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Dr. Stefan Holl ist einiges gewohnt. Viele leidvolle Krankenbesuche an den Betten von Menschen, die am Ende ihres Weges angelangt waren, liegen schon hinter ihm. Er weiß: Auch das gehört zu seinem Arztberuf, nämlich den Schwerstkranken nahe zu sein und nur noch nachhaltig die Schmerzen zu lindern, wenn andere Medikamente oder gar Operationen sinnlos geworden sind.
Doch der Tod seines Patienten Samuel Tauber stürzt den Klinikchef in nie gekannte Krise. Immer wieder fragt er sich: Hat er im Vorfeld der Operation etwas Entscheidendes übersehen?
Die Schuldgefühle nagen und zehren an Dr. Holl. In diesen schwarzen Tagen ist nur noch eine an seiner Seite: seine Frau Julia ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Ein schwarzer Tag für Dr. Holl
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: lightwavemedia / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9912-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Ein schwarzer Tag für Dr. Holl
Als der Klinikchef den Beistand seiner Frau brauchte
Von Katrin Kastell
Dr. Stefan Holl ist einiges gewohnt. Viele leidvolle Krankenbesuche an den Betten von Menschen, die am Ende ihres Weges angelangt waren, liegen schon hinter ihm. Er weiß: Auch das gehört zu seinem Arztberuf, nämlich den Schwerstkranken nahe zu sein und nur noch nachhaltig die Schmerzen zu lindern, wenn andere Medikamente oder gar Operationen sinnlos geworden sind.
Doch der Tod seines Patienten Samuel Tauber stürzt den Klinikchef in nie gekannte Krise. Immer wieder fragt er sich: Hat er im Vorfeld der Operation etwas Entscheidendes übersehen?
Die Schuldgefühle nagen und zehren an Dr. Holl. In diesen schwarzen Tagen ist nur noch eine an seiner Seite: seine Frau Julia …
„Vorsicht!“ Samuel Tauber riss schreckhaft die Arme hoch.
Sein plötzlicher Ausbruch ließ Linda zusammenzucken.
„Was ist denn?“, fauchte sie ihn an, während sie auf den Parkplatz einbog. „Meckere nicht immer an mir rum, wenn ich fahre! Ihr Männer glaubt wohl immer noch, dass ihr am Steuer die Besseren seid. Studien beweisen aber längst das Gegenteil.“
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, taten sie ihr auch schon leid. Gerade heute wollte sie ihren Verlobten nicht unnötig aufregen. Aber er durfte sie auch nicht so erschrecken, wenn sie den Wagen fuhr.
„Du warst viel zu dicht an der Mauer“, gab der Mann im grauen Anzug heiser zurück. „Fast hättest du sie geschrammt.“
„Aber nur fast.“ Sie tätschelte seinen Arm. „Nun lass uns doch, um Himmels willen, nicht streiten. Du hast doch nur Angst vor der Untersuchung. Stimmt‘s? Das allein ist der Grund für deine Nervosität.“
Linda Benson gelang sogar ein schelmisches Lächeln. Ihr Ärger war schon wieder verschwunden. Sie konnte keinem Menschen lange böse sein, erst recht nicht ihrem Herzallerliebsten.
„Ich bin bei dir und werde deine Hand halten. Es wird nichts Schlimmes passieren, versprochen.“
„Wer weiß das schon“, brummte Samuel und verzog das Gesicht.
Linda fuhr einen großen Bogen, setzte den Wagen schwungvoll auf den freien Stellplatz und lächelte Samuel entwaffnend an.
„Siehst du, dein kostbares Gefährt hat keinen Kratzer und auch keine Beule. Und uns bleibt noch ein wenig Zeit, um uns zu beruhigen. Komm, steig aus, wir spazieren eine Runde durch den Garten!“
„Ich kann mich nicht beruhigen – bei dem, was mir bevorsteht.“ Seine Stimme, die in der letzten Zeit immer heiserer geworden war, versagte jetzt ganz.
Obwohl Linda Samuels Ängste verstand, gab sie sich betont locker.
„Es ist wirklich alles halb so schlimm. Dr. Holl wird dich gründlich untersuchen, mögliche Diagnoseverfahren anordnen und dann eine oder mehrere Therapien vorschlagen“, erklärte sie im Ton einer Wetter-Moderatorin. „Es muss endlich geklärt werden, was es mit deiner Heiserkeit auf sich hat. Du hättest dich schon viel früher darum kümmern sollen. Aber keine Sorge, unser Chef ist ein hervorragender Arzt. Bei ihm bist du in den besten Händen. Du kannst ihm vertrauen. Also sei tapfer, mein Schatz!“
Sie hängte sich bei ihm ein und zog ihn mit sich fort. Samuel Tauber, ein großer kräftiger Mann, ließ es geschehen, obwohl er sich am liebsten heulend auf einer der Bänke niedergelassen hätte, um von dort nie wieder aufzustehen.
Mit einer ausholenden Armbewegung deutete die schlanke Frau in Jeans und Blazer auf die Anlagen der Münchener Berling-Klinik.
„Da schau mal, diese Blumenpracht! Ist das nicht eine Augenweide?“
Samuel schwieg. Augenweide hin oder her, die Welt ringsherum interessierte ihn nicht und das bunte Blütenzeug schon gar nicht. Wie unter Zwang malte er sich immer wieder aus, welch grässliche Ergebnisse am Ende einer Untersuchung auf ihn warten könnten. An eine harmlose Erkrankung glaubte er schon lange nicht mehr.
Linda blieb stehen, nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn ein paar Mal schnell auf den Mund. „Mach nicht so eine Trauermiene!“
„Aber wenn ich mich doch so fühle?“
Er betrachtete die Frau, die bald die seine werden sollte. Der Wind versuchte, aus ihrem locker gebundenen Pferdeschwarz ein paar Strähnen herauszulösen. Es war ein schönes und unbeschwertes Bild, das er nie wieder vergessen würde.
Für diese Antwort bekam er noch einen Kuss, diesmal einen, der länger dauerte und ihn tatsächlich ein wenig tröstete.
Schon seit Tagen lasteten diese dunklen Befürchtungen auf ihm. Natürlich wusste er selbst, dass eine mögliche Schramme an seinem Wagen sich dagegen geradezu lächerlich ausnahm. Aber die Kritik an Lindas Fahrstil hatte ihm erlaubt, etwas Kummer von seiner Seele abzulassen.
„Atme tief ein!“, empfahl Linda und machte ihm auch noch vor, wie er ein- und ausatmen sollte. Die Situation bekam etwas Komisches. Sie mussten beide lachen. Für zwei Sekunden vergaß er das drohende Unheil.
Von den letzten Symptomen wusste Linda noch gar nichts. Er hatte es einfach nicht fertiggebracht, mit ihr darüber zu reden. Er wollte sie nicht schon im Voraus ängstigen. Außerdem war sie Ärztin. In dieser Eigenschaft würde sie die möglichen Ursachen für sein schlechtes Befinden sofort richtig zuordnen können.
„Dysphonie, also Heiserkeit, kann verschiedene Ursachen haben“, hatte sie ihn beschieden. „Deine letzte Erkältung hast du nicht richtig auskuriert und bist viel zu früh wieder ins Büro gegangen – gegen meine Empfehlung. Darum ist deine Heiserkeit so hartnäckig. Ist jedenfalls meine Vermutung. Vielleicht ist etwas mit den Stimmlippen nicht in Ordnung.“
Bis jetzt verheimlichte er vor ihr, dass er Blut hustete. Nach seinen Recherchen im Internet wusste er, dass dies kein harmloses Symptom einer verschleppten Infektion im Rachenraum mehr war. Auch Atemnot machte sich immer deutlicher bemerkbar. Höchste Zeit also für einen Arztbesuch.
Doch genau davor hatte er eine Heidenangst. Denn dann musste er sich einer unbequemen Wahrheit stellen.
Vielleicht war es ohnehin schon zu spät. Samuel schwankte zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Mit seinen achtunddreißig Jahren war er ein Mann in den besten Jahren. Aber schlimme Krankheiten machten nun mal keinen Unterschied zwischen Alt und Jung. Sie griffen scheinbar wahllos zu. Der Tod hat kein Alter.
„Dr. Holl wird dir helfen“, sagte Linda tröstend. „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Er ist ein begnadeter Diagnostiker. Nun lach doch mal! Bitte, mir zuliebe!“
Samuel brachte nur ein klägliches Lächeln zustande, mehr ging nicht.
Seite an Seite schlenderten die beiden über die gepflegten Wege des Klinikgartens. Während Samuel in Gedanken schon die Katastrophe vorwegnahm, die auf ihn lauerte, dachte Linda an ihre beiden Sorgenpatienten auf der Neurologie, die sie besuchen würde, während Samuel mit Dr. Holl sprach.
„Du bleibst doch bei mir?“, fragte Samuel jetzt schon zum wiederholten Mal.
„Natürlich, Schatz. Aber erst einmal solltest mit unserem Chefarzt warm werden. Dabei würde ich als Dritte nur stören. Darum schaue ich schnell auf meiner Station nach einer Patientin, bin aber sofort wieder bei dir.“
„Du hast doch heute frei“, widersprach er stirnrunzelnd. „Wieso kümmerst du dich auch noch in deiner Freizeit um die Kranken?“
„Ich möchte ja nur wissen, wie die junge Frau die Nacht verbracht hat.“
Samuel betrachtete seine Verlobte. Für einen kurzen Augenblick kehrte sein Optimismus zurück. Vielleicht konnte doch noch alles gut werden.
„Jetzt wird es Zeit hineinzugehen“, befand Linda. Sie führte ihn zu dem Eingang des Klinikgebäudes, der vom Garten aus erreichbar war. Bevor sie eintraten, zwickte sie ihn zärtlich in die Wange. „Dir ist schon klar, dass du ein bisschen was von einem Hypochonder an dir hast? Nun mach dich mal ein bisschen locker!“
Er kam sich vor wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank. Es gab keinen Weg mehr zurück. Die Würfel waren gefallen.
Doch als er dem Chefarzt gegenüberstand, nahm der Aufruhr in seiner Seele schlagartig ab. Noch bevor Dr. Holl ein einziges Wort gesprochen hatte, wusste Samuel, dass er sich diesem Mann rückhaltlos anvertrauen konnte.
***
Linda verließ den Raum, in dem Samuel und Dr. Holl miteinander sprachen. Der Chefarzt würde jetzt erst einmal die Anamnese erheben. Dabei störten dritte Personen nur. In der Zwischenzeit konnte sie nach der Patientin sehen, die gestern nach einem epileptischen Anfall eingeliefert worden war.
Auf dem Weg dorthin klingelte ihr Handy. Die Nummer kannte sie nicht. Dennoch nahm sie den Anruf entgegen.
„Hallo?“, fragte sie ungeduldig. Eigentlich wollte sie jetzt nicht gestört werden, aber vielleicht war es ja wichtig.
„Spreche ich mit Frau Dr. Benson?“, erkundigte sich eine Männerstimme.
„So ist es. Was kann ich für Sie tun?“
„Mein Name ist Yannick Larsen. Ich bin Journalist und schreibe eine Artikelserie über Organspenden. Darum interessiert mich ganz besonders der aktuelle Wissensstand zum Hirntod. Können die festgelegten Kriterien noch standhalten, oder muss hier nachgebessert werden?“ Er hatte ziemlich schnell gesprochen, als befürchtete er, dass sie ihn gleich abwimmelte.
„Ist das als Frage an mich gemeint?“
„Es geht mir darum, die Meinung vieler Fachleute einzuholen. Die Definition des Hirntods wird ja äußerst kontrovers diskutiert. Dazu würde ich auch Sie gern befragen. Hätten Sie eine Stunde Zeit für mich? Sie sind Neurologin …“
„… allerdings noch in der Facharztausbildung“, fiel sie ihm ins Wort. „Wie sind Sie ausgerechnet auf mich gekommen?“
„Sie haben mal hier in München über Muskeldystrophie gesprochen. Ich saß unter den Zuhörern. Das Thema interessierte mich, weil mein Bruder daran gestoben ist.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Es ist schon lange her“, erwidere der Unbekannte. „Aber damals war es für meine Familie ein Schock. Wir alle wussten nicht damit umzugehen.“
„Diese Krankheit verläuft fast immer tödlich“, sagte Linda. Wenn der Mann selbst so sympathisch war wie seine Stimme, hätte sie gegen ein Treffen mit ihm nichts einzuwenden. „Wenn Sie erlauben, speichere ich Ihre Nummer und rufe Sie an, wenn es mir zeitlich passt.“
„Ich würde mich sehr freuen“, beeilte er sich zu versichern.
„Wie war Ihr Name?“
„Larsen, Yannick Larsen. Ich kann mir meine Zeit einteilen und komme sofort, wenn Sie sich melden. Ein Gespräch gerade mit Ihnen wäre mir sehr wichtig.“
Linda musste sich eingestehen, dass sie sich ein wenig geschmeichelt fühlte. „Für welche Medien schreiben Sie denn?“
„Für verschiedene“, kam die prompte Antwort. „Ich arbeite freiberuflich.“
„Gut. Dann melde ich mich bei Ihnen.“
„Ich freue mich auf Ihren Anruf“, wiederholte er, bevor sie das Gespräch wegdrückte und ihren Weg fortsetzte.
Maja Wagner, die achtzehnjährige Epilepsie-Patientin, hatte sich von ihrem Anfall erholt, aber der Schrecken stand ihr noch ins Gesicht geschrieben. Wie aus heiterem Himmel war dieser Anfall über sie gekommen – zum ersten Mal in ihrem Leben. Als sie die Ärztin wiedersah, die sie am Vortag behandelt hatte, glätteten sich die Sorgenfalten auf der jugendlichen Stirn ein wenig.
„Wann kann ich wieder nach Hause?“, fragte Maja und zupfte nervös an ihrem T-Shirt herum. „Ich trainiere in unserem Fußballverein und darf nicht lange ausfallen.“
„Ich verstehe, wie wichtig Ihnen das ist …“
„Sagen Sie einfach Du zu mir, bitte!“
Linda schmunzelte. „Ganz wie du willst, Maja. Ich finde Frauenfußball ganz großartig.“
„Eines Tages werde ich in der Nationalmannschaft spielen, ganz sicher.“ Maja nickte bekräftigend zu ihren Worten. „Und zwar im Tor.“
Das glaubte Linda ihr sofort. Die junge Sportlerin war über eins achtzig groß, als Torhüterin also bestens geeignet. „Bevor wir dich entlassen, wollen wir die Ursache für deinen Krampfanfall noch ein wenig besser kennenlernen. Du hast ja heute schon mit Dr. Holl gesprochen …“
Maja nickte eifrig. „Er hat mich über die verschiedenen Arten der Krankheit aufgeklärt. Noch steht ja gar nicht fest, ob es sich wirklich um Epilepsie handelt.“
„Und genau aus diesem Grund müssen wir noch ein paar Tests machen. Es gibt einige Ursachen, die für einen Krampfanfall auslösend sind, dazu gehören auch Kopfverletzungen, wie sie beim Sport passieren können. Das werden wir noch genau untersuchen. Keine Sorge, tut nicht weh. Beantworte mir bitte noch eine Frage! Du warst gestern auf einer Party, als es passierte …“
„Ja, zusammen mit meinem Freund. Meine Verrenkungen haben ihn schockiert. Ich hingegen kann mich nicht daran erinnern.“
„Hast du Alkohol getrunken?“
Maja grinste listig. „Allerdings, und nicht zu knapp …“ Sie brach ab, ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Oh Gott, hätte ich das nicht tun sollen? Hängt der Anfall etwa damit zusammen?“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das lässt sich jetzt noch nicht eindeutig sagen. Wie dir Dr. Holl ja auch schon gesagt hat, ist das Krankheitsbild der Epilepsie sehr vielschichtig. Wenn es passiert, erleben die Betroffenen eine unwillkürliche Änderung des Bewusstseins, mit anderen Worten: Es tritt eine kurze Funktionsstörung des Gehirns ein, deren Ursachen nicht immer feststellbar sind. Der dadurch ausgelöste Anfall kann leichter oder gravierender verlaufen. Mach dir keine allzu großen Sorgen. Viele Menschen erleiden irgendwann in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Immer aber kommt er plötzlich und unerwartet. Hattest du als Kind schon mal damit zu tun?“
„Nein, ganz sicher nicht. Das wüsste ich.“
„Was sagen deine Eltern?“
Ein kaum wahrnehmbarer Schatten huschte über Majas herzförmiges Gesicht. „Ich lebe bei meiner Mutter. Mein Vater ist tot.“
„Das tut mir sehr leid. Ich werde mich noch mit deiner Mutter unterhalten. Wenn sie dich morgen besucht, möchte sie doch bitte ins Stationszimmer kommen. Wirst du ihr das ausrichten?“
„Ja, mach ich.“ Dann wiederholte sie die Frage, die noch unbeantwortet geblieben war. „Wann kann ich wieder nach Hause?“
„Sobald die Epilepsie-Diagnose abgeschlossen ist. Wir machen ein Elektroenzephalogramm. Dieses Verfahren zeichnet elektrische die elektrischen Felder auf, die vom Gehirn ausgehen. Hilfreich wäre auch noch eine Magnet-Resonanz-Tomografie, die uns weitere Rückschlüsse erlaubt.“
Auch ein invasives EEG stand noch zur Wahl. Hierbei wurden die Elektroden über kleine Schädelbohrungen direkt auf der Gehirnoberfläche platziert. Um Maja nicht unnötig zu ängstigen, ließ sie diese Methode vorläufig unerwähnt.
„Ihr seid hier alle so wahnsinnig nett“, sagte Maja. „Hätte ich nicht gedacht. Aber zu Hause ist zu Hause.“
„Das verstehe ich gut“, erwiderte Linda schmunzelnd. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Alle Kollegen, die ich kenne, fürchten sich davor, selbst Patient zu sein und die Kontrolle an jemand anders abzugeben. Ich muss jetzt los. Morgen komme ich wieder. Mach's gut, Maja! Und vor allem, mach dir keine Sorgen! Mit vereinten Kräften kriegen wir das schon wieder hin. Ganz sicher.“
Fast frohgestimmt verließ Linda ihre junge Patientin. Das Fußballer-Mädchen hatte es ihr angetan. Mit den modernen Epilepsie-Medikamenten, individuell abgestimmt auf Maja, konnte sie in eine ungetrübte Zukunft schauen.
***
Stefan Holl unterhielt sich intensiv mit Samuel Tauber, dem Juniorchef der „Tauber Abfallwirtschaft“. Gemeinsam gingen sie die Krankengeschichte durch.
Der Patient beantwortete gewissenhaft alle Fragen des Arztes. Immer wieder gab Stefan Notizen in den Laptop ein. Samuel hatte als Kind häufig an Atemwegserkrankungen gelitten, mit fünfundzwanzig angefangen zu rauchen und vor zehn Jahren wieder damit aufgehört. Seit einiger Zeit plagten ihn Husten, eine bisweilen pfeifende Atmung, Brustschmerzen und diese nicht enden wollende Heiserkeit. In der Familie gab es keine erblichen Krankheitsbelastungen. Beide Eltern lebten und erfreuten sich bester Gesundheit.
„Wann haben Sie das Blut beim Husten bemerkt?“
„Das ist noch gar nicht so lange her. Vor zwei Wochen vielleicht.“ Samuel ließ den Arzt nicht aus den Augen. „Haben Sie schon einen Verdacht?“
„Ich werde immer offen zu Ihnen sein, Herr Tauber. Was wir bis jetzt an Symptomen gesammelt haben, erfordert dringend eine genaue Abklärung. Das ist sehr wichtig und sollte nicht aufgeschoben werden. Es wäre mir lieb, wenn Sie sich bald zu einem Klinikaufenthalt einfinden könnten. Mit drei Tagen sollten Sie rechnen. Wenn wir alle Diagnoseverfahren durchgeführt haben, werden wir wissen, wie es weitergehen kann.“