Chefarzt Dr. Holl 1873 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1873 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Gefährliche Trostpillen
Es klang ganz harmlos, was auf dem Beipackzettel stand
Von Katrin Kastell

Unsicher blickt Barbara auf die Packung mit den Tabletten. Das Medikament ist unter anderem auch für die Anwendung bei akuten Trauer- oder Angstzuständen zur kurzfristigen Einnahme geeignet. Es kann zu Müdigkeit und leichtem Schwindel führen und schränkt die Aufmerksamkeit ein, sodass Betroffenen geraten wird, nicht mehr am Straßenverkehr teilzunehmen. Aber Barbara will ja gar nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Sie will sich in ihrer kleinen Wohnung einigeln, die Vorhänge zuziehen und endlich ein bisschen Ruhe finden, eine Pause von den unaufhörlichen Attacken des Schmerzes.
Warum soll sie die Tabletten also nicht ausprobieren? Das, was auf dem Beipackzettel steht, klingt doch wirklich ganz harmlos, und bei einer einmaligen Einnahme kann sowieso nichts passieren. Kurzentschlossen drückt sie zwei der runden rosa Pillen aus der Packung. Bald merkt sie, wie eine angenehme Ruhe sie überkommt. Dieses Gefühl will sie nie, niemals mehr missen ...

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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefährliche Trostpillen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: bezikus / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8833-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gefährliche Trostpillen

Es klang ganz harmlos, was auf dem Beipackzettel stand

Von Katrin Kastell

Unsicher blickt Barbara auf die Packung mit den Tabletten. Das Medikament ist unter anderem auch für die Anwendung bei akuten Trauer- oder Angstzuständen zur kurzfristigen Einnahme geeignet. Es kann zu Müdigkeit und leichtem Schwindel führen und schränkt die Aufmerksamkeit ein, sodass Betroffenen geraten wird, nicht mehr am Straßenverkehr teilzunehmen. Aber Barbara will ja gar nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Sie will sich in ihrer kleinen Wohnung einigeln, die Vorhänge zuziehen und endlich ein bisschen Ruhe finden, eine Pause von den unaufhörlichen Attacken des Schmerzes.

Warum soll sie die Tabletten also nicht ausprobieren? Das, was auf dem Beipackzettel steht, klingt doch wirklich ganz harmlos, und bei einer einmaligen Einnahme kann sowieso nichts passieren.

Kurzentschlossen drückt sie zwei Pillen aus der Packung. Bald merkt sie, wie eine angenehme Ruhe sie überkommt. Dieses Gefühl will sie nie, niemals mehr missen …

„Warum musste das nur geschehen? Wir waren doch so glücklich!“

Erst als Barbara Brunner in der Stille des frühen Abends ihre eigene Stimme vernahm, wurde ihr mit Schrecken klar, dass sie den Gedanken laut ausgesprochen hatte.

Sie stand allein auf dem Balkon ihrer kleinen Ferienwohnung mit Blick auf die spiegelglatte tiefblaue Ostsee und hatte das Gefühl, ihr würde das Herz aus dem Leib gerissen. Nirgendwo hatte sie ihr Glück mit ihrem Mann Andreas so intensiv gespürt wie hier, in ihrem geliebten, direkt am Meer gelegenen Hohwacht.

Und nirgendwo wurde ihr mit so viel brutalem Schmerz bewusst, dass dieses Glück zu Ende war.

Sie war allein und würde von nun an für immer allein sein. Den wunderbaren Mann an ihrer Seite, mit dem sie doch gerade erst fünfundzwanzig harmonische Ehejahre gefeiert hatte, gab es nicht mehr.

Wie war das möglich? All die Liebe, die Harmonie und Gemeinsamkeit konnten doch nicht auf einen Schlag verschwunden sein? Und wenn sie es waren, was war dann von ihr selbst noch übrig? Sie hatte doch ihr gesamtes Erwachsenenleben mit Andreas verbracht.

Barbara und Andreas hatten einander im letzten Schuljahr kennengelernt. Praktisch auf den ersten Blick hatte sich Barbara in den attraktiven, blonden, immer gut gelaunten Jungen, der aus einem Dorf in Franken zugezogen und neu in ihre Abiturklasse gekommen war, verliebt. Umso glücklicher war sie gewesen, als sich herausgestellt hatte, dass ihre Gefühle erwidert wurden. Sie und ihr Andy hatten einfach zusammengepasst, und auch ihre Familien und Freundeskreise hatten sich auf Anhieb blendend verstanden.

Für beide hatte festgestanden, dass sie sofort nach bestandenem Abitur heiraten und ihr Leben von nun an teilen würden.

In einer winzigen Dachwohnung über den Dächern von München hatte ihr Glück begonnen. Andreas hatte Physik studiert und sein Studium mit großem Fleiß betrieben, weil er seiner jungen Frau so rasch wie möglich etwas bieten wollte.

Barbara hatte eine Ausbildung zur Modedesignerin gemacht. Zugleich hatte sie den Unterhalt für sie beide durch farbenprächtige Batiktücher verdient, die sie in ihrem Wohnzimmer entworfen und in leuchtenden Farben gestaltet hatte.

Sobald Andreas seinen Abschluss gemacht und auch gleich seine erste Stellung in der Tasche gehabt hatte, hatten sie einen Kredit aufgenommen und in Grünwald ein zauberhaftes Haus gekauft, das Barbara mit all ihrer Liebe und ihrem Geschmack behaglich eingerichtet hatte.

Für beide war nun der Zeitpunkt gekommen, ihr Glück zu krönen und den Sprung vom Paar zur Familie zu wagen. Das so sehr ersehnte Kind wollte sich jedoch nicht einstellen. Nachdem sie jahrelang vergeblich gehofft hatten, hatte sich Barbara schließlich in die Praxis von Stefan Holl begeben, einem Gynäkologen, der mit Andreas und dem Apotheker Thomas Ludwig seit der Universität ein unzertrennliches Freundestrio gebildet hatte. Stefan Holl vertraute sie, und von ihm wollte sie sich untersuchen lassen.

Dr. Holl hatte nichts anderes feststellen können, als dass Barbara kerngesund und körperlich in der Lage war, ein Kind zu empfangen und auszutragen. Unverzüglich hatte er Andreas zu einer gründlichen Untersuchung an einen Kollegen überwiesen, der auf Fruchtbarkeitsprobleme bei Männern spezialisiert war. Der war auf die niederschmetternde Ursache für die Kinderlosigkeit des Paares gestoßen: Nach einer Mumps-Erkrankung als kleiner Junge würde Andreas keine Kinder mehr zeugen können.

Ihr Traum war zerplatzt. Für kurze Zeit waren Barbara und Andreas am Boden zerstört gewesen. Dann aber hatte Barbara sich zusammengerissen und begonnen, ihren Mann wieder aufzubauen.

„Wir haben doch immer noch einander“, hatte sie zu ihm gesagt. „Das ist so viel mehr, als die meisten Menschen je in ihrem Leben haben werden. Und ich liebe dich ohne Kind doch nicht weniger.“

„Bist du dir dessen sicher?“, hatte ihr armer Liebster, erfüllt von Zweifeln, gefragt. „Hättest du nicht mich, sondern Thomas geheiratet, dann wärst du jetzt glückliche Mutter und hättest so ein süßes Bündel im Arm.“

Sein Freund Thomas hatte ein Jahr zuvor geheiratet und war Vater einer entzückenden kleinen Tochter geworden. So stolz Andreas das Amt des Taufpaten auch übernommen hatte, so sehr hatte es ihn geschmerzt, nie ein eigenes Kind ans Taufbecken tragen zu dürfen.

Auch bei Stefan Holl, dem Dritten im Freundesbund, hatte sich der Klapperstorch eingestellt. Er und seine Frau Julia hatten damals ihr viertes Kind erwartet.

„Thomas hätte dich nämlich liebend gern geheiratet, weißt du?“, hatte Andreas mit spürbarer Nervosität gefragt. „Er hatte vom ersten Tag an eine riesengroße Schwäche für dich.“

„Was für ein Unsinn!“, hatte Barbara ausgerufen und ihrem Liebsten mit einem Kuss die törichten Sorgen zerstreut. „Thomas liebt seine Christiane, nicht mich. Und ich liebe nicht ihn, sondern dich, mein wundervoller Dummkopf.“

In Wahrheit aber war die Ehe zwischen Thomas und Christiane nach nur drei Jahren zerbrochen. Über Nacht war die junge Flugbegleiterin mit einem Kollegen in die USA gegangen und hatte ihren Mann und die kleine Maren zurückgelassen.

Barbara und Andreas hingegen waren zusammengeblieben und hatten sich ihr Leben ohne die erhofften Kinder so schön wie nur irgend möglich gemacht. Beide hatten die Arbeit im Garten, Theaterbesuche und ein gutes Glas Wein in geselliger Runde geliebt. Ein lauschiger Abend in trauter Zweisamkeit war ihnen jedoch über alles gegangen.

„Ich kann einfach nicht glauben, wie sehr ihr beide euch selbst genug seid“, hatte Barbaras jüngere Schwester Silke, die jahrelang vergeblich nach dem richtigen Partner hatte suchen müssen, mehr als nur einmal gesagt. „Du bist eine waschechte Prinzessin, Barbara. Dein Mann behandelt dich wie eine Königin.“

In der Tat war Andreas ein Mann gewesen, der seine Frau auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Barbara brauchte ihren Beruf nicht mehr auszuüben. Er hatte genug verdient, um ihr ein herrliches Leben zu bieten, und sie sollte sich einzig und allein darauf konzentrieren, dieses Leben zu genießen.

Dass er mit einer solchen Einstellung seiner Zeit ein wenig hinterhergehinkt war, war ihm bewusst gewesen. Aber er war nun einmal ein Kavalier alter Schule gewesen, und auch dafür hatte sie ihn geliebt.

Zu ihren gemeinsamen Leidenschaften hatte auch das Reisen gehört. Weil Barbara so gern am Meer war, hatte Andreas schließlich in dem verträumten Badeort Hohwacht an der Ostsee eine kleine Ferienwohnung gekauft. Aus den zwei Zimmern mit Balkon, Bad und Kochnische wurde ihr kuscheliges Liebesnest, in dem sie sich wohl und geborgen gefühlt hatten, ob bei Sturm und Regen oder bei herrlichem Sonnenschein. In ihrem Idyll hatten sie künftig die meisten ihrer Urlaube und zahllose Wochenenden verbracht und die Seele baumeln lassen.

Auch ihre Silberhochzeit sollte in Hohwacht gefeiert werden. Andreas wie auch Barbara hatten sich keine rauschende Feier gewünscht, sondern ein intimes Beisammensein mit den Menschen, die die fünfundzwanzig Jahre ihrer Liebe begleitet hatten.

Natürlich sollte Stefan Holl mit seiner Familie kommen, ebenso Thomas mit Andreas’ Patenkind Maren und Barbaras Schwester Silke, die mit ihrem Peter endlich doch noch das ersehnte Glück gefunden hatte und seit Neuestem in Thomas’ Apotheke beschäftigt war.

Barbaras Eltern und Andreas’ Vater waren bereits verstorben, doch seine Mutter würde ebenfalls mit von der Partie sein.

Sie hatten für alle Gäste Zimmer in dem urigen Gasthof „Seemöwe“ gemietet, wo ihr kleines Fest stattfinden sollte. Am Abend zuvor waren sie dort eingekehrt, um zu prüfen, ob alles perfekt vorbereitet war, und um bei einem köstlichen Fischmenü einmal mehr ihre Zweisamkeit zu genießen.

Leider hatte sich Andreas an diesem Abend nicht recht wohlgefühlt.

„Ich fürchte, ich brüte eine Grippe oder etwas in der Art aus, mein Liebes.“

„Ausgerechnet jetzt! Was für ein Pech für dich, mein armer Liebling!“

Warm und mit einem ganz besonderen Ausdruck, den sie nie zuvor an ihm bemerkt hatte, hatte ihr Mann sie angelächelt.

„Pech?“, hatte er sie gefragt. „Oh nein, Liebes, von Pech kann bei mir keine Rede sein. Ich bin mit der wunderbarsten Frau der Welt verheiratet, also bin ich der größte Glückspilz, der auf diesem Planeten herumläuft. Und der werde ich sein, solange ich lebe.“

Er hatte ihre Hände genommen und sie zärtlich in den seinen liebkost. Seine streichelnde Stimme hatte Barbara noch immer im Ohr.

Andreas hatte nichts essen und auch sein Glas Wein, einen Weißburgunder, für den er eine Schwäche gehabt hatte, nicht austrinken können. Und am nächsten Tag auf der Feier war es kaum besser gewesen.

Anschließend hatte Andreas als der Romantiker, der er nun einmal gewesen war, seine Barbara auf eine zweite Hochzeitsreise nach Venedig entführt. Unendlich hatte sie sich gefreut, als er ihr dieses Geschenk überreicht hatte.

In Venedig hatte sie weder an dem luxuriösen Hotel, in dem Andreas eine Flitterwochensuite gebucht hatte, noch an der traumhaften Gondelfahrt Freude gehabt. Stattdessen hatte sie den Tag ihrer Heimreise kaum erwarten können, weil es ihrem geliebten Mann hundeelend gegangen war.

Er konnte kaum essen, übergab sich nach der kleinsten Kleinigkeit und krümmte sich nachts vor Leibschmerzen.

„Ich fürchte, du hast irgendetwas Falsches gegessen und dir einen Parasiten oder etwas Ähnliches eingefangen“, hatte Barbara gesagt. „Sobald wir zu Hause sind, lässt du dich von Stefan gründlich durchchecken, einverstanden?“

„Von Stefan?“ Andreas hatte gelacht, wie es seine Art war – fröhlich und unbesorgt. „Aber ich habe doch kein Frauenleiden.“

„Egal. Stefan ist dein Freund, ihm vertraue ich, und deshalb will ich, dass er dich untersucht.“

Warum sie darauf beharrt hatte, hatte sie selbst nicht gewusst, doch etwas hatte ihr das Gefühl gegeben, dass etwas Dunkleres, Bedrohliches hinter dieser sogenannten Magen-Darm-Grippe stecken könnte.

Andreas hatte in rasantem Tempo abgenommen. Er war ständig müde und unheimlich blass gewesen. Auf dem Heimflug musste er sich regelrecht ins Flugzeug schleppen.

Obwohl er sich gewehrt hatte, hatte Barbara ihn gleich am nächsten Morgen zur Berling-Klinik gebracht, die Stefan Holl als Chefarzt leitete. Sie hatte darauf bestanden, während der gesamten Untersuchung anwesend zu sein, und sie würde die Bilder niemals vergessen. Sie gingen ihr hier, auf ihrem Balkon in Hohwacht, ohne Unterlass im Kopf herum: Stefan Holls Miene, die sich auf einen Schlag verdüstert hatte. Das schmerzverzerrte Gesicht ihres Mannes mit den verkrampften Händen auf seinem Oberbauch.

„Deine Symptome deuten darauf hin, dass da etwas ziemlich Ernstes in deinem Magen im Gange ist“, hatte Dr. Holl ohne Beschönigung gesagt. „Das kann eine chronische Magenschleimhautentzündung sein, aber genauso gut ein Magengeschwür oder etwas anderes. Ich bin kein Fachmann, und ohne bildgebende Verfahren wird man nichts Genaueres sagen können. Wartet einen Moment. Ich kümmere mich darum, dass der Kollege Mardus dich dazwischenschiebt und einen Blick in dein Inneres wirft.“

Für Magenspiegelung, Ultraschall und Computertomografie hatte Andreas sofort Termine bekommen, und am nächsten Morgen – einem strahlenden, sonnigen Tag im Juni – hatte das Ergebnis bereits festgestanden. Es hatte Barbaras heile, glückliche Welt in Scherben geschlagen.

„Wir werden zusätzlich eine Biopsie durchführen müssen, um sicher zu sein“, hatte Dr. Holl ihnen in seinem privaten Sprechzimmer erklärt. „Aber ihr seid meine Freunde, ihr habt ein Recht darauf, dass ich euch nichts vormache. Es sieht nicht gut aus. Wir vermuten in deinem Magen ein Adenokarzinom, Andreas.“

„Karzinom“, hatte Andreas ausdruckslos gemurmelt. „Das bedeutet … Krebs?“

Barbara hatte aufgeschrien. Krebs in so jungen Jahren, mitten im größten Glück – so etwas geschah anderen, die ihr von Herzen leidtaten, aber doch nicht ihnen, nicht ihrem Andreas, der immer stark und kerngesund wie ein Baum gewesen war!

Gleich darauf hatte sie sich zusammengerissen und war entschlossen gewesen, gegen die tückische Krankheit anzugehen. Hörte man nicht immer häufiger, Krebs bedeute heutzutage kein Todesurteil mehr?

Sie hatte die Arme um ihren Mann geschlungen.

„Wir werden kämpfen, Liebster. Du wirst geheilt werden. In einem Jahr essen wir in der ‚Seemöwe’ in Hohwacht wieder eine Speckscholle und blicken auf das alles wie auf einen bösen Albtraum zurück.“

Mühsam hatte Andreas gelächelt.

„Aber mit Salzkartoffeln und reichlich Butter“, hatte er mit gepresster Stimme erwidert. „Und einem Weißburgunder dazu.“

Seinen geliebten Weißburgunder hatte Andreas nie mehr trinken dürfen. Er würde auch nie mehr das zarte, gebutterte Fleisch einer frisch gefangenen Scholle genießen, und er würde nie mehr zärtlich in Barbaras Augen sehen und ihr erklären, dass sie sein Ein und Alles war.

Das Schicksal war gnadenlos gewesen: Andreas hatte keine Chance zum Kämpfen bekommen, der Krebs war schon zu weit fortgeschritten gewesen.

Knapp sechs Wochen nach der Diagnose hatte Barbara ganz in Schwarz zwischen seinen Freunden Stefan und Thomas an seinem offenen Grab gestanden.

Und jetzt stehe ich hier, spreche mit mir selber und verliere langsam, aber sicher den Verstand, dachte Barbara bitter und sah hinaus auf das Meer, das in der Sonne glitzerte wie übersät mit kostbaren Edelsteinen. Nie war es ihr so schön erschienen wie jetzt, wo ihr Liebster es nicht mehr sehen, die Freude an der Schönheit nicht mehr mit ihr teilen konnte.

Der Spätsommer, die leise Melancholie, die sich über alles legte, und die Stille am Strand, nachdem der Strom der Urlauber die Heimreise angetreten hatte, war ihrer beider Lieblingsjahreszeit gewesen.

„Ich schaffe das nicht, Andy! Ich kann dieses Leben allein, ohne dich nicht ertragen“, hätte sie um ein Haar wieder laut in den leichten Wind gerufen, doch im letzten Augenblick beherrschte sie sich.

„Du bist zu viel alleine“, hatte ihre Schwester Silke gesagt. „Hast keinen Menschen um dich, mit dem du sprechen kannst, und wirst irgendwann anfangen, Selbstgespräche zu führen. Fahr nicht nach Hohwacht, wo die Erinnerungen dich übermannen. Solche Einsamkeit ist doch unerträglich!“

„Und was soll ich deiner Meinung nach sonst tun?“ Barbara wusste, dass Silke es nur gut meinte, aber sie konnte nun einmal nicht verstehen, dass es für sie nichts anderes als unerträgliche Einsamkeit mehr gab.

„Was weiß denn ich, da gibt es doch viele Möglichkeiten, Barbara. Such dir etwas, wo du unter Menschen kommst, einen kleinen Job, ein Ehrenamt, vielleicht etwas mit Kindern, oder einfach ein Hobby, das du mit anderen zusammen betreiben kannst.“