Chefarzt Dr. Holl 1903 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1903 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Sven weiß weder ein noch aus. Was ist nur mit Mia los? Gerade waren sie noch das Bilderbuchpärchen - glücklich verlobt, wollten heiraten. Alles war harmonisch, sie liebten sich. Doch in letzter Zeit ist seine Verlobte nicht wiederzuerkennen!
Die liebe, einfühlsame, stets freundliche Mia verhält sich ihm gegenüber plötzlich abweisend und gefühlskalt. Oft ist sie auch streitsüchtig - ja, sogar richtig aggressiv. Kürzlich machte sie ihm in der Kanzlei eine irre Szene, was ihn den Job hätte kosten können!
Aber auch ihr einst so heißgeliebtes Restaurant vernachlässigt sie. Sven will es sich gar nicht eingestehen, doch Mia wäscht sich auch nicht mehr. Und davon nicht genug: Zu den unmöglichsten Zeiten hängt sie in Bars herum, verprasst ihr ganzes Geld, und dann bringt sie eines Nachts auch noch diesen wildfremden Mann mit nach Hause! Wo soll das nur enden?


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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Nie mehr Mia?

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Tinxi / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0650-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Nie mehr Mia?

Der Persönlichkeitswandel einer Patientin stellt Dr. Holl vor ein Rätsel

Von Katrin Kastell

Sven weiß weder ein noch aus. Was ist nur mit Mia los? Gerade waren sie noch das Bilderbuchpärchen – glücklich verlobt, wollten heiraten. Alles war harmonisch, sie liebten sich. Doch in letzter Zeit ist seine Verlobte nicht wiederzuerkennen!

Die liebe, einfühlsame, stets freundliche Mia verhält sich ihm gegenüber plötzlich abweisend und gefühlskalt. Oft ist sie auch streitsüchtig – ja, sogar richtig aggressiv. Kürzlich machte sie ihm in der Kanzlei eine irre Szene, was ihn den Job hätte kosten können!

Aber auch ihr einst so heißgeliebtes Restaurant vernachlässigt sie. Sven will es sich gar nicht eingestehen, doch Mia wäscht sich auch nicht mehr. Und davon nicht genug: Zu den unmöglichsten Zeiten hängt sie in Bars herum, verprasst ihr ganzes Geld, und dann bringt sie eines Nachts auch noch diesen wildfremden Mann mit nach Hause! Wo soll das nur enden?

Mia Bergfeld schob das Rad in den Abstellraum und betrachtete es prüfend von beiden Seiten. Alles war heilgeblieben, stellte sie einigermaßen zufrieden fest. Zum Glück hatte auch sie selbst keinen Schaden genommen, als der Wagen sie an die Seite gedrängt und zum Sturz gebracht hatte. Doch der Schock saß noch tief.

Diese rücksichtslose Person war einfach weitergefahren, ohne auch nur anzuhalten. Es hätte für sie auch ganz anders ausgehen können! Hatte der Fahrer – oder die Fahrerin – nichts gemerkt? Oder nichts merken wollen?

Als sie sich aufgerappelt und wieder festen Boden unter den Füßen verspürt hatte, war von dem Wagen nichts mehr zu sehen gewesen.

Mia konnte noch nicht einmal herausfinden, ob es womöglich Zeugen für diesen Unfall gab. Es war schon dunkel gewesen und die Straße menschenleer. Davon abgesehen hatte sie jetzt für eine umfangreiche Suchaktion überhaupt keine Zeit. Silvester stand vor der Tür. Und da gab es für sie noch eine Menge zu erledigen.

Sie würde Svens Meinung zu diesem Unfall einholen. Mia schloss die Tür zum Fahrradraum, blieb kurz stehen und beschloss zwei Sekunden später, Sven doch lieber nichts von dem Vorfall zu erzählen.

Sie sah die ganze Szene schon vor sich. Er würde aufspringen, sie in die Arme schließen und nach Verletzungen absuchen. Gleichzeitig würde er sich mit sorgenvoller Miene nach ihrem Wohlbefinden erkundigen.

Nein, alles okay, es mir geht es gut. Mir fehlt nichts.

Dann würde er wissen wollen, ob sie sich das Nummernschild oder Teile davon gemerkt hätte.

Es ging ja alles viel zu schnell. Als ich mich hochrappelte, war der Wagen längst verschwunden. Ist einfach weitergefahren.

Und drittens käme die Frage nach dem Fahrradhelm.

Den hatte ich nicht auf. Ich war ja gerade bei Hanni, meiner Friseurin. Welche Frau stülpte sich dann dieses scheußliche Ding auf die frisch geföhnte Frisur?

Mia überdachte diese Szene, die sich genauso abspielen würde, noch ein zweites Mal, dann entschied sie sich, den Unfall definitiv nicht zu erwähnen. Sie schloss die Wohnungstür auf.

»Hallo, Sven, ich bin da.«

Sie hörte, wie er seinen Stuhl zurückschob, um aus seinem Arbeitszimmer zu kommen und sie zu begrüßen. Schnell zog sie Daunenjacke aus und verschwand im Bad. Dort zog sie ihren Pullover und die lange Hose aus und betrachtete sich eingehend im Spiegel. Am rechten Oberschenkel war eine größere rote Stelle, ein Bluterguss. Er tat nur wenig weh. Den konnte sie mit einem Stoß an einer Tischecke erklären. Ansonsten fand sie keine auffälligen Prellungen.

Hinter der rechten Schläfe befand sich Straßenschmutz im Haaransatz. Vorsichtig wischte sie ihn mit einem Peeling-Handschuh weg. Hier war die Kopfhaut etwas abgeschürft und schmerzte leicht, wenn sie mit den Fingerkuppen darüberstrich, aber die minimale Wunde sah man nicht im dichten Haar. Und morgen würde sie schon wieder verschwunden sein.

Keine große Sache also. Glück gehabt. Mia wollte den Unfall so schnell wie möglich vergessen und sich ganz auf die Feiertage am Jahresende zu konzentrieren. Dass in ihrem kleinen, aber hochfeinen Restaurant die Silvesterfeier ablief wie geplant, war jetzt das Wichtigste.

Alle Tische waren schon lange reserviert, das sechsgängige Menü stand fest, die edelsten Weine warteten auf ihren Anbruch. Es war Mias größtes Bestreben, den zahlungskräftigen Gästen zum Jahresausklang ein unvergessliches Erlebnis in Sachen Kochkunst zu bieten. Dieser dumme Zwischenfall würde sie nicht daran hindern. Außer ein paar kleinen Prellungen war ja nichts passiert.

Sven klopfte ungeduldig. »Was ist los, mein Schatz?«

Mia öffnete die Tür. »Nichts, musste nur ganz dringend aufs Klo.«

Kleine Notlügen waren, ihrer Meinung nach, kein Problem. Svens besorgter Blick hellte sich auf, als sei an diesem trüben Winterabend unverhofft die Sonne aufgegangen.

Vor ihm stand Mia nur in BH und Slip. Mit wachsendem Entzücken betrachtete er die sanften Rundungen seiner Liebsten, bevor er sie wohlig seufzend in die Arme schloss. Nach vielen kleinen Küssen auf Mund, Wangen, Hals und Schultern schob er sie ein wenig von sich weg, um sie erneut verliebt zu betrachten.

Dieser ebenso schönen wie klugen Frau begegnet zu sein, sah er auch heute, nach fast drei Jahren, als ein kostbares Geschenk des Schicksals an, dem er sich bis zu seinem letzten Atemzug würdig erweisen musste.

»Fällt dir nichts auf?«, erkundigte sich Mia mit einem schelmischen Lächeln.

»Du siehst wundervoll aus.«

»Sonst nichts?«

»Na, hör mal, das ist doch schon ...«

»Schau mich genau an.« Um ihm einen Hinweis zu geben, drehte Mia eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger.

»Aber das tu ich doch die ganze Zeit.«

»Ich war bei Hanni.«

»Eine Freundin?«

»Oh – mein – Gott!«, rief Mia gespielt enttäuscht. »Wo habt ihr Männer nur eure Augen? Hanni macht mir die Haare. Und die sind jetzt ein ganzes Stück kürzer.«

Sven ergriff sofort eine Strähne. »Ja, klar! Ist mir natürlich direkt aufgefallen, ich wollte nur nichts sagen. Die Frisur steht dir wirklich gut«, beeilte er sich zu versichern.

»Schmeichler!«, erwiderte sie und ging ins Schlafzimmer, zog sich eine Bluse über und schlüpfte in einen bequemen Rock.

»Möchtest du jetzt mit mir zu Abend essen? Ich habe was aus der Küche mitgebracht. Pasta mit Meeresfrüchten. Das ist heute unser Tagesgericht. Wir müssen es nur noch aufwärmen.« Die Transportdose in ihrem Rucksack war bei dem Sturz zum Glück heilgeblieben. »Übernimm du das bitte.«

»Zu Befehl, gnädige Frau.« Sven drückte ihr noch einen Kuss auf die Nase und verschwand in der Küche.

Mia ließ sich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. Im Sitzen spürte sie das Hämatom etwas stärker. Aber es war ganz sicher nichts gebrochen, sonst hätte sie ja gar nicht weiterradeln können.

Während die Nudeln warm wurden, deckte Sven den Tisch und öffnete einen Rotwein aus dem Beaujolais, einem Weinbaugebiet in Südburgund. Er polierte mit einem Küchentuch die feinen Gläser und rief dann seine Liebste zu Tisch.

An diesem Abend aß Mia noch eine zweite, allerdings kleinere Portion. Der Sturz und die Erleichterung, dass ihr nichts weiter passiert war, hatten sie hungrig gemacht.

Sven erzählte von einem Gespräch mit seinem Chef Axel Lassow, der seine Verteidigungsstrategie in einem Strafprozess gelobt hatte.

»Ich bin stolz auf dich«, sagte Mia fröhlich und legte ihre Hand auf Svens Arm. »Eines Tages wirst du deine eigene Kanzlei leiten.«

»Ja, das wäre schön«, erwiderte Sven. »Aber in der Zwischenzeit fühle ich mich bei Dr. Lassow gut aufgehoben. Von ihm kann ich noch viel lernen.«

***

Im Hause der Familie Holl saß man ebenfalls am Esstisch. Die Haushälterin Cäcilie hatte Wiener Schnitzel mit Beilagen aufgetischt.

»Der Kartoffelsalat ist ihr wieder mal hervorragend gelungen«, stellte Julia anerkennend fest.

Cäcilie erledigte schon seit vielen Jahren den Haushalt der Arztfamilie. Alle vier Holl-Kinder liebten sie – nicht nur wegen der wundervollen Süßspeisen, sondern auch, weil sie immer ein offenes Ohr für die kleinen und großen Probleme hatte.

Nachdem die Teller abgeräumt waren, nahmen alle im großen Wohnzimmer Platz. Dr. Stefan Holl, Chefarzt der Münchner Berling-Klinik, betrachtete zufrieden die Häupter seiner Lieben.

»Alle sind gesättigt«, stellte er fest. »Schön, dass die Familie mal wieder vollzählig beisammen ist.«

»Das finde ich auch«, pflichtete Julia ihrem Mann bei.

Besonders Marcs Anwesenheit freute die Eltern. Der junge Medizinstudent absolvierte zurzeit ein Auslandssemester an der renommierten Harvard Medical School in Boston, war aber über die Feiertage nach Hause gekommen. Er erzählte fast ohne Punkt und Komma, weil seine Zwillingsschwester Daniela, sein jüngerer Bruder Chris und das Nesthäkchen Juju alles über seinen Aufenthalt in den USA wissen wollten. Auch die stolzen Eltern löcherten ihn mit Fragen.

Juju klemmte sich zwischen Chris und Marc auf das Sofa.

»Hast du denn nie Heimweh?«, wollte die Elfjährige wissen.

»Überhaupt nicht. Dazu bleibt einfach keine Zeit. Es ist ein ziemlich harter Job, aber ich lerne viel. Und das ist die Hauptsache.«

»Ganz meine Meinung, Junge«, ließ sich Stefan Holl vernehmen.

»Ich habe den Eindruck, dass du abgenommen hast.« Julia Holl, selbst approbierte Kinderärztin, musterte ihren Ältesten, der ihr deutlich schmäler vorkam als bei seiner Abreise im Herbst.

»Mach dir mal keine Sorgen um ihn«, nahm Daniela ihren Zwillingsbruder gleich in Schutz. »Er ist alt genug, um gut auf sich selbst aufzupassen.«

»Ich muss noch unbedingt was loswerden«, sagte Marc, der sich diese Geschichte für die Gesprächsrunde nach dem Essen aufgehoben hatte.

»In der Medical Harvard School ist auch das Warren-Museum für Anatomie untergebracht. Es wurde 1847 vom Harvard-Professor John Collins gegründet. Als Zentrum für die Geschichte der Medizin.«

Stefan lächelte wissend. Als Einziger in der Familie ahnte er, was jetzt kommen würde.

»Och, das ist aber langweilig«, maulte Juju.

»Warte doch erst mal ab«, verlangte Marc und drückte die kleine Schwester fest an seine Seite.

»In eben diesem Museum ist der Schädel eines Mannes namens Phineas Gage ausgestellt.«

»Ein Totenschädel, na und? Das ist doch nichts Besonderes.«

Juju gähnte demonstrativ. Totenschädel hatte die Arzttochter in Vaters Anatomie-Büchern schon genug gesehen. Und auch nachgebildete Skelette waren für sie etwas ganz Normales.

»So sehen wir halt aus, wenn wir lange genug unter der Erde gelegen haben«, pflegte sie bei Gelegenheit ihren Freundinnen zu erklären.

»Dieser Schädel ist schon was Besonderes. Er ist nämlich ziemlich berühmt, weil er ein großes Loch über dem rechten Auge hat.«

Alle Blicke richteten sich jetzt auf den Medizinstudenten.

»Dieses Loch rührt von einer dicken Eisenstange her, die bei einem Sprengunfall von unten links in die Augenhöhle eindrang und an der frontalen Schädeldecke wieder herauskam. Der Mann, dem das passierte, hieß Phineas Gage. Er arbeitete bei der amerikanischen Eisenbahngesellschaft. Das alles geschah in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.«

Julia betrachtete ihre Jüngste etwas besorgt, denn Juju lauschte jetzt sehr interessiert.

»Dann war der gute Mann ja ordentlich tot«, sagte Juju.

»Nein, war er nicht. Das Unvorstellbare geschah. Der Mann überlebte. Er hat bei dem Unfall noch nicht mal das Bewusstsein verloren. Die Ärzte zogen ihm die Stange mit Gewalt aus dem Kopf. Nach ein paar Wochen war er wieder fit. Zwar war das rechte Augen zerstört, aber der Mann starb erst viele Jahre später.«

Marc schaute zu seinem Vater. »Das war schon eine Glanzleistung der damaligen Mediziner. Was sagst du?«

»Allerdings. Nicht ohne Grund wurde dieser Fall in der Medizingeschichte berühmt, zum Teil aber auch sensationell ausgeschmückt.«

»Nach der Schädigung des Frontalhirns kam es bei ihm dann zum typischen Symptomenkomplex ...«

»Was ist das?«, fragte Juju, jetzt doch schon etwas schläfrig.

»Darüber reden wir ein anderes Mal«, erklärte Julia resolut. Im Beisein Jujus sollte jetzt nicht noch eine fachliche Erörterung der Symptomatik erfolgen. Der fünfzehnjährige Chris war ohnehin schon wieder mit seinem Smartphone beschäftigt. »Unser Schätzchen muss jetzt schlafen.«

Zunächst sträubte sich Juju noch, doch als der Papa anbot, sie ins Bett zu bringen, war sie sofort einverstanden. Wenig später verschwanden auch die anderen Kinder in ihren Zimmern. Nur Stefan und Julia saßen noch eine Weile bei Kerzenschein zusammen.

»Mach dir keine Sorgen wegen Juju«, sagte Stefan und legte den Arm um seine Liebste. »Sie ist ein aufgewecktes Kind und nicht so leicht zu erschüttern. Gerade im Bett hat sie mir übrigens ihren neuen Berufswunsch verraten.«

»Und?«

»Tierärztin. Aber nur für Elefanten.«

***

Mia Bergfeld und Ella Groner kochten gemeinsam in der Küche des Restaurants Aubergine. Noch war es ein Geheimtipp, doch schon jetzt lagen Reservierungen für die nächsten beiden Wochen vor.

Beide Frauen waren ausgebildete Köchinnen. Mia war in Sachen feine Küche ein Naturtalent und hatte trotz ihrer erst siebenundzwanzig Jahre schon bei Maître Jean Morin in Paris als Sous-Chefin erste Lorbeeren gesammelt.

Ella Groner, zehn Jahre älter als Mia, kam aus Hamburg, wo sie in einem Sterne-Restaurant gearbeitet hatte – bis sie sich mit dem Chefkoch verkracht und die Stadt verlassen hatte.

Für heute, den letzten Tag des Jahres, war zusätzliches Service-Personal engagiert worden. Hinter der Bar stand Ellas Freund Jörg und erledigte die Getränkeausgabe. Er verstand viel von Weinen und mixte wunderbare Cocktails.

Ella bereitete die Vor- und Zwischengerichte zu, Mia die Hauptspeise und das Dessert. Beiden Frauen war es ein Anliegen, den Gästen ein unvergessliches kulinarisches Erlebnis zu bescheren. Den heutigen Jahresausklang sollten alle in bester Erinnerung behalten.

Mia hatte schon den ganzen Tag leichte Kopfschmerzen, was sie aber nicht auf den Sturz zurückführte, sondern auf die Aufregung schob. Bei der Zubereitung des Menüs durften keine Fehler passieren. Sie hatten schon einiges vorbereiten können, aber erst, wenn die Gäste da waren, konnten sie die Gerichte fertigstellen und dekorativ anrichten. Sie schluckte eine Ibuprofen-Tablette.

Bevor sie am frühen Nachmittag ins Restaurant fuhr, nahm sie noch eine Tablette. Nun spürte sie nichts mehr und konnte sich voll und ganz auf den heutigen Abend konzentrieren.

Er musste ein Erfolg werden. Es kamen immer noch Anfragen nach freien Tischen. Zu ihrem Bedauern konnte sie nur absagen.

Sie verabschiedete sich von Sven. Seinen zärtlichen Kuss empfand sie als Stärkung für die Turbulenzen, die es ganz sicher auch geben würde. Irgendein Missgeschick, und sei es noch so klein, passierte immer.

In der Restaurantküche herrschte bereits Bienenkorbstimmung. Die Chefköchin verteilte ständig Befehle an ihre vier Mitarbeiter, die auch prompt ausgeführt wurden. Gemüse putzen, Kräuter und Zwiebeln schneiden, Dressings anrühren, Nudelteig ausrollen, all das geschah gleichzeitig und lag dann zur Weiterverarbeitung durch das Köchinnen-Team bereit. Mia und Ella arbeiteten Hand in Hand. Sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten.

Die ersten Gäste trafen um zwanzig Uhr ein. Mia ließ es sich nicht nehmen, sie im Koch-Dress zu begrüßen und zu ihren Plätzen zu führen. Als sie wieder in die Küche musste, um die Vorspeisen herzurichten, übernahm eine von den Leih-Kellnerinnen diese Aufgabe.

Fast alle Anwesenden bestellten zunächst einen Aperitif, die meisten entschieden sich für einen Kir Royal, einem Cocktail aus Champagner mit Crème de Cassis.

Die Schlemmerei konnte beginnen. Mia gab ihrem Servier-Team ein Zeichen.

Zunächst wurden Kanapees aufgetragen, belegt mit Pecorino, Feigen und Honig. Als die kleinen Häppchen verspeist waren, folgte eine hauchfeine Teigtasche, gefüllt mit Pfifferlingen. Nach einer Pause servierte Mia mit ihrer Crew die Jakobsmuscheln in Blätterteig. Die Gäste sollten alle so gleichzeitig wie möglich bedient werden und die dazu passenden Weine serviert bekommen.

Nun erklang Gitarrenmusik, gespielt von einem eigens für diesen Abend engagierten Solisten. Das angeregte Plaudern der Gäste wurde vom feinen Klirren der Kristallgläser untermalt.

Mit einem Blick in die Runde vergewisserte sich Mia, dass alles bestens lief. Sie gönnte sich eine kleine Auszeit bei Sven, der mit Jörg an einem Tisch saß. Die beiden Männer schienen sich gut zu unterhalten.

»Wie fandet ihr unsere Kochkunst bis jetzt?«, wollte Mia wissen. »Seid ihr zufrieden?«

Sie wurde mit Lob geradezu überschüttet.

»Ihr seid ein ganz wunderbares Gespann«, sagte Jörg. »Bald werdet ihr den ersten Michelin-Stern bekommen.«