst zu tun“, stimmte Stefan ihr zu. „Warum tut er das? Warum macht er sich für einen Beruf, der nicht einmal seinem Wunsch entsprang, derartig kaputt?“
„Er tut es ja nicht für den Beruf“, erklärte Nessy ihm. „Er tut es für seine Familie, für seine Frau Ines und für seinen Jungen, den kleinen Tom, die er beide über alles liebt. Das verstehe ich ja auch. Er will seine Lieben eben gut versorgen. Aber die Forderungen, die Ines stellt, kennen keine Grenzen. Sie müssen unbedingt in einer Villa in Grünwald wohnen, Tom soll eine teure Privatschule besuchen, und als Zweitwagen braucht Ines natürlich auch ein dickes Auto.“
„Dann wird Julian seiner Frau wohl erklären müssen, dass sie mit ihren überzogenen Wünschen sein Leben gefährdet, liebe Schwiegermama.“
„Aber das macht er eben nicht!“, rief Nessy verzweifelt. „Er will ihr nichts abschlagen. Lieber reibt er sich selbst völlig auf. Könntest du nicht einmal mit ihm reden, Stefan?“
„Ich?“, fragte er ein wenig perplex zurück. „Warum hältst du denn ausgerechnet mich für den passenden Ansprechpartner? Wäre ein guter Freund nicht viel besser geeignet?“
„Julian hat sich von seinen Freunden ganz zurückgezogen. Sie waren Ines nicht vornehm genug, und außerdem hat er ja sowieso nie Zeit.“
„Ich verstehe“, murmelte Stefan Holl. „Und was ist mit seiner Schwester?“
„Mit Katharina?“ Nessy schüttelte bedauernd den Kopf. „Die hat bereits mit Engelszungen auf ihn eingeredet, ohne auch nur das Geringste zu erreichen. Kati studiert noch und erklärt ihm dauernd, dass sie mit ihrem Stipendium bestens auskommt, aber er lässt es sich nicht nehmen, ihr immer wieder etwas zuzustecken.“
Dr. Holl nickte. Er kannte solche Menschen, die geradezu unfähig waren, an sich selbst zu denken und sich immer nur um andere sorgten. In seinem Berufsalltag als Arzt begegneten sie ihm immer wieder.
Gerade hatte er wieder eine junge Frau auf seiner Station, die zu diesem Menschenschlag gehörte und ihn mit tiefer Sorge erfüllte.
Celia Hubertus, Musiktherapeutin und Mutter einer kleinen Tochter, hatte sich mit heftigen Krankheitssymptomen weiter durch ihren Tag geschleppt, weil sie ihre Klienten und ihre Familie nicht im Stich lassen wollte. Erst als sie auf der Straße zusammengebrochen war, hatten Passanten dafür gesorgt, dass sie in die Berling-Klinik, die Dr. Holl inzwischen leitete, eingeliefert worden war.
Julian Liebermann war offenbar von derselben Art, und Nessy – schließlich ihr Leben lang Arztfrau – hatte ganz richtig beobachtet, dass so etwas böse ausgehen konnte. Wer mit seinen Kräften nicht haushielt und sich keine Zeit zum Auftanken nahm, der stand irgendwann da wie ein Auto mit leerem Tank.
Nur dass Menschen keine Ersatzkanister im Kofferraum hatten und es für sie deshalb allzu schnell zu spät sein konnte.
„Ich wollte, dass du mit Julian sprichst, weil du Arzt bist“, sagte Nessy. „Und weil ich glaube, dass er im Eiltempo in ein Burn-out-Syndrom steuert.“
„Ich bin Gynäkologe, Nessy“, gab Stefan Holl zu bedenken. „Wenn es um Julian wirklich so ernst steht, dann sollte er sich bei einem Kollegen von der Psychiatrie vorstellen. Oder auch erst einmal bei seinem Hausarzt, der ihn gut kennt.“
„Hausarzt, dass ich nicht lache“, rief Nessy. „Er hat doch gar keinen. Er ist immer gesund und braucht keinen Arzt, behauptet er. Wenn ich ihm da mit einem Psychiater käme, würde er mich für verrückt erklären und mich selbst hinschicken, fürchte ich.“
„Und warum nimmst du dann an, er würde mit mir sprechen?“
„Weil in diesem langen Kerl noch immer der liebe Junge von damals steckt, der niemanden verärgern will. Schon gar nicht seine alte Patentante. Ich kann manchmal selbst nicht glauben, mit wie viel rührender Treue er an mir hängt. Wenn ich ihm sage, er soll zum Arzt gehen, blockt er sofort ab, aber zu einem Gespräch mit dir würde er sich überreden lassen. Du bist schließlich ein Freund der Familie.“
„Ich weiß nur nicht, wie ich ihm helfen soll“, wandte Nessys Schwiegersohn skeptisch ein. „Ich bin ja nun einmal auf die Frauenheilkunde spezialisiert, nicht auf Erkrankungen des Geistes.“
„Ach was, Stefan“, wischte Nessy seinen Einwand beiseite. „Du bist doch ein Arzt, der den ganzen Menschen betrachtet, nicht nur seine einzelnen Teile. Wenn jemand Julian überzeugen kann, dass er dringend sein Leben ändern muss, dann bist du es.“
„Dürfen wir uns zu euch gesellen, oder ist das Gespräch privat?“ Ehe Stefan zu einer Antwort ansetzen konnte, trat ein Paar zu ihnen, das bis eben zur sanften Musik miteinander getanzt hatte. Es handelte sich um seinen Schwiegervater Walter, der mit seinen siebzig Jahren noch immer eine beeindruckende Präsenz besaß, und um seine Frau Julia, die in einem burgunderroten Cocktailkleid wie immer hinreißend aussah. Vater und Tochter lächelten ihnen erwartungsvoll entgegen.
„Natürlich dürft ihr“, rief Nessy übertrieben heiter. „Ich für meinen Teil würde mich ganz gern in die Schlacht ums Büffet begeben. Ich bin sicher, wenn ich nicht bald etwas von dem köstlichen Roastbeef bekomme, fängt mein Magen in peinlicher Lautstärke an zu knurren.“
„Da schließen wir uns doch gern an, was, Julia?“, fragte Walter Berling seine Tochter.
„Und ob!“ Julia lachte, hakte sich bei ihrem Vater ein, und die vier machten sich auf den Weg ins Esszimmer, wo ein von einem Feinkostgeschäft angeliefertes Büffet aufgebaut war.
„Bitte, sprich mit ihm, Stefan“, wisperte Nessy ihrem Schwiegersohn im Gehen noch hastig zu.
Beruhigend strich ihr Stefan Holl über den Arm.
„Sag ihm, er soll mich anrufen, und ich mache dann einen Termin mit ihm aus“, entgegnete er leise. „Versprechen kann ich dir nichts, aber ich werde mein Bestes versuchen.“
***
Vor drei Tagen war doch noch alles in Ordnung, und wir haben uns auf den Urlaub gefreut!
Celia Hubertus lag wie erstarrt in ihrem Krankenhausbett, starrte an die weiße Wand und konnte noch immer nicht glauben, dass innerhalb von nur zwei Tagen ihre heile Welt zerbrochen war.
Ja, sie hatte sich in letzter Zeit nicht recht wohlgefühlt, war ständig müde gewesen und hatte keinen Appetit gehabt. Sorgen hatte sie sich deswegen jedoch nicht gemacht, sondern geglaubt, sie sei einfach erschöpft und urlaubsreif.
In ihrem Beruf als Musiktherapeutin konnte sie nicht immer pünktlich Feierabend machen. Oft dauerten Sitzungen länger als erwartet, Klienten wollten noch etwas besprechen, und mit ihren Sorgen und Problemen mochte Celia sie nicht alleinlassen. Gleichzeitig war sie jedoch immer nervös, weil sie auf dem Heimweg ihre fünfjährige Tochter Rosa vom Kindergarten abholen musste und nicht zu spät kommen wollte.
Zu Hause erledigte sie dann in aller Eile den Haushalt, kochte das Abendessen und gab sich Mühe, die verbleibende Zeit mit ihrem Kind zu nutzen. Sie spielten in Rosas Puppenküche, schauten sich Bilderbücher an oder malten mit Wachsstiften farbenprächtige Kunstwerke, was Rosa besonders liebte. Celia war unendlich gern Mutter, doch die ständige Doppelbelastung brachte sie manchmal ans Ende ihrer Kräfte.
Zudem hatte Marco, ihr Mann, die Wohnung gern ordentlich, wenn er von einem anstrengenden Arbeitstag als Finanzberater nach Hause kam, sodass Celia noch schnell Spielzeug und Malsachen wieder aufräumen musste.
Celia gestand sich nun ehrlich ein, dass sie oft regelrecht außer Atem gewesen war, wenn sie Marcos Wagen schließlich auf der Auffahrt gehört hatte.
Nach dem Urlaub geht es mir wieder besser, hatte sie sich beschworen. Sie hatten zwei Wochen in einer luxuriösen Ferienanlage auf der Sonneninsel Madeira gebucht. Celia hatte eine preiswerte Pension an der Ostsee vorgeschlagen, weil sie sich um die hohen Kosten Sorgen machte, aber Marco hatte sich so sehr einen richtigen Traumurlaub gewünscht.