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Tosender Applaus brandet auf, als die Klaviermusik verstummt. Mit einem triumphierenden Lächeln steht Cornelius Wagner hinter dem Flügel auf, tritt an den Bühnenrand und verbeugt sich.
Die schöne junge Frau, die hinter der Bühne wartet, lächelt bitter. Schon lange empfindet Sabrina nicht mehr jenen unbändigen Stolz auf ihren Lebensgefährten, der sie in den ersten Jahren ihrer Liebe erfüllt hat. Denn so charmant Cornelius in der Öffentlichkeit auftritt, so jähzornig und unberechenbar ist er privat.
Wieder einmal überlegt Sabrina, ob sie Cornelius Wagner verlassen soll - als er plötzlich zu taumeln beginnt und zusammenbricht ...
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Unser Leben beginnt morgen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: NiE PROJECT / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9211-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Unser Leben beginnt morgen
In der Berling-Klinik trifft ein Paar eine schicksalhafte Entscheidung
Von Katrin Kastell
Tosender Applaus brandet auf, als die Klaviermusik verstummt. Mit einem triumphierenden Lächeln steht Cornelius Wagner hinter dem Flügel auf, tritt an den Bühnenrand und verbeugt sich.
Die schöne junge Frau, die hinter der Bühne wartet, lächelt bitter. Schon lange empfindet Sabrina nicht mehr jenen unbändigen Stolz auf ihren Lebensgefährten, der sie in den ersten Jahren ihrer Liebe erfüllt hat. Denn so charmant Cornelius in der Öffentlichkeit auftritt, so jähzornig und unberechenbar ist er privat.
Wieder einmal überlegt Sabrina, ob sie Cornelius Wagner verlassen soll – als er plötzlich zu taumeln beginnt und zusammenbricht …
Ein so leidenschaftlicher Mann! Die braunen Augen voller Feuer, der Mund bereit zum Küssen, das energische Kinn wie gemeißelt. Wehmütig lächelnd blätterte Sabrina die Seite mit dem Foto um.
Warum tat sie sich das überhaupt an? Dieser Blick in die Vergangenheit brachte doch nichts als Traurigkeit. Jene Jahre waren vorbei. Sie lebte heute. Und sie lebte in einem Luxus, von dem andere Menschen nur träumen konnten.
„Liebling, kommst du bitte mal?“, klang es von nebenan durch die einen Spaltbreit geöffnete Tür.
Sabrina Bender mochte es nicht, wenn er sie „Liebling“ nannte. Dann kam sie sich immer vor wie eine unter vielen. Dennoch stand sie auf und legte das einzige Fotoalbum, das sie noch besaß, wie einen kostbaren Schatz in den hintersten Teil ihres Kleiderschrankes zurück.
Cornelius Wagner saß in seinem Ledersessel und studierte Noten.
„Was hältst du von einem Spaziergang?“, fragte er, ohne aufzusehen.
Sabrina warf einen Blick zum Himmel hinauf. Die dahintreibenden Wolken wirkten nicht sehr einladend, aber es sollte trocken bleiben. Ende August war die Sonne spontan in Urlaub gegangen und hatte Wind, Kälte und Regen ihren Platz überlassen.
„Wie du möchtest“, gab sie zurück und bemühte sich um eine freundliche Miene. Der Englische Garten lag gleich hinter dem Haus. Schon seit einigen Wochen hielten sie sich in Cornelius' eleganter Altbauwohnung auf, aber die meiste Zeit des Jahres verbrachten sie in Monaco.
Sabrina, eine gebürtige Münchnerin, genoss es sehr, wieder hier zu sein. Monaco war aufregend und toll, keine Frage, aber wirklich daheim fühlte sie sich nur in der bayrischen Landeshauptstadt.
„Gut, dann ziehe ich mir was über. Ich darf mich ja nicht erkälten.“
Vor dem hohen Garderobenspiegel drapierte Cornelius einen breiten Seidenschal um seinen Hals, schlüpfte in eine weiche Lederjacke, setzte seinen Borsalino auf das weiße Haar und verließ mit Sabrina das Haus.
Schweigend spazierten sie am Schwabinger Bach entlang. Sabrina hatte sich bei dem großen, schlanken Mann eingehängt. Er wünschte es so. Wie immer sahen sie aus wie das perfekte Paar: edle Kleidung, teures Schuhwerk, gepflegte Frisuren.
Ein Eichhörnchen kreuzte mit luftigen Sprüngen ihren Weg.
„Wie süß!“, rief Sabrina aus. Es waren die ersten Worte, die sie während dieses Spaziergangs äußerte.
„Du mit deiner Tierverrücktheit!“, sagte Cornelius schmunzelnd. „Hauptsache, du bringst keine Viecher in meine Wohnung.“
Sabrina gab keine Antwort, sondern dachte wehmütig an Sita, die liebe Golden-Retriever-Hündin, die sie durch die Kindheit bis zur Pubertät begleitet hatte. Heutzutage führte sie ein unstetes Leben, war heute in München, morgen in Monaco und übermorgen in New York. Wenn sie es recht bedachte, war sie ja selbst schon das brave Hündchen, das seinen Herrn widerspruchslos in die großen Metropolen dieser Welt begleitete.
Klar, sie wusste, dass es seine Wohnung war, aber gelegentlich könnte er auch mal die Worte „unser“ oder „wir“ benutzen, fand sie. Es hörte sich einfach besser an.
„Keine Sorge“, sagte sie nach einer Weile. „Kein Tier würde sich bei uns wohlfühlen.“
Wie auch?, fuhr sie in Gedanken fort. Die feine Altbau-Wohnung wurde von Frau Gabler sauber gehalten. Sie kam jeden Tag, um Staub und Schmutz rigoros zu entfernen. Wenn dann noch Tierhaare hinzukämen, gäbe es für diesen Putzteufel kein Halten mehr.
Selbstverständlich erwähnte sie ihre Abneigung gegen Frau Gabler nie. Cornelius hätte ihr ohnehin nicht zugehört. Er mochte es nicht, wenn Sabrina auch nur den Hauch einer Kritik an seinen Entscheidungen äußerte.
„Es ist schön, wieder in München zu sein“, sagte sie nach einer Weile. „Können wir diesmal nicht ein wenig länger bleiben?“
„Wie soll das gehen?“, fragte der Mann erstaunt.
Im Gegensatz zu dem, was er dem Konzertflügel zu entlocken imstande war, klang seine Stimme wenig wohlklingend. Zwar war sie klar und deutlich, aber auch kühl und unpersönlich. So kam es ihr jedenfalls vor. Möglich, dass andere nicht dieser Meinung waren.
„Wir bleiben noch ein paar Tage nach dem Konzert, dann geht's weiter nach London. Oder sollte ich meine Termine dort absagen?“ Er warf ihr einen überlegenen Blick zu.
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie leise. „Es war nur so ein Wunschtraum von mir. Hier kann ich endlich mal wieder Freunde und Bekannte von früher treffen und mit ihnen nach Herzenslust tratschen.“
In Monaco, wo Cornelius' Palais hinter dichten Büschen und hohen Bäumen verborgen lag, fiel ihr das wegen der Sprache wesentlich schwerer. Zwar konnte sie sich mittlerweile in Alltagsdingen auf Französisch unterhalten, aber für tiefer gehende Unterhaltungen reichte es noch nicht. Bis auf die deutsche Hotelfachfrau Gina, die ebenfalls aus München stammte und im Beach-Hotel arbeitete, kannte sie im sonnigen Monaco keine Landsleute.
Einmal hatte Sabrina die sympathische Frau in die Luxus-Villa am Chemin Romain eingeladen, worüber Cornelius wenig erfreut gewesen war. Nach Ginas Besuch hatte er ihr regelrecht verboten, „irgendwelche fremden Individuen“ ins Haus zu holen.
„Du hast doch mich, Liebling“, sagte er damals. „Mir kannst du alles anvertrauen, was dich freut oder bedrückt. Ich bin ein geduldiger Zuhörer. Wenn es dir hilft, engagiere ich auch noch einen Sprachlehrer für dich, damit du im Alltag in Monaco weniger Schwierigkeiten hast.“
Sabrina fragte sich, warum sie sich ausgerechnet jetzt an diese Szene erinnerte. Ein paar Blätter segelten von den Bäumen. Eigentlich war es dafür noch zu früh, aber die Sturmböen der letzten Tage hatten schon mal unmissverständlich klargemacht, dass der Herbst im Anzug war.
„Einen Tag nach dem Konzert gebe ich einen Empfang im Bayrischen Hof“, sagte Cornelius nach einer längeren Pause. „Die Agentur kümmert sich um alles. Du hast also weiter nichts zu tun, als meine schöne Begleiterin zu sein, um die mich alle Männer beneiden.“
Dazu ersparte sie sich jeden Kommentar. Nach einem besorgten Blick hinauf zu den Wolken schlug Sabrina den Kragen ihrer Jacke hoch.
„Wir sollten umkehren. Da oben braut sich was zusammen.“
Wie recht sie mit ihrer Voraussage hatte, erwies sich, als sie gerade noch rechtzeitig das Haus erreichten, bevor bohnengroße Tropfen vom Himmel fielen.
***
Professor Walter Berling schaute sich im Büro seines Schwiegersohnes um.
Hier war alles sowohl geschmackvoll als auch funktionell eingerichtet. Der Bücherschrank mit der Fachliteratur stammte sogar noch aus der Zeit, als Walter Berling selbst noch die Geschicke der Klinik geleitet hatte. Inzwischen hatte er sich zurückgezogen und genoss mit seiner Frau das etwas weniger turbulente Leben eines Arztes im Ruhestand.
„Danke für den Kaffee“, sagte Walter. Er kam immer wieder gern in seinen ehemaligen Wirkungskreis zurück, weil seiner Meinung nach der medizinische Fortschritt nirgends so sichtbar war wie hier. Diese Klinik würde immer seine Klinik bleiben, auch wenn inzwischen längst Schwiegersohn Stefan das Sagen hatte.
„Gern geschehen. Freut mich immer, wenn du mich besuchst. Nächste Woche veranstaltet Beatrix wieder ihr herbstliches Gartenfest. Hoffentlich ist das Wetter bis dahin besser!“ Dr. Holl schaute auf die Uhr. „Ich mache Schluss für heute. Komm doch noch mit zu uns! Julia würde sich freuen. Deine Tochter hat sich erst gestern beklagt, dass ihr Vater so viel unterwegs ist.“
„Das Kind übertreibt“, stellte Walter fest. „Außerdem ist man ja heutzutage jederzeit erreichbar …“
Als wolle das Handy seine Worte bestätigen, dudelte es die Doktor-Schiwago-Melodie. Walter meldete sich.
„Wer?“ Er runzelte die Stirn, als könne er es kaum glauben. „Cornelius! Ja, Menschenskind, grüß dich! Das ist aber eine Überraschung. Ich freu mich, von dir zu hören. Erst neulich dachte ich, dass wir uns mal wieder sehen sollten. Aber du bist ja wahrscheinlich ständig in der Welt unterwegs.“
Nach diesen Sätzen kam er nicht mehr zu Wort, sondern lauschte nur. Offensichtlich hatte Cornelius viel zu erzählen. Erst gegen Ende des Gesprächs gelangen dem Professor dann doch noch ein paar Fragen. Schließlich wurde vereinbart, morgen wieder zu telefonieren.
„Das war Cornelius Wagner“, sagte Walter zu seinem Schwiegersohn. „Ein alter Freund von mir. Er hat auch ein paar Semester Medizin studiert, doch das war nichts für ihn. Er ist dann wieder zu seiner Musik zurückgekehrt. Und wie man inzwischen weiß, war es für ihn der einzig richtige Weg. Ich glaube, als Arzt hätte er nicht viel getaugt.“
„Der Cornelius Wagner?“
„Genau der. Berühmt ist er ja schon lange. Jetzt spielt er wieder in München, im Herkulessaal. Er wollte wissen, wie viele Karten ich für mich und meine Familie brauche. Da muss ich heute Abend erst mal rumtelefonieren, wer Interesse hat. Und einen Tag nach dem Auftritt gibt es noch einen großen Empfang, zu dem wir ebenfalls eingeladen sind. Ihr kommt doch auch?“
„Wenn Julia nichts anderes vorhat, steht dem nichts entgegen. Ich wusste gar nicht, dass du ihn kennst.“
Walter grinste verschmitzt. „Julia wird nichts anderes vorhaben, vertrau deinem alten Schwiegervater. Für eine Einladung von Cornelius wird sie alle Termine sausen lassen.“ Er beugte sich etwas vor und dämpfte die Stimme. „Als Jugendliche hat sie für ihn geschwärmt, ziemlich heftig anscheinend. Aber sag ihr bloß nicht, dass du das von mir hast.“
„Muss ich heute noch eifersüchtig sein?“, erkundigte sich Stefan launig.
Walter Berling zog die Mundwinkel noch ein bisschen breiter.
„Das glaube ich nicht“, sagte er. „Heute wäre Julia viel zu alt für ihn. Als Mann von Welt sucht sich der große Cornelius nur die schönsten unter den ganz jungen Geschöpfen aus. Je älter er wird, desto jünger …“
„Dann bin ich ja beruhigt.“ Stefan erhob sich lachend. „Komm, lass uns gehen! Ich bin jetzt schon gespannt, wie Julia auf die Neuigkeit reagiert.“
***
Dr. Julia Holl, selbst approbierte Kinderärztin, freute sich zunächst einmal über das unverhoffte Erscheinen ihres Vaters, der zur Begrüßung ein halbes Dutzend Küsschen bekam.
„Du wirst mit uns essen“, ordnete Julia an und eilte kurz in die Küche, um Wirtschafterin Cäcilie vom unverhofften Gast zu unterrichten. Stefan hatte seinem Schwiegervater inzwischen einen Drink angeboten. Nach einer kurzen Diskussion einigte man sich auf ein Glas Prosecco.
„Wo sind meine Enkel?“, wollte Walter wissen.
„Alle ausgeflogen“, meinte Julia bedauernd. „Die Zwillinge sind in Vorlesungen oder Seminaren. Chris trainiert im Handballverein, und Juju ist noch bei einer Freundin. Sie und Chris werden bald kommen. Marc und Daniela essen jetzt oft in der Mensa.“
Nach dem ersten Schluck Prosecco erzählte der Professor von seinem alten Freund Cornelius. Julia konnte sich tatsächlich noch gut an ihn erinnern, bestritt aber vehement, für ihn geschwärmt zu haben.
„Das bildest du dir ein“, sagte sie kopfschüttelnd. „Er war ja auch viel zu alt für mich. Und ich noch ganz jung.“
Stefan und Walter tauschten einen vergnügten Blick miteinander, doch Walter hütete sich, seine etwas andere Bemerkung über Cornelius und die immer noch jugendlicher werdenden Gefährtinnen des Pianisten zu wiederholen.
„Natürlichen gehen wir hin“, sagte Julia sofort, als sie von dem bevorstehenden Konzert und dem Empfang hörte. „Wird ja auch höchste Zeit, dass wir uns mal wieder was gönnen. Meinst du nicht auch, Stefan?“
„Ich habe keine Einwände“, versicherte er. In solchen Dingen widersprach er seiner Frau nie.
„Allerdings …“ Julia machte eine wirkungsvolle Pause. „Ob ich allerdings was Passendes zum Anziehen habe, wage ich zu bezweifeln.“ Sie gab einen demonstrativen Seufzer von sich. „Ich war schon gefühlte zehn Jahre nicht mehr shoppen. Im Schrank hängen nur noch altmodische Fetzen.“
„Dann zieh doch einfach los!“, schlug Stefan vor. „Dani wird dich sicher mit Freuden begleiten.“
Hauptsache, er musste nicht als Tütenträger mitkommen.
***
Ellen Lohmann war eine sehr beliebte Pflegerin in der Berling-Klinik. Sie drückte sich nie vor Überstunden und erfüllte den Patienten so manchen privaten Wunsch, wozu sie laut Dienstvertrag natürlich nicht verpflichtet war.
Doch heute machte sie ganz pünktlich Schluss, weil sie unbedingt dabei sein musste, wenn die ersten Karten in der Vorverkaufsstelle am Marienplatz ausgegeben wurden. Cornelius Wagner, der große Pianist, spielte im Herkulessaal ein Beethoven-Programm. Das konnte sie sich nicht entgehen lassen.
Ellen liebte klassische Musik und Beethoven ganz besonders. Sie wählte zwei Karten in der mittleren Preiskategorie, steckte sie zufrieden in ihre Handtasche und trat den Heimweg an.
Fabian kam heute zu ihr. Darum hatte sie vorgehabt, ein kleines romantisches Essen zu veranstalten. Doch leider reichte dafür die Zeit nicht mehr. So kaufte sie unterwegs in einem italienischen Spezialitäten-Geschäft frische Nudeln und hausgemachte Tomatensauce, ein Gericht, das sie einfach als ihre Kreation ausgeben würde.
Fabian traf erst eine Stunde nach ihr ein. Er wirkte heute erschöpft, eine Beobachtung, die Ellen in der letzten Zeit häufiger machte.
„Heute vier OPs erledigt, eine Konferenz zu dringenden Fällen in der Klinik überstanden und die noch fälligen Berichte geschrieben. Wenn ich etwas hasse an meinem Beruf, dann ist es die zunehmende Bürokratie. Alles muss bis ins Kleinste dokumentiert werden. Vor lauter Schreibkram bleibt oft fast keine Zeit mehr für den direkten Kontakt zum Patienten.“
„Beruhige dich, mein Schatz. Du übertreibst mal wieder. Wir trinken jetzt ein Gläschen Rotwein, dann essen wir Nudeln mit Tomatensauce. Ich glaube, die sind mir diesmal wirklich gut gelungen.“
Dr. Fabian Eigners Miene hellte sich auf. Er war gern bei Ellen, die so wunderbar kochte und ein angenehm unkomplizierter Mensch war. Seit einiger Zeit war er mit ihr befreundet.
Er betrachtete sie zwar nicht als die Liebe seines Lebens, aber mit zunehmendem Alter war er längst zu der Ansicht gelangt, dass große Gefühle ohnehin eher Eintagsfliegen vergleichbar waren. Gestern noch himmelhoch hinaufstürmend, heute schon flügellahm am Boden, so war das mit dem Liebesrausch. Zum Glück hatte die Beziehung zu Ellen eher etwas Solides als etwas Leidenschaftliches.
„Schmeckt toll“, lobte er später ihre Kochkünste. „Eigentlich hättest du auch ein Restaurant aufmachen können.“
„Findest du?“ Sie freute sich über das Lob. „Ich habe noch eine Überraschung für dich“, fuhr sie fort und legte ihm ein weißes Kuvert neben den Teller. „Schau mal rein!“
Das tat er dann auch.
„Konzertkarten!“, stellte er mit bemühter Freude fest, ohne sie sich näher anzusehen. „Das ist aber nett von dir. Gibt's irgendwas zu feiern?“
„Wir sind jetzt zwei Jahre zusammen“, sagte sie. „Ich finde, das müssen wir besonders schön gestalten. Erst das Konzert, dann irgendwo schick essen gehen.“