Chefarzt Dr. Holl 1892 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1892 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Die Ärzte in der Berling-Klinik tun alles, um Lisbeth Kammerer ihre verbliebene Lebenszeit so angenehm und schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Eine Heilung gibt es für die schwer an Krebs erkrankte dreiundachtzigjährige Patientin nicht. Nur die Besuche ihrer großen Familie und der Wunsch, dabei zu sein, wenn ihr Enkel Patrick seine Elisabeth endlich heiratet, halten die sympathische alte Dame noch am Leben. Doch plötzlich breitet sich in der ganzen Welt ein neuartiges Virus aus, und in der Berling-Klinik werden zwei Mitarbeiter positiv auf COVID-19 getestet. Jetzt steht die gesamte Klinik unter Quarantäne! Darf nun niemand ihre Hand halten, wenn Lisbeth die Augen für immer schließt?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

In Angst vor dem Virus

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Motortion Films / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9911-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

In Angst vor dem Virus

Hat Dr. Holls Mitarbeiter die Patienten angesteckt?

Von Katrin Kastell

Als der Assistenzarzt Dr. Felix Pätznick laut und bellend hustet, wird Dr. Holl hellhörig. Der junge Kollege ist erst vor einer Woche aus dem Urlaub zurückgekehrt.

„Wenn Sie sich nicht gut fühlen, bleiben Sie bitte zu Hause“, legt der Chefarzt ihm ans Herz. Er sei topfit und habe sich nur an dem heißen Kaffee verschluckt, beruhigt Dr. Pätznick ihn. Genau zu diesem Zeitpunkt kommen über die Medien erste Meldungen über ein neuartiges Virus aus China, das sich in der ganzen Welt ausbreitet. In Italien werden schon die ersten Toten beklagt. Wie sich nun bei einem Test herausstellt, ist Dr. Pätznick ebenfalls an diesem Coronavirus erkrankt und verrichtet seit über einer Woche seinen Dienst.

Jetzt bricht in der Berling-Klinik die Hölle los!

Die Tür des Büros flog mit so viel Schwung auf, dass Elisabeth herumfuhr. Das Manuskript, das sie gerade geprüft hatte, rutschte ihr aus den Händen, und sie musste unwillkürlich lächeln. Der junge Mann, der in das von Bücherregalen gesäumte Zimmer gestürmt kam, war schlank und hochgewachsen. Er hatte dunkles Haar und trug unter jedem Arm eine Kiste.

„Elisabeth? Elisabeth Stegmann? Bin ich hier richtig? Sind Sie das?“

Der junge Mann blieb vor ihrem Schreibtisch stehen, stellte die Kisten auf den Boden und beugte sich über die Tischplatte, sodass er Elisabeth tief in die Augen blicken konnte.

„Sie gestatten? Patrick Kammerer.“ Er reichte ihr eine gepflegte, leicht gebräunte Hand. „Ich bin der Neue. Ihr Lehrling sozusagen.“

Amüsiert ergriff Elisabeth die dargebotene Hand. Ein Lehrling war der neue Kollege, der sich ab heute mit ihr ein Büro teilen sollte, keineswegs, sondern ebenso als Lektor qualifiziert wie Elisabeth selbst. Es fehlte ihm lediglich an Berufserfahrung, weil er nach dem Studium eine Zeit lang als Reisejournalist durch die Welt gezogen war.

„Genau deshalb setzen wir ihn zu dir, Elli“, hatte Friedrich Schott, ihr Programmleiter und väterlicher Freund, Elisabeth erklärt. „Er ist ein heller, begabter Kopf, das kannst du mir glauben. Alles, was er noch braucht, um ein Großer in seinem Fach zu werden, ist unsere allerbeste Lektorin, die ihn fürsorglich an die Hand nimmt und in die Geheimnisse des Verlagswesens einführt.“

Elisabeth war dazu gerne bereit. Sie liebte ihren Beruf und hatte Spaß daran, anderen diese Liebe zu vermitteln. Friedrichs Komplimente freuten sie, doch auch ohne diese Anerkennung wusste sie, dass sie als Lektorin gute Arbeit leistete. Schon als kleines Mädchen waren Bücher ihre große Liebe gewesen, und sie hatte immer davon geträumt, später selbst an ihrer Entstehung mitzuarbeiten.

Hier im Verlag fühlte sie sich in ihrem Element. Unzählige wunderbare Geschichten gingen durch ihre Hände, Rohdiamanten, die sie schleifen und polieren durfte, ehe sie hinaus in die Welt wanderten, wo lesehungrige Menschen schon ungeduldig auf sie warteten.

Friedrich Schott hatte sie damals, als sie frisch von der Universität gekommen war, angelernt. Er hatte ihr von der Pike auf beigebracht, was den Beruf des Lektors ausmachte, und obendrein ihr Selbstvertrauen gestärkt und ihr das Gefühl gegeben, in ihrem Fach gut zu sein. Er machte kein Hehl daraus, dass er sich Elisabeth als seine Nachfolgerin wünschte, wenn er in ein paar Jahren in den wohlverdienten Ruhestand treten würde.

Elisabeth war ihm für all das von Herzen dankbar. Und nur zu gern würde sie jetzt das Wissen, das ihr Mentor ihr vermittelt hatte, an andere weitergeben.

„Herzlich willkommen im Verlagshaus Liebental“, sagte sie. Ihre Hand ruhte noch immer in der des stürmischen jungen Kollegen. Der ließ sie nämlich nicht los, und er sah ihr auch noch immer irritierend intensiv in die Augen.

Mit einigem Amüsement stellte Elisabeth fest, dass der neue Kollege eine wahre Augenweide war. Und dass seine Nähe, die sie bei anderen womöglich als aufdringlich empfunden hätte, ihr alles andere als unangenehm war.

„Vielen Dank, Elisabeth“, murmelte er. „Bitte, darf ich Sie Elisabeth nennen? Ich liebe diesen Namen. Meine Oma heißt nämlich auch Elisabeth, und meine Oma ist die wundervollste Frau der ganzen Welt.“

Elisabeth konnte nicht länger an sich halten. Sie brach in schallendes Gelächter aus. Zu denen, die langweilige, handelsübliche Komplimente machten, gehörte der attraktive neue Kollege jedenfalls nicht.

Sein Mund verzog sich zu einem feinen Lächeln, ohne dass sein Blick sich von ihr löste. Seine Augen hatten die Farbe der Bernsteine, die Elisabeth als Kind an der Ostsee gesammelt hatte. Damals hatte sie sich an den schillernden Steinen nicht sattsehen können, weil es ihr so vorgekommen war, als verlöre sich die Farbe in einer unbekannten Tiefe. Ebenso erging es ihr heute mit den Augen von Patrick Kammerer.

Der Januartag war trübe und lichtlos gewesen, doch auf einmal fiel mit ungeahnter Kraft die Sonne ins Fenster und verriet, dass der Frühling nicht mehr weit war. Elisabeth klopfte das Herz.

„Ich habe das Gefühl, meine Oma muss sich nicht nur den Vornamen künftig mit einer anderen teilen“, murmelte Patrick Kammerer mit seiner dunklen, sinnlichen Stimme. „Sondern auch den Titel der wundervollsten Frau auf der Welt.“

Elisabeth wollte das mit einem freundlichen, spöttischen Kommentar quittieren, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.

„Gehen Sie heute Abend mit mir essen, Elisabeth?“ Der Blick der Bernsteinaugen wurde regelrecht bittend. „Gehen Sie am Sonntag mit mir ins Kino? Kommen Sie am Ersten Mai mit zu Omas Geburtstagsfeier? Sie wird fünfundsiebzig. Und ich weiß, dass es für sie kein schöneres Geschenk geben wird, als Sie kennenzulernen.“

„Warum denn das?“, fragte Elisabeth verblüfft.

„Weil sie sich nichts mehr wünscht als eine Frau, die dem ruhelosen Herzen ihres einzigen Enkelsohnes endlich ein Zuhause gibt“, erwiderte Patrick Kammerer schlicht, ließ Elisabeths Hand los und trug die Kisten zu seinem neuen Schreibtisch, um sich einzurichten.

***

Elisabeth war sicher, dass sie Nein sagen würde. Zum abendlichen Essen wie zum Kino und erst recht zur Geburtstagsfeier der unbekannten Oma, mit der sie den Vornamen teilte. Sie sagte Ja. Zu allen drei Einladungen.

Das Essen mit Patrick war wundervoll. Er hatte denselben Geschmack wie sie, suchte einen gemütlichen Italiener aus und erwies sich als sprühender Unterhalter. Außerdem konnte er zuhören und bewies ehrliches Interesse an dem, was sie erzählte, eine Eigenschaft, die sie bei Männern bisher vergeblich gesucht hatte. Sie schienen unzählige gemeinsame Interessen zu haben – von Büchern über italienische Küche bis hin zu altmodischem Jazz und sonntäglichem Bummeln über Trödelmärkte.

Der Kinobesuch war so schön, dass sie Popcorn nachkauften und gleich noch zu einem zweiten Film blieben. Niemals hätte Elisabeth es für möglich gehalten, dass es Männer gab, die anspruchsvolle französische Kunstfilme liebten und anschließend in romantischen Liebesschnulzen wie Schlosshunde weinten.

Am wundervollsten aber war Oma Lisbeth, die nicht nur Strümpfe strickte und den besten Streuselkuchen der Welt backen konnte, sondern beim Kartenspielen schummelte und sich darüber kaputtlachte, im engen Flur ihrer kleinen Wohnung alleine Tango tanzte und die vor allem ihre Kinder und Enkel über alles liebte.

Kinder hatte sie fünf, Enkel elf, und bis auf Patrick gehörten alle dem weiblichen Geschlecht an. Kein Wunder, dass er von der gesamten Familie vergöttert und von vorn bis hinten verhätschelt wurde.

Patrick aber schien auf wundersame Weise bescheiden und bodenständig geblieben zu sein. Vielleicht hatte es ihm gutgetan, mit so vielen Frauen aufzuwachsen, vor allem aber mit Oma Lisbeth.

„Sie hat ein furchtbar hartes Leben meistern müssen“, erzählte er Elisabeth. „Als kleines Mädchen aus der Danziger Heimat vertrieben, mit achtzehn das erste Kind und mit fünfundzwanzig Witwe mit fünf Kindern.“

„Oje“, entfuhr es Elisabeth. „Das ist wirklich ein schweres Schicksal.“

„Ja, du sagst es. Sie hat sich durchschlagen müssen und ist dabei immer fröhlich geblieben und hat sich ihren Humor und ihren Lebensmut bewahrt. Ihre fünf Töchter hatten eine liebevolle Kindheit bei ihr und wir elf Enkel die beste Oma aller Zeiten. Durch sie habe ich gelernt, dass Frauen über eine innere Stärke verfügen, die kaum ein Mann aufbringen kann.“

Man merkte es ihm an. Er begegnete Frauen mit einer Achtung und einem Respekt, die Elisabeth in ihrem Berufsleben oft vermisste, und hatte keine Schwierigkeiten, ihre größere Erfahrung anzuerkennen. Da er einen Rat gern annahm, lernte er schnell und war im Verlag innerhalb kürzester Zeit unentbehrlich – und in Elisabeths Leben nicht minder.

Ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung zog sie mit Patrick in eine gemeinsame Wohnung. Weitere neun Monate später kam Carina zur Welt. Einen Trauschein brauchten sie nicht.

Besonders Elisabeth, die aus einem zerrütteten Elternhaus stammte, wollte auf eine Eheschließung lieber verzichten. Dass sie und Patrick sich liebten und glücklich miteinander waren, wussten sie auch ohne Kirche und Standesamt.

Die Einzige, die darüber traurig war, war Oma Lisbeth.

„Ich hätte dich so gern ganz in Weiß an der Seite von Patrick gesehen“, gestand sie Elisabeth.

„Bin ich dir in Grün an seiner Seite nicht gut genug?“, alberte Elisabeth, die an diesem Tag ein tannengrünes Kostüm trug.

„Du bist mir in allen Farben gut genug“, beteuerte Oma Lisbeth. „Du bist das Beste, was meinem Patrick passieren konnte, und ich danke dem Herrgott jeden Tag dafür. Aber als alte Frau, die nicht mehr lange zu leben hat, wünscht man sich eben doch, dass die Verbindung besiegelt und ganz offiziell von Gott gesegnet wäre. Eure Hochzeit mitzuerleben, das wäre für mich der Höhepunkt. Danach könnte ich beruhigt und zufrieden abtreten.“

„So einen Quatsch will ich nicht noch einmal hören“, schimpfte Elisabeth, die die Oma längst ebenso ins Herz geschlossen hatte wie Patrick. „Du bist keine alte Frau, sondern unsere Oma Lisbeth. Du überlebst uns alle.“

Ab und an hatte Patrick das Thema angeschnitten und überlegt, ob sie der Oma die Freude nicht doch machen sollten. Letzten Endes hatten sie sich jedoch dagegen entschieden. Elisabeth waren und blieben Hochzeiten nicht geheuer. Und es gab ja auch immer so viel anderes zu tun.

Carina, ihre kleine Tochter war kein Kind wie alle anderen. Dadurch, dass sie zwei Monate zu früh und durch einen Notkaiserschnitt zur Welt gekommen war, war sie ungewöhnlich zart und anfällig.

Außerdem stellte Dr. Holl, der Leiter der Berling-Klinik, der ihr bei ihrer Geburt das Leben gerettet hatte und Carina auch weiterhin ärztlich betreute, kurz nach ihrem vierten Geburtstag fest, dass das kleine Mädchen an Asthma litt.

Sie hatte wirklich vom Schicksal ein schweres Päckchen aufgeladen bekommen, und für Elisabeth und Patrick war es nicht leicht, ihre anspruchsvollen Berufe und die Sorge um ihr Kind unter einen Hut zu bringen.

Glücklicherweise gab es jedoch Oma Lisbeth. Zu ihr brachten sie Carina morgens, wenn sie zur Arbeit mussten, und in Omas gemütlicher, kleiner Wohnung voller Märchenbücher und Erinnerungsstücke fühlte sich Carina bald ebenso zu Hause wie in den heimischen vier Wänden.

Trotz ihrer zarten Gesundheit entwickelte sie sich zu einem lebenslustigen, aufgeweckten kleinen Mädchen, das mit seinem Charme und seiner Klugheit alle bezauberte. Nach den Strapazen der Geburt konnte Elisabeth keine weiteren Kinder bekommen, aber das bedauerten weder sie noch Patrick sonderlich. Sie hätten ihre allerliebste kleine Tochter nicht gegen ein ganzes Dutzend Kinder eintauschen wollen.

„Eine Familie, die so glücklich ist wie ihr, wird man wohl auf der ganzen Welt kein zweites Mal finden“, sagte ihre Kollegin Jennifer nicht ohne Neid einmal zu Elisabeth, und eine ganze Zeit lang war Elisabeth überzeugt gewesen, dass sie recht hatte.

Wann war das Pendel umgeschlagen?, fragte sie sich heute, als jener Januartag ihrer ersten Begegnung acht Jahre zurücklag. Wann waren die harmonischen Familienabende, die fröhlichen Wochenenden und heiß ersehnten gemeinsamen Urlaube einer Atmosphäre ständiger Anspannung und unterschwelliger Streitereien gewichen?

Wo war ihre Fröhlichkeit geblieben, die Wärme und Liebe, die Achtung und das Verständnis, das sie verbunden hatte?

Hatte es begonnen, als Carina eingeschult worden war und die Familie damit vor ganz neuen Anforderungen gestanden hatte? Vielleicht, aber Carina hatte sich in der Schule dennoch hervorragend eingelebt. Die Lehrer nahmen auf ihre gesundheitlichen Probleme Rücksicht und bestätigten, was Patrick und Elisabeth längst geahnt hatten: Carina war hochintelligent und hatte die neue Herausforderung dringend gebraucht. Auch Freundinnen hatte sie sofort gefunden, obwohl sie bei Sport und Spiel nicht immer so mitmachen konnte, wie sie gern wollte.

Alles in allem lief es für Carina in der Schule besser als erwartet. Hatte die schlechte Stimmung zwischen ihren Eltern vielleicht eher damit zu tun, dass im Verlag seit geraumer Zeit der Stresslevel stieg?

Die Buchbranche machte eine Krise durch, von der auch das Verlagshaus Liebental nicht ausgenommen blieb. Alle Mitarbeiter mussten ihr Bestes geben, um den Lesern auch weiterhin mitreißende, zauberhafte Geschichten zu liefern, die sie in andere Welten entführten.

Hinzu kam, dass Friedrich Schott sich mehr und mehr aus der Arbeit zurückzog und sich auf seine Pensionierung vorbereitete, die unmittelbar bevorstand. Der erfahrene Mann fehlte an allen Ecken und Enden, aber Elisabeth war sicher, dass die verbleibenden Mitarbeiter mit der Zeit alles gut in den Griff bekommen würden. Sie hatten schließlich von ihm gelernt, und solche Veränderungen waren im Berufsleben normal.

Nein, dachte Elisabeth. Diese Dinge hatten zwar für vorübergehende Störungen des Familienfriedens gesorgt, aber wirklich vergiftet kam Elisabeth die Atmosphäre erst vor, seit Oma Lisbeth krank geworden war. Sie war mittlerweile fast dreiundachtzig und litt an Magenkrebs.

Eine Aussicht auf Heilung gab es nicht, das hatte Dr. Holl ihnen zwar schonend, aber unmissverständlich beigebracht. Oma Lisbeth hatte sich trotzdem dafür entschieden, sich in der Berling-Klinik operieren zu lassen und eine strapaziöse Chemotherapie zu beginnen, auch wenn ihr klar war, dass sie dadurch nur ein paar Monate Lebenszeit gewann.

„Ich will doch schließlich eure Hochzeit noch erleben“, hatte sie mit einem Lachen und ihrem unverwüstlichen Lebensmut zu Elisabeth gesagt und ihr die Hand gestreichelt. „Ich bin ganz sicher, eines Tages kriegt mein Patrick dich doch noch vor den Altar.“

Ja, seither hing in ihrer Familie der Haussegen schief. Statt in Trauer, Mitgefühl und Angst vor dem Verlust der so sehr geliebten Omi näher zusammenzurücken, drifteten Patrick und Elisabeth auseinander. Und das lag beileibe nicht nur daran, dass Patrick sie schließlich doch noch zur Hochzeit überredet hatte, „weil Oma es sich doch so sehr wünscht.“

Der Termin war für April anberaumt, und Elisabeth fühlte sich überfahren. Sie wollte noch immer nicht heiraten, aber damit hätte sie sich abfinden können. Schließlich lag ihr Oma Lisbeth ja selbst am Herzen, und zu erleben, wie sehr sie sich auf die Feier freute, machte vieles wett.

Dr. Holl hatte sogar berichtet, dass ihre Werte besser waren, seit sie die Einladung zu der Feier erhalten hatte. Auf der Station redete sie von nichts anderem.