Chefarzt Dr. Holl 1884 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1884 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

"Danke, mein Liebster. Danke für schönste Zeit meines Lebens. Ich danke dir für die fünfundzwanzig Jahre, die du mit mir geteilt hast." Peter und Marianne Prager stehen am Fenster des Flughafenhotels von Kairo und schauen auf die nächtliche Stadt hinunter. Es ist der letzte Abend ihrer Traumreise, die sie sich zu ihrer Silberhochzeit gegönnt haben.
"Ach, mein Liebes", erwidert Peter tief gerührt. "Das klingt ja fast nach Ende und Abschied. Und dabei haben wir doch noch so viel vor: viele Reisen, die Hochzeiten unserer Kinder und eines Tages Enkelkinder ..."
Ja, sie haben noch so viel vor und ahnen beide in diesem Augenblick nicht, dass dies tatsächlich ihre letzte gemeinsame Reise ist ...

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Peter Pragers neues Leben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Dean Drobot / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9214-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Peter Pragers neues Leben

Arztroman um eine dramatische Entscheidung

Von Katrin Kastell

„Danke, mein Liebster. Danke für schönste Zeit meines Lebens. Ich danke dir für die fünfundzwanzig Jahre, die du mit mir geteilt hast.“ Peter und Marianne Prager stehen am Fenster des Flughafenhotels von Kairo und schauen auf die nächtliche Stadt hinunter. Es ist der letzte Abend ihrer Traumreise, die sie sich zu ihrer Silberhochzeit gegönnt haben.

„Ach, mein Liebes“, erwidert Peter tief gerührt. „Das klingt ja fast nach Ende und Abschied. Und dabei haben wir doch noch so viel vor: viele Reisen, die Hochzeiten unserer Kinder und eines Tages Enkelkinder …“

Ja, sie haben noch so viel vor und ahnen beide in diesem Augenblick nicht, dass dies tatsächlich ihre letzte gemeinsame Reise ist …

Als Peter Prager nach einem anstrengenden Tag in seiner Praxis nach Hause kam, stellte er wieder einmal fest, dass es in ganz München kein gemütlicheres Haus gab als seines.

Auf dem Tisch im Wohnzimmer brannte das Windlicht, das sie sich damals, aus dem wunderschönen Familienurlaub in Marokko, mitgebracht hatten. Und daneben stand sein liebster Aperitif während der kalten Jahreszeit: ein Schwenker mit einem kleinen spanischen Brandy, der über einem Teelicht erwärmt wurde.

Leise Musik von Leonard Cohen, den er und Marianne besonders liebten, erklang. Und der ganze Raum strahlte eine derart heimelige, wohltuende Atmosphäre aus, dass man einfach nur seinem Schöpfer danken konnte, weil man mit so etwas gesegnet war.

Und dann trat sie in den Raum – Marianne.

Die Schöpferin dieses kleinen Paradieses, die Mutter seiner Kinder und seine über alles geliebte Frau.

In den Händen hielt sie ein Tablett, auf dem zwei Schalen mit Oliven und Salzgebäck standen. Daneben lagen Broschüren verschiedener Wohltätigkeitorganisationen, die Marianne in den vergangenen Monaten gesammelt hatte.

Zu Beginn eines neuen Jahres spendeten sie immer einen größeren Geldbetrag für einen guten Zweck, um sich für ihr eigenes Glück dankbar zu erweisen. Peter informierte sich gern genau über die einzelnen Organisationen, damit das Geld auch in die richtigen Hände kam.

„Ich liebe dich“, sagte er spontan.

Eine Woge der Wärme durchfuhr ihn. Er sagte es seiner geliebten Frau nicht oft, und dabei hätte er es ihr gar nicht oft genug sagen können. Der Tag, an dem er Marianne begegnet war, war der glücklichste Tag seines Lebens gewesen, und in drei Monaten würde er fünfundzwanzig Jahre lang mit ihr verheiratet sein.

Knapp über zwanzig waren sie damals gewesen, als sie sich an der Universität ineinander verliebt hatten. Peter war dort als junger Medizinstudent eingeschrieben und Marianne die Sekretärin seines Professors gewesen. Eine stürmische, leidenschaftliche Jugendliebe war zerbrochen, und er hatte einige Zeit gebraucht, um sich die Wunden zu lecken.

Mit Marianne aber war eine neue Art von Liebe in sein Leben getreten, eine vertrauensvolle, ruhige Liebe, in der sich einer auf den anderen verlassen konnte. Eine Liebe, die geeignet war, um ein Leben darauf aufzubauen.

Marianne hatte ihn unterstützt und ermutigt, sodass er sein Studium mit Bestnoten abschließen konnte. Kaum hatte er seinen Doktor in der Tasche gehabt, hatten sie geheiratet – mit seinem Studienfreund Stefan Holl und Mariannes Schwester Christiane als Trauzeugen.

Sie hatten einen Kredit in atemberaubender Höhe aufgenommen, um sich ein Haus zu kaufen und die gynäkologische Praxis eines pensionierten Kollegen zu übernehmen. Marianne hatte tagsüber als Sekretärin gearbeitet, bis die Praxis richtig gelaufen war, und abends eine Ausbildung zur Arzthelferin gemacht, um ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen.

Sie war eine unglaubliche Frau. Unermüdlich war sie für die Menschen, die sie liebte, da und beklagte sich nie. Jetzt schenkte sie ihm ein zärtliches Lächeln und setzte das Tablett auf den Tisch.

„Ich liebe dich auch, Peter“, entgegnete sie. „Genieß deinen Drink und schau dir diese Broschüren schon einmal an. Ich bin in einer Viertelstunde fertig.“ Dann eilte sie wieder in die Küche, wo das Abendessen bereits köstliche Düfte verbreitete.

Seebarsch, stellte Peters kundige Nase fest. Sein Lieblingsessen. Nicht weil heute ein besonderer Anlass war, sondern einfach so, weil Marianne es liebte, ihn zu verwöhnen.

Er liebte es auch, sie zu verwöhnen. Und die Kinder hatte er von den Tagen ihrer Geburt an so sehr verwöhnt, dass selbst Marianne gelegentlich die Brauen hochgezogen und ihn gebremst hatte.

„Übertreib es nicht. Unsere beiden sollten nicht alles für selbstverständlich halten, sondern lernen, wie hart man sich die Dinge erarbeiten muss.“

Peter aber konnte nicht anders. Es machte ihn glücklich, seine Kinder mit Geschenken zu überhäufen und ihnen zu geben, was er selbst in seinem strengen Elternhaus nie gehabt hatte. Mit der Geburt von Daniel und zwei Jahre später mit der von Cornelia war sein Glück vollkommen gewesen.

Inzwischen war er in seinem Beruf als Gynäkologe höchst erfolgreich und musste dementsprechend viel arbeiten. Umso mehr genoss er jeden Tag, jede Stunde und jeden Augenblick, den er mit seiner Familie verbringen konnte.

Die Kinder aufwachsen zu sehen, das hatte ihnen beiden die größte Freude bereitet und sie noch fester und inniger miteinander verbunden: der erste Schrei, das erste Lächeln, die ersten Schritte, das erste „Mama“ und „Papa“, schließlich der erste Schultag und viel zu schnell darauf schon die erste Freundin und der erste Freund – das alles waren Erinnerungen, die Peter wie Schätze in seinem Herzen bewahrte.

Und Marianne ging es genauso, das wusste er.

Von Zeit zu Zeit wurden sie beide regelrecht nostalgisch, wenn sie gemeinsam alte Bilder ihrer kleinen Kinder betrachteten und sich an die wunderschöne Zeit erinnerten.

Einmal hatten sie ihnen ein hübsches großes Herz gebastelt.

Ihr seid die besten Eltern der Welt, stand darauf.

Und nun waren ihre beiden Küken schon so gut wie flügge und auf dem Sprung, das Nest zu verlassen.

Cornelia würde im Sommer Abitur machen und wollte danach zusammen mit ihrer Freundin ein Auslandsjahr mit „Work and Travel“ in Neuseeland verbringen.

Daniel hingegen war bereits seit einem Jahr ein eifriger Student der Musikwissenschaften und suchte derzeit mit einem Studienkameraden zusammen eine Wohnung, um näher an der Uni zu wohnen.

Natürlich war das nicht der einzige Grund, darüber machte sich Peter keine Illusionen. Es wurde eben Zeit, sich vom Elternhaus zu lösen und auf eigenen Füßen zu stehen.

Im Grunde waren Peter und Marianne ja froh darüber, dass sie so wundervolle, lebenstüchtige junge Menschen beim Heranwachsen begleitet hatten, die sich darauf freuten, ihre eigenen Wege zu gehen. Auch wenn es ein wenig schmerzte, dass die Zeit ihres vierblättrigen Kleeblatts in ihren behaglichen vier Wänden dann vorbei war.

„Aber wir haben ja noch uns“, pflegte Marianne zu sagen, sooft dieses Thema aufkam.

Und dann lachte Peter und nahm sie so fest in die Arme, wie er nur konnte.

„Ja, mein geliebtes Herz. Wir haben ja noch uns.“

Sie würden sich das Leben auch zu zweit schön machen. Sie würden all die Wanderurlaube und Städtereisen planen, zu denen die Kinder nie Lust gehabt hatten, Museen und Theater besuchen, in eleganten Restaurants und urigen Kneipen einkehren, ihre Freunde einladen, ihren Garten genießen und sich in ihrem wunderbaren Heim geborgen fühlen.

Sie konnten sich wahrlich glücklich schätzen.

„Wo ist die Brut denn heute?“, rief Peter mit diesen Gedanken im Kopf in die Küche hinüber. „Ausgeflogen?“

„Du sagst es“, rief Marianne zurück. „Cornelia geht mit einem jungen Herrn namens Kilian Pizza essen. Sie hat ihn wohl in der Theatergruppe kennengelernt, und ihr zufolge ist er ein Megatyp.“

„Na, dann bin ich ja mal gespannt, wann ihre alten Eltern die Ehre haben, den Megatypen kennenzulernen“, brummte Peter mit einem Schmunzeln. „Und wie steht es mit dem Sohn des Hauses? Beehrt er uns zum Abendessen, oder ist er ebenfalls anderweitig vergeben?“

„Einer seiner Kumpels feiert seinen Geburtstag beim Bowling“, antwortete Marianne. „Weißt du noch, dass wir das auch mal gemacht haben? Damals war Dani acht.“

Das leise Bedauern, das sich bei den letzten Worten in ihre Stimme geschlichen hatte, war nicht zu überhören, und Peter verstand sie.

„Wenn er heute nur halb so viel Spaß hat wie damals, dann hat er einen tollen Abend“, sagte er liebevoll. „Und wir zwei verlassenen Alten machen uns auch einen, ja, mein Herz? Wie wär’s nach dem Essen mit einer dieser herrlichen alten Schnulzen, bei denen die Kinder die Augen verdrehen? Haben wir nicht ‚Vom Winde verweht’ auf DVD?“

„Haben wir“, kam es prompt von Marianne, die sofort fröhlicher klang. „Mein Liebster, deine Ideen sind nach wie vor die besten. Jetzt muss ich mich darauf konzentrieren, unserem Essen den letzten Schliff zu geben – ich freue mich auf den Abend mit dir.“

Und ich mit dir, dachte Peter voller Zärtlichkeit. Er trank einen Schluck von dem wärmenden Brandy, sah die Kerze im Windlicht flackern und griff nach dem Stapel Broschüren, den Marianne für ihn vorbereitet hatte. Sein eigenes Glück verstärkte in ihm den Wunsch, anderen, die weniger vom Glück begünstigt waren, etwas abzugeben …

***

Viele der Organisationen, die in den Broschüren um Spenden baten, kannte Peter schon. Er und Marianne hatten ihnen in früheren Jahren größere Beträge zukommen lassen. In diesem Jahr wollten sie jedoch eine Organisation auswählen, die sie noch nie bedacht hatten.

Am liebsten eine, die Kindern in Not half.

Peter blätterte durch die Seiten, erwog dieses und jenes, blieb aber immer wieder an einem einfachen Faltblatt hängen, das mit Bildern von Kindern bedruckt war: Kinder, die in einem verwilderten Garten spielten, in einem Tobezimmer eine Höhle bauten, in bunt bemalten Stockbetten zwischen kuscheligen Tieren schliefen. Vorn auf dem Deckblatt war eine große weiße Villa abgebildet, die ein wenig heruntergekommen, aber regelrecht verwunschen wirkte.

Haus Bambi, stand neben einem Emblem mit dem Kopf des kleinen Rehs aus dem beliebten Disney-Film. Auch Peters Kinder hatten diesen Film geliebt und im Kino geweint, als Bambis Mutter gestorben und der Kleine, der seinen Vater nicht gekannt hatte, zum Waisenkind geworden war.

Haus Bambi. Ein Zuhause für elternlose Kinder, las Peter. Inhaberin: Stephanie Brüggemann.

Er stockte und starrte auf den Namenszug. Stephanie Brüggemann? Der Name konnte doch so häufig nicht sein? War es möglich? Konnte diese Frau, die ein Heim für elternlose Kinder betrieb, seine Klassenkameradin Stephanie sein? Stephanie, die Jahrgangsbeste, die an einer Elite-Uni Betriebswirtschaft studiert hatte, um die Firma ihrer Eltern zu übernehmen und ein Leben in Glanz und Luxus zu führen?

Stephanie, die sich mit Andreas von Schwandt verlobt hatte, dem Mädchenschwarm und Erben eines Adelstitels.

Ohne dass er sie aufhalten konnte, flogen Peters Gedanken zurück zu jenen Jahren. Zur Abiturklasse. Die gertenschlanke weißblonde Stephanie hatte sämtlichen Jungen das Herz gebrochen, doch ausgerechnet ihn, den eher unscheinbaren Peter aus ärmlichem Hause, hatte sie erhört.

Es war eine wilde, wundervolle Zeit gewesen. Tage und Nächte voller Liebe, Leidenschaft und Abenteuer. Als sie das Abitur jedoch in der Tasche gehabt hatten, hatte Stephanie von einem Tag zum anderen ihre Beziehung beendet.

„Es war schön mit dir, Peter“, hatte sie gesagt. „Vielleicht das Schönste, was ich je erleben werde. Aber meine Familie findet, dass wir nicht zueinanderpassen. Es tut mir leid, aber ich habe mich für Andreas entschieden.“

Wohl eher hat deine Familie sich für ihn entschieden, dachte Peter und spürte noch immer einen Anflug der alten Bitterkeit. Dann trank er einen Schluck Brandy und lachte über sich selbst. Im Grunde war Stephanies Entscheidung genau richtig gewesen. Sie war ein verwöhntes Einzelkind aus reichem Haus, und Andreas mit seinem Adelstitel und den zahllosen Immobilien hatte viel besser zu ihr gepasst als er. Sicher war sie mit ihm glücklich geworden, und Peter gönnte es ihr.

Mit Stephanie hatte er zum ersten Mal die Liebe und ein Jahr überschäumenden Glücks erlebt, und dafür war er ihr dankbar. Nach der Trennung war er eine ganze Weile mit gebrochenem Herzen herumgelaufen und hatte der Frauenwelt abgeschworen.

Dann aber war er Marianne begegnet, und sie hatte die Wunde geheilt. Mit ihr, die wie er selbst aus kleinen Verhältnissen stammte, hatte er sich ein Leben aufgebaut und um ihre gemeinsamen Träume gekämpft.

Heute hätte er einer Stephanie Brüggemann wohl das Leben bieten können, das sie gewohnt war, aber heute war er froh, dass er es mit Marianne teilte.

Die Broschüre glitt ihm aus den Händen, und er schreckte aus seiner Reise in die Vergangenheit auf. Wie passte das alles zusammen? Die Stephanie, der damals die Welt der Reichen und Schönen offengestanden hatte, und die, die in diesem Hexenhaus von einer Villa ein Kinderheim betrieb, konnten unmöglich ein und dieselbe Frau sein.

Peter hob die Broschüre auf und öffnete sie. Auf den Innenseiten, zwischen den Bildern der fröhlichen Kinder, fanden sich kurze Textabschnitte zur Geschichte vom „Haus Bambi“. Diese Einrichtung war vor zwanzig Jahren von Stephanie Brüggemann ins Leben gerufen und mit deren Eigenkapital finanziert worden. Ziel des Heims war es, Kindern, die keine Familie hatten, eine zu geben – ein Zuhause, in dem sie sich geliebt, geborgen und rundum umsorgt fühlten.

Das Kinderheim betreute derzeit zwanzig Kinder, die dort lebten, bis sie erwachsen waren und auf eigenen Füßen stehen konnten. Außer der Inhaberin waren zwei Erzieherinnen und eine Haushälterin, die auch kochte, in dem Heim beschäftigt. Außerdem gab es ehrenamtliche Helferinnen und eine Praktikantin.

Staatliche Unterstützung erhielt die Einrichtung kaum. Seitdem das Kapital der Inhaberin aufgebraucht war, war sie daher dringend auf Spenden angewiesen.

Das Haus auf den Bildern wirkte anziehend, einladend, wirklich viel eher wie das Zuhause einer Familie als wie eine Institution, in der Kinder untergebracht waren, weil sie sonst niemanden hatten. Hatte Stephanie wirklich so etwas aufgebaut, einen Ort, wie verwaiste Kinder ihn dringend brauchten?

Nein, entschied Peter. Es konnte unmöglich dieselbe Stephanie sein. Der seltene Name musste ein zweites Mal in München vorkommen, und außerdem hieß seine Jugendliebe ja inzwischen Stephanie von Schwandt.

„Peter?“ Marianne war hinter ihn getreten und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Wenn du so weit bist, können wir essen.“

„Und ob ich so weit bin“, erwiderte Peter, stand auf und gab ihr einen Kuss. Sie duftete nach dem Salbei, mit dem sie das Fischgericht zubereitet hatte. „Deinem Seebarsch kann ich doch nicht widerstehen.“

„Bist du mit den Broschüren schon weitergekommen?“, fragte sie ihn, während sie hinüber ins Esszimmer gingen, wo sie geschmackvoll den Tisch gedeckt und in den hohen Messingleuchtern Kerzen angezündet hatte.

Zum Fisch gab es Brokkoli mit einer Käsekruste, gebackene Kartoffeln und Mariannes berühmte Pfeffer-Rahmsoße.

Sie setzten sich einander gegenüber, und Peter legte erst Marianne und dann sich selbst von den köstlichen Speisen auf.

„Ja, ich bin auf etwas gestoßen, auf das wir einen näheren Blick werfen sollten. Ein Kinderheim, in dem Kinder und Betreuer wie eine Familie zusammenleben. Wenn es so gut ist, wie es in der Broschüre den Eindruck macht, dann wäre das ein würdiger Empfänger für unsere Spende, finde ich.“

„Willst du, dass ich einen Termin vereinbare und es mir anschaue?“, fragte Marianne. „Es klingt wirklich nach einer wunderbaren Einrichtung.“

Für gewöhnlich übernahm sie es, die einzelnen Organisationen genauer zu prüfen, weil sie jetzt, wo die Kinder sie nicht mehr rund um die Uhr brauchten, mehr freie Zeit zur Verfügung hatte als er.

Dieses Mal schüttelte Peter jedoch den Kopf.