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Hilflos muss Ulrike Zander mit ansehen, wie ihre zweiundzwanzigjährige Tochter Sarah beim Triathlon-Wettkampf zusammenbricht! Gerade noch angefeuert und umjubelt, liegt Sarah nun reglos da und muss von einem der Zuschauer Mund-zu-Mund-beatmet werden.
Als der Rettungswagen endlich eintrifft, schlägt Sarahs Herz zwar wieder, doch sie ist mehr tot als lebendig! Und dann folgt in der Berling-Klinik die erschütternde Eröffnung: Sarah, die immer aktiv und fit wirkte, leidet an einer gefährlichen Pulmonalen Hypertonie! Ihr Lungendruck ist viel zu hoch, und ihr Herz droht unter der enormen Belastung zu versagen! Die Ärzte drängen zu einer höchst riskanten Operation - wenn sie Weihnachten erleben will ...
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Du musst atmen, Sarah!
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: wavebreakmedia / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0548-6
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Du musst atmen, Sarah!
Eine junge Frau kollabiert bei einem Wettkampf
Von Katrin Kastell
Hilflos muss Ulrike Zander mit ansehen, wie ihre zweiundzwanzigjährige Tochter Sarah beim Triathlon-Wettkampf zusammenbricht! Gerade noch angefeuert und umjubelt, liegt Sarah nun reglos da und muss von einem der Zuschauer Mund-zu-Mund beatmet werden.
Als der Rettungswagen endlich eintrifft, schlägt Sarahs Herz zwar wieder, doch sie ist mehr tot als lebendig! Und dann folgt in der Berling-Klinik die erschütternde Eröffnung: Sarah, die immer aktiv und fit wirkte, leidet an einer gefährlichen pulmonalen Hypertonie! Ihr Lungendruck ist viel zu hoch, und ihr Herz droht unter der enormen Belastung zu versagen! Die Ärzte drängen zu einer höchst riskanten Operation – wenn sie Weihnachten erleben will ...
»Mami, du bist einfach eine Wucht! Das Zimmer ist urgemütlich geworden.« Sarah Zander stand begeister in ihrem neuen Reich und sah sich um. Sie waren noch nicht ganz fertig mit Einräumen, aber man konnte schon sehen, wie es werden würde. Genau so hatte sie es sich vorgestellt. Ohne die Hilfe ihrer Mutter hätte sie es nie hinbekommen.
Die Zweiundzwanzigjährige wollte Lehrerin werden wie ihre Mutter und studierte im vierten Semester Englisch und Geschichte in München. Bisher hatte sie noch zu Hause in Karlsfeld nahe bei München gewohnt und war jeden Tag zur Uni gependelt. Nun hatte sie sich ein Zimmer in einer Studentenwohngemeinschaft nahe bei der Uni gesucht.
Sie wagte sich in die erste Selbstständigkeit. Weder für Sarah noch für ihre Mutter war das leicht. Die Frauen hatten ein sehr enges Verhältnis, das durch den Tod von Sarahs Vater vor vier Jahren nur noch enger geworden war.
Beiden war klar, dass es an der Zeit war, sich etwas voneinander zu lösen, aber keine wusste, wie das gehen sollte. Sarahs Umzug nach München war ein erster wichtiger Schritt, um erwachsen zu werden. Ihre Mutter freute sich darüber, so weh es ihr auch tat, ihr Kind gehen zu lassen. Die Zeit dafür war gekommen.
»Doch, ich muss sagen, der neue Teppich und die neuen Möbel machen sich gut. Es war richtig, dass wir die alte Tapete heruntergerissen und Raufaser tapeziert haben. Mit der weißen Farbe wirkt der Raum viel heller und frischer. Hier kann man sich wohlfühlen«, befand auch Ulrike Zander ihr Werk für gut.
»Danke für die tollen Möbel! Die alten hätten es auch getan, Mami, aber so ist es natürlich schon feudal«, schwärmte Sarah. Sie wusste, dass ihre Mutter rechnen musste, und ihr Studium kostete schon genug.
»Für einen Neuanfang und den ersten Start ins eigenständige Leben braucht man etwas Neues, finde ich. Du kannst doch nicht mit deinem Jungmädchenzimmer auf Wanderschaft gehen!«, antwortete Ulrike. »Außerdem sollst du jederzeit nach Hause kommen können und dich im Vertrauten daheim fühlen.«
»Warte es nur ab, ich werde dir ständig auf der Pelle hocken und dir den letzten Nerv rauben!«, kündete Sarah an.
»Du hast ein Zuhause, in dem du jederzeit willkommen sein wirst, Schatz, aber ich möchte, dass du dir keine Gedanken um mich machst! Genieße die neue Freiheit! Komm, wann immer dir danach ist, doch glaube nicht, dass du nach deiner alten Dame sehen musst. Ich bin eine Große und schaffe das.«
Sie lächelten sich an und arbeiteten weiter. Noch standen einige Umzugskartons herum, deren Inhalt irgendwo untergebracht werden wollte. Sarah war froh, dass ihre drei Mitbewohner nicht da waren. Das Semester fing erst in einer Woche an, und sicher machten sie noch Urlaub.
Bisher war Sarah den dreien erst zweimal persönlich begegnet und konnte noch nicht abschätzen, ob sie mit ihnen klarkommen würde. Um das Zimmer zu bekommen, hatte sie sich einer Art Tribunal stellen müssen. Ihre zukünftigen Mitbewohner hatten über mehrere Tage verteilt zehn Kandidaten eingeladen und sich mit jedem einzelnen von ihnen in der WG-Küche zu einer eingehenden Prüfung auf Herz und Nieren zusammengesetzt.
»Es geht nicht nur darum, pünktlich deinen Teil von der Miete zu zahlen. Wir leben auf zu engem Raum, um uns nicht einigermaßen zu verstehen. Deine Vorgängerin war eine launische Ziege und hat uns alle genervt«, hatte ihr Annelie, die einzige andere Frau, erklärt und sie dabei kritisch gemustert. »Wie bist du so?«, wollte sie dann übergangslos wissen.
»Du meinst, ob ich eine Ziege bin? Na ja, falls ja, werde ich es kaum zugeben, oder?« Sarahs Mund war immer schneller als ihr Kopf. Sie hätte den dummen Scherz gerne zurückgenommen. Die Wohnung lag spitze, war zahlbar, und das Zimmer war etwas dunkel, aber groß. Sie wollte wirklich gerne einziehen. Sie verfluchte ihre Spottlust.
»Findest du das witzig?«, wurde sie von Annelie zurechtgewiesen, die offensichtlich wenig Sinn für Humor hatte. »Hast du überhaupt WG-Erfahrung? Wie können hier niemanden brauchen, dem wir erst mühsam beibringen müssen, wie der Hase läuft.«
»Ich habe bisher zu Hause bei meiner Mutter gewohnt, aber sie ist berufstätig. Für mich ist es selbstverständlich, meinen Teil im Haushalt und bei den Einkäufen zu übernehmen«, hatte Sarah brav und demütig geantwortet und gehofft, die Minuspunkte für ihr freches Mundwerk wieder ausbügeln zu können.
»Das kennen wir schon!« Ihr Gegenüber hatte geschnaubt und Johannes und Paul, den zwei WG-Männern, bezeichnende Blicke zugeworfen.
Das war es wohl, hatte Sarah gedacht und die Wohnung abgeschrieben. Was sollte es, dann blieb sie eben noch ein Semester zu Hause, hatte sie überlegt. Schließlich stand sie nicht unter Druck wie viele andere Studenten, die von weit her kamen und definitiv eine Wohnung in München brauchten.
»Und? Bist du eine Ziege und hast Launen, vor denen wir uns hüten müssen?«, hatte da Johannes gefragt. Er studierte Psychologie und amüsierte sich prächtig auf Sarahs Kosten, was ihr nicht entging. Sie konnte ihn auf Anhieb nicht ausstehen.
»Und ob! Mähhhh!«, hatte sie nicht widerstehen können. Wenn sie die Wohnung ohnehin nicht bekam, musste sie sich auch nicht verstellen. »Ich weiß, was ich will, lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen und beiße, wenn man mich in die Ecke drängt. Lasst mich einziehen und ich werde euer WG-Schreck und der Albtraum eurer schlaflosen Nächte!«
Johannes und Paul hatten schallend gelacht, und Annelies Miene war endgültig vereist.
»Klingt nicht übel, aber eher nach einer Wölfin auf dem Kriegspfad. Die Zuordnung zu den Tierarten ist immer etwas ungenau, findest du nicht auch, Annelie?«, hatte sich Johannes an seine Mitbewohnerin gewandt, die ihn wütend anfunkelte, aber nichts dazu sagte.
»Du hast das Zimmer!«, hatte Annelie Sarah nach zwei Tagen schnippisch am Telefon mitgeteilt. »Johannes und Paul finden dich witzig und haben mich überstimmt. Idioten! Bilde dir bloß nicht ein, dass du dich darauf ausruhen kannst! Bei uns muss jeder mit anpacken, sonst fliegt er wieder raus.«
»Annelie, lass mich erst einmal einziehen, bevor du mich wieder vor die Tür setzt! Vielleicht bin ich doch gar nicht so übel. Ich freu mich auf jeden Fall riesig. Danke!«, hatte Sarah gejubelt und damit die Hand zur Versöhnung ausgestreckt.
»Schauen wir mal!«, kam es knapp.
Am Tag danach hatte sie den Vertrag unterschrieben und sich die Schlüssel abholen können. Annelie war äußerst distanziert und kühl gewesen, aber Sarah traute es sich zu, das Eis zu brechen. Sie freute sich wirklich auf ihr neues Leben in München.
»Komm, ich lade dich zur Feier des Tages noch zum Essen ein und dann fahre ich«, meinte Ulrike Zander, als Sarah und sie mit allem fertig waren.
»Meine erste Nacht allein in meinem neuen Reich ...« Sarah sah sich mit großen Augen um und klang doch etwas bang. Das kleine, behütete Mädchen in ihr wäre gerne mit der Mutter heimgefahren, aber sie musste noch einiges Organisatorisches regeln, bevor sie die letzten Tage der Semesterferien bei ihrer Mutter zu Hause genießen konnte.
»Für mich ist es auch ungewohnt, Schatz. Mir wird unser Haus riesig vorkommen ohne dich, doch wir schaffen das. Es ist richtig so. Ohne die Fahrerei hast du viel mehr Zeit zum Lernen und kannst auch einmal etwas mit deinen Kommilitonen unternehmen«, machte Ulrike ihr Mut.
»Wenn du dich eingewöhnt hast, wirst du dein altes Muttchen im Handumdrehen vergessen. Dann muss ich jammern und betteln, damit du auf einen Sonntagsbraten vorbeischaust. So ist der Lauf des Lebens«, scherzte sie liebevoll, aber ihre Augen waren feucht.
»Keine Bange, zum Essen werde ich sonntags immer liebend gerne bei dir einfallen! Du hast keine Ahnung, was für eine Pampe es in der Mensa gibt. Ohne deine Küche werde ich rank und schlank werden«, prophezeite Sarah.
»Wie wäre es damit, selbst zu kochen?«, fragte die Mutter neckend. Sie wusste, dass es kaum etwas gab, was ihre Tochter an den Herd bringen konnte.
»Nie und nimmer! Willst du meinen Tod?«
Sie lachten und machten sich auf die Suche nach einem Lokal in der Nähe.
»Mama, ich hab dich lieb. Pass auf dich auf, und wenn dir das Haus zu leer wird, dann ruf mich an! Versprichst du das? Vielleicht war es doch eine dumme Idee, dass ich nach München ziehe. Ich hätte ja ...« Sarah kamen noch einmal alle Zweifel und Bedenken, als ihre Mutter nach dem Essen ins Auto stieg.
»Sarah, alles ist gut!«, unterbrach Ulrike. »Keine von uns ist aus der Welt. Zur Not kannst du mich jederzeit besuchen, und wenn ich ohne mein Kind nicht mehr kann, dann komme ich und lade dich auf einen Plausch in ein Café ein.«
»Schon, aber das ist nicht dasselbe.« Sarah konnte die Tränen nicht wegschlucken.
Ulrike lachte. Obwohl sie traurig war, freute es sie, dass sie als Mutter nicht alles falsch gemacht haben konnte. Sarah winkte ihr und wurde im Rückspiegel kleiner und kleiner, bis sie schließlich verschwand. Für Mutter und Tochter begann ein neuer Lebensabschnitt.
Erst als sie ihr Kind nicht mehr sah, ging Ulrike endgültig auf, dass sie von nun an wieder alleine war. Von nun an würde Sarah ihre eigenen Wege gehen, wie es sein sollte. Und sie? Wie stellte sie selbst sich ihr weiteres Leben vor? Sie hatte keine Ahnung.
Thomas und sie hatten Pläne gehabt. Sie hatten viele Pläne gehabt – für ihr gemeinsames Leben und ihr gemeinsames Alter. Warum hatte er mit einundfünfzig Jahren sterben müssen? Warum hatte sein Herz von einer Sekunde auf die andere beschlossen, nicht mehr zu schlagen?
Ulrike war traurig und vermisste ihren Mann, aber sie war eine starke Frau und entschlossen, das Beste aus diesem neuen Leben zu machen.
***
»Lässt du deine Sachen immer überall herumstehen?«, keifte Annelie und stellte Sarahs Keksdose demonstrativ von einem Gemeinschaftsregal herunter auf den Tisch. »Was sagst du, wenn sie leer ist? Räume deine Sachen gefälligst in dein eigenes Regal oder beschwere dich bloß nicht, wenn wir dir die Plätzchen wegessen!«
Die erste Semesterwoche war überstanden, und die vier hatten sich zu einem gemeinsamen Samstagsfrühstück verabredet, weil sie sich unter der Woche so gut wie gar nicht gesehen hatten. Es war zehn Uhr, und Annelie wirkte noch ziemlich verschlafen, während Sarahs Tag schon vor Stunden begonnen hatte.
»Nein, aber ich dachte, das wäre ein Gemeinschaftsregal, und da die Kekse für alle sind ...«, stotterte Sarah. Auf einen Streit hatte sie überhaupt keine Lust und hegte Fluchtgedanken. Nur weil man sich eine Wohnung teilte, musste man sich schließlich nicht mögen, und gemeinsam Frühstücken musste man erst recht nicht!
»Annelie, sie hat uns Kekse gekauft. Gib deinem harten Herzen einen Ruck, und hör auf, die Kleine zu schikanieren! Gut gemeinte Bestechungsversuche müssen wohlwollend entgegengenommen werden«, spöttelte Johannes.
»Idiot!«, griffen Sarah und Annelie ihn im selben Atemzug an. Sarah, weil sie niemanden brauchte, der sie verteidigte, und schon gar niemanden, der sie als »Kleine« titulierte. Annelie, weil sie morgens immer schlechte Laune hatte und mit Johannes öfter aneinandergeriet.
»Wusste ich es doch! Ich habe mit Paul gewettet, dass ihr euch am Ende gegen uns verbündet. Frauen mögen sich noch so wenig ausstehen können, gibt es ein männliches Wesen in der Nähe, werden sie sich zusammentun. Paul, du schuldest mir ein Bier!«
»Idiot!«, schimpfte da auch Paul, dem es unendlich peinlich war, sich auf diese dumme Wette eingelassen zu haben. »Das hatte eben überhaupt nichts mit männlich und weiblich zu tun. Ich verbünde mich mit dem Frauenvolk, und zwar gegen dich. Kein Bier!«
»Opportunist! Verräter! Geizhals!«, schlug Johannes zurück.
»Kaffee?«, fragte Annelie, lächelte Sarah an und schenkte ihr eine Tasse ein. »Willkommen in unserem Irrenhaus. Johannes übt an uns für seine psychiatrische Zukunft, und ich sehe schwarz für ihn – und für unser aller Seelenheil, wenn er erst Psychologe ist.«
Sie stellte die Kaffeekanne weg, nachdem sie auch Paul eingeschenkt hatte. Johannes ging leer aus.
»Und ich?«, fragte er im Jammerton. »Ich bin doch sooo sensibel und meine es nie böse! Ehrlich! Ich bin ein Lamm.«
»Ein Schafskopf bist du! Du nervst!«, knurrte Annelie.
»Schnief!«, machte er, wischte sich unsichtbare Tränen von den Wangen und schenkte sich ein.
Gegen ihren Willen musste Annelie über seine Grimassen lachen, und Sarah und Paul stimmten ein. Die Stimmung entspannte sich. Sie begannen, sich zu unterhalten. Da Sarah neu war, richteten sich die meisten Fragen erst einmal an sie. Noch wussten sie kaum etwas voneinander und wollten sich kennenlernen.
»Dann bist du gar keine Studienanfängerin mehr! Du siehst so jung aus wie frisch nach dem Abitur, und da du bisher zu Hause gewohnt hast, dachte ich, es wäre dein erstes Semester«, stellte Annelie fest. Sie war überrascht, dass Sarah in ihrem Alter war.